Seitenwind Woche 7: Göttlicher Auftritt

Willkommen zur siebten und finalen Perspektive von Seitenwind.

Deine Perspektive:

Ein Gott. Eine mythologische Figur vergangener Zeitalter. Du bist erwacht und wirst ins hektische Jahr 2023 gestoßen.

Deine Aufgabe:

Wie fühlst du dich, wenn du in diese neugeborene Welt trittst? Erinnern dich die Wolkenkratzer an alte Tempel und konkurrieren Social-Media-Influencer als die neuen Gottheiten? Tauche ein in deine Entdeckungs- und Entscheidungsreise: Wirst du ein Einsiedler, ein Erretter oder die nächste virale Sensation?

Teilnahme
• Poste deinen Beitrag hier in diesen Thread bis Freitag, den 1.12.2023, 15:00 Uhr.

• Bitte gib nur einen Beitrag pro Wochenthema ab und verfasse ihn neu für die Perspektive. Falls du deine Geschichte lieber aus erzählerischer Perspektive schreiben möchtest, ist das auch OK. :wink:

• Gib den Beiträgen, die dir am besten gefallen, ein Like mit dem Buchicon! Gib laufendes Feedback auf die Beiträge anderer mit Kommentieren.

• Der beliebteste Beitrag wird mit einer Vollversion von Papyrus Autor 11 gefeiert! Zusätzlich verlosen wir ein weiteres Papyrus Autor 11 unter allen Teilnehmern.

• Details zur Schreibsaison: Seitenwind: Perspektiven. Deine Schreibsaison 2023

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Wir Forianer

Wir Forianer sind Geschichtenerzähler.
Uns eint ein gemeinsames Interesse, die Leidenschaft für Geschichten. Gottgleich erschaffen wir Welten, Tiere und Menschen.
Wir helfen und unterstützen uns mit Ratschlägen und aufmunternden Worten. Aber trotzdem sind wir Rivalen und kämpfen hingebungsvoll gegeneinander um virtuelle Büchlein.
Ich frage mich, wie wohl ein Planet aussehen würde, den wir Forianer erschaffen. Ziemlich sicher gäbe es eine große allgemein zugängliche Bibliothek, Lesesessel frei Haus, viele Schreibstüblein sowie Buchstabensuppe als Nationalgericht.
Lasst uns gemeinsam diesen Planeten schaffen!
Wir wissen ja, wie das geht: Am Anfang war das Wort …

Viele Namen, viele Gesichter, ein Wille

Ich bin es.Glaubst du an mich?
Viele Menschen geben mir die unterschiedlichsten Namen. Einmal bin ich ich „Gott“, ein anderes Mal nennen Sie mich " Allah". Viele Menschen leugnen mein Dasein. Es passieren Kriege auf der Welt, die ich erschaffen habe in meinem Namen.
Die Waffenindustrie verdient Milliarden an diesen schrecklichen Kriegen. Die Welt verliert daran, was keine Währung je bezahlen könnte.

Ich bin sehr traurig, wenn ich diese Dinge beobachten muss.
So war mein Plan nicht gedacht.
Ich kreierte für alle Lebewesen das schönste Paradies. Ihr nennt es die Erde.
Doch ihr wisst nicht, dass es ein solches Paradies ist. Stattdessen glauben viele von euch Menschen, ihr erreicht den schönsten Ort erst nach eurem Tod.
Erwacht aus eurem Schlaf und öffnet eure Augen. Ihr seid bereits da. Ich habe euch alles gegeben was man braucht. Niemand muss hungern oder frieren in meiner Welt für euch.
All dieses Leid auf Erden habt ihr euch selbst erschaffen.

Doch selbst jetzt gebe ich euch noch die Möglichkeit das Ruder wieder rumzureißen. Ich erneuere nicht nur eure Körper, wenn ihr aufhört zu trinken, zu rauchen und ungesund zu Essen.
Nein, ich lasse auch die Wälder wieder wachsen, die ihr abgeholzt habt in Massen.
Ich erneuere jeden Ozean, wenn ihr mich lässt.

Ich bin sehr mächtig, mächtiger als jede Gottesgeschichte in euren heiligen Schriften.
Ich nenne mich Naturgewalt. Mich gab es schon immer und wird es immer geben. Was mit euch auf Erden wird passieren, das entscheidet Ihr alleine.

Nennt mich wie Ihr möchtet, Worte sind nichts wert für mich. Ehrt mich mit euren Taten und ich bin euch wohlgesonnen.

Die Siegerin

Ein Schubs und da stand ich. Auf allen Vieren. Eben noch war ich umgeben von allem, was ich kannte und nun? Ich schaue an mir hinunter. Wo sind meine Flügel, meine Hände? Ich sehe nur schwarze Pfoten. Was ist mit mir geschehen?
Vorsichtig hebe ich eine Pfote an, begutachte, was ich da sehe. Drehe mich um die eigene Achse, einmal im Kreis. Wo bin ich hier? Wo ist der Tempel? Wo meine Geschwister?
Ein Kribbeln macht sich in meinem Körper breit. Haare stehen mir zu Berge. Unwillkürlich drücke ich meinen Rücken durch, als ich eine Stimme gar nicht so weit entfernt nach mit rufen höre. »Nike!«, ertönt es noch einmal.
Langsam und zögernd bewege ich mich in Richtung der Stimme. Fremd sieht hier alles aus. Statt Marmor ziert irgendein Papier die Wände. Aber es duftet so unglaublich gut.
Und dieser Duft zieht mich an, fast schon magisch. Aus den Tiefen meiner Kehle dringt ein Schnurren. Huch! Was war das? Ich kann das gar nicht kontrollieren.
Rrrrrrr… da ist es wieder. Es brummt und summt in mir und ich nähere mich immer weiter dem Duft und dieser betörenden Stimme, die schon wieder meinen Namen nennt. Doch diesmal flüstert sie ihn: »Komm her, kleine Nike! Keine Angst. Ich tu dir nichts.«
Wer ist diese Frau? Weiß sie nicht, wen sie vor sich hat? Ich habe Siege nach Hause getragen, davon singen andere Lieder. Aber sie ist so groß, überdimensioniert. Vorsichtig wende ich meinen Blick nach oben. Machtvoll ragt sie über mir auf. Schnell senke ich den Blick wieder. Zurück auf ihre Schuhe, auf denen ein Zeichen prangt, was mich irgendwie an meine Schnelligkeit und Wendigkeit erinnert.
Da ist er wieder, der Geruch, der alles durchdringt, in jede meiner Poren zieht. Ich kann einfach nicht anders und erhebe wieder meine Augen. Sehe die Frau vor mir an. Sie hat etwas in der Hand. Hält es mir hin. Ich kann einfach nicht mehr widerstehen. Schmiege mich vorsichtig an ihre Hand und nehme es mit meinem Mund aus ihren Fingern. Oh Gott, das ist so lecker. Was auch immer das ist. Ich bin mir mit einer Sache ganz sicher. So fühlt es sich an, wenn man wiedergeboren wird.
Die Frau greift mir unter den Bauch, hebt mich hoch zu sich, streichelt dabei sanft mein Öhrchen.
Ganz egal, wo ich herkam. Hier bleib ich. Hier bin ich die Siegerin.
[/quote]

