Witzige Geschichte von Kecksi

Die Geschichte habe ich vor zwei Jahren für Ingo und Karin geschrieben, die drin vorkommen.
Wem ich dabei schriftstellerisch nacheifere, wird hoffentlich deutlich.
Meistens haben auch meine lustigen Geschichten einen tragischen Kern. Das habe ich mir hier verkniffen.
Natürlich darf kritisiert werden …
Sie ist lang … Hmpf … Also, wer Lust hat, nur zu.

Und los geht’s:

Arabella Nutella

Ich reise gerne. Vor Ort spreche ich mit niemandem – außer natürlich mit den Kellnern, dem Roomboy, dem Chefkoch, dem Generalmanager, dem executive Director und wenn es sich ergibt gerne mit den Eigentümern.
Nein, ich bin nicht arrogant, glaube ich jedenfalls, möchte allenfalls eine erholsame Zeit verbringen, Sport treiben, nicht selber kochen müssen und ausspannen – mehr nicht!
Kürzlich rummste ich am Salat-Büfett beinahe mit einem älteren Herren zusammen. Er trat einen Schritt zurück, sagte galant: „Ladys first!“
Ich stutzte, hatte die Wortkombination schon Jahre nicht mehr vernommen und sagte aus Versehen: „Ach, das kenne ich ja praktisch gar nicht mehr!“, woraufhin er erwiderte: „Na, aber im Urlaub doch schon, nicht?“
An dieser Stelle hätte ich, wie auch schon vorher einfach höflich nicken sollen, aber nein … Stattdessen bestätige ich verbal und denke, morgen erkenne ich den Herren nicht wieder. Das liegt nicht an ihm, sondern daran, dass ich mir Gesichter nur schwer merken kann. Aber vielleicht habe ich ja Glück und es geht ihm genau wie mir?

Leider bin ich eine großgewachsene, auffällige Person. Heißt, wer es einmal mit mir zu tun hatte, erkennt mich in der Regel sehr wohl wieder. Sogar nach Jahren! Mein Pech! So also auch am nächsten Morgen …
Fast zu spät sehe ich den freundlichen Herrn, mit seiner angetrauten Frau – nehme ich an – zwei Tische weiter sitzen und, Applaus, erkenne ihn sogar. Bin nicht hundert Prozent sicher und sage vorsichtshalber: „Guten Morgen!“, drehe mich auf dem flachen Absatz um, und laufe zum Show Cooking für Rühreier. Ein Koch mit hoher Mütze steht vor vier Herdplatten, benutzt zwei davon, also dauert es ganze zwanzig Minuten, bis er mich endlich bedient; aber ich gebe ja so schnell nicht auf. Es hätte durchaus länger dauern können, wenn nicht zwischenzeitlich mindestens sechzehn Personen vor mir die Warteschlange verlassen hätten. Gut für mich!

Als ich total geschafft an meinen Tisch zurückkehre, sitzt der Herr alleine dort, also bin ich freundlich und schenke ihm ein Lächeln. Er lächelt zurück und sagt: „Ich habe mir schon Sorgen gemacht, wo Sie wohl bleiben. Beinahe hätte ich die Polizei angerufen …“
Okay, denke ich, Humor hat er und winke ab. „Ach, kein Problem! Ich bin ja im Urlaub und habe Zeit!“ Allerdings, Gewohnheit, nicht für ein längeres Gespräch. Deswegen drehe ich mich weg und fange an, meine hart erkämpften Rühreier zu verspeisen.

Beim Abendessen sitzt das ältere Ehepaar wieder in meiner Nähe. Es ist die ruhigste Ecke im Speisesaal, in dem es lautstärkemäßig zugeht wie in einer Basketball-Halle. Stil haben sie also auch – die beiden – dennoch richte ich den Blick ausschließlich auf meinen Teller und kaue vor mich hin. Plötzlich tippt mir jemand auf die Schulter. Seine Frau! Ich möchte sagen: „Stopp!“, bin aber höflich, höre zu und antworte sogar hin und wieder. Dabei stelle ich fest, dass sie echt nett ist, und versuche, mir ihr Gesicht einzuprägen. Nur für den Fall, dass wir uns nochmal begegnen. Wer weiß?

