Seitenwind Woche 10: Parodie


Unser Schreibthema der Woche: Klischee deluxe :performing_arts:

ANREGUNG

Eine gute Parodie ist eine Liebeserklärung.

Schreibst du Liebesromane? Krimis? Fantasy oder Horror? Arbeitest du an einem zukünftigen Klassiker der Hochliteratur?

Du kennst die Konventionen deines Genres in- und auswendig. Greif mit beiden Händen zu.

Schreib eine Szene in deinem Lieblingsgenre und benutze all die Klischees, die du normalerweise vermeidest. Koste es aus. Und mach Kunst.

Fein, dann kommt jetzt wohl die Stelle, an der wir schreiend im Kreis rennen.

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Viel Spaß! :star_struck:

:bulb: Benutze diese Vorlage für bessere Sichtbarkeit:

Hier kommt dein Titel hin (lösch die Zeile, wenn du keinen hast)

Ersetze diesen Text mit deinem Beitrag.

50 Bisse des Edward Grau (rawr!)

Ich wache auf und strecke mich seufzend. Wieder dieser Traum mit diesem Typen. Groß und muskulös (und reich, sehr reich, unfassbar reich), und seine Haut so weiß wie Porzellan oder sagen wir lieber Alabaster, das klingt besser. So ganz weiß ist auch nix. Also, er ist blass, aber so vornehm blass und er durchbohrt mich (mit seinen Blicken selbstverständlich) und den funkelnden, feurigen Goldsprühaugen.
Hach …
Ich stehe vor dem Spiegel. Mein (natürlich!) blondes, dicht gelocktes und glänzendes Haar ist so widerspenstig beim Kämmen und meine smaragdfarbenen Augen schauen mich müde an. Außerdem habe ich zugenommen, meine XXS-Jeans geht heute wirklich straff zu. Schrecklich, wenn der Tag schon so anfängt.
Spät dran bin ich auch noch. Zum Glück hat Mum mir einen Smoothie gemacht, von dem ich im Vorbeihasten rasch ein paar Schlücke nehme. Reicht auch, ich bin fett genug!
Eigentlich habe ich keine Ahnung von Amerika, aber ich wohne trotzdem hier, das gibt einfach so einen gewissen Touch fürs Setting. Und ist auch easy umzusetzen: Ich bin 17 und fahre jetzt mit meinem Dodge in die Highschool, die Gänge sind voll mit Spinden und coolen Leuten.
Erster Schultag.
Und da steht er. Der Typ aus meinen Träumen. Seine Glitzersprühaugen gleiten golden über meinen Körper. Oh Gott, bestimmt findet er meine Oberweite zu groß. Beschämt schaue ich zu Boden. Huch, wie ist er plötzlich so schnell zu mir rübergekommen?
»He, bist du neu hier?«, fragt er.
»Ja«, hauche ich.
Da ist er schon wieder weg. Habe ich mir das eingebildet? Ich sehe noch seinen Knackpo im Chemielabor verschwinden. Wie cool, ich hab auch Chemie!
Die ganze Stunde ignoriert er mich. War ja klar. Ich bin auch echt peinlich. So einer wie er interessiert sich doch nie für mich.
Heulend renne ich aufs Klo. Als ich rauskomme, steht er da. Schlimmer gehts nicht mehr! Ich will etwas sagen, aber sein Anblick verschlägt mir den Atem. Wie kann man nur so unverschämt gut aussehen?
Plötzlich hebt er mich hoch und fliegt aus dem Fenster bis auf eine Waldlichtung.
»Hast du mich entführt?«, frage ich und blinkere mit den Augen.
»Ja, und ich bin sehr gefährlich für dich. Du solltest dich fernhalten.«
»Wenn ich nur könnte …«
Er grinst und entblößt seine Vampirzähne.
»Oh ja, bitte beiße mich – nein warte! Ich glaub, ich will nicht vor der Ehe …«
»Was nun? Ich hab echt Durst, entscheide dich mal!«
»Bist du reich?«
»Elon Musk kann einpacken, Sweetie.«
»Oh ja, dann beiß mich …«