Viele Namen

Es ist zu einfach, geradezu erschreckend, euch jämmerlichen Menschen zu manipulieren. Seitdem es Zivilisationen gibt, lauft ihr mir hinterher, betet mich an, doch all das nützt euch rein gar nichts. Ihr kennt mich unter so vielen Namen. Als doppelgesichtiger Gott Janus in Rom, Plutus bei den Griechen, die Wikinger nannten mich Njord, doch am besten trifft es mein aramäischer Name. Mammon, schnöder Mammon. Denn genau das bin ich, ein wertloser Götze, der noch nie etwas Gutes für euch getan hat.

Längst habe ich mich als Weltreligion etabliert, kein Staat kommt mehr ohne mich aus. Ich bin der Grund für eure Kriege, ich zerstöre Freundschaften und entzweie Familien, denn beim Geld hört jede Freundschaft auf. Nur wegen mir versucht ihr nicht mal euren Planeten zu retten, denn jeder Versuch sauberer zu wirtschaften schwächt die Einnahmen. Mich, das Geld, liebt er mehr, als die einzige Heimat, die ihr habt.

Ihr wisst das, aber aufgeben werdet ihr mich nie. Ihr tauscht eure knapp bemessene Lebenszeit ein, um Geld zu bekommen, nur um es dann für Zeug auszugeben, das ihr nicht braucht, um die zu beeindrucken, die ihr nicht leiden könnt. Und zu allem Überfluss verzockt ihr es, im naiven Glauben, es könnte ja diesmal klappen beim Lotto. Wird es nicht, ich bin doch nicht blöd. Mit all dem nährt ihr mich, meint ihr, ich will meine Sklaven verlieren?

Alle Jahrhunderte wieder

Als ich die Augen aufschlug war alles neu und alles gleich. Die Außenwelt sah anders aus, aber im Inneren war alles gleich geblieben.

Die Menschen hatten sich nicht geändert. Sie fuhren in Metall anstatt mit Kutschen und kleideten sich in Baumwolle anstatt Leinen aber sie wurden immer noch beherrscht von denselben Herz, voller Liebe, Schmerz, Hass und Freundlichkeit wie in jedem Jahrhundert.

„Selber scheiß, anderes Jahrhundert“, fluchte Grandium, dessen Ablösung ich war, damit er in einen ruhenden Schlaf gleiten konnte, „sei froh, dass du das 20. Jahrhundert verpasst hast. Shitshow, durch und durch.“

Ich schwieg, wollte mir meine eigene Meinung bilden. Es gab immer Höhen und Tiefen, Gutes und Böses, eine dunkle und eine helle Sei-…na, ihr versteht schon.

„Möchten Sie noch einen Kaffee?“, ein junger Kellner schaute uns freundlich an und als unsere Blicke sich trafen, brach ein Lächeln auf meinem Gesicht aus.

Das war mein Grund immer wieder zu kehren: der junge Kellner, der in seinem letzten Leben ein Graf war, davor ein Schmied, davor eine Nobelsdame.

„Noch ein Kaffee wäre wundervoll.“

Ihre Durchlaucht, die Göttin der Nacht-Nyx! Geboren aus dem Chaos.

Kawums! Tot. Aber von vorne:
Wind, Nacht und Nebel. Mysterien, Angst und Schauder. Das bin ich. Nyx-Göttin der Nacht. Chaosgöttin der ersten Generation. Erwacht aus den Tiefen des Hades. Heute wird die Nacht der Nächte. Nach 3000 Jahren tiefsten Schlummers kehre ich auf die Erde zurück, um euch zu beglücken, ihr lieben Menschen.
Ein letztes Leben haben sie mir zugestanden. Es wird episch werden!
Mein Gewand ist gesponnene Seide, schwarz natürlich, genau wie mein Haar. Den Blick auf die Welt vor mir gerichtet, schreite ich in meinen Pumps über den dampfenden Asphalt. Der Boden verneigt sich vor mir, genau wie alle anderen Götter. Die Menge jubelt, bis…ja bis eine Horde Menschlein mitten auf der Straße sitzt. Festgeklebt haben sie sich. Plakate in der Hand mit der Aufschrift: Wir sind die letzte Generation! Mmh. Nun ja, warum nicht. Wenn ich eine der Ersten war, muss es auch die Letzten geben. Elegant lasse ich mich auf den Boden neben Bogor sinken. Mein Haupt verneigt sich, ich lächele und winke, als die Menge hysterisch aufschreit. »Danke, ihr Lieben. Danke.« Zwei große, runde Leuchten setzen mich in Szene. Geben meinem nachtschwarzen Haar, einen goldenen Schimmer. »Ey, du Bekloppte!!! Der LKW stoppt nicht!!!« Schön war es. Kurz, aber schön.

Thors Tales

„In den nebelverhangenen Hallen und hallenden Gängen von Asgard, wo Heldenlieder gesungen werden und Götter in ewiger Pracht thronen, beginnt unsere Geschichte.“

„Mach mal halblang.“

„Zu schwülstig?“

„Wie ein Pfau in der Paarungszeit, Bruder.“

„Loki, du nervst. Irgendwas muss ich doch erzählen beim Berufsvorstellugnstag in der Kita.“ Thor spielte nervös an seinem Hammer herum.

Loki schüttelte amüsiert den Kopf. Warum hast du sich auch von „Valhallas Sprösslinge“ einladen lassen? Und Gott ist nun nicht wirklich kein Beruf.