Andererseits? Vielleicht reisen sie ja schon morgen ab? Dann wäre das mit der verplemperten Speicherkapazität in meinem Gehirn völlig umsonst? Egal – ich gebe mir Mühe: Helle Haare, blond oder weißlich; nicht ganz lang aber auch nicht gerade kurz. Zwei Augen, eine Nase, ein Mund. Mist! Was könnte ich mir merken? Ich muss irgendein Detail finden, an das ich mich hoffentlich erinnere, wenn ich sie wiedersehe. Ich entscheide mich für die Nase. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters ist sie von leicht großporiger, sonnengebräunter Haut überzogen. Die Frau sieht gut aus und war früher sicher eine Schönheit. Nicht so groß und schlaksig wie ich, sondern lieblich, süß und jemand, dem jeder Herr gerne hilfsbereit zur Seite steht. Ihre Stimme klingt tief, ein wenig rau, was ich mir mit der Zigarettenschachtel erkläre, welche ich auf ihrem Platz gesehen habe. Kettenraucherin, nehme ich an, aber das kann mir egal sein. Ich urteile nicht, mische mich nicht ein und lasse den Menschen so sein, wie er oder sie ist. Vielleicht ja nur deswegen, dass sie mir dieses Geschenk umgekehrt ebenfalls angedeihen lassen und ich machen kann, was ich will?

Mittags sitze ich bei vierzig Grad unter dem Sonnenschirm aufrecht auf meiner Liege und schaue mich um. Die hellhaarige Dame nähert sich und spricht mich einfach wieder an. Ich sagte ja, dass ich ein höfliches Menschenkind bin, nicht wahr? Also antworte ich, nicke, stimme zu, widerspreche höflich, konversiere … Ich!!!
Sie erzählt mir von Ingo, ihrem Mann, spricht von seinem ehemaligen Arbeitsleben und verrät mir, wie viele Kinder und Enkelkinder sie besitzen. Nun sagte ich ja, dass ich mir zwar Gesichter und ganze Personen schlecht merken kann, aber dafür merke ich mir so gut wie alles andere. Oft ist es schwierig, die vielen Informationen wieder loszuwerden, sie in ein Areal meines Gehirns zu verbannen, wo sie in Frieden vor sich hindösen können. Aber zu spät! Meine einzige Hoffnung bleibt, dass die beiden baldmöglichst abreisen. Nur dass ich sie für einen der größten Skandale meines Lebens verantwortlich machen würde, ahne ich zu dem Zeitpunkt nicht. Gott oder wem auch immer, sei gedankt?

Längst hat sich eingespielt, dass ich mich einmal am Tag aus freien Stücken zu ihnen begebe, mich sogar auf ihre Liege setze und, jawohl, konversiere. Ingo darf ich inzwischen duzen und tue es auch. Karin, seine Frau natürlich ebenfalls. Nach mehreren Tagen verrate ich den beiden, dass ich mir einen Youtube-Channel aufbauen werde und noch nach einem Namen dafür suche.
Karin sagt: „Wieso nimmst du nicht deinen eigenen Namen? Der ist doch schön!“
Ich schaue sie erstaunt an und erwidere: „Aber der klingt nicht lustig! Es soll ja ein Comedy Kanal werden! Keine Ahnung, vielleicht irgendwas wie Arabella Mutig oder so …?“
Karin überlegt kurz und schlägt vor: „Arabella Nutella!“
Im ersten Moment denke ich, nee, echt nicht. Aber dann?
Der Name ist cool! Hat was!
Karin grinst mich an.
Jetzt sehe ich endlich, dass sie hellblaue Augen hat.
Sie schiebt hinterher: „Vielleicht sponsoren die dich ja!“
Ich bin hin und weg, schwärme innerlich von meinem zukünftigen Reichtum, doch Ingo sagt: „Oder sie verklagen dich!“
Und schon platzt meine Traumblase. PENG!

Der Name Arabella Nutella geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Wieder daheim, bereite ich gleich zehn kurze Videos vor, aber nicht, weil ich so fleißig bin, sondern … Eher das Gegenteil. Ich arbeite vor, damit ich hinterher faulenzen kann. Die Videos finde ich im Moment total witzig. Hoffentlich geht mir das in ein paar Wochen immer noch so.

