Seitenwind Woche 10: Parodie

Ich fliege, John!

Rosalie und John standen am Bug der Lilliputanic und genossen den Wind, der ihnen kalt um die Ohren pfiff.
„Der Wind ruiniert meine Frisur, John!“, jammerte Rosalie.
„Ach kommen Sie schon, Rosalie. Lieber eine ausgefallene Frisur als ausgefallene Haare!“, rief John gegen das Tosen des Windes und des Wassers an und umfasste Rosalie von hinten. „Schließen Sie Ihre Augen, Rosalie. Vertrauen Sie mir. Halten Sie sich an der Reling fest und dann steigen Sie hinauf.“
„Ich bin doch nicht lebensmüde“, erwiderte Rosalie.
„Nehmen Sie doch mal Ihren Stock aus dem Arsch, andernfalls kommen Sie nie in den Genuss der wirklich schönen Dinge im Leben. Vertrauen Sie mir.“
„Okay, John, ich vertraue Ihnen.“ Rosalie schloss die Augen, kletterte die Reling hinauf und gerade als sie sich ausbalancieren wollte, kam sie ins Schwanken und kippte vornüber.
Geistesgegenwärtig erwischte John sie noch an ihrem Rock und war gerade im Begriff, sie zurückzuziehen, als der Stoff mit einem hässlichen Ratsch! nachgab.
Während John das Stück Webkunst zwischen seinen Fingern betrachtete, rief Rosalie:
„Ich fliege, John! Ich weiß, dass das Wasser kalt und tief ist, aber das ist mir egal - ich fliege, John! Wagen Sie es nicht, zu versuchen, mich aufzuhalten …“
Wie könnte ich, dachte John, wie könnte ich … Auf dem Rückweg zu seinem Deck ließ er das Herz des Ozeans in seiner Tasche verschwinden.

Keine Überraschungen


Rupert mochte den neuen Kollegen jetzt schon nicht, obwohl er ihn noch gar nicht kannte. Er wollte Peter zurück.

Peter und er waren fast dreißig Jahre lang Partner gewesen. Sie hatten sich zusammen von der Streife hochgedient und waren zuletzt gemeinsam das Herzstück der Mordkommission gewesen. Dann hatte Peter die Dreistigkeit besessen, auf Kur zu gehen. Aber nicht, weil der Doktor ihm das geraten hatte, sondern weil er selber vom Alkohol wegkommen wollte. Die gemeinsamen Raucherpausen aufzugeben war eine Sache, aber das Feierabendbierchen unter Kollegen sollte heilig sein!

Und nach dem Entzug hatte Peter beschlossen, in Frührente zu gehen, um seine Ehe zu retten. Etwas Dämlicheres hatte Rupert noch nie gehört. Sie waren Polizisten. Ihre Ehen gehörten mindestens zerrüttet, sonst machte man seinen Job nicht richtig. Da waren Ella und er sich einig gewesen, als er ihr das von Peter und Sabine erzählt hatte. Seine Ella war eine kluge Frau. Sie hatte ihm schon vor Jahrzehnten das Angeln schmackhaft gemacht, damit er im Ruhestand nicht zu viel Zeit zuhause verbringen müsste. Eine gute Frau.

Rupert schreckte aus seinen Gedanken hoch. Hatte dies junge Ding vor ihm etwas gesagt? Zumindest streckte sie ihm die Hand hin und schien etwas zu erwarten. Roter Nagellack. Den trug Ella nur zu Weihnachten. Ansonsten ist der zu nuttig, sagte sie immer.

„Die Sitte ist im sechsten Stock.“ Rupert verkniff sich das sonst übliche Kichern bei dem Satz und schaute nicht hoch. Wenn er ihr nicht in die Augen schaute, würde sie vielleicht einfach wieder verschwinden und er könnte erstmal sein Kreuzworträtsel und seinen dritten Kaffee beenden, damit der Tag einen guten Anfang hatte. So wie immer. Alles wie immer. Das war gut.

„Ich bin Ihre neuer Kollege.“

Eine männliche Stimme. Sehr angenehm. Rupert schaute wieder auf die ihm angebotene Hand und griff zu, aber nur, um diese zu sich zu ziehen. Größe und Kräftigkeit sprachen für einen Mann. Aber da war tatsächlich knallroter Nagellack. Er hatte sich nicht getäuscht. Verwirrt schaute Rupert nun hoch.

„Ich bin der Johannes. Oder einfach Jo.“ Der junge Mann vor ihm war hochgewachsen und sportlich. Gutes Dienstmaterial. Der Bart wirkte ein wenig unecht. Perfekt gestutzt und ausrasiert. Und glänzend. Rupert wusste was Bartöl ist. Einmal und nie wieder. Als der Neue den Kopf wand, hatte Rupert das Gefühl, ihn würde gleich der Schlag treffen. Der Typ hatte einen Dutt.

„Meier.“ Er zog die Hand zurück und musterte nun die Kleidung seines Gegenübers. Natürlich trug hier niemand Uniform oder Anzug, aber jeder wusste, was als angemessene Kleidung für den Dient zählte. Jo offensichtlich nicht, denn er trug eine Jogginghose. Eine zu kurze Jogginghose, Man konnte seine Knöchel sehen. Und Socken trug er auch nicht.

„Kollege Meier, ich freue mich ihre Bekanntschaft zu machen. An welchem Fall arbeiten wir gerade?“

„Ich arbeite gerade daran, einen Serienmörder zu fangen. Aber der Bastard ist verdammt gerissen. Ein wahnsinniges Genie.“

Rupert sagte die Worte nicht ohne stolz. Dies war der Fall seines Lebens. Noch glaubte ihm niemand, aber es gab eine Verbindung zu der Mordserie von vor fünfundzwanzig Jahren. Der erste eigene Fall für Peter und ihn. Leider endeten alle Hinweise in Sackgassen und sie mussten ihn als ungelöst zu den Akten tun. Aber Rupert war sich sicher, dass es der gleiche Täter war.

„Aber diesmal hat er keine Chance. Es gibt Beweise. DNA. Auf einer Zigarettenkippe. Seltene Marke.“

Johannes setzte sich an den gegenüberliegenden Schreibtisch und stellte den Bürostuhl auf seine Größe ein. Dann startete er den Rechner und schaute die Schubladen durch, um sich einen überblick über das vorhandene Büromaterial zu machen. Die unterste Schublade war klemmte.

„Diesmal?“

„Ja, diesmal. Ich bin mir sicher, dass der Täter kein Unbekannter ist. Aber der einzige Zeuge in dem alten Fall, hat leider sein Gedächtnis verloren und nie wiedererlangt.“

Rupert war noch immer davon beeindruckt, wie Peter und Ella die ganzen Schwierigkeiten meisterten, die eine so schwere Amnesie mit sich brachte. Die Ella war eine wirklich Hübsche und er hatte verstehen können, dass Peter sich in sie verknallt hatte. Als der sie im Krankenhausbett gesehen hatte, war er wie vom Schlag getroffen gewesen. Liebe auf den ersten Blick. Er hatte auch nicht weniger verdient gehabt. Zu sagen, dass Peter eine schwere Kindheit hatte, wäre noch untertrieben gewesen. Rupert kannte keine Details, aber die Andeutungen hatten ihm immer mehr als gereicht. Er hatte Peter sein Liebesglück immer gegönnt, auch wenn er die Sache mit der Frührente unglaublich blöd fand.

„Aber diesmal haben wir Beweise. Das ist gut.“

„Ja, wenn sie nicht wieder verloren gehen. Da lief damals ordentlich was schief. Einige Köpfe sind gerollt. Schlimme Sache das.“

Johannes nickte verständnisvoll und ruckelte weiter an der letzten Schublade.

„Nun lass doch. Das olle Ding klemmt. Nur Peter kann sie aufmachen. Deshalb sind da seine privaten Sachen drin gewesen. Jetzt ist sie leer.“

„Ist sie nicht. Ich höre da doch was klappern. Wie kleine Schachteln…“

Rupert seufzte.

„Ist okay. Ich ruf den Peter an. Der hat sicher nur vergessen, sie auszuräumen. Lass doch jetzt das laute Gezerre. Wir gehen jetzt erstmal einen Kaffee trinken.“

Johannes stand auf und nickte lächelnd.

„Gerne, wenn er fair-trade ist.“

Rupert schüttelte innerlich den Kopf. Er vermisste Peter sehr. Bei ihm hatte er immer gewusst, woran er war.

Eine Geschichte ohne Ende

In fernen Landen gab es einst zwei Königreiche. Das eine lag linkes vom Fluss, das Andere rechts vom Fluss. Der Fluss war die Grenze. In der Mitte des Flusses lag eine grüne Insel. Auf ihr wuchs ein riesiger Nussbaum. Es war aber kein gewöhnlicher Baum. Er trug goldene Nüsse.

