Der scharfe Hauch des Todes
Mit einem Quietschen, das den Totengräber des Ortes zum Weinen gebracht hätte, schwang die Saloontür auf. Schleppenden Schritts kamen zwei Männer herein, die sandbedeckten Staubmäntel vorne weit offen. Jeder von ihnen hatte die Rechte auf dem Knauf seines 45ers ruhen.
Als wäre der Tod zwischen ihnen hereingeglitten, erstarben die Gespräche im Raum, wie von Geisterhand erstickt. Nur noch das beharrliche Wimmern des Windrads, das vor dem Saloon für Wasser in der Pferdetränke sorgte, untermalte die Stille.
„Ist Daisy da?“
Der Barkeeper hatte es nur geflüstert, mit abgewandtem Kopf gewissermaßen aus dem Mundwinkel gequetscht, doch durch die Stille donnerten seine Worte wie Revolverschüsse.
Einer der Männer, der hagerere von beiden, drehte ruckartig seine Hakennase in Richtung des Sprechers. Seine Falkenaugen durchbohrten den Blick des Barkeepers. Der wurde kreidebleich und zerfiel sichtlich, als der Mantelträger den Knauf seines 45ers nach vorne schob, als wollte er zeigen: ‚Noch ein Wort …‘
Doch Daisy hatte den Barkeeper gehört.
Mit raschelnden Röcken kam sie durch die Tür zur Küche. Als sie sah, wer da vor dem Tresen stand, bereit, jeden im Raum in ein bluttriefendes Sieb zu verwandeln, griff sie sich mit nervöser Hand an die Brust.
„J - j - joe?“ fragte sie, und auf ihrer Stirn zeigten sich erste Schweißperlen.
Der Mann mit der Hand auf dem Knauf seines Colts sagte immer noch nichts. Während sein Begleiter unter zusammengezogenen Augenbrauen die anderen Gäste des Saloons im Auge behielt, die Hand zugbereit lauernd fingerbreit über dem Coltknauf, richtete Joe seinen stechenden Blick auf die rassige Rothaarige, deren Dekolleté sich angstvoll hob und senkte.
Er hob seine Linke, krümmte den Zeigefinger und winkte sie zu sich.
Zögernd, als würde sie lieber rückwärts gehen, und gleichzeitig spürend, dass ihr gar keine Wahl blieb, kam sie Schritt für Schritt um den Tresen herum.
„Joe, ich …“
Ruckartig hob Joe seinen Zeigefinger an den Mund.
Daisy verstummte, wie abgeschnitten. Einer aufgezogenen Puppe gleich ging sie weiter auf Joe zu. Als sie dicht vor ihm stand, legte ihr Joe zwei Finger unters Kinn und hob ihren Kopf an, bis sie ihm direkt in die Augen sehen konnte.
„Das Steak gestern …“ begann er, und alle im Raum konnten sehen, wie Daisy zu zittern begann. Es schüttelte sie förmlich.
Mit bedauerndem Blick schüttelte Joe langsam seinen Kopf.
„Ach Daisy“ sagte er, „ich hatte medium rare bestellt“.
„Joe, ich …“
Daisy begann zu schluchzen.
„Ja, Daisylein, ich weiß, dass es dir leid tut. Aber du weißt auch, was Leuten blüht, die mich enttäuschen, oder?“
Mit sanfter Hand begann er das Haar der Rothaarigen zu ordnen, langsam, zärtlich, wie jemand, der am Totenbett letzte Hand an ein einst geliebtes Wesen legt.
„Joe, ich …“
„Das sagtest du bereits, Darling.“
Joes Stimme blieb unverändert sanft, während seine Finger weiter ordnend durch die kupfernen Locken glitten. Alle konnten sehen, wie die Schultern unter der roten Haarpracht herab sanken, wie die Schöne sich in ihr Schicksal ergab.
„Medium rare?“ fragte sie.
„Medium rare, Darling, und vergiss nicht, die Aioli schön scharf zu machen.“
Daisy atmete sichtlich auf. Der Barkeeper wischte sich den Schweiß von der Glatze und der Mann am Piano griff wieder in die Tasten. Während die rassige Rothaarige in dem Wissen, eine allerletzte Chance erhalten zu haben, sich auf den Weg zurück in die Küche machte, dachte sie an das Chiliöl im Küchenschrank. Für versierte Köchinnen gab es mehr Möglichkeiten als Bauchschüsse, jemandem die letzte Hölle auf Erden zu bereiten.
‚Scharf Joe? Kannst du haben!‘