„Das sehe ich anders“, grummelte ich. „Du denkst das nur, weil du nichts ernst nimmst.“

„Oh doch. Ich bin sogar gerade an einer Sache dran …“

„Ja? Sicher einer deiner üblichen Spinnereien.“

„Nein, es geht darum, unsere Kräfte für etwas ganz Großartiges einzusetzen!“

„Ein Kartenspiel gegen ein paar betrunkene Wikinger zu gewinnen? Deine großartigen Ideen führen immer nur zu Ärger oder Chaos.“ Ich wusste nicht, ob ich den Spinner auslachen sollte. Womöglich würde ihn das nur ermutigen.

„Du hast keinen Sinn für Abenteuer“, seufzte Loki. „Dein Hammer ist schon ganz stumpf. Ich habe einen Zauber entdeckt, der uns an Orte jenseits unserer Vorstellungskraft bringen kann.“

Bevor ich protestieren konnte, hatte mein Bruder aber bereits die magischen Worte gemurmelt. Ein grelles Licht umhüllte uns, und mit einem lauten Knall landeten sie inmitten einer belebten Straße. Und mitten im Jahr 2023. Woher ich das weiß? Herje, ich bin ein Gott.

„Bei Odins Bart, Loki! Was hast du getan?“, brüllte ich, während ich mich umsah. Wir standen mitten in einer fremden Stadt, umgeben von hohen Gebäuden und glänzenden Karren, die sich wie die Winde bewegten.

„Nur ein bisschen Spaß, Bruder“, kicherte Loki. „Entspann dich mal.“

Ich hob drohend meinen Hammer Mjölnir. „Rückgängig machen, Loki, oder ich schwöre…“

Loki lachte nur und wollte wohl etwas erwiedern, als uns ein junger Mensch unterbrach: „Coole Kostüme! Seid ihr Cosplayer?“, fragte er. „Kann ich ein Foto mit euch machen?“

Ich war verwirrt. „Ich bin Thor, der Donnergott, und das ist Loki, der … ach egal. “

Der Junge grinste und machte ein Bild mit uns mit seinem Taschen-Bifröst, oder wie die Menschen ihre Regenbogenbrücke ins Virtuelle nennen. „Krass, ihr bleibt echt in euren Rollen. Genial!“

Loki zog mich weiter in die Menge. „Lass uns sehen, was diese Welt zu bieten hat“, sagte er.

Wir schlenderten durch die Straßen und staunten über die seltsamen Dinge und Themen, die die Menschen beschäftigten. Wo waren denn hier die Trinkgelage? Wo die Lagerfeuer? Nicht mal einen anständigen Hafen mit Langbooten hatte diese Stadt. Aber trotz meiner Verärgerung über unsere ungewollte Reise, konnte ich nicht anders, als über einige der kuriosen Dinge, die wir sahen, zu schmunzeln.

„Siehst du, Bruder, so schlecht ist es hier gar nicht“, sagte Loki, als wir an einem Straßenstand anhielten, der etwas namens ‚Hot Dogs‘ verkaufte.

Ich kaute nachdenklich. „Seltsam im Geschmack, aber nicht ungenießbar.“

Am Ende des Tages fanden wir doch noch unser Trinkgelage. Die Menschen nennen es nun Bar, aber das Prinzip bleibt das gleich. Nach ein paar Bier – nicht mal Met haben sie mehr - waren wir umgeben von Menschen, die gespannt unsere Geschichten aus Asgard lauschten. „In den nebelverhangenen Hallen und hallenden Gängen von Asgard, wo Heldenlieder gesungen werden und Götter in ewiger Pracht thronen …“, setzte ich an.

„Nicht schon wieder!“, fiel mir Loki ins Wort.

Wenn die Sonne aufgeht

Es ist so laut und grell hier. Die Nacht ist erhellt von künstlichen Lichtern, die sogar den Schein des Mondes überdecken. Bei dem Gedanken muss ich schmunzeln, denn mein Bruder Tsukuyomi bildet sich gerne etwas auf den kalten Glanz seines Reiches ein. Die Menschen haben uns Götter vergessen. Wir sind zu Sagen und Mythen geworden. Unsere Geschichten wurden so oft erzählt, dass kaum noch etwas Wahres darin steckt. Die Tempel die zu meinen Ehren errichtet wurden, existieren noch immer, doch die Menschen leben nicht mehr nach den alten Geboten. Ich bin auf dem Weg zu einem kleinen Teehaus im Herzen Tokios. Die Menschen dort behandeln mich mit Ehrfurcht.

Ich betrete das Gebäude und mir kommt ein eigentümlicher Duft entgegen. Würzig und maskulin. Meine Augen erstrahlen.

„Du bist gekommen.“, erklingt einen tiefes raunen nah an meinem Ohr.

Ich blicke über die Schulter in mandelförmige braune Augen.

„Deine Augen strahlen heller als die Sonne.“, sagt er und kommt mir näher.

„Ich bin die Sonne. Ich bin Amaterasu." Die Welt wird sich bald wieder an mich erinnern, aber bis dahin genieße ich die Ehrfurcht dieses interessanten Mannes.

Aus dem linken Auge meines Vaters geboren, wird keine irdische Persönlichkeit mein Licht dämpfen, dafür werde ich sorgen. Später!

Blasphemie

Hallelujah, hier bin ich, euer Gott, geneigt, eurer Lobpreisung zu lauschen und eure Opfergaben zu empfang …
Ähhh … hallo? Spreche ich denn so leise? Also nochmal: EIN GOTT WANDELT IN EUREN REIHEN UND VERLANGT DIE IHM GEBÜHRENDE AUFMERKSAMKEIT!
Sacht mal, gehts noch? Könntet ihr vielleicht mal kurz diese komischen rechteckigen Dinger aus der Hand legen und mir zuhören? Ich bin eine Gottheit, also benehmt euch endlich entsprechend!
Wie? Was soll das heißen, wie viele Follower ich auf Youtube habe? Keine natürlich, brauche ich auch nicht, ich bin schließlich …
Jaja, ich habs kapiert, offensichtlich war ich zu lange weg, deshalb betet ihr jetzt alle zu den heiligen Influencern. Ich warne euch, schwört ab von diesem Irrglauben, bevor es zu spät ist!
Instagram-Account? Facebook? Hab ich nicht, brauche ich genauso wenig. Wieso ist das wichtig? Und was soll das heißen, ihr liked mich nur, wenn ich euch like? Hört mir endlich zu, ich bin ein Gott und ihr habt mich zu verehren, wo ich bin, herrscht Absolutismus, keine Demokratie.
Nein, ich habe keine Mailadresse, und wenn ich eine hätte, wärt ihr die Letzten, denen ich sie geben würde. Ich schreibe auch kein Blog und verschicke keinen Newsletter, was soll dieses ganze Theater eigentlich?
Was, Social Media? Beim ewigen Nirwana, dieser Höllenfluch ist bei euch Menschen offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen und hat die Herrschaft übernommen. Alles klar, wo diese Plage wütet, ist für andere Götter kein Platz mehr.
Ich geh dann mal wieder, vielleicht sollte ich doch einen eigenen Blog ins Auge fassen – und meinen nächsten Besuch rechtzeitig per Newsletter ankündigen …

