1 825 Tage
Die kalte, regnerische Nacht bewirkte, dass sich Noah unsicher fühlte. Los Angeles war allgemein viel zu gefährlich für ihn und er spürte eine gewissen Ängstlichkeit, fast schon Panik, wenn er daran dachte, dass er in nur wenigen Minuten fertig war das Café zu putzen, in welchem er arbeitete. Seine Schulden bezahlten sich nun mal nicht von selbst, nicht, nachdem seine Lebensspenderin abgehauen war mit diesem Mann, den sie erst drei Tage kannte.
Bis jetzt war es für Noah nicht nachvollziehbar, warum seine Mutter das getan hatte. Wie war es dazu gekommen, dass er sich nun um sich selbst kümmern musste? Hatte er das nicht schon genug in seinem Leben gemusst? Immerhin war sein Vater erkrankt, mühte sich nahezu ab, zu überleben, und musste sich schließlich dem Tod hingeben. Eine Sache, die Noah nie verkraftete, besonders nicht, da er dadurch so viel Mobbing in der Schule ertragen musste. Welcher normale Junge wuchs ohne Vater auf in so einer Stadt, wie Los Angeles mit Vorstadt-Mentalität? Es war eine grausame Zeit.
Etwas gegruselt von den Gedanken an seine Zeit in der High School, räumte er die letzten Sachen auf und sah sein Werk nochmal an. Zwanghaft versuchte er einen Fleck auf dem Boden zu finden, allerdings hatte er nach drei Stunden putzen wirklich keine Aufgabe mehr. Noah wusste, dass ihm die Überstunden nicht bezahlt worden, aber das war in Ordnung, beim Beeilen hätte er sich zwar sparen können durch die Dunkelheit zu laufen, jedoch liebte er es, wenn alles sauber war. Nahezu rein, wie er.
Als er endlich seine Schürze ablegte und seinen Oversize-Pullover glatt strich, fiel ihm auf, wie unschuldig er auf all die Bad Boys auf den Straßen von LA wirken musste. Ganz und gar verunsichert versuchte er seinen besten Freund zu erreichen, aber wie immer war Liam unerreichbar. Wie schaffte er es so nur lebend nachhause? Immerhin musste er die ganze Skid Row entlang, damit er zuhause in seinem schäbigen Apartment wäre. Noah ermahnte sich, als er diesen negativen Gedanken mitbekam.
Es war gar nicht so desaströs, denn er besaß dieses eine Zimmer. Vielleicht hatte es einen kleinen Wasserschaden und einige Risse in der Wand, aber es war perfekt belüftet durch das eingeschlagene Fenster. Dadurch schimmelte es wenigstens nicht. Daran war doch eine Menge Positives.
Generell sah er gerne die Dinge positiv, wie es ihm sein Vater damals beibrachte. Weshalb es ihm Angst machte, dass er gerade so viele negative Gedanken hatte. Bestimmt lag es am Tag. Denn, als er das erste Mal seit dem aufstehen auf sein Handy sah, bemerkte er, dass es der Todestag seines Vaters handelte. Das erklärte seine bekümmerte Stimmung. Ohne seine Mutter, die sich an diesem Tag immer mit anderen Männern vergnügte, verdrängte er das völlig.
Als Noah nun endlich das Café verließ, stellte er fest, dass Schüsse zu hören waren. Panisch rannte er in die Richtung von, wo er sie vernahm, um zu sehen, ob es wirklich Schüsse waren und vielleicht jemand verletzt. Es war wichtig, dass man anderen Leuten half, sein Vater erwähnte das immer.
Auf halbem Weg kam ihm ein großer, wahnsinnig attraktiver Kerl entgegen, der wirkte, als wäre er frisch aus einem Film gekommen. Sein markantes Gesicht, die stattliche Statur und dazu die stechend eisblauen Augen, raubten Noah vollkommen den Atem. „Wer bist du?“, raunte der Unbekannte mit männlicher, tiefer Stimme.
Bevor er antwortete zuckte Noah zusammen, als er erneut einen Schuss hörte. Blut traf seine Wange, in dem Moment wo der Hüne vor ihm angeschossen wurde. Erschrocken griff er nach ihm. Seine braunen Augen waren geweitet im Schock, während er den großen Mann ansah. So sehr war er noch nie von einem Mann überragt worden.
Die Hände des heißen Mannes glitten an ihm herab, bis unter Noahs runden Apfelpo, der die perfekte Größe hatte, um in die großen Pranken des Unbekannten zu passen. Erschrocken zog der Kleinere die Luft ein, als er auch noch hochgehoben wurde. „Was tun Sie denn da?“, verließ es eingeschüchtert seinen Mund, während der Mann ihn mitnahm und weiterging.
„Wir müssen hier weg, Prinzessin! Ich rette dir das Leben, wie es jeder zwielichtige Mafiaboss auf den Straßen von Los Angeles machen würde, weil keine Zivilisten in unsere Angelegenheiten reingezogen werden sollen. Außerdem ist absolut klar, dass ich mich in das unschuldige Dummchen verlieben werde, für das ich mir soeben eine Kugel eingefangen habe. Aber der Schmerz ist eh nicht bemerkbar, weil mein Körper derart abgehärtet ist.“
Noah hörte kaum etwas, nachdem er diesen Kosenamen vernahm. Sein Herz flatterte in seiner Brust und er spürte eine tiefe Verbundenheit. Wie sollte er jemals wieder glücklich werden, wenn nicht mit diesem Mann? Es war absolut klar, dass er der Mann seiner Träume war. Der Mann für alles, was ihn glücklich machen würde. Immerhin war er die pure Gefahr.
Fünf Jahre später, hatte Noah alles aufgegeben für einen Mann, der nicht mal seinen Namen kannte, sondern ihn immer nur Prinzessin nannte. Noah kannte dafür seinen Namen, war es doch der Name des Vaters seiner Babys, zumindest in seinem Kopf. Kieran, der Sohn des Cousins des Bruders vom Onkel von Carlo Gambino, dem bekannten Mafiaboss, war zwar immer noch der Mann seiner Träume, aber leider tot. Bestürzt war Noah natürlich, denn fünf Jahre hatten sich verdammt gut angefühlt. Er genoss es ständig Kierans Autorität zu untergraben, indem er weggelaufen war, eine Schwangerschaft vortäuschte, sich unangenehm verhielt und trank, ohne betrunken zu werden. Noah hatte ein Leben wie im Rausch gelebt.
Aber wie jede Mafia-Prinzessin, und er liebte diesen Kosenamen, brauchte Noah einen Plan B. Er konnte nicht ohne so einen Mann sein, den er absolut unglaubwürdig dastehen ließ, mit seinem Gehabe. Wann sollte er sich sonst wie ein Teenager verhalten? Gut war, dass er seit fast vier Jahren eine Affäre mit einem anderen, viel zu jungen Mafiaboss hatte. Und dieser Hunter aus der verfeindeten Familie machte sich noch viel besser in seinem Bett, als der Mann seiner Träume für den er alles aufgegeben hatte.
Noah war einfach glücklich.
The End.