Die beiden Länder lebten Generationen lang friedlich nebeneinander. Einmal im Jahr, zur Erntezeit der Nüsse, traf man sich auf der Insel. Es fand jeweils ein grosses Fest statt. Alle Einwohner von links dem Fluss, wie auch alle von rechts dem Fluss, kamen zusammen, um die Nüsse zu ernten. Sie assen, tranken, tanzten und das Wichtigste, sie teilen sich die Nüsse immer zu gleichen Teilen auf. Zum Advent entbrannte dann jedes Jahr ein Wettkampf, wer den größten, schönsten Weihnachtsbaum auf dem Dorfplatz hatte. Das Ergebnis war immer unentschieden. Beide hatten ja immer gleichviel Nüsse, mit denen sie den Baum schmückten. So hatte jedes Königreich für sich den schönsten Baum.

Über Jahre hinweg ging das immer gut. Die Einwohner freuten sich an dem geschmückten Baum und waren stolz, den schönsten Baum zu haben.

Doch einmal geschah etwas Furchtbares. Eine einzige Nuss war übrig geblieben. Das hatte es noch nie gegeben. Die Könige sassen tagelang zusammen und berieten sich. Wem gehörte denn nun diese eine Nuss? Jeder König brachte gute Argumente. „Die Insel ist ein bisschen mehr auf meiner Seite.“ „Die Wurzeln aber mehr auf meiner;“ argumentierten sie. Die Diskussionen gingen hin und her, ohne das eine Lösung gefunden wurde. Mit der Zeit wurden die Gespräche gehässiger und so kam es, wie es kommen musste: Man ging im Streit auseinander. Von da an traute keiner mehr dem anderen. Jeder König wollte die letzte Nuss für sich beanspruchen. Wachen wurden am Fluss aufgestellt. Versuche, die Nuss heimlich zu stehlen scheiterten jeweils in einem gegenseitigen Gerangel. Am Ende war es nicht mehr die Nuss, sondern alles Andere, was dem Gegenüber vorgeworfen wurde. Es kam so weit, dass beide Länder sich für einen Krieg rüsteten.

Kurz vor dem ersten Schnee eskalierte die Situation. Beide mobilisieren ihre Armee. Auf der Insel traf man zusammen. Es entbrannte ein furchtbarer Kampf. Es gab viele Tote und Verletzte. Und der Baum? Er wurde arg in Mitleidenschaft gezogen. Gebrochen, verkohlt, die letzte Nuss am Boden zerstört, zertrampelt, nicht mehr brauchbar. Was zurück blieb waren Tod und Verzweiflung und ein zerstörter Baum, der wohl nie mehr goldene Nüsse tragen würde.

Es brauchte Jahre, bis die Wunden verheilt waren. Jeder gab dem Anderen die Schuld. Man sprach lange nicht mehr mit dem Nachbarn auf der anderen Flussseite. Es war Eiszeit. Niemand freute sich mehr auf Weihnachten.

Eine Generation später. Es war Frühling. Auf der grünen Insel, mitten im Fluss, dort wo einst der Nussbaum stand, sprieste ein kleiner frischer Trieb aus dem Boden. Die Freude in beiden Reichen war gross. Man versöhnte sich. Man konnte es kaum erwarten, bis der Baum wieder voller Nüsse war.
Doch wahrlich ich sage euch: Es wird auch hier wieder einmal eine letzte goldene Nuss übrig bleiben.

High Noon im Saloon

Der ganz in schwarz gekleidete Reiter stieg in einer einzigen eleganten Bewegung von seinem weißen Pferd, warf dem am Eingang zum Saloon stehenden Jungen einen halben Dollar zu und sagte: „Kümmer dich gut um meine Dolly!“
„Ay, Massa! Wird erledigt, Massa! Vielen Dank!“
Zum Zeichen, dass er nichts gegen Schwarze hatte, aber auch nichts gegen Kinderarbeit, zwinkerte der Reiter dem Jungen lässig zu, stieg die Stufen zum Saloon nach oben und brüllte, noch eher er durch die Schwingtür getreten war:
„Whisky! Für alle!“ Er lachte dröhnend, was seine schneeweißen, ebenmäßigen Zähne zum Vorschein brachte und stiefelte breitbeinig zum Tresen, während seine stahlblauen Augen die Bedienung fest in den Blick nahmen.
„Wann hast du Feierabend?“
Die blauäugige Schönheit richtete ihr üppiges Dekolletee, beugte sich an sein Ohr, öffnete ihre dunkelrot geschminkten, vollen Lippen und hauchte: „Wann immer du willst, Fremder.“
„Nenn mich John“, antwortete er und legte einen Beutel klingender Münzen vor sie hin, was ihr einen gurrenden Jauchzer entlockte. „Wie wäre es jetzt gleich, John?“
Er zwinkerte ihr lässig zu. „Nenn mich Johnny, Sugar.“
„W-woher weißt du meinen Namen?“
Johnny näherte sich ihren vor Erstaunen leicht geöffneten Lippen. „Ach weißt du, Sugar, schon als ich den Saloon betrat, wusste ich, dass du mein Baby bist!“
„Echt?“
„Echt!"
Er küsste sie.
„Außerdem haben wir beide blaue Augen.“
„Echt?“
„Echt!“
Er küsste sie ein weiteres Mal.
„Okay!“
„Okay!“
“Nichts ist okay“, sagte der Mann, der unbemerkt hinter Johnny aufgetaucht war und ihm den Lauf seines Revolvers in den Rücken drückte. „Dolly gehört mir! Und Fremde wie du verschwinden am besten gleich wieder!“
Johnny nahm einen Schluck Whisky, ohne den Blick von seinem Baby zu lassen.
„Hörst du schlecht? Du sollst abhauen! Und zwar jetzt!“
Johnny trank in aller Ruhe sein Glas aus, stellte es leise ab und nickte.
Danach ging alles ganz schnell: Der Fremde, der sich Johnny nannte, aber eigentlich Billy hieß, drehte sich in einer einzigen eleganten Bewegung um, nahm dem verdutzten Mann den Revolver aus der Hand, erschoss damit erst ihn und dann, im Wechselspiel mit seinem eigenen Engelmacher, den Rest der Männer, die es gewagt hatten, ihre Waffen zu zücken, also alle.
Dann drehte er sich wieder zu der Frau um, die sich Dolly nannte, aber Sugar nennen ließ, obwohl sie eigentlich Heidrun hieß, und sagte: „Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss!“
Johnny lächelte.
Sugar seufzte.
Feierabend.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie Zombies