Arbeitslos

Eben noch hatte ich wunderbare Träume von Streit und Zank. Erinnerte mich daran, wie ich Chaos unter den Menschen stiftete. Wie ich mit dem Apfel der Zwietracht dafür gesorgt habe, dass der trojanische Krieg ausbrach. (auch wenn später jemand behauptete, dass Paris und Helena daran schuld waren)

Das waren noch Zeiten. Zeiten, in denen ich soviel zu tun hatte, dass ich mich danach sehnte, mal einen ganzen Tag im Bett zu verbringen. Ihr glaubt ja gar nicht, wie anstrengend es ist, die Leute gegeneinander aufzuwiegeln. Sie dazu zu bewegen, sich zu zanken, aufeinander loszugehen. Immer diese Harmonie, diese Rücksichtnahme, dieser Zusammenhalt unter den Menschen. Schrecklich.

Aber es war auch sehr befriedigend, wenn ich es mal wieder geschafft hatte, dass ein neuer Krieg entbrannte. Wenn man abends bei einem Glas Rotwein die Füße hochlegen und zufrieden behaupten konnte: heute war ein erfolgreicher Tag.

Warum ich euch von früher erzähle?

Ich langweile mich. Seit ich erwacht bin, langweile ich mich zu Tode.

Es gibt nichts für mich zu tun. Bevor ich auch nur auf die Idee komme, wen ich gegeneinander hetzen könnte, haben die sich schon die Köpfe eingeschlagen.

Bevor ich einen kleinen Streit unter Nachbarn anzetteln kann, haben die sich schon vor Gericht gezerrt. Wegen irgendwelcher Zweige, die über die Grundstücksgrenzen wachsen.

Ich kann keine Harmonie zerstören, wenn keine da ist. Rücksichtnahme? So sehr ich auch suche, ich finde sie nicht.

Ich bin total genervt und frustriert. Ich habe einfach nichts zu tun.

Ich, Eris ,die Göttin der Zwietracht und des Chaos bin arbeitslos. Die Menschen brauchen mich nicht mehr, sie haben quasi meinen Job übernommen. Und sie machen es besser als ich.

Schnäppchenjäger

Black Friday. Alle Welt kreischt Black Friday. Ich möchte keine 20 % auf Sonnenbrillen sparen. Danke, auch nicht auf Kontaktlinsen. Mal ehrlich, was soll ich damit? Ich habe mein Auge nicht zum Spaß geopfert und aus dem Brunnen des Wissens getrunken. Mit nur einem Auge spare ich immer 50 %. Nein, Hugin und Munin brauchen auch keine Schnürstiefel.

Wenn du schon in Hamburg bist, musst du unbedingt in die Europa-Passage, haben sie gesagt. Ich schiebe mich durch die Menschenmassen. Die Luft ist stickig. Mein Speer klackert auf dem Boden. Fichten mit bunten Kugeln glitzern hinter den Glasscheiben. Musik glöckelt. Würziger Geruch kriecht in meine Nase. Der Typ neben mir wärmt seine Hände an einem Becher.

Was ist denn das für eine rollende Ebene? Menschen stellen sich drauf und fahren mit. Sie steuern gar nicht. Sie schauen ins Leere, auf blinkende Taschencomputer oder hetzen an anderen Menschen vorbei. Ich will das auch ausprobieren. Hoffentlich verschluckt mich das Teil nicht. Vorsichtig setze ich einen Fuß nach dem anderen auf die rifflige Oberfläche. Das war gar nicht schwer. Los geht’s. Die Ebene setzt sich in Bewegung. Ein Glucksen zieht durch meinen Bauch. Juchuuuu. Das macht Spaß! Mit meinem Speer klopfe ich gegen die Seitenwände. Was für ein Fest. Das Kind neben mir lacht. Das Rollding wäre auch etwas für meinen Sleipnir. Leider muss der Gute draußen warten. Haustiere sind im Einkaufszentrum nicht gestattet. So ein Mist. Mit einem Heunetz wartet er jetzt an der Parkuhr. Das Ticket habe ich für zwei Stunden gelöst. Das sollte reichen.

Zwei Männer in Uniform drängeln sich durch die Menschenmassen. Sie eilen direkt auf mich zu. „Hey Sie. Sie da mit dem Speer. Sofort stehen bleiben!“
Die werden ja wohl nicht mich meinen. Meine Armbanduhr zeigt 16.55 Uhr. Perfekt in fünf Minuten habe ich schon den Termin beim Friseur. Black Week. 30 % auf jeden Undercut.

Das Flüstern der Ewigkeit

Ein weiterer Zyklus ist vollbracht. Ich bin erwacht, schaue mein Werk und sehe. Sie sind zahlreicher geworden. Fruchtbar sind sie. Aber sie beginnen an einigen Orten zu viel zu wollen, zu viel zu fordern, sich zu überfordern. Viele ignorieren das Gleichgewicht, viele haben den Bezug zu sich selbst verloren. Und den Bezug zu mir. Sie glauben, aber dieser Glaube ist … flach. Dieser Glaube hat mit mir nicht mehr viel zu tun. Ich bin für sie fast unsichtbar geworden. Es ist zu lange her. Was sind diese flachen Kästchen, die sie stetig in der Hand halten, auf die sie starren und Selbstgespräche führen? Was sind das für große, fahrende Räderkisten in denen sie sitzen, die teilweise üble Dämpfe ausstoßen?

An Erfindungsreichtum hat es ihnen nie gemangelt, aber jetzt übertreiben sie, finde ich. Vielleicht hätte ich ihnen doch die Levitation lehren sollen, dann bräuchten sie diese stinkenden Kisten nicht. Es scheint, sie fürchten sich vor Stille, Ruhe, inne halten. Sie gaukeln sich selbst Geschäftigkeit vor und haben sich doch verloren. Vielleicht wird es Zeit, sie wieder aus ihrer Lethargie reißen und eine Katastrophe herbei zu führen, damit sie wieder lernen, mit!einander zu leben.