Es ist immer der Gärtner – ein wahrhaft schlechter Krimi

Die tote Leiche lag regungslos vor ihm.
»Ganz sicher ermordet«, schloss der ehemals attraktive, aber heute verlebte Kommissar messerscharf, als er die riesige Blutlache sah.
Er griff in seine abgewetzte Jacke und zog einen Flachmann heraus, den er seit seiner Scheidung immer dabeihatte. Dann blaffte er gereizt einige Kollegen an, weil er nun einmal ein grantiger Typ und außerdem verkatert war. Warum mussten Mordopfer auch immer nachts sterben und im strömenden Regen, der aus irgendeinem Grund die Spuren nicht weggespült hatte.
»Das war vorsätzlicher Mord«, konstatierte er mit einem tiefsinnigen Gesichtsausdruck. »Bringt den Leichnam in die Pathologie und …« Er drehte sich suchend um die eigene Achse. »…und nehmt den da fest.« Er deutete auf einen Mann im grünen Overall, der mit verschlagener Miene auf eine blutverschmierte Harke gestützt vom Rand des Geschehens alles beobachtete.
»Ich gestehe alles!«, rief der Mann beim Wegführen. »Ich brauchte das Geld. Als Gärtner verdient man zu wenig.«
»Wieder hat das Gute gesiegt«, sagte der Kommissar zufrieden und stieg in sein klappriges, aber charaktervolles Auto irgendeines älteren Baujahrs und fuhr erst zu seiner alten Mutter, weil er innerlich ein warmherziger Familienmensch war, und danach zu einer Freundin, die es mit Engelsgeduld ertrug, dass er nie Zeit hatte und wenn doch, er mit dem Kopf bei der Arbeit war.

Neulich, bei Burgunds

Die von und zu Xantens kamen mal wieder zu Besuch. Schon im Vorfeld gab es jede Menge Spaß.
Siegmund hatte die ganze Fahrt über gesoffen, während Sieglind sich die Galle aus dem Leib gekotzt hatte. Klein-Siegfried kämpfte mit imaginären Drachen und musste mindestens dreimal aus dem Rhein gezogen werden. Sein Vater nuschelte nur: »Was uns nicht tötet macht uns härter«, was seine Mutter von sich gab waren keine Worte.

Als die Burgunden das Schiff kommen sahen, brach Hektik aus.
Mutter Ute kreischte in den höchsten Tönen, dafür war ihr kein Anlass zu gering. Sie ließ die Kinder durchs Wasser ziehen, den guten Wein verstecken, den Vater suchen, der sich offenbar in ein Weinfass verwandeln und mitversteckt werden wollte. Na Prost. Blieb wieder alles an ihr hängen. Mit der neunschwänzigen Peitsche trieb sie das Gesinde durch die Burg, und die Kinder wurden eingesperrt. Die brauchte man ja sauber zum Vorzeigen.

Als die Xantener die Halle betraten sah alles aus wie sonntags aufm Sofa und Ute zeigte Zähne beim Grinsen.
»Ach nein, welch Überraschung«, säuselte sie. Die beiden Väter rülpsten sich mit rotgesoffenen Augen zu und begannen direkt, nach den Weinfässern zu suchen. Die beiden Frauen gruselten sich gemeinsam vorm nächsten Morgen. Die Kinder wurden angewiesen, schön brav zu spielen.
Kriemhild wurde die Jungfrau in Gefahr, Gunther sollte König sein, Hagen und Gernot seine Ritter. Und Klein-Siegfried? Naja, der besiegte den Drachen. Was sonst. Genau. Zu sonst was war er eh nie zu gebrauchen.
Zeter und Mordrio schreiend stürmte er durch die Halle, sprang aus vollem Lauf auf die gedeckte Tafel, glitschte in der guten Holundertunke aus und wurde urplötzlich abgebremst, als er Schwert zuvorderst an der Burgundenmutter stecken blieb.

Während alle noch verdutzt auf die Sterbende sahen, brummte Hagen von hinten: »Du hast dich als wahrer Drachentöter erwiesen.«