Der alte König grämte sich unter seiner goldglänzenden, mit Juwelen besetzen Krone. Unruhig rutschte er auf seinem ebenso goldglänzenden Thron hin und her. Heute sollte seine Tochter, die schöne, liebreizende Iseglinde, mit ihren blonden, langen, wallenden Haaren und ihren Augen so blau wie der Himmel, ihren 16. Geburtstag feiern. Im Königreich Hiersindalleglücklichundsingendenganzentag war dies eigentlich ein Grund zur Freude. Die Prinzessin war nun im heiratsfähigen Alter. Kilometerweit hatten sich die Prinzen angestellt und sich bereits in Prüfungen wie „Kampf gegen den Drachen“, „Turmerklimmung“ und „Finde den richtigen Fuß zum viel zu kleinen Schuh“ bewiesen. Drei mutige Helden waren übrig geblieben, um die finale Prüfung zu meistern. Eigentlich hatten vier Prinzen bestanden, doch das Reglement sah vor, dass nur drei ins Finale kommen durften. Drei war eine gute Zahl in Märchen, auch wenn keiner wusste warum. Doch das Finale konnt enicht stattfinden, denn heute morgen war ein Unglück geschehen.
Das Schicksal hatte es vorgesehen, dass die Prinzessin sich an einer Spindel stechen sollte, daraufhin in einen tiefen Schlaf fiel, um dann von den Prinzen geküsst zu werden. Derjenige, dessen Kuss sie wieder erwachen ließ, hätte die Prinzessin zur Braut bekommen. Doch Iseglinde weigerte sich, sich an das Spinnrad zu setzen.
„Nur weil ich eine Frau bin, soll ich Handarbeiten machen und heiraten? In so eine Schublade lasse ich mich nicht stecken. Ich will auch lieber Drachen bekämpfen und das Herz einer Prinzessin für mich gewinnen.“
„Du meinst wohl, das Herz eines Prinzen, oder?“
„Papa, ehrlich, welcher Prinz ließe sich eine Frau gefallen, die für ihn die Drachen tötet. Der würde sich doch sofort entmannt fühlen.“
„Jetzt bist du es aber, die in Schubladen denkt.“
„Stimmt auch wieder. Na gut, dann erobere ich vielleicht auch das Herz eines Prinzen, oder eines Holzfällers, ist mir einerlei.“
„Eines Holzfällers? Du kannst doch nicht unter Stand heiraten!“
„Wieso nicht? Das Königreich erbt doch ohnehin mein Bruder, und das, obwohl ich älter bin als er.“
„Für diese Regeln kann ich nichts, die sind noch von unseren Vorfahren.“
„Die wussten auch nicht, was für ein Dummkopf mein Bruder ist. Ändere die Regeln doch einfach.“
„Die Regeln ändern? Sowas gab es noch nie. Nein, alles bleibt wie gehabt. Keine Sorge, dein Bruder wird kluge Ratgeber an seiner Seite haben.“
„Die ihn zu ihren Gunsten beeinflussen und dann die Macht an sich reisen, das kenne ich aus Game of Thrones.“
„Aus was?“
„Ach, das kennst du eh nicht. Also, darf ich nun Drachen töten?“
„Äh, nein, natürlich nicht!“, erinnerte sich der König daran, dass er der Chef im Schloss war. Er hatte sich so ein freches Gerede von seiner Tochter nicht bieten zu lassen. „Jetzt setzt dich schon an die Spindel. Du musst ja gar nichts anderes damit machen, als dich daran zu stechen.“
„Du willst, dass ich mich daran verletzte? Das ist Kindswohlgefährdung.“
„Du bist in unserem Reich nun volljährig, du bist kein Kind mehr“, erklärte der König, ohne zu ahnen, was er damit anrichtete.
„Na wenn ich volljährig bin, dann muss ich mir von dir ja nichts mehr sagen lassen.“
Daraufhin war die Prinzessin aus dem Zimmer mit dem Spinnrad gerannt und hatte den König alleine zurückgelassen.
Als der König später in das Zimmer der Prinzessin ging, um noch einmal mit ihr zu reden, schließlich hatten die Prinzen ja nicht ewig Zeit, sie wachzuküssen, war diese nicht mehr da. Sie sei „ausgegangen, um Heldentaten zu vollbringen“, berichtete ihre Zofe. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
In der Tat kamen zur königlichen Audienz an diesem Nachmittag bereits lauter Märchenfiguren, die sich beschwerten. Da war der furchtbar grimmige Wolf, der heute wohl besonders grimmig war, da er Hunger hatte. Ihm war heute weder die Großmutter, das Rotkäppchen, noch ein paar kleine Geißlein unter die spitzen, scharfen Zähne gekommen, weil die Prinzessin diese nicht nur gewarnt, sondern auch noch in Selbstverteidigung unterrichtet hatte. Zudem hatte sie den königlichen Schlosser beauftragt, in deren Häusern Sicherheitsschlösser an Fenstern und Türen anzubringen, so dass der Wolf nun nicht mehr hineinkam. Als er es durch den Kamin versucht hatte, war dieser schon von einem dicken Mann mit weißem Rauschebart besetzt gewesen.
Auch die Hexe mit ihrer dicken Warze auf der Nase und einem Buckel, der von einer Katze bewohnt wurde, war hungrig, da Iseglinde die Eltern von Hänsel und Gretel überredet hatte, ihre Kinder lieber zur Schule zu schicken, statt sie mit in den Wald zu nehmen. Auf sein Anraten hin, sie könne doch etwas von ihrem Lebkuchenhaus essen, war diese zornig auf ihren Besen gestiegen und hatte bittere Rache geschwört. Wenigstens den Drachen hatte seine Tochter verschont, zumindest hatte der König nichts gegenteiliges vernommen. Dafür hatte sie diesen überredet, mit seinem Schwanz ein Loch in den Turm von Rapunzel zu schlagen. Dort hatte sie dann vom königlichen Tischler eine Tür einbauen lassen, so dass Rapunzel nun kommen und gehen konnte, wie sie wollte. Kurzum, niemand im Land Hiersindalleglücklichundsingendenganzentag musste mehr gerettet werden. Alle konnten nun tun und lassen, was sie wollten, ohne irgendeine Gefahr. Leider war niemand aus seinem Volk darüber glücklich. Was sollten sie nun alle den ganzen Tag lang tun, wenn keine Gefahren mehr drohten, niemand mehr gerettet werden musste und auch sonst keine Abenteuer mehr zu bestehen waren? Vor lauter Traurigkeit darüber, sang nun niemand mehr im Land.
Der König beschloss, dass er etwas tun musste. Er ließ jeden seiner Untertanen antreten, um sich an der Spindel zu stechen. Sie alle sollten hundert Jahre schlafen, in der Hoffnung, dass es in der Zukunft neue, schaurige Gefahren und Abenteuer zu bestehen galt. Doch das Gift in der Spindel war auf Iseglindes DNA optimiert, nur sie hätte es zum Schlafen gebracht. Die Bevölkerung des Landes Hiersingtleiderkeinermehr, wie es seit diesem Tage hieß, schlief hingegen nicht ein. Die Leute starben auch nicht davon. Aber so richtig am Leben waren sie auch nicht mehr. Sie waren alle immer unsagbar müde, ohne jedoch einschlafen zu können. ihr Gang verlangsamte sich, ihr Herzschlag auch und auch ihr Sprechen. Für den König war es gespenstisch anzusehen, wie die Menschen seines Volkes wie lebende Tote umhermarschierten. Aus lauter Verzweiflung stürzte er sich auch in die Spindel. Die Prinzessin bekam von all dem nichts mit, da sie inzwischen beschlossen hatte, dass sie Zauberin werden wollte. Sie saß bereits im Zug nach Hogwarts. So kam es, dass der König und sein Volk keinerlei Hilfe bekamen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie noch heute Zombies.

Nachts, wenn alles dunkel ist

Nachts, wenn alles dunkel ist,

geht der Jäger auf die Pirsch.

Stunden auf dem Anstand sitzt,

wartend auf den Hirsch.

Nachts, wenn alles dunkel ist,

äst das Rotwild durch den Tann,

Jäger auf dem Anstand sitzt,

Hirsch in seinem Bann.

Nachts, wenn alles dunkel ist,

zoomt das Fernglas nah heran.

Hirsch jetzt seine Ohren spitzt,

Legt der Jäger an.

Nachts, wenn alles dunkel ist,

ist der Hirsch voll im Visier.

Bricht die Stille hoch und spitz -

Handy im Revier.

Nachts, wenn alles dunkel ist,

flieht der Hirsch ins Dickicht laut.

Flinte jetzt erst knallt und blitzt,

Jäger hat’s versaut.

Nachts, wenn alles dunkel ist,

Ricke wartet auf den Hirsch.

Keiner auf dem Anstand sitzt,

Liebe auf der Pirsch.

Hin und wieder zurück oder doch wieder hin und zurück - Eine erwartbare Reise

Fragend hob Bolbi den Blick zu diesem dürren, alten Mann, der ihn sicher um das Doppelte überragte. In dem zerflederten Mantel, mit dem ausgebeutelten Spitzhut und seinem langen, grauen Zottelbart war er schon auf einen Kilometer Entfernung als Zauberer zu erkennen. Dazu hätte er sich nicht erst auf seinen langen Zauberstab beugen müssen. Seine gutmütigen Augen blickten auf ihn herab, während die Zwerge in seinem Gefolge Bolbis Vorratskammer plünderten.
»Ich soll euch auf ein Abenteuer begleiten?«, fragte er den Alten verwundert. »Ich bin doch nur ein unbedeutender Halbling aus einem winzigen Dorf am Rande der bekannten Welt. Was sollte ich auf einem Abenteuer? Am Ende muss ich noch gegen einen Haufen garstiger Orks, Trolle und Riesenspinnen kämpfen. Dabei habe ich noch nie ein Schwert in meiner Hand gehalten, geschweige denn kann ich kämpfen. Wieso kommt ihr also auf den abwegigen Gedanken, dass ich dir mächtigem Zauberer und euch tapferen Zwergenkriegern auf eurer Reise in irgendeiner Weise behilflich sein könnte?«
»Natürlich wirst du uns zunächst nur ein Klotz am Bein sein. Aber als weiser Mentor benötige ich eben irgendeinen Grünschnabel oder Hinterwäldler wie dich. Welchen Sinn hätte es denn, jemand diese fantastische Welt erklären zu wollen, der bereits alles über sie weiß? Außerdem lieben die Leute solche Heldengeschichten. Ein einfacher Recke, der auszieht, um zum gefeierten Helden zu werden und die Welt zu retten. Ganz nebenbei, die meisten der Zwerge hier sind nur schmückendes Beiwerk. Um der Dramaturgie Rechnung zu tragen, werden natürlich zwei oder drei von ihnen sterben müssen. Tiefgreifende Frauenfiguren gibt es nicht. Die lenken doch eh nur vom Wesentlichen ab. Ach und hatte ich bereits die unermesslichen Schätze erwähnt, die du am Ende der Reise finden wirst?«
»Du meinst die Berge von Zwergengold, die von einem leibhaftigen Drachen bewacht werden? Die Berge von Gold, die beinah zum Auslöser für einen Krieg zwischen Elben, Menschen und Zwergen werden? Nein Danke. Ich verzichte!«
»Vergiss bloß nicht den Zauberring, den du auf dem Weg finden wirst. Wie willst du denn sonst an deinem hundertelfzigsten Geburtstag all deine Freunde und Verwandten verblüffen? Außerdem musst du den Ring finden. Sonst macht das nachfolgende Sequel mit deinem Neffen überhaupt keinen Sinn. Und es wird nie wieder ein Sequel geben, dass von größerer Bedeutung für die Welt ist!«
»Na schön. Überredet. Aber nur wenn wir vorher nochmal von diesem Kraut dampfen, dass bei mir hinten im Garten wächst. Anders sind diese nervigen Zwerge einfach nicht zu ertragen.«