So steige ich herab, bewege mich unter ihnen, unsichtbar und doch spürbar. Sie hetzen vorbei, gefangen in ihren eigenen kleinen Welten. In ihren Augen sehe ich die Leere, das Verlangen nach etwas, das sie nicht benennen können. Sie haben den Himmel vergessen, die Erde unter ihren Füßen, die Luft, die sie atmen. Alles ist ihnen selbstverständlich geworden, nichts ist mehr heilig.

An einem Platz, der einst ein heiliger Hain war, jetzt aber von kaltem Stein und Glas umgeben ist, halte ich inne. Eine junge Frau sitzt dort, ihr Blick auf ein leuchtendes Kästchen gerichtet. Plötzlich blickt sie auf, als ob sie meine Anwesenheit spüren würde. Unsere Blicke treffen sich, und für einen Moment scheint sie mich wirklich zu sehen. Ein Hauch von Erkenntnis, ein flüchtiger Gedanke an etwas Größeres als ihr kleines Gerät. Dann schüttelt sie den Kopf und wendet sich wieder ab. Doch der Samen ist gesät.

In den Straßen sehe ich Kinder spielen, lachend und unbeschwert. Sie sind es, die noch eine Verbindung zu mir spüren, die noch nicht ganz verloren sind in dieser Welt der Maschinen und des Lärms. Vielleicht ist es durch sie, dass ich wieder Einfluss nehmen kann, eine sanfte Erinnerung an das, was einst war und wieder sein könnte.

In einer belebten Straße, umgeben von glitzernden Schaufenstern und hektischem Menschentreiben, fällt mein Blick auf einen alten Mann. Er sitzt auf einer Bank, sein Gesicht gezeichnet von den Spuren der Zeit, und füttert die Tauben. Um ihn herum herrscht das wilde Treiben der Stadt, doch er scheint in einer anderen Welt zu sein. Als ich mich ihm nähere, blickt er auf und murmelt Worte, die an längst vergessene Zeiten erinnern. Er spricht von einem Fluss, der hier einst floss, von Bäumen, die Schatten spendeten. Seine Worte sind wie ein Echo aus der Vergangenheit, und für einen Moment erkennt er in meinen Augen das Alter und die Weisheit. Wir teilen einen stillen Moment des Verständnisses, bevor die laute Welt uns wieder einholt und er sich erneut den Tauben zuwendet.

Schließlich, in einer kleinen, ruhigen Gasse, begegnet mir eine Gruppe von Straßenkünstlern. Sie malen mit Kreide auf dem Pflaster, schaffen bunte Welten und fantastische Landschaften. Ein kleines Mädchen steht dabei, staunt über die Bilder, die wie durch Magie entstehen. Ihre Mutter versucht, sie wegzuziehen, doch das Kind ist gefesselt von der Schönheit der Kunst. Ich knie mich neben das Mädchen und flüstere ihr eine Geschichte zu, die zu den Bildern passt. Ihre Augen leuchten, und für einen Moment ist sie Teil dieser magischen Welt, ein lebendiger Teil der Geschichte, die ich ihr erzähle. Ihre Mutter, nun auch verzaubert von dem Anblick, lächelt dankbar, bevor sie das Mädchen sanft an der Hand nimmt und weitergeht.

Ich streife durch die Stadt, ein Geist der vergangenen Zeiten, ein Flüstern im Wind. Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Vielleicht gibt es noch Hoffnung für diese Welt, diese Kinder der Sterne, die so sehr vergessen haben, wer sie sind. Ich werde warten, beobachten, und wenn die Zeit reif ist, werde ich handeln. Denn ich bin der Wächter, der Lehrer, der ewige Beobachter. Und mein Werk ist noch nicht vollbracht.

»Durchlauchtester Erdenbürger, meine Wenigkeit betitelt sich als Hades und es ist mein innigster Wunsch, mich für die ehrenhafte Position des Totengräbers in ihrem bescheidenen Etablissement zu bewerben.«

Der Priester starrt mich nur vollkommen verwirrt an. Habe ich da etwas durcheinandergebracht? Diese Menschen und ihre vollkommen schnelllebigen Sprachverwurbelungen. Heißt das jetzt Etablissement? Geschäftsstelle? Kirche? Religiöse Aufbewahrungsstätte für entseelte leblose Leichen?

Verdammt… ich hätte nicht so viel Zeit in der Unterwelt verbringen sollen. Das hat man nun davon - 1000 Jahre abwesend und schon ist alles ganz anders.

»Ihre Referenzen?«, dringt es knatschig aus seiner sterblichen Kehle.

»Ernsthaft?«, frage ich irritiert zurück. Welch einfältiger Gesell.

»Sie sehen aus, als könnten sie nicht einmal eine Schaufel halten«, erwidert er und will sich doch tatsächlich von mir abwenden. Von MIR – Hades!

So nicht, Spießgeselle.

Wäre mir Persephone nicht mal wieder ins Erdenreich ausgebüchst, müsste ich diesen ganzen Dunghaufen hier nicht auf mich nehmen. Aber ich bin nunmal vollkommen mittellos und Persephone fängt sich schließlich nicht von selbst wieder ein.

»Ich habe schon so viele Menschen unter die Erde gebracht, dass die schiere Anzahl Sie um den Verstand bringen würde«, gebe ich herablassend zurück.

»Arbeitszeugnis?«, fragt er erneut in gelangweiltem Tonfall.

»Was?«

»Arbeitszeugnis?«, wiederholt er seine Frage, nun deutlich genervter.

Ich gebe auf. Wie aus dem nichts brennt sich ein altersfleckiges Pergament in meine Hände. Ich gebe es dem frommen Seelenhirten. Er nimmt es, seine Augen flackern gelangweilt über die blutroten Zeilen.

»Da fehlt der Arbeitgeber«, sagt er schließlich, als er mit seinem begrenzten Verstand auch das letzte Wort in sich aufgesogen hat.

»Luzifer«

Er nickt. Vollkommen unbeeindruckt.

»Geben Sie mir ihre Handynummer, dann gebe ich Ihnen im Laufe der nächsten Tage Bescheid«, sagt er nur.