Meine Videos laufen wie Bolle. Aber volle Kanne! Schon nach dem dritten Beitrag, flattert mir jede Menge Post ins Haus. So auch das Anwaltsschreiben, der Nutellahersteller.
Ingo hatte also Recht! Mist!
Im Schreiben heißt es, man würde von weiteren Nötigungen absehen, wenn ich den Kanal umgehend einstelle und wenn ich mit einer Strafe von nur 20 000€ einverstanden sei. Ich solle froh sein, dass sie eine außergerichtliche Entscheidung anempfehlen. Sie raten mir, die ausstehende Summe innerhalb von zwei Wochen auf folgendes Konto zu überweisen …
Sonst!
Die restlichen 367 Seiten lese ich nicht mehr.

Da ich keine 20 000€ besitze, habe ich aus meiner Sicht nicht allzu viel zu verlieren. Also antworte ich. Ich entscheide mich für eine Schriftart, das geht ja am Computer alles leicht, die aussieht, als sei sie einem Mangaheftchen entsprungen. Manche Buchstaben sind gänzlich durch ansprechende Bilder von knuddeligen Figürchen ersetzt. Alternativ, aber auch in Kombination gibt es: Blümchen, Schäfchenwolken, Kuscheltiere, Gemüse, Bäume usw. Großartig! Ich liebe diese Schrift! Die wähle ich immer, wenn ich Behörden schreibe oder antworte. Ich glaube, die Leute bei meiner Bank mögen die Schrift auch.

Adresse, Datum, Betreff, bla bla …
Dann beginnt der eigentliche Text:
Hallo? (Hallo mit Fragezeichen!)
Ihr spinnt wohl!!!
Usw.
Gegen Ende betone ich zum fünften Mal, dass ich für sie Werbung mache. Gratis!!!
Ich drohe zurück: Ab dem nächsten Video, welches ich kommenden Sonntag veröffentlichen werde, wünsche ich mir nicht, sondern verlange, für jedes Video mindestens 1000€ zu erhalten. Diese überweise man mir auf folgendes Konto …
Sonst!
An dieser Stelle greife ich auf die 367 Seiten des Klägers zurück. Ich tausche, per Suchen und Ersetzen die Namen. Das wollen wir doch mal sehen, murmle ich zufrieden vor mich hin.

Nach dem vierten Video schaue ich jeden Tag auf meinem Onlinekonto nach. Und siehe da!!! Wenige Tage später … 1500€! Vom Nutellakonzern!
Ich denke, das sind 500€ zu viel und hoffe, dass die schon wüssten, was sie tun. Als Blitzlichtgedanke, von der Dauer her, fällt mir ein, dass Ingo etwas von Tantiemen sagte – für die Idee mit dem Namen. Denn der kommt ja immerhin zur Hälfte von Karin. Quatsch denke ich sofort und verschiebe den Gedanken in eine meiner hintersten Hirnregionen.

Meine Videos sind der Renner! Wenn es so weitergeht, habe ich in spätestens zwei Wochen zwanzig Millionen Abonnenten. Ich vermute Mal, dass das vor mir noch niemand so schnell geschafft hat. Ich könnte es googeln oder Chat-GPT fragen, aber ich habe keine Zeit.
Ich muss witzige Videos machen, sie regelmäßig veröffentlichen, meine Fans bei Laune halten und schauen, wie ich das zuckersüße, braune Zeug, welches mir massenweise geliefert wird, loswerde. Jeden fünfzehnten im Monat bekomme ich vier neue Paletten – frei Haus. Ach ja, und für jedes Video zahlen sie mir seit kurzem 5000€. Ich hoffe doch schwer, dass es sich da nicht um einen Irrtum handelt. Im Vertrag stehen immer noch 1000€ pro Video. Aber ich sagte ja, ich habe keine Zeit, sonst würde ich vielleicht mal dort anrufen und nachfragen. Soweit ich es weiß, gibt es im Unternehmen sogar einen eigenen Manager für mich. Er schreibt regelmäßig, dass er sich wünscht, dass ich mich mal bei ihm melde oder ihn besuche. Wie gesagt: Keine Zeit!