Das erste Mal

Zoe de Chantilly stand auf dem teakholzfarbenen Bootssteg und ließ ihren Blick sehnsüchtig über das austerngraue Meer schweifen, in das gleich der glutrote Feuerball eintauchen und sie von einem weiteren Tag ihres von Melancholie durchtränkten Lebens erlösen würde. Nyx, die Göttin der Nacht, würde bald samtschwarz hereinschweben und ein Zelt aus funkelnden Brillanten über sie weben und sie später in Morpheus Armen erlösendes Vergessen finden lassen.

Ein lautloser Seufzer entrang sich ihrer Brust und stieg wie ein stummer Schrei zum Himmel empor. Ihr Busen wogte erregt auf und ab wie die schwere Dünung des Atlantiks, der sich vor ihr endlos bis zum Horizont ausbreitete. Eine sanfte Brise kam auf und umschmeichelte ihre geröteten Wangen.

Sie nahm einen Schluck des rubinrot funkelnden Chateau Migraine aus ihrem Weinglas und spürte die wohlige Wärme des edlen Rotweins, der wie Lava ihre Kehle durchströmte. Sie wandte sich an die Comtesse de Blanc de Blanc, die neben ihr stand und ebenfalls das prächtige Farbenspiel beobachtete, das wie ein Wirklichkeit gewordener LSD-Rausch das Firmament durchzuckte.

„Ich kann es nicht. Ich kann es einfach nicht!“, brach es aus Zoe verzweifelt hervor. „Josephine, ich habe solche Angst davor! Es ist das erste Mal!“
„Oh ja, ich weiß. Ich verstehe dich nur allzu gut,“ erwiderte die Comtesse verständnisvoll, die in einen Hauch von Nichts aus weißer Muschelseide gekleidet war, die ihren Körper liebkosend umschmeichelte und in der untergehenden Abendsonne ihre wohlgeformten Rundungen perfekt zur Geltung brachte.
„Aber glaub mir, auch du wirst dein erstes Mal genießen und danach eine andere Frau sein. Auch wenn du dich jetzt noch wie ein unscheinbares Wesen fühlst, so wirst du danach ein wunderschöner Schmetterling sein, der hell leuchtend dem Licht entgegenstrebt. Habe ich nicht Recht, Portia?“
Mit diesen Worten wandte sich Josephine an die elfengleiche Gestalt rechts von ihr, in deren obsidianschwarzem Haar der Abendwind verträumt spielte.
„Oh, Josephine, meine Teuerste -und wie Du Recht hast! Hätte ich doch damals nur auf dich gehört und mich beim ersten Mal gleich ihm anvertraut – mir wäre so manche schreckliche Erfahrung erspart geblieben. In kalten, mondlosen Nächten holt mich die Vergangenheit in düsteren Träumen wieder ein und lässt mich den grausamen Schrecken noch einmal durchleben.“
„Was – was ist dir so Furchtbares widerfahren?“, fragte Zoe mit bebender Stimme und fuhr sich mit zittrigen Fingen durch ihr blondes Haar, das wie ein goldener Wasserfall ihren schlanken Rücken herabfloss.
„Bitte, frag nicht! Diese Kerle - “ Portia brach mit tränenerstickter Stimme ab und senkte ihren Kopf, dessen scharf gezeichnete Silhouette sich wie das Haupt einer griechischen Göttin gegen den blutroten Himmel abhob.
„Diese Kerle wollen nur das eine“, warf Jospehine tonlos ein. Ihre vorher noch ebenmäßigen Züge wirkten plötzlich wie versteinert und ließen erahnen, dass auch sie Unbeschreibliches durchlitten haben musste.
„Diese anderen - sie sind nur grob. Es interessiert sie nicht, dass es das erste Mal für dich ist. Sie nehmen sich keine Zeit für dich. Sie sprechen kaum mit dir. Sie tun dir weh, sehr weh. Nach fünf Minuten sind sie fertig und lassen dich achtlos liegen wie ein abgelegtes Kleidungstück, das sie nicht mehr benötigen. Ich habe mir geschworen, nie wieder solche Typen an mich heranzulassen. Aber er hingegen – „
„- er ist so ganz anders!“, hauchte Portia leidenschaftlich. Ihre kirschroten Lippen öffneten sich leicht und gaben den Blick auf Zähne frei, so weiß wie Carraramarmor, die sich wie glitzernde Eiskristalle makellos aneinanderreihten.
„Er ist jemand, der dich versteht und auf dich eingeht. Er nimmt sich Zeit für dich und du fühlt dich so geborgen bei ihm. Seine weiche, dunkle Stimme ist mehr als nur ein Versprechen, sie ist eine Versuchung, der du dich einfach hingibst.“
„Und er ist so ungemein geschickt mit seinen Händen“, ergänzte Josephine schmachtend. Ihre dunklen Augen loderten bei der Erinnerung an ihn wie zwei Fackeln auf. „Er kommt an Stellen hin, von deren Existenz ich bislang noch nicht einmal etwas ahnte. Kannst du dir das vorstellen?"

Auf Zoes sonnengebräunter Haut bildeten sich feine Schweißperlen, köstliche Früchte ihrer zunehmenden Erregung. Ein wohliger Schauer durchlief sie, und sie musste sich an dem ausgebleichten Geländer des Bootsstegs klammern. Ihre Stimme war nur noch ein lautloses Flüstern.
„Und wenn er es dann tut, wie ist –?“ Sie konnte nicht weitersprechen.
Portia legte ihren Arm um Zoe, zärtlich und beruhigend zugleich.
„Es ist das Paradies, nur wundervoller. Du liegst da, völlig entspannt, willenlos, ihm ganz und gar ausgeliefert. Du hast die Augen geschlossen, hörst wie im Hintergrund eine Melodie leise durch den Raum schwebt und dich dahinschmelzen lässt. Du hast jeden Widerstand aufgegeben und eine lustvolle Angst durchflutet dich in diesem Moment, erfasst jede Faser deines erbebenden Körpers.“
„Dann beugt er sich über dich“, fuhr Josephine fort. Ihre Zunge fuhr genießerisch über ihre vollen Lippen, die von Dingen wussten, die zu erleben kaum einer anderen Frau die Gnade zuteil geworden war. „Du riechst sein schweres Parfüm - Moschus, Sandelholz und ein Hauch Patschuli. Du hörst seinen ruhigen, gleichmäßigen Atem, spürst wie sein muskulöser Arm sanft an deinem Gesicht vorbeistreicht, gleich dem Flügelschlag eines Adlers, dessen Schwingen deine Haut leicht berühren.“
„Dann führt er ihn ein, so sanft und so gefühlvoll, so verständnisvoll! Er weiß, was du brauchst“, warf Portia schwer atmend ein. „In diesem Moment vergisst du alles, und die Angst fällt von dir ab. Es ist die Erfüllung deines geheimsten Wunsches, und du hoffst inbrünstig, er würde nie damit aufhören!“

Zoe löste sich mit einer eleganten Bewegung von der Brüstung. Ihr Haar wirbelte herum wie ein aus tausend Goldfäden gesponnenes Vlies. Sie ergriff Portias Hände. Ihre Armringe klirrten leise gegeneinander und ihr heller Klang mischte sich unter das gleichmäßige Rauschen der Wellen. Zoes Augen glänzten feucht, und Tränen, die letzten Strahlen der untergehenden Sonne tausendfach widerspiegelnd, rannen ihre Wangen heiß herab.
„Ich werde es tun!“, sagte sie mit kaum hörbarer Stimme. „Ich werde zu ihm gehen. Ich vertraue euch!“
„Das kannst du, meine Beste“, seufzte Josephine und sah Zoe tiefgründig an.
„Für das erste Mal gibt es keinen besseren Zahnarzt als ihn. Er ist ein wahrer Künstler mit seinem Bohrer. Er hat mir nicht ein einziges Mal Schmerzen zugefügt! Nach der Zahnprophylaxe sehen meine Zähne so weiß aus wie eine sibirische Winterlandschaft im gleißenden Licht der Mittwintersonne.
Ich wüsste nur zu gerne, was er sonst noch so kann ….“