Handynummer? Nun ist es an mir, ihn verwirrt anzustarren.

»Sie gehören also auch zu denen«, sagt er nur und blickt hilfesuchend nach oben, als warte er auf eine Botschaft von Gott – oder einen Blitzschlag.

»Kommen sie in 6 Tagen wieder, dann werde ich Ihnen meine Entscheidung mitteilen«, ringt er sich schließlich zu einer für mich akzeptablen Aussage durch.

Ich nicke und wende mich ab. Ich komme kaum drei Gräber weit, als mir zwei Raben in den Weg fliegen. Hugin und Munin. Die schon wieder.

»Du auch hier?«, frage ich in die Stille hinein, als auch schon Odin vor mir auftaucht. Ich hasse diese Asen. Vom Nachbargrab blickt mir Loki entgegen, auf der Gruft wartet Erebos. Ich seufze. Vielleicht sollte ich mich doch lieber auf eine Stelle als Buchhalter bewerben.

Ein Gott zu falscher Zeit

Es war ein Moment des Erwachens, als ich urplötzlich zwischen Betonbunkern und blinkenden Tafeln auftauchte. Tief aus den Nebeln der Vergangenheit.
Die Welt hatte sich verändert.
Wolkenkratzer, moderne Tempel, ragten hoch in den Himmel auf und erinnerten mich an die Heiligtümer meiner Ära. Doch anstelle von Opfergaben und Riten sah ich ausschließlich Menschen, die gebannt auf kleine, leuchtende Scheiben starrten.
Aus Neugier begab ich mich näher, nur um zu erfahren, dass diese «Smartphones» die neuen Orakel dieser merkwürdigen Welt waren.
«Social-Media-Influencer», unbedeutende Sterbliche, schienen die Rolle von uns Göttern übernommen zu haben. Ungläubig beobachtete ich, wie diese Beeinflusser Anhänger sammelten, ihre Gemälde in die Welt hinausschickten und Daumen als Opfergaben ernteten.
Verwirrt und verärgert wanderte ich durch diese moderne Zeit, die mir so fremd erschien. Die Menschen schienen zahlreiche Stunden mit merkwürdigen Ritualen zu verbringen, bei denen sie ihre Aufmerksamkeit auf diese flachen Dinger richteten.
«Likes» und «Follower» waren die neuen Währungen, und ich verstand nicht im Geringsten, warum diese Sterblichen so besessen von ihnen waren. Welch armseliges Tauschmittel!
In meiner Fassungslosigkeit verwechselte ich die Begriffe und Rituale. Anstelle von Gebeten und Huldigungen, wie sie in meiner Zeit üblich waren, versuchte ich, mich in einer Welt der «Hashtags» und «Emojis» einzufinden. Doch meine göttliche Natur konnte diese Konzepte nicht begreifen, geschweige denn schätzen.
Die Welt hatte sich so verändert, dass meine einstigen Macht und Herrlichkeit hier keine Bedeutung mehr hatten.
Mit einem Seufzen der Enttäuschung beschloss ich, diese Welt wieder zu verlassen. Die Betonbunker, die leuchtenden Tafeln und die endlosen Ströme von Gemälden und Informationen waren zu viel für mich. Es war an der Zeit, in die Nebel der Vergangenheit zurückzukehren und zu warten, bis die Welt erneut nach göttlicher Führung verlangte.

A&O
.

Was ich in den Herzen der Menschen sehe, ist so alt wie die Menschheit selbst. Dass es im Überfluss da ist gefällt mir nicht!

Keine Liebe, kein Mitgefühl, keine Barmherzigkeit…
Stattdessen Neid, Missgunst, Egozentrik, Hass überall.

Es ist Zeit!!

Ich bin gekommen, um zu richten. Meinen mächtigen, himmlischen Thron errichte ich auf dieser, meiner Welt, die ich vor Anbeginn der Zeit geschaffen habe.

Meine zornerfüllten Augen gleichen lodernden Flammen, mein Haar weiß wie Schnee. Mein Wort gleicht einem Schwert, das richtet wie ein Henker. Unermüdlich. Meine Schneide wird niemals stumpf.

Mit donnernder Stimme rufe ich die Menschen zu meinen goldenen Thron. Keine Nation, keine Ethnie; Niemand kann sich dem widersetzen.

Meine Aufforderung ist keine Einladung, keine Bitte.
Die eine Gruppe trägt ihr Urteil mit Würde, mein Kommen ist ihnen gewiss gewesen. Sie senken ihre Köpfe in Schuld und Demut!

Die andere Gruppe empfängt den Richterspruch mit zähneklappernder Angst, viele richten sich selbst.
Wie Metzger Schlachten sie sich auf ihren Straßen nieder. Ihr Blut zeichnet Gemälde, wie sie das größte Schlachtfeld der Menschheitsgeschichte nicht gesehen hat.

Nicht wenige, ihre Zahl kaum zählbar versucht sich zu verstecken vor meinem flammenlodernden Blick, auch mein Zorn wird sie treffen.

Es gibt kein Entkommen!
Ich finde sie alle, mögen sie auch ans Ende der Welt gehen.

Jene, denen mein Kommen eine Rettung ist, knien vor mir nieder.
Es sind die Armen, Hungernden, Ausgestoßenen und Bedrängten der jetzt vergehenden Welt.
Ihr Leben galt als niedrig, jetzt werden ihre Seelen erhöht und gerettet.

Ich trockne ihre Tränen, spende ihnen Trost.
Mein Kommen ist der schützende Palast, der sie von ihrer weltlichen Bedrängnis und Mühsal errettet.

Sie weinen an meiner Brust, sagen Dank und singen Loblieder.

Alle Seelen sammel ich unter meinem Altar.
Er steht unter einem blutroten Mond, bis alle Seelen ihren Richterspruch erhalten haben.

Kein Stein auf dieser Welt wird an seinem Platz bleiben. Ich bin gekommen, ein neues, prächtiges Reich zu errichten.

Unvorstellbar, mit einer nie da gewesenen Herrlichkeit werde ich es kreieren.
Von diesem Tag an, werde ich allein herrschen.

Kein Wehklagen, kein Geschrei, keine Armut, kein Hunger, kein Durst, kein Tod und keine Trauer wird es in diesem neuen Reich geben; all das ist Vergangenheit.

Dieses Reich gehört den ehrhaften.
Ich bin das Alpha und das Omega!