Saloon-Geflüster

Ihr weißer Busen wogte im Takt ihrer erregten Atemzüge über dem eng geschnürten Mieder wie eine Gewitterwolke über der Prärie. Kitty brachte so schnell nichts aus der Ruhe, aber dieser Kerl ohne Namen, von dem niemand in Cannondale je gehört hatte, ließ ihren Herzschlag in gefährliche Höhen steigen. Atemlos verharrte sie hinter der Scheibe, verborgen hinter einer gerafften Rüschengardine und beobachtete ihn. Ihr Saloon war noch geschlossen, dennoch wusste sie genau, dass ihn das nicht aufhalten würde. Er war groß und breitschultrig mit schmalen Hüften, an welchen einsatzbereit zwei Colts hingen. Sein Gesicht verbarg er unter einem teuren Stetson. Gelangweilt lehnte er an der Vorderwand des Stalls, eine Zigarette im Mundwinkel.
Plötzlich hob er den Kopf und starrte zu ihr hinüber. Zumindest kam es ihr so vor. Ein heißer Schauer rann durch ihren bebenden Leib, als sie in sein Gesicht schaute. Stahlblaue Augen durchbohrten sie, schauten bis auf den Grund ihrer Seele, sein männlich geschwungener Mund zu einem spöttischen Lächeln verzogen. Mit weichen Knien beobachtete Kitty, wie er sich mit einer panterartigen Bewegung von der Wand des Stalls abstieß und mit lässigen Schritten auf den Saloon zuhielt. Sie hatte das Gefühl, ohnmächtig werden zu müssen, musste sich am Fenstersims festhalten. Als sie das Jaulen der sich öffnenden Saloontür vernahm, drehte sie sich zu ihm herum. Sie konnte nicht verhindern, dass sich ihre rosig-feuchten Lippen unwillkürlich öffneten.
Sie standen sich gegenüber, nur er und sie, niemand sonst. Er grinste, warf seine Zigarette auf den Boden und trat sie mit der silbernen Spitze der schlangenledernen Stiefeln aus.
„Schon geöffnet, Baby?“ Seine heisere Stimme hing wie ein Versprechen in der brennenden Luft.
Kitty griff sich ans Herz, es schlug hart an ihre Rippen. Riechsalz! Gleich würde sie Riechsalz brauchen.
„Nein, eigentlich nicht.“ hauchte sie und verengte ihre Augen zu Schlitzen. Abwartend musterte sie ihn, während ihr Herz weiterhin hämmerte.
„Umso besser.“ lachte er. „Dann sperr‘ jetzt ab. Und zieh die Gardinen zu.“ Wortlos gehorchte sie. Gleich darauf kehrte sie zu ihm zurück. Seine geballte Männlichkeit verwirrte sie, machte es unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Selten war es einem Mann gelungen, sie derartig zu verwirren. Und sie hatte viele Männer gehabt in ihrem Leben.
„Komm‘ her zu mir, Babe.“
Kitty trat auf ihn zu und hob ihm ihren erwartungsvollen Mund entgegen. Ob er sie küssen würde? Er brachte sein Gesicht ganz nah an ihres, seine Lippen streiften die Pfirsichhaut ihrer geröteten Wangen, verweilten gleich darauf an ihrem Ohr. Schauer um Schauer jagte durch ihren Körper. Gleich würde es passieren. Sie konnte seinen Atem spüren, in welchem sich der Geruch von Zigaretten und eine Spur Whiskey hielt.
„Weißt du, ich benötige deine fachkundigen Hände, Darling.“ wisperte er rau. Kitty wagte kaum, sich zu bewegen. Wann endlich küsste er sie? Sie konnte hören wie seine Hose herabglitt. Entgeistert sah sie an ihm herab. Das ging ihr jetzt eindeutig zu schnell. Für wen hielt er sie? Entschlossen trat sie einen Schritt zurück, betrachtete ihn, wie er in seiner nicht mehr ganz sauberen langen Unterhose vor ihr stand. In diesem Moment drehte er sich von ihr weg, entblößte seinen Hintern.
„Darling, ich habe hier einen grässlichen Furunkel, der mich seit Tagen beim Reiten plagt. Kannst du mir den öffnen? Ich bezahle gut!“
Kittys Flamme erlosch.

Der Plot

Furchtlos blickte der einsame Krieger auf die dreißig Gegner, die ihn gerade einkreisten und zog mit einem kalten Lächeln seine beiden Schwerter, die er, wie jeder sagenumwobene Held, natürlich auf dem Rücken trug. Als die ersten beiden Angreifer ohne jeden Selbsterhaltungstrieb auf ihn einstürmten, war er darauf vorbereitet. Er wirbelte zuerst anmutig um die eigene Achse, dann stach er zu. Spürte zufrieden, wie die scharfen, schmalen Klingen seiner unzerstörbaren Katanas problemlos durch Kürass, Kettenrüstung und Gambeson seiner Gegner drangen. Er selbst trug nur eine dünne Lederrüstung. Kein gesottenes Leder, nein, nur so ganz einfaches. Natürlich hübsch punziert und mit ein paar glänzenden Nieten versehen. Einen Helm besaß er nicht, sein goldenes Haar wehte frei im Wind. Er brauchte derlei Schnickschnack nicht. Keiner der verbliebenen achtundzwanzig Gegner würde es wagen, ihn hinterrücks zu erstechen. Denn er hatte die beste Rüstung von allen: den Plot.