Luftraumverletzung

„Sie wurden auf frischer Tat ertappt. Das ist kein Kavaliersdelikt!“ der Polizeibeamte der Polizeiinspektion Flughafen Schönefeld schaute streng zu seinem Gegenüber. Der vollbärtige, ältere Herr im auffallend roten Mantel quetschte sich umständlich auf dem unbequemen Vernehmungsstuhl und wirkte sehr nervös.
„Herr Polizist, ich bin in großer Eile. Ich werde überall erwartet. Mein strenger Zeitplan ist jetzt schon nicht mehr einzuhalten.“
Der Polizist zeigte keinerlei Verständnis und begann mit seinem Vernehmungsprotokoll.
„Ich werde Sie nun über Ihre Rechte belehren.
Nach dem Gesetz steht es Ihnen frei, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen.
Wollen Sie vor der Vernehmung eine Verteidigerin oder einen Verteidiger hinzuziehen?“

Der bärtige Mann schien seine Lage noch nicht zu fassen: „Wozu einen Verteidiger? Warum muss ich überhaupt vernommen werden? Für so etwas ist jetzt wirklich keine Zeit.“

Der Polizist blieb ruhig: „Sie haben bei der Vernehmung die Gelegenheit die Verdachtsmomente zu widerlegen und ich hätte keinen Grund Sie hier weiter festzuhalten. Im Moment sieht es jedoch so aus, dass Sie mit einem unbekannten Luftfahrzeug ohne Genehmigung in einen Luftraum eingeflogen sind, für den eine Einfluggenehmigung erforderlich war. Sie hatten keine Freigabe der Flugverkehrskontrolle. Wir konnten bisher keine Indentitätsfeststellung Ihrer Person durchführen. Zudem entsprechen Ihre tierischen Antriebsmotoren keinesfalls den aktuellen Sicherheits- und Umweltstandards.“

„Einspruch Herr Polizist! Meine Rentiere arbeiten mit hochmodernem Biogasantrieb. Ökologisch weniger bedenklich als manch eine Dieselflugmaschine. Alle Tiere sind topfit. Wo haben sie eigentlich meinen Schlitten geparkt?“, fragte der Mann in Rot mit besorgter Miene.

„Die zuständige Behörde hat den Schlitten beschlagnahmt. Er steht nebenan auf dem Sportplatz. Ein Veterinär wurde bereits benachrichtigt, die Tiere zu begutachten.“

„Jetzt wird’s aber bunt. Ich mache mich jedes Jahr zu Weihnachten auf den gleichen Weg. Ich muss 822,6 Besuche pro Sekunde mit 91, 8 Millionen Stops, innerhalb eines 31- stündigen Weihnachtstages schaffen und nun sowas. Wo kommen wir denn da hin? So gibt es auch für Sie keine Geschenke vom Weihnachtsmann!“

Der Polizist schaute überrascht in die ernsten, eisblauen Augen seines Gegenübers: „Ich wusste es, Sie kamen mir doch die ganze Zeit irgendwie bekannt vor.“

„Ja genau, endlich erkennen Sie mein Dilemma.“, rief der Weißbart erleichtert.

„Nein, ich habe meine Vorschriften, auch wenn Sie der Sandmann sind, können Sie nicht einfach den Luftraum gefährden!“

Vielleicht kann sich der Weihnachtsmann bis Weihnachten noch aus der prekären Lage befreien.
Wir hoffen es. Allen ein friedliches Weihnachtsfest!

Von Nele, die wissen wollte, wer ins Schwimmbecken gemacht hat.

Als Nele mit ihrer Schulklasse eines Tages im Schwimmbad war, passierte es.
Es war etwas länglich und braun, sah aus wie ein kleiner Ball und schwamm direkt neben Nele, die aufschrie:
„Ihgitt, was ist das denn?“
Aber sie hatte keine Brille auf und blickte Iven fragend an. Der inspizierte das Ganze genauer und fuhr erschrocken zurück, als er mit dem Finger zu nah drangekommen war. Neles fürchterliche Ahnung bestätigte sich in diesem Moment.

„Hast du etwa ins Becken gemacht?“ schrie Nele ihn entsetzt an.
„Ich? Bist du wahnsinnig? So was mache ich nicht! Ich habe heute Morgen brav zu Haus gemacht. Vor der Schule!“
Und weg schwamm er.

„Hast du ins Becken gemacht?“ fragte Nele Jonas, der gerade aufgetaucht kam.
„Nein, hab ich nicht! Wie sollte ich, hab nen Neoprenanzug an!“ rief er ihr zu, deutete auf die eng umhüllten Schenkel und schwamm im lila Neopren davon.
Und schwapps, trieb eine kleine Welle die Notdurft weiter.

Die Lehrerin schrie: „So-fort alle aus dem Wasser kommen!“, woraufhin ein Kind nach dem anderen die Leitern hochsteigen musste.
„Hast du ins Becken gemacht?“ fragte Nele beim Klettern den kleinen Björn, der ganz verstört dreinschaute und den Kopf schüttelte: „Ich hab so gefroren, da hatte ich doch gar keine Zeit für so was.“

Sie wandte sich um und fragte Mia: „Sag mal, Mia, mir kannst du es doch sagen, hast du eben ins Becken…?“
„Was? ich? Mädchen machen so was nicht. Frag doch lieber die Jungs!“ reagierte sie schnippisch.
Musternd schaute sich Nele um und fand, dass Mia Recht habe.

„Jetzt mal unter uns“, flüsterte Nele Theo zu, als sie vor den Duschen standen und aufs Kommando der Lehrerinnen warteten.
„Du warst das eben, Theo? Du hast ins Becken gemacht?“
„Wie hätte ich das machen sollen. Ich war gerade nur damit beschäftigt, vom Einser zu springen, auf der anderen Seite bei den Schwimmern.“
Der Putzdienst war sogleich mit der Arbeit betraut worden, die Gemeinheit wegzuräumen und das Becken abzusperren.

„Wer hat denn nun ins Becken gemacht?“ jammerte Nele, als die Klasse doppelt geduscht und geföhnt auf den Bus wartete. „Ich will das jetzt sofort wissen!“
Alle schauten betreten. Nur einer lachte, der Schwimmen hasste.
Endlich jemand, der mir bestimmt weiterhelfen kann, dachte die kleine Nele und setzte sich im Bus neben Alessandro.

„Pass gut auf, dann zeig ich es dir“ flüsterte Alessandro und ließ sie im Geheimen in seine Schwimmtasche schauen.
„Schau her, das war so was hier“ und er hielt triumphierend eine Kackwurst in der Hand. Nele hielt die Hand vor den Mund, um ihren Würgereiz zu stoppen.
„Pssst. Ich habe noch mehr davon. Pssst…Ist nicht echt.“ und er drückte den Haufen mit den Fingern leicht zusammen. „Ist ein Scherzartikel. Damit die Stunde schneller vorbeigeht.“
Nele starrte ihn an. Endlich wusste sie, wer ins Schwimmbecken gemacht hat.

Schnell wie der Blitz setzte die kleine Nele sich zu den Mädchen und war blass vor Entsetzen.
Glücklich und zufrieden würden die Mädchen nur werden, wenn sie Alessandro eins auswischen könnten und sie dachten sofort über ihre kleine Rache nach. Schließlich hatte er ihnen die Schwimmstunde so richtig vermiest…

Glühende Liebe

Er nahm sie bei der zarten Hand, küsste sie zuerst auf ihren feuerroten Mund, ließ seine Lippen dann über ihre rosigen Wangen gleiten und blieb schließlich an ihren honigsüßen Augen kleben. Ihr volles brünettes Haar legte sich leicht über seinen starken Hals und ihr köstlicher Atem ergötzte ihn wie ein sanfter Windhauch die von der heißen Sonne erhitzte Epidermis. Nichts konnte sie in diesem Augenblick mehr trennen …

… nur die Lesenden dieses kurzen Textes.