In den ersten Wochen freuen sich meine Freunde, dass ich ihnen bei jeder Gelegenheit Nutella schenke. Zum Geburtstag und zu Weihnachten bekommt Hinz und Kunz von mir zwanzig, große Gläser. Meine besten Freunde bekommen natürlich mehr! Logisch!

Das Zeug stapelt sich inzwischen tonnenweise in meinem kompletten Tiefgeschoss – das Haus ist voll unterkellert. Nach ein paar Monaten laden mich manche nicht mehr ein. Keine Ahnung wieso! Ich warte etwas ab, verschicke meine Geschenke einstweilen postalisch und fange schließlich an, den ein und anderen Besuch zu machen.

Irgendwann fällt mir auf, dass mich keiner meiner Freunde – die mich überhaupt noch empfangen – in den Keller lässt. Jedes Mal, wenn das Bier alle ist, melde ich mich freiwillig, die eiskalten, rutschigen Steinstufen hinabzuklettern und voll beladen mit Bierflaschen zurückzukehren. Aber nix! … Die lassen mich nicht.

Eines Tages wird es mir, wieder in der eben beschriebenen Situation, zu bunt. Ich melde mich nicht mehr freiwillig, um Bier zu holen, sondern stehe auf und marschiere einfach los. Nicht nur der Gastgeber, sondern sämtliche Anwesenden springen hoch, als brenne es plötzlich lichterloh, und brüllen mir nach: „Haaalt!!!“, aber es ist bereits zu spät …

Dort wo früher das kühle Bier lagerte, stehen jetzt Nutellagläser vom Boden bis zur Decke gestapelt – allerdings nur in einem einzigen Raum. Da ist ja noch Platz, denke ich, gut zu wissen, mache kehrt und komme ohne Bier zurück.

Ich habe ein kleines bisschen Verständnis für das Verhalten meiner Freunde entwickelt und weiß, dass es nicht schlecht wäre, wenn ich irgendetwas unternähme. Nur was?

Die Nutella verschenke ich inzwischen an Waisenhäuser, Schulkantinen – keine Ahnung, wie viel davon in den Lehrerzimmern landet? – Bahnhofsmissionen, Tafeln, Landschulheime, Kindergärten, Krankenhäuser, Altenheime … Sie alle freuten sich anfangs.
Jetzt wird es langsam eng. Wem könnte ich noch …? Ob ich mal im Tierheim nachfrage? Oder im Zoo? Hm …

Dann habe ich plötzlich eine Idee. Eine geniale Idee! Ich kaufe im Internet vier gebrauchte Whirlpools. Und meinen Freunden schicke ich Einladungen. Sie sollen alles mitbringen, was sie an Nutella noch haben!

Sie tun es, stehen am späten Nachmittag vor meiner Türe – schwer bepackt.
Ich habe extra ein paar kräftige Männer engagiert, die helfen, die Gläser hinters Haus auf meine Terrasse zu bringen, sie auszulöffeln – und ab mit dem Nougatmatsch in die Whirlpools!

Nach gut drei Stunden ist es endlich so weit! Die Party, also die größte Sauerei, die wir jemals in diesem Leben veranstalten würden, ist eröffnet! Die Schokolade ist geschmolzen, angenehm warm und blubbert in großen Blasen vor sich hin. Wir tauchen ein … Natürlich nackt! Um die vier Whirlpools herum funkeln hunderte Teelichte aus den leeren Nutellagläsern heraus. Über uns hängen bunte Lampions am Schirm. Der knallrunde Mond beleuchtet die skurrile Szenerie zusätzlich und für Bier und Prosecco ist bestens gesorgt. Yeah!

Nachts gegen zwei, beobachte ich, aus dem Whirlpool herausglotzend, wie sich getigerte Nacktschnecken, schwimmend, durch die teilweise geschmolzene Schokolade durchfressen, rund um die Pools herum. Mit weit geöffneten Mäulern schlittern sie beglückt dahin, lassen es richtig krachen. Genial, denke ich, die Party ist auf jeden Fall ein riesiger Erfolg. Und gleich morgen früh, also in wenigen Stunden, kündige ich bei Nutella!