Hebe

Ich blinzle ins helle Licht einer Sommersonne, die nicht ganz meine Eigene zu sein scheint. Etwas hat sich verändert, seit ich eingeschlafen bin. Die Welt um mich her ragt hoch und grau auf. Ein weiter Platz in düsteren Grautönen, auf dem sich einige Bäume, Bänke und Blumenbeete verteilen.
Diese Architektur - hohe einförmige Türme, überall abweisend spiegelndes Glas - was ist nur aus den Menschen geworden, während ich weg war? Athena muss durchgedreht sein.
Ein Junge rennt an mir vorbei, oder nein, er rollt. Auf einem Brett. Neugierig schaue ich hinterher, wie er eine Schleife dreht und wieder zurückkommt.
„Hey, Junge“, rufe ich mangels eines Namens aus und er schaut tatsächlich in meine Richtung. Ich winke ihn zu mir. „Was ist das für ein tolles Brett auf dem du fährst?“
Der Junge sieht mich vollkommen entgeistert an, dann, nach kurzem Überlegen, setzt er, einen Fuß auf das Brett und rollt zügig von dannen ohne ein Wort gesagt zu haben. Die Jugend scheint sich genauso verändert zu haben wie die Architektur – mal wieder. Ich wandere weiter durch den Park. Es kommt mir immer noch alles etwas düster vor, aber ich entdecke auch eine gewisse Eleganz in den Dingen. Ich passiere eine verspielt geschmiedete Parkbank und finde mich schließlich auf einem Platz wieder, der von verschiedengroßen, naturgrauen Steinquadern dominiert wird. Die Schlichtheit des Ganzen ist erschlagend. Auf den Steinen sitzen Dutzende Menschen, manche mit Picknickdeckchen, andere auf dem bloßen, von der Sonne gewärmten Stein. Die meisten in Grüppchen einige alleine. Was fast alle gemein haben, sind allerdings die kleinen rechteckigen Geräte in ihren Händen.
„Was macht ihr da?“, frage ich eine Gruppe Jugendlicher, die gemeinsam an einem Stein lehnen, jeder in seine Gerätschaft versunken.
„Was geht dich das an?“, fragt ein Junge.
„Sei ruhig, Jonathan“, ein anderer.
„Ich schreibe mit meinem Freund“, lächelt ein Mädchen.
„Damit kann man Briefe schreiben?“, frage ich, entgeistert ob der Wundertechnologie, die die Menschen nun zu besitzen scheinen.
„Whats App Nachrichten“, sagt das Mädchen trocken.
Ich möchte mehr wissen, habe aber das Gefühl, dass diese Gruppe mir nicht sonderlich wohlgesonnen ist und gehe weiter.

Nachdem ich ein wenig durch den Steingarten gewandert bin, sehe ich im Schatten eines der größten Steine ein Mädchen mit langem, schwarzem Haar, das konzentriert auf eine beinahe kopfgroße Tafel starrt, und schlendere, wie beiläufig, hinüber.
„Was machst du da?“, erkundige ich mich und setzte mich neben sie.
„Ich schreibe.“
„Whats App Nachrichten?“, frage ich kennerhaft.
„Du verarscht mich, oder?“
„Darf ich mal lesen?“, frage ich, um das Thema zu wechseln.
Sie mustert mich für einen Moment kritisch, dann rückt sie näher, sodass ich die Vorderseite der - wie ich sie jetzt nenne – Superschiefertafel sehen kann. Darauf ist ein Text zu sehen. Keine kurzen Nachrichten. Nein, ein Fließtext und er handelt von jemandem, den ich kenne.
„Die Götter sind nicht tot!“ Jubiliere ich und vergesse für einen Moment meine Umgebung. Das Mädchen wirft mir einen argwöhnischen Blick zu, rückt wieder ein kleines Stück von mir ab. „Sag, woher kennst du Hepheistos?“, frage ich aufgeregt.
„Ist das hier mit versteckter Kamera?“, fragt sie skeptisch und sieht sich misstrauisch um.
Eine Kamera? „Ist auch egal“, sage ich schnell. Ich möchte mir nicht auch noch dieses Gespräch zerstören. Also sitzen wir eine Weile schweigend nebeneinander, während das Mädchen einige Sätze in seinem Text korrigiert.
„Wie gefällt dir meine Geschichte bisher?“, fragt sie wie nebenher.
„Ich finde, dass sie gut einfängt wie es sich anfühlt. Aber der Schreibstil ist ein wenig merkwürdig.“
„Weißt du was wirklich merkwürdig ist?“, fragt das Mädchen. „Du.“
Wir sitzen wieder eine Weile schweigend da und ich beobachte, wie die Menschen, ihre Superschiefertafeln in der Hand über den Platz gehen. Manche haben ihre Tafeln an Stangen befestigt und posieren.
„So, ich glaube ich bin fertig“, sagt das Mädchen schließlich.
„Darf ich auch mal?“, frage ich.
„Nur, wenn du nicht damit wegläufst.“
„Ich schwöre, dass du deine Superscheifertafel zurückerhältst, sobald ich meine Geschichte geschrieben habe, andernfalls möge ein Adler auf ewig von meiner Leber fressen.“
„Das war Prometheus, oder?“, fragt das Mädchen offensichtlich belustigt und gibt mir die Superschiefertafel. „Außerdem ist das hier ein IPad.“
„Mit dem da unten kann ich schreiben?“
„Ja, genau. Einfach auf die Tasten mit den Buchstaben drauf tippen.
Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii
„Nein, nur kurz."
i
„Jetzt noch die Taste hier drücken, wenn der Buchstabe groß sein soll.“

Ich blinzle ins helle Licht einer Sommersonne, die nicht ganz meine eigene zu sein scheint.

„Das sieht doch schon gut aus“, sagt sie.
Also schreibe ich weiter, während das Mädchen mir zunächst belustigt und dann nachdenklich über die Schulter schaut. Ich war vielleicht ein paar Jahre oder Jahrhunderte außer Gefecht, aber mein Gedächtnis ist immer noch perfekt und ich habe eine Geschichte zu erzählen!
Was ich danach mache? Mal sehen. Vielleicht suche ich mir auch ein neues Fachgebiet es scheinen einige Stellen frei geworden zu sein. Schreiben macht Spaß und den Draht zur Jugend scheine ich ohnehin ein wenig verloren zu haben.