Charlotte warf einen letzten Blick in den Spiegel. Sie hatte sich heute ganz besonders sorgfältig gekleidet und ihre Zofe hatte das seidige weizenblonde Haar kunstvoll hoch gesteckt. Ein weiteres Mal strich sie nervös ihr Kleid glatt. Ein Modell aus Paris, das so eng geschnürt war, dass sie kaum atmen konnte.
Heute, endlich, würde der Viscomte ihrer Familie seine Aufwartung machen. Sie war ja so aufgeregt.
Die knirschenden Räder einer Kutsche auf der Straße rissen sie aus ihren Gedanken. Schnell begab sie sich in den Salon, wo ihre Mutter und ihre Schwestern bereits warteten.
„Was, wenn er mich erwählt?“, fragte ihre jüngste Schwester kichernd.
„Wer will schon so eine fette Wachtel wie dich?“, keifte die Älteste.
„Du bist so gemein!“
„Kinder so beruhigt euch doch. Was soll denn der Viscomte von euch denken?“, schalt die Mutter.
Charlotte entlockte das nur ein mildes Lächeln. Natürlich würde er sie erwählen, sie war die Schönste. Ihr Herz flatterte wild, als der Diener den Besucher ankündigte.
Nachdem er ihre Mutter begrüßt hatte, wandte er sich Charlotte zu.
„Ich bin überaus entzückt!“ Er küsste ihre Hand. Er war ein so stattlicher Mann. Adrett, wie alle Männer des Militärs. Die Uniform stand ihm ganz ausgezeichnet. Als seine weichen Lippen ihre Hand berührten, stockte ihr Atem und ihr Busen in dem viel zu engen Korsett hob und senkte sich rasch. Er quittierte es mit einem Lächeln, bei dem ihr abermals die Luft wegblieb.
Als sie wieder erwachte, den fürchterlichen Geruch des Richsalzes in der Nase, war der Viscomte verschwunden und ihre Schwestern beugten sich erbost über sie.

1 825 Tage

Die kalte, regnerische Nacht bewirkte, dass sich Noah unsicher fühlte. Los Angeles war allgemein viel zu gefährlich für ihn und er spürte eine gewissen Ängstlichkeit, fast schon Panik, wenn er daran dachte, dass er in nur wenigen Minuten fertig war das Café zu putzen, in welchem er arbeitete. Seine Schulden bezahlten sich nun mal nicht von selbst, nicht, nachdem seine Lebensspenderin abgehauen war mit diesem Mann, den sie erst drei Tage kannte.

Bis jetzt war es für Noah nicht nachvollziehbar, warum seine Mutter das getan hatte. Wie war es dazu gekommen, dass er sich nun um sich selbst kümmern musste? Hatte er das nicht schon genug in seinem Leben gemusst? Immerhin war sein Vater erkrankt, mühte sich nahezu ab, zu überleben, und musste sich schließlich dem Tod hingeben. Eine Sache, die Noah nie verkraftete, besonders nicht, da er dadurch so viel Mobbing in der Schule ertragen musste. Welcher normale Junge wuchs ohne Vater auf in so einer Stadt, wie Los Angeles mit Vorstadt-Mentalität? Es war eine grausame Zeit.

Etwas gegruselt von den Gedanken an seine Zeit in der High School, räumte er die letzten Sachen auf und sah sein Werk nochmal an. Zwanghaft versuchte er einen Fleck auf dem Boden zu finden, allerdings hatte er nach drei Stunden putzen wirklich keine Aufgabe mehr. Noah wusste, dass ihm die Überstunden nicht bezahlt worden, aber das war in Ordnung, beim Beeilen hätte er sich zwar sparen können durch die Dunkelheit zu laufen, jedoch liebte er es, wenn alles sauber war. Nahezu rein, wie er.

Als er endlich seine Schürze ablegte und seinen Oversize-Pullover glatt strich, fiel ihm auf, wie unschuldig er auf all die Bad Boys auf den Straßen von LA wirken musste. Ganz und gar verunsichert versuchte er seinen besten Freund zu erreichen, aber wie immer war Liam unerreichbar. Wie schaffte er es so nur lebend nachhause? Immerhin musste er die ganze Skid Row entlang, damit er zuhause in seinem schäbigen Apartment wäre. Noah ermahnte sich, als er diesen negativen Gedanken mitbekam.
Es war gar nicht so desaströs, denn er besaß dieses eine Zimmer. Vielleicht hatte es einen kleinen Wasserschaden und einige Risse in der Wand, aber es war perfekt belüftet durch das eingeschlagene Fenster. Dadurch schimmelte es wenigstens nicht. Daran war doch eine Menge Positives.

Generell sah er gerne die Dinge positiv, wie es ihm sein Vater damals beibrachte. Weshalb es ihm Angst machte, dass er gerade so viele negative Gedanken hatte. Bestimmt lag es am Tag. Denn, als er das erste Mal seit dem aufstehen auf sein Handy sah, bemerkte er, dass es der Todestag seines Vaters handelte. Das erklärte seine bekümmerte Stimmung. Ohne seine Mutter, die sich an diesem Tag immer mit anderen Männern vergnügte, verdrängte er das völlig.

Als Noah nun endlich das Café verließ, stellte er fest, dass Schüsse zu hören waren. Panisch rannte er in die Richtung von, wo er sie vernahm, um zu sehen, ob es wirklich Schüsse waren und vielleicht jemand verletzt. Es war wichtig, dass man anderen Leuten half, sein Vater erwähnte das immer.

Auf halbem Weg kam ihm ein großer, wahnsinnig attraktiver Kerl entgegen, der wirkte, als wäre er frisch aus einem Film gekommen. Sein markantes Gesicht, die stattliche Statur und dazu die stechend eisblauen Augen, raubten Noah vollkommen den Atem. „Wer bist du?“, raunte der Unbekannte mit männlicher, tiefer Stimme.

Bevor er antwortete zuckte Noah zusammen, als er erneut einen Schuss hörte. Blut traf seine Wange, in dem Moment wo der Hüne vor ihm angeschossen wurde. Erschrocken griff er nach ihm. Seine braunen Augen waren geweitet im Schock, während er den großen Mann ansah. So sehr war er noch nie von einem Mann überragt worden.

Die Hände des heißen Mannes glitten an ihm herab, bis unter Noahs runden Apfelpo, der die perfekte Größe hatte, um in die großen Pranken des Unbekannten zu passen. Erschrocken zog der Kleinere die Luft ein, als er auch noch hochgehoben wurde. „Was tun Sie denn da?“, verließ es eingeschüchtert seinen Mund, während der Mann ihn mitnahm und weiterging.

„Wir müssen hier weg, Prinzessin! Ich rette dir das Leben, wie es jeder zwielichtige Mafiaboss auf den Straßen von Los Angeles machen würde, weil keine Zivilisten in unsere Angelegenheiten reingezogen werden sollen. Außerdem ist absolut klar, dass ich mich in das unschuldige Dummchen verlieben werde, für das ich mir soeben eine Kugel eingefangen habe. Aber der Schmerz ist eh nicht bemerkbar, weil mein Körper derart abgehärtet ist.“

Noah hörte kaum etwas, nachdem er diesen Kosenamen vernahm. Sein Herz flatterte in seiner Brust und er spürte eine tiefe Verbundenheit. Wie sollte er jemals wieder glücklich werden, wenn nicht mit diesem Mann? Es war absolut klar, dass er der Mann seiner Träume war. Der Mann für alles, was ihn glücklich machen würde. Immerhin war er die pure Gefahr.

Fünf Jahre später, hatte Noah alles aufgegeben für einen Mann, der nicht mal seinen Namen kannte, sondern ihn immer nur Prinzessin nannte. Noah kannte dafür seinen Namen, war es doch der Name des Vaters seiner Babys, zumindest in seinem Kopf. Kieran, der Sohn des Cousins des Bruders vom Onkel von Carlo Gambino, dem bekannten Mafiaboss, war zwar immer noch der Mann seiner Träume, aber leider tot. Bestürzt war Noah natürlich, denn fünf Jahre hatten sich verdammt gut angefühlt. Er genoss es ständig Kierans Autorität zu untergraben, indem er weggelaufen war, eine Schwangerschaft vortäuschte, sich unangenehm verhielt und trank, ohne betrunken zu werden. Noah hatte ein Leben wie im Rausch gelebt.

Aber wie jede Mafia-Prinzessin, und er liebte diesen Kosenamen, brauchte Noah einen Plan B. Er konnte nicht ohne so einen Mann sein, den er absolut unglaubwürdig dastehen ließ, mit seinem Gehabe. Wann sollte er sich sonst wie ein Teenager verhalten? Gut war, dass er seit fast vier Jahren eine Affäre mit einem anderen, viel zu jungen Mafiaboss hatte. Und dieser Hunter aus der verfeindeten Familie machte sich noch viel besser in seinem Bett, als der Mann seiner Träume für den er alles aufgegeben hatte.

Noah war einfach glücklich.

The End.