Gegen vier Uhr verlasse ich das Stillleben. Nur in einem der Whirlpools gluckert es noch. Die anderen haben ihren Betrieb nacheinander eingestellt. Einige Gäste sind weg, andere hängen vollgefressen und wahrscheinlich auch betrunken über die Ränder der Pools. Oder sie liegen davor oder dahinter oder unterm Rosenbusch und was weiß ich wo noch überall. Mir egal. Ich klopfe mir die getrockneten Schokoladenmosaike vom Körper, schaffe es in die Dusche und falle fix und fertig in mein Bett.

Am nächsten Morgen linse ich durch die Scheibe meiner Terrassentüre. Von hier aus sehe ich nur noch drei Gäste, natürlich von oben bis unten vollgeschmiert mit Schokolade. Ich kneife die Augen zusammen, schaue genauer hin. Bei einem, kann ihn oder sie nicht erkennen, meine ich, dass die Atemfunktion ausgesetzt hat. Daher gehe ich an meine Besteckschublade, nehme einen Schaschlikspieß heraus und nähere mich aufmerksam der bewegungslosen Person. Mit dem Schaschlikspieß bohre ich zwei Löcher in die fest gewordene Schokolade unter der Nase; also in die Nasenlöcher und warte ab. Geht doch, denke ich kurz drauf erleichtert, Glück gehabt, und gehe wieder rein.

Als ich abermals hinausschaue, sehe ich sämtliche Katzen der Straße auf meiner schokoladenüberfluteten Terrasse versammelt. Sie schlecken friedlich vor sich hin. Neben hunderten Schmetterlingen, Wespen und Bienen, zwischen abertausenden Ameisen, Regenwürmern, Käfern, Blindschleichen, Eidechsen und Eichhörnchen, sehe ich zwei Füchse und einen Wolf. Wenn ich es richtig erspähe, lauert hinter dem Fliederbusch sogar eine Bärenfamilie? Da bin ich ja mal gespannt …
Etliches Gefieder pickt sich durch den hart gewordenen, dicken braunen Belag auf meiner gesamten Terrasse, der in der Sonne allmählich wieder schmilzt. Amseln, Spatzen, Tauben, Spechte, Drosseln, Raben, Bussarde und zwei Rotmilane.
Der Nachbarhund, ein Bernhardiner, schlabbert gerade Brittas Gesicht frei, so dass ich sie endlich erkennen kann. Sie lächelt im Schlaf, sieht glücklich aus und ich denke, na also – das war ne geile Party!

Dann hocke ich mich an den Rechner und setze mein Kündigungsschreiben auf. Kurz bevor ich damit fertig bin, klingelt es. Ich denke, hä, ist da zu? Nachdem es noch zwei Mal klingelt, stehe ich auf und latsche zur Haustüre. Draußen steht ein riesen Typ, ehrlich gesagt ein richtig scharfer Zahn, lächelt mich an und stellt sich als mein Manager bei Nutella vor. Er freue sich ja so …
Ich quetsche raus: „Ganz meinerseits, logo …“ Dann renne ich schnell vor ihm ins Wohnzimmer, lasse in Windeseile die Jalousien herunter und ziehe den Stecker meines Rechners aus der Dose. Er muss ja nicht gleich sehen, was ich da im Begriff bin, zu schreiben?

Er kommt nach und sagt erstaunt: „Ist doch ein wunderschöner Tag heute. Die Sonne scheint …“
Ich kann im halbdunkel erkennen, dass er auf die herabgelassenen Jalousien deutet. Also mache ich Licht, sehe ihn entschuldigend an und erkläre: „Sorry, bin ein bisschen empfindlich heute, habe gestern gefeiert …“
Wenn einer nicht sehen darf, was gerade auf meiner Terrasse vor sich ging, bzw. geht und wie es dort ausschaut – dann er! So eine riesen Sauerei hat der Typ im feinen Zwirn, mit der Aktentasche und dem Laptop unterm Arm, sicher sein Lebtag noch nicht gesehen! Er ist immerhin mein Manager und soll mich, trotz Kündigung in bester Erinnerung behalten! Und wie gesagt, er sieht echt scharf aus.