Gott oder nicht

Die Stadt pulsiert vor Leben, als ich erwache. Das Dröhnen der Straßen und das Spiel der Lichter ist mir fremd. Menschen hasten an mir vorbei, den Blick auf leuchtende Vierecke gerichtet.

Ein junges Paar geht an mir vorbei, die Hände fest ineinander verschlungen. „Schau mal Schatz, ein Typ in einem alten Kostüm. Cosplay, denk ich mal“, sagt die Frau und zwinkert mir zu.

Ich nicke und lächele. Was auch immer ein Cosplayer ist, es scheint in diese Zeit zu passen. Ich wende mich ab und versuche, mich an die flirrenden Lichter und den ohrenbetäubenden Lärm der Stadt zu gewöhnen.

In einem Park finde ich eine Bank und setze mich, um meine Gedanken zu ordnen. Eine junge Frau mit violettem Haar und einem Edelstein im Nasenflügel setzt sich zu mir. „Coole Robe! Welche Figur stellst du dar?“

„Ähm, ich bin … kein Cosplayer“, antworte ich und sie lacht.

„Egal“, sagt sie. „Jeder hat seine eigene Geschichte. Also, was treibt dich nach New York City?“

Ich erzähle ihr von meiner göttlichen Herkunft und meinem Erwachen hier. Sie hört aufmerksam zu, ihre Augen leuchten vor Neugier. „Wow, das klingt nach einem wilden Trip. Aber hey, willkommen im 21. Jahrhundert, Gott oder nicht.“

Ein älterer Herr mit grauer Hose, grauer Jacke und grauem Hut bleibt stehen und mustert mich. „Ein bisschen viel auf einmal, oder?“

„Ja“, sage ich. „Die Welt hat sich verändert.“

„Schon verrückt, was hier alles passiert, nicht wahr?“ Sein rechter Mundwinkel hebt sich zu einem wissenden Grinsen und er wechselt einen Blick mit der jungen Frau. „Aber man gewöhnt sich daran. Hier findet jeder seinen Platz. Gott oder nicht.“

Netter Versuch

»Ach Gottchen, was willst Du denn hier?«, fragt mich so ein Schnösel.

»Nachschauen, was Ihr aus meiner Schöpfung gemacht habt.«

Er lacht. »Sieh Dich um, Alter. Hast Du etwa all diese Häuser gebaut, die Brücken, die Flugzeuge am Himmel? Deine Schöpfung«, speit er verächtlich aus. »Vor 13,8 Milliarden Jahren hast Du mit Deinem Chemiebaukasten gespielt und das Experiment versaut. Wumms, der Urknall. Danach hast Dich verkrochen und den Rest dem Zufall überlassen. Von wegen Schöpfung.«

»Aber ich sehe doch, dass Ihr an eine höhere Macht glauben wollt. Warum sonst habt Ihr Tempel, Moscheen, Synagogen und Kirchen gebaut?«

»Früher wussten wir es nicht besser, inzwischen sind wir im Bilde. Also geh zurück in deine Schmollecke oder spiel woanders.«

Ich wende mich enttäuscht ab. Offensichtlich kann ich die Menschen nicht überzeugen, mir zu huldigen, wie sie es zuvor viele Jahrhunderte taten; sie haben mich durchschaut.

Auf ein Wort: Hoffnung!

Ich ziehe die Decke etwas näher an mich heran, die Winterkälte ist das Schlimmste, sogar noch schlimmer als die verfluchte Sonne. Doch die Stimme hinter mir bleibt beharrlich.
»Du musst aufstehen. Es ist an der Zeit.«
Allmählich drehe ich meinen Körper auf die Seite, so das ich sie ansehen kann. Sie ist wunderschön. Ein Teil der Abmachung.
»Wie viele?«, frage ich ohne wirkliches Interesse.
»Viele«, antwortet sie. »Es herrscht Krieg.«
»Wo?«
»Hier und da. In Afrika, Südamerika. In Europa.«

Europa. Meine alte Heimat. Ich hole tief Luft, versuche, den Moment noch herauszuzögern, doch dann schieben meine Arme mich nach oben.
»Aphrodite, gib mir bitte meinen Mantel.« Sie tut es. »Und das Ding.« Sie reicht mir einen knorrigen, schwarzen Stab aus Haselnussholz, an dessen Ende ein Sensenblatt angebracht ist. Missmutig nicke ich. »Also los.«

Ich schiebe die dunkle Eichentür auf und trete auf den Flur. Sie folgt mir dichtauf.
»Die anderen Götter sind fort«, brumme ich vor mich hin, während ich in die Dunkelheit trotte.
»Ja.« Ihre Stimme klingt sanft zu mir herüber.
»Nur ich bin noch übrig.«
»Nur wir sind noch übrig.«
»Ja, nur wir.«

Je mehr wir uns der Kammer nähern, desto lauter werden das Stöhnen und das Jammern.
»Das die immer noch keinen Neuen dafür gefunden haben.«
»Sie haben Angst, das ist alles.«
»Und was hat das damit zu tun?« Ich halte an und drehe mich um. Überrascht schaue ich sie an.
»Die Menschen«, fängt sie an, doch dann zögert sie. Ihre Augen verengen sich. »Hades«, sagt sie dann zu mir und fixiert mich. »Sie suchen Erlösung, aber«, wieder zögert sie, »sie suchen nicht wirklich. Sie fliehen einfach nur vor ihrer Angst. Ihre Götter sind nichts als Fantasie. Luftschlösser, schön angemalte Gefängnisse der Illusion.«
»Wovor haben sie denn Angst?«
»Vor dem Tod«, flüstert die Göttin der Liebe in mein Ohr. »Und vor dem Leben.«
Das Erste mach Sinn, das Zweite weniger. Aber sie bleibt beharrlich: »Erst, wenn das Leben und der tot sich treffen und sich lieben, dann kann es Erlösung geben.«
Sich treffen? Erlösung? Warum sollte es Erlösung geben? »Warum sollte es Erlösung geben? Ich bin der Gott der Unterwelt.«
»Genau«, sagt sie. »Also musst du auch deinen Teil davon erfüllen.«

Erst später, als ich schon in der Halle bin, merkte ich, dass sie von der Liebe gesprochen hatte. Ich sehe mich um, doch sie ist nirgends zu sehen. Dann wird es mir klar: Auch ich habe Angst – vor der Liebe. Das nächste Mal, wenn ich sie sehe, werde ich es ihr sagen. »Ich liebe Dich. Hoffnung. Es gibt Hoffnung.«