Schon wieder Montag. Schon wieder quäle ich mich frühmorgens in die Arbeit, hole mir noch eben vom Kiosk nebenan einen „Coffee to go“ und laufe durch die volle Großstadt zur Arbeit. Ein Grinsen entweicht mir während ich an meinem heißen Kaffee nippe. Heute Abend feiern Jonas und ich unser dreijähriges Beziehungsjubiläum und sind zum Essen im schicken Italiener in der Nachbarstadt verabredet.
Unser Beziehungsjubiläum hatten wir eigentlich bereits vor vier Wochen, doch da er kurzfristig immer wieder viel zu tun hatte und leider mehrfach absagte, hoffe ich, dass es heute endlich stattfinden kann. Er sagt, auf der Arbeit sei immer so viel los, darum hinterfrage ich das gar nicht erst weiter.

Plötzlich, der Himmel verdunkelt sich und um mich herum kreischende Menschen.
Panisch versuchen sich alle in Sicherheit zu bringen und in dem Moment sah ich es auch: Ein riesengroßer Meteorit der geradewegs auf die Erde zusteuert.

Oh-oh. Mein Kopf schaltet sich aus und ich kann mich nicht bewegen. Es gibt drei Reaktionen in Gefahrensituationen und ich muss mich natürlich für die Schockstarre entscheiden. Unpraktisch.
Ich sehe wie der Meteorit immer größer zu werden scheint und direkt auf mich zurast. Um mich herum bereits keine Menschenseele mehr, doch ich bleibe wie angewurzelt stehen. Kann gerade noch ein Stoßgebet absenden und schließe mit meinem Leben ab, nichts wird mich noch retten können.
Doch genau in diesem Moment, als ich mein Leben bereits an mir vorbeiziehen sehe, fliegt ein Mann mit Cape und Brille auf mich zu und rettet mich in letzter Sekunde.

Während ich im Flug in seinen Armen liege und „Du hast mich gerettet, mein Held. Wie kann ich dir jemals dafür danken?“ flüstere, erkenne ich, dass es sich bei meinem Retter um den landesweit bekannten Helden „Superboy“ handelt.
„Du brauchst mir nicht zu danken, das ist mein Job“, höre ich ihn antworten als er mich direkt vor meine Haustür fliegt. Doch als ich ihn gerade nach seinem Namen fragen wollte, schießt er bereits in den Himmel und ist verschwunden.

Doch ich kann meine Gedanken nicht von ihm abwenden, er kam mir so verdammt bekannt vor. Als würden wir uns bereits seit drei Jahren kennen…

Liebe auf heißem Sand

Ihre roten Lippen waren leicht geöffnet. Ihr Atem strich über seine Wange und augenblicklich breitete sich eine Gänsehaut auf seinem Körper aus. Das Feuer in seinem Inneren brannte lichterloh und er musste an sich halten, sie nicht in seine Arme zu ziehen und sich mit in einem Sandsturm aufzulösen.
„Warum nur?“, flüsterte er mit belegter Stimme.
„Es zerreist mir das Herz, dich leiden zu sehen, mein geliebter Aljoscha, doch warten Pflichten in meinem Wüstenreich auf mich.“
Er schnappte nach Luft. Die Endlichkeit, den dieser Satz beinhaltete warf einen Schatten auf seine geschundene Seele.
„Ich habe lange nach einem Spiegel meinerselbst gesucht und nun, da ich dich gefunden habe, zerbrichst du ihn. Heißt es nicht, folge immer deinem Herzen? Sei mutig, es gibt nur einen Weg, deinen eigenen?“
Tatlinas wohlgeformten Brust bebte. Ihr mit funkelnden Edelstein-Collier geschmücktes Dekolté hob und senkte sich und warf glitzerndes Sterne in die Dunkelheit der kalten Wüstennacht. Der runde helle Mond stand über ihnen.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen und ihre Lippen zitterten. „Du weißt, dass ich nicht bleiben kann. Es würde uns beide ins Verderben stürzen.“
Aljoscha war mit einem Satz bei ihr und umschlang ihren von Schluchzen gebeutelten Körper. Er drückte sie fest an seine muskulöse Brust und versenkte sein Gesicht in ihrer nach Maiglöcklen duftenden dichten Lockenpracht. Ihr anfänglicher Widerstand schmolz in seinen starken Armen. Er bog ihren Kopf zurück und verlor sich in den Tiefen ihrer von schwarzen, dichten Wimpern umrahmten graublauen Augen. Seine Lippen suchten ihre. Mit jedem Zungenschlag wussten beide, dass sie für immer füreinander bestimmt waren.

Supertotes Sushi

Er war tot. Supertot sogar. Sein Röcheln hatte aufgehört. Aus der klaffenden Wunde quoll literweise Blut. Rot. So rot wie ihre Fingernägel an den Händen, die das Küchenmesser umklammert hielten. Sie überlegte noch, wie sie die Leiche entsorgen sollte, als das Telefon schrill klingelte. „Oh Mann, nicht jetzt, Mama! Dein Timing ist wie üblich voll daneben.“ Als der Anrufbeantworter klickte und an ihrer Stelle den Anruf entgegennahm, hörte sie tatsächlich ihre Mutter mit gebrochen wehleidiger Stimme aufgeregt vom Tag erzählen. Ultranervig. Und es raubte ihr die Konzentration, die sie brauchte, um den massigen Körper ins Bad zu schleifen. Sein sportlicher Körper fühlte sich zum ersten Mal an, als wäre er der eines schwammigen 100kg Mannes. Es dauerte ewig, bis er in der Wanne lag. Dort sollte er bleiben bis sie wusste, was mit der Leiche zu tun war. Während sie überlegte, schwang sie summend den Wischmopp. Der Laminatfußboden war bald wieder blitzesauber, der Teppich war unrettbar verloren. Endlich eine Idee, die sie traf, wie der Blitz. Eine Superidee. Sie nahm den Teppich und brachte ihn ins Bad. Gefühlt zog sie sich Rücken zu, als sie den Körper ihres nun wohl Ex wieder aus der Wanne hieven musste. Dann rollte sie ihn in den Teppich. Wie Sushi, dachte sie kichernd. Am Abend würde sie ihn im Garten verscharren, wo ihn garantiert niemand finden würde.

Entschuldigung an alle, die das lesen mussten XD

Traumhaft

Felicitas lief durch den Regen. Nie wieder würde er ihr Herz brechen schwor sie sich. Gedankenversunken achtete sie nicht auf den Weg und trat in eine Pfütze. Natürlich brach jetzt auch noch der Absatz ab. Und wo war eigentlich Nancy? Sie hatte sich hier im Park mit ihrer besten Freundin treffen wollen.

Langsam wandelte sich der Regen zu Schnee. Der Rasen und die Blätter der Bäume färbten sich weiß. Wunderschön. Plötzlich begann ein Mann ein Weihnachtslied zu singen. Drei Frauen hinter Felicitas stiegen mit ein. Ein Cellospieler auf der Parkbank, zwei Männer auf Fahrädern sprangen vom Rad und holten Trompeten aus den Jacken hervor. Auf der Eisbahn des Parks begannen die Menschen zu singen und zu tanzen. Felicitas stand in Mitten eines Weihnachtsflashmops.

Die Menge teilte sich und da stand ER. Danny. Auf Schlittschuhen. Er fuhr auf Felicitas zu, wirbelte Rosenblätter auf, wie Konfetti. Er warf sich auf die Knie und hielt ihr eine geöffnete Schatulle entgegen. Es funkelte silber darin.

Felicitas war überglücklich, alle Streitereien und Sorgen waren durch den Zauberring vergessen. Sie warf sich Danny in die Arme und schluchzte „Ja, jaa ich will dich heiraten“ ohne die Frage abzuwarten.

Danny reichte ihr Schlittschuhe. „Nein, Danny, ich kann doch nicht…“ " doch, du kannst, ich glaube an dich". Von seinem Lächeln getragen, wagte sich Felicitas aufs Eis. Glücklich fuhren sie Hand in Hand ihre Runden. Die Meschen um sie herum tanzten und lachten. Ein obdachloser Mann rief aufgelöst vor Glück „mein Los hat gewonnen, mir hat eine Frau ein Los geschenkt und ich habe den Jackpott“. In der Ferne schossen Feuerwerksraketen hoch und färbten den Himmel rot, grün und gülden.

„Zu schön um wahr zu sein“, dachte Felicitas als sie aufwachte. Doch als sie die Augen öffnete erblickte sie den mit Rosenblättern bekleideten Boden, fühlte den Ring, den sie nun nie wieder abnehmen würde und hörte das ohrenbetäubende Schnarchen Dannys. Sie lebte den Traum.