Ich frage, ob er Kaffee haben möchte. Er nickt. Also strenge ich mich an … Gern würde ich ihm ein Nutellabrötchen anbieten, aber nach der gestrigen Aktion, habe ich nichts mehr im Haus – nein, auch nicht im Keller!
Schließlich sitzen wir gemeinsam auf dem Sofa. Er eröffnet, dass er super Nachrichten mitgebracht hat, und sagt gut gelaunt: „Wir verdoppeln Ihr Gehalt!“
„Ups!“, rutscht es mir heraus. Was mache ich denn jetzt? Kündigen oder nicht? Ich bin ja nicht blöd und unterschreibe natürlich.
Er freut sich. Ich freue mich, dass er sich freut. Und die viele Nutella, doppelt so viel, wie vorher, werde ich schon irgendwie los – hoffe ich jedenfalls. Im Notfall – jedes Wochenende drei bis vier Nutellapartys … Ich muss sofort, wenn er weg ist, neue gebrauchte Whirlpools bestellen! Am besten gleich zweihundert Stück! Oder einen sehr großen Swimmingpool? Mit Gegenstromanlage! Und Massagedüsen! Und Wellenbad!

Mister Handsome im feinen Zwirn packt zufrieden seine Tasche, schüttelt mir die Hand, steht auf. Ich begleite ihn zur Haustüre und öffne sie. Vor uns steht Britta. Sie hat außer im Gesicht noch überall dick Schokolade und kotzt in meine Gießkanne. Schokolade!
Der Herr im feinen Zwirn ist wohl auch nicht blöd. Er schiebt Britta zur Seite, geht ums Haus und starrt mit Schnappatmung auf meine Terrasse.
Auf den braunen Brei, die Schokoladenplatten von mini bis XXXL. Auf die kaputten Whirlpools, die schmausenden Tiere, welche sich nicht stören lassen, inklusive Bärenfamilie und auf zwei unidentifizierbare Scheintote, deren Gesichter noch keiner freigeschleckt hat.

Ohne nachzudenken – finde ich jedenfalls – reißt mein Manager seine Tasche auf, zieht den Vertrag hervor, den wir eben erst unterschrieben hatten. Vor meinen erschrockenen Augen zerfetzt Mister Handsome das Dokument, und ein Windstoß weht es in zig Schnipseln über die Terrasse. Teile davon bleiben an der von der Sonne geschmolzenen Schoki hängen. Aber sie werden nicht ausreichen, um den Vertrag wieder zusammenzukleben …

Meinen Job bei Nutella bin ich los. Wahrscheinlich unwiderruflich?
Gestern bekam ich Post von Ingo und Karin. Sie gratulieren mir zu meinem großen Erfolg und erinnern mich an die Tantiemen, welche ich auf folgendes Konto überweisen soll …
Die Summe ist so horrend angewachsen, dass ich mich von meinen gesamten Ersparnissen trennen muss. Ich bin sauer. Die beiden sind immerhin schuld an der ganzen Misere, stimmts nicht? Ohne den Namen Arabella Nutella wäre alles nicht passiert! Deswegen revanchiere ich mich!

Ich sagte ja anfangs, dass ich gerne verreise, stimmts? Nicht erwähnt hatte ich, dass ich keine Familie habe. Wenn ich also in ein gefährliches Land fahre und eine Kontaktperson angebe, so nenne ich immer noch meinen Ex … Ein Herr Von! Mit dem war ich vor über zwanzig Jahren mal liiert. Er weiß nicht, dass er in meinem Leben – so gesehen – noch eine wichtige Rolle spielt. Ich finde, er hat Glück gehabt, dass mir nie etwas passiert ist.
Ingo hat mir im Urlaub seine Visitenkarte gegeben. Da steht alles drauf. Ab jetzt werde ich ihn und Karin eintragen, wenn ich wieder reise. Ach ja, demnächst geht es nach Nordkorea. Aber nur für vier Monate!
Just in diesem Moment fällt mir ein, dass Karin doch blau lackierte Finger-, und Fußnägel hatte, oder? Ihr Bikini war schwarz oder blau. War es nicht so? Und Ingo? Hatte er nun einen Bart oder nicht? Hm …

Von meinem ehemaligen Arbeitgeber bekomme ich Post. Man behauptet, dass ich die ganze Zeit zu viel Honorar erhalten habe. Im Vertrag stünde 1000 € für jedes Video. Ich solle das zu viel gezahlte Geld auf folgendes Konto überweisen … Innerhalb von zwei Wochen.
Keine Ahnung, ob ich beim Lesen in der Zeile verrutscht bin? Es handelt sich mutmaßlich um 3 000 054,99 €. Das Geld habe ich natürlich nicht.
Ich könnte vielleicht mit den 54,99€ anfangen? Und danach? Ich rechne: 3 000 000€ geteilt durch 54,99€? Sind wie viele Monatsraten? Oh, nur 54555. Geteilt durch zwölf. Das wären dann lediglich 4546 Jahre. Öha!