Mein Roman von einem längeren Aufenthalt in einem Zenkloster als Ze-Mönch in Japan: SCHNELL ESSEN SCHNELL KACKEN.

Sspieglein, Sspieglein, sso gemein

Es war einmal eine beherrschte Nichtherrscherin, die herrschte mit ihrem Gemahl nicht über ihr Reich, eine heruntergekommene Zwei-Zimmer-Plattenbauwohnung, denn das tat bereits ihr familieneigener Übermutterdrache.
Alle Bewohner des Reiches verließen es nur, wenn sie unbedingt mussten oder der Drache nach seinen Zigarren oder anderen Leckerbissen verlangte. So war es seit unzähligen Jahren und würde es wohl bis ans Ende aller Zeiten bleiben.
Jeden Morgen, nach dem notwendigen Toilettengang, sah die Nichtherrscherin äußerst beherrscht in ihren Spiegel, wie es ihr der Mutterdrache anerzogen hatte. Auch diesmal bedurfte es an Handgriffen nicht viel. Kurz an den falschen Wimpern gezupft und in die Wangen gekniffen, schon war sie mit der Morgentoilette fertig, und mit sich und ihrer Welt zufrieden.
Sie hatte sich, wie es ihr die Mutter beigebracht hatte, 24 von 24 Stunden des vergangenen Tages beherrscht zu arbeiten und das Tagesbudget vom Amt in Alkohohl und Tiefkühlpizza investiert. Um sich dafür zu belohnen, hatte sie sich, dem Vorbild ihrer Mutter folgend, falsche Fingernägel und neue Extensions in ihr dürres, strähniges Harr kleben lassen. Zur Feier dieses Ereignisses, hatte sie danach mit ihrem Gemahl und ihrer knochigen, unalkoholisiert äußerst zänkischen Mutter, die zurückliegende Nacht zum Tag gemacht. Gin, Rum, Wein und Wodka waren wie üblich in Strömen geflossen, die Stereoanlage hatte ihren Alten und den Mutterdrachen sowie alle Gegenstände in der Mietwohnung zum Tanzen gebracht. Es war ein wahres Freudenfest gewesen! Sie hatte sich gefühlt wie eine Königin! Eine kinderlose Königin, denn Kinder bedeuteten Arbeit und die galt es unter allen Umständen zu vermeiden. Sonst wären die ausschweifenden Dinner in Gefahr. Davor hatte sie der Mutterdrache eindringlich gewarnt! Durch den Qualm der Zigarren desselben war die Sozialwohnung um Mitternacht bereits so verräuchert gewesen, dass die Nachbarn, gerufen durch unter der Tür hervorquellende Nebelschwaden, glaubten, sie hätten die Hütte angezündet. Zum Glück konnten sie diesen Irrtum durch Öffnen der Balkontür schnell auflösen. Polizei und Feuerwehr hätten gerade noch gefehlt! Dann wäre die Stimmung dahin gewesen, und ihr Mann wohl einfach auf der Couch zwischen Chips, Weinflachen und alten Pizzakartons wohlig grunzend eingeschlafen. So hatte ihre Mutter auf der Couch geschlafen und sie neben ihrem Mann, dem Himmel sei Dank! Er war doch noch etwas attraktiver, wenn auch nicht viel.
Die hängenden Mundwinkel der Nichtherrscherin bewegten sich bei diesem Gedanken etwas nach oben. Die kiloschweren Tränensäcke unter ihren glanzlosen, trüben Augen interessierten sich nur wenig dafür. Doch die gelbgrauen Stummel im Mund ließen sich, etwas schüchtern verlegen, blicken. Einer täglichen Routine folgend, fragte die Herrscherin nun mit lockender, mädchenhaft-naiver Stimme, den altersgemäß erblindeten Spiegel, dessen Silberschicht unter neblig-weiß verschmierten Zahnpasta- und Creme-Rückständen nur noch träge glänzte:
„Sspieglein, Sspieglein an de Wand, wer iss de faulsste und hässlisste Ssabracke im janssen Land?“
Müde rieb sich der Spiegel über die altersschwache, fast gänzlich blinde Spiegelfläche, die über den gesamten zweiflügeligen Plastik-Hängeschrank lief. Unter ihm duckte sich das stumpfe, vor Dreck klebrigen Flaum ansetzende Waschbecken, in seine Halterung. Es war sich nicht sicher, ob der Spiegelschrank diesen Tag auch noch überlebte, oder gleich herabstürzen und es mit ins Verderben reißen würde. Doch der Spiegel linste nur gekonnt durch die verbogene Nickelbrille des Nichtherrschers, deren linkes Brillenglas gesprungen war. Es erleichterte ihm ungemein seine Arbeit, dass sie schon ewig schief über seiner rechten oberen Ecke hing. Wie ein uralter, erkälteter Rabe krächzte er wie jeden Tag los:
„Meine teuflisch abgebrühte, unsagbar faule Gebieterin, ihr seid zwar schon übelerregend unattraktiv, mit euren falschen Wimpern, der höllisch faltigen, ungewaschenen, fleckigen Lederhaut, eurer monströs ungepflegten aufgetakelten Erscheinung, euren falschen, wasserstoffblonden Haaren sowie den aufgeklebten, kohlrabenschwarzen Fingernägeln und den schwarzgelben Ruinen in eurem gefährlich grinsenden Mund. Doch die Alte, dieser Drache an königlich teuflicher Mutter, ist die Übermutter aller Schabracken und allen stinkenden Übels! Sie ist noch tausendmal abgebrühter, hässlicher, fauler und ekelerregender als Ihr!“
Die Mundwinkel der Nichtherrscherin stürzten zu Boden und wie jeden Tag schrie sie:
„Ach Manno, nie kann iss die Übermutter aller Ssabracken sein. Mami, der Sspiegel iss so gemein ssu mir!“
Dann stampfte sie unbeherrscht mit dem Fuß auf dem Boden, der Spiegel verabschiedete sich von der Wand und das Waschbecken ächzte unter ihm: „Ach, Spieglein!“.

Die Nacht war kalt und dunkel, so dunkel, dass Monika die Hand vor Augen nicht sehen konnte, als sie auf den Parkplatz des Krankenhauses schritt, in welchem sie arbeitete. Es war nicht ihr Tag gewesen, denn schon den ganzen Tag hatte sie ein dumpfes Gefühl in der Magengegend. Nicht dass sie was Falsches gegessen hätte – das Tofuzeug, das sie nur ihrer besten Freundin zuliebe in sich reinzwängte, hatte sie heute zum Glück vergessen –, sie hatte heute kaum was gegessen, weil sie einfach zu viel Stress hatte auf Station. Nein, das dumpfe Gefühl war eine Art Vorahnung.

Als sie auf ihren alten Honda zuging, spürte sie, dass sie beobachtet wurde. Ihr Herz pochte bis zum Hals und hämmerte gegen die Rippen, als sie die Gestalt hinter dem neben ihr parkenden Wagen ins Licht treten sah.

Gegen Raul hatte sie eigentlich eine einstweilige Verfügung erwirkt. Warum hielt er sich nicht dran? Sie sollte mit ihrer Anwältin darüber reden, dachte sie, während sie unbemerkt in ihrer Handtasche nach dem Pfefferspray suchte, das sie immer bei sich hatte.

»Schön, dass du kommst«, sagte Raul lächelnd, ohne dass das Lächeln seine Augen erreichte.

»Nicht schön, dass du dich nicht an die Abstandsregelung hältst«, giftete Monika zurück. »Das wirst du noch büßen.«

Raul gähnte gelangweilt. »Glaub ich nicht, Puppe, glaub ich nicht.«

Blitzschnell schnellte ihre Hand aus der Tasche, wobei sie ihr Spray verlor. Raul lächelte teuflisch und machte »Ts, ts, ts« und sagte: »Siehst du, das passiert, wenn man sich mit mir anlegen tut.«

Das silberne Mondlicht spiegelte sich in dem Gegenstand wider, den Raul in der Hand hielt. Monika kannte die Waffe nur zu gut, denn als die beiden noch zusammen waren, hatte er oft einfach nur so damit gespielt und nur so zum Spaß zum Beispiel in die Dartscheibe geworfen. Sie, also Monika, wusste, dass Weglaufen nichts bringen würde, trotzdem eilte sie eiligen Schrittes in die andere Richtung, um dem Wurfmesser zu entkommen. Mit schreckensgeweiteten Augen rannte sie um ihr Leben.

Sie sah es im Augenwinkel an sich vorbeifliegen. Hektisch ging ihr Atem, als Raul ihr hinterherrief: »Macht nichts, ich habe noch eins. Und noch eins und noch eins.« Ob heute der Tag beziehungsweise die Nacht sein sollte, wo sie sterben sollte, wusste sie nicht zu sagen. Man konnte nie wissen …