Mein ureigener Nutella-Manager ist abgetaucht. Wenn ich ehrlich bin, bin ich schon ein wenig frustriert. Was schenke ich denn ab jetzt meinen Freunden zu den Geburtstagen und den Weihnachtsfesten? Sieht so aus, als müsse ich kreativ werden.
Weil ich den Tag echt doof finde, eile ich in den nächstbesten Supermarkt, kaufe mir vorne beim Bäcker zehn Brötchen und drin im Laden fünf große Nutellagläser. Damit gehe ich nach Hause und tröste mich.
Schokolade tut wirklich gut. Das ist eine dringende Empfehlung von mir! Ich finde, alleine für die letzten beiden Sätze, müssten die Nutella-Leute mir ein paar Millionen rüberschieben – nicht wahr? Falls Sie das lesen, dann bitte auf folgendes Konto …

Ach so - das haben Sie ja alles.

Kiki T. Lee

6 „Gefällt mir“

Mich erinnert die Story ein wenig an „Chamsin und Silberrausch“ von Ephraim Kishon. :sweat_smile:

2 „Gefällt mir“

:flushed:

Ich brauch jetzt einen Nußschnaps!

1 „Gefällt mir“

Igitt!

1 „Gefällt mir“

Ich musste an Loriot denken. Mit seinen Senfgläsern (?)

Ein Logikfehler sprang mich an. Wenn du bis vier Uhr morgens Party machst und dann noch duschen gehst, dann müsste doch der nächste Absatz mit gegen Mittag lugte ich durch die Fensterscheiben und nicht
am nächsten Morgen heißen, oder?

Ansonsten sehr lebendig geschrieben. :blush:

1 „Gefällt mir“

„Mein Name ist Lohse. Ich kaufe hier ein.“ :rofl:

3 „Gefällt mir“

Ganz genau :joy:

2 „Gefällt mir“

Also ein „Nacheifern“ hab ich nicht erkannt.
Aber daher wirkt der Text für mich frisch und echt orginell. Meinen skurillen Humor und den Hang Dinge einfach zu überreizen trifft er. Einige Dinge würde ich überarbeiten, um noch pointierter zu sein - aber sch**** hab ich gegrinst beim Lesen!

Ich find den gut!

3 „Gefällt mir“

Erstmal Daaanke für’s Lesen, wo es auch noch recht viel ist.

@Heather, hast den Nagel direkt auf den Kopf getroffen. Kishoooon - Yeah. Wenn auch etwas moderner und gemixt mit Sista Kecki, oder Kecksi oder so … :fairy:
@EffEss, genau … Loriot ist auch nah dran. Love it. Und du hast natürlich recht mit dem Morgen … Ich danke dir und werde es ändern :heart:
@Michel, he, freut mich. Ein fettes Grinsen im Gesicht tut gut. Bitte sei so lieb, wann immer du Zeit dafür hast, gib mir zwei oder drei Stellen … Und einen kleinen Tipp, wenn’s geht … :hatching_chick:
@Gschichtldrucker , mit dir stoße ich gerne an - aber mit Nusskaba oder so :coffee:

1 „Gefällt mir“

Habe ich jetzt ein Glas besagter Nuss-Creme gewonnen? :sweat_smile:

2 „Gefällt mir“

Vielen Dank für diese kurzweiligen Lachparade! Habe mich prächtig amüsiert! Happy Day!

1 „Gefällt mir“

Ich könnte dir eine ganze Palette schicken. Adresse? :joy: :partying_face: :notes:

@jorgedemyers , Gern geschehen :sweat_smile: :innocent:

2 „Gefällt mir“