Eddy knabberte an seiner Möhre.
Im Einkaufszentrum wäre er sicher, sagte man ihm. Im Einkaufszentrum ist man immer sicher bei einer Zombieapokalypse. So ein Mist.
Aber immerhin würde er hier nicht verhungern.
Ray schlurfte auf ihn zu.
»Möhre, Alter? Nicht dein Ernst. Zombies essen Hirn, du Hirni. Es ist noch was vom Wachmann
übrig.«
Eddy schnaubte.
»Was ist los?«
Eine Träne lief aus Eddys eingedrückter Augenhöhle.
»Na, riech doch mal. So kann ich nie bei Stella landen. Ey, tot sein macht Mundgeruch, so küsst sie
mich doch nie.«
Ray tätschelte leicht seine Schulter.
»Na, sooo gut sieht sie jetzt auch nicht mehr aus. Sie war ja eine der ersten.«
Ray nickte mit dem Kopf in Richtung einer kleinen Gruppe, die sich gerade über Ronny vom Schuhputzservice beugte. Ein leises Schmatzen drang zu ihnen hinüber.
»Wie wär`s mit Katy? Die ist noch ganz frisch. Und dass ihr halber Hinterkopf fehlt, fällt beim Küssen
ja nicht so auf.«
Eddy knabberte weiter missmutig an seiner Möhre.
»Ey, hör auf damit, Alter.«
»Was denn, ich bin Vegetarier.«
»Boah, mach mich nicht fertig. Zombies sind keine Vegetarier.«
»Ich schon. Deswegen sehe ich auch noch besser aus wie du, du Hirnfresser.«
Eddy wackelte mit seinen Fingern.
»Siehst du, noch alle dran. Nicht so wie bei dir.«
Ray schnaubte.
»Mach was du willst, ich stürme jetzt mit den anderen den Schuhladen. Da haben sich die Cheerleader eingeschlossen.«
Im Schlurfen wandte Ray sich noch einmal um.
»Soll ich dir vielleicht doch ein klitzekleines Stück Hirn mitbringen? Naomi ist da drin, die ist doch
Veganerin. Veganes Hirn ist doch okay, oder?«

„Hier ist Lohmeyer, ich brauche Verstärkung. Ein Serienmörder hat sich in einem Einfamilienhaus mit einer Geisel verschanzt. Er ist bewaffnet. Ich gehe jetzt rein.“

„Zentrale hier: Nein, Sie bleiben, wo sie sind. Warten Sie auf die Verstärkung, sie ist schon unterwegs. Bestätigen Sie, Lohmeyer … Lohmeyer?“

Lohmeyer postiert sich vor dem Haus. „Kaminski, ich weiß, dass Sie da drinnen sind. Sie sind umstellt, lassen Sie die Geisel frei und geben Sie auf.“

Ein Fenster im ersten Stock öffnet sich. „Niemals. Ich gehe nicht zurück in den Knast.“ Ein Lauf schiebt sich heraus, und eine Salve von Schüssen ertönt. Lohmeyer rettet sich mit einem Sprung hinter die geöffnete Autotür. Die Kugeln prallen funkenschlagend am Blech ab.

„Kaminski, das hat doch keinen Sinn. Geben Sie auf“, ruft Lohmeyer und macht gleichzeitig einen gewaltigen Satz Richtung Haus. Er rollt über den Weg, feuert sechs-, siebenmal in Richtung Fenster, während rechts und links von ihm Geschosse in den Boden schlagen.

Lohmeyer schleicht geduckt an der Hauswand entlang.

Da, ein offenes Fenster. Geschmeidig springt Lohmeyer hinein und landet in der Küche. In einer Ecke sitzt eine Frau auf dem Boden, mit Kabelbindern an die Rippenheizung gefesselt. Lohmeyer beißt die Kabelbinder durch. Die Frau setzt sich auf einen Stuhl, schlägt ihre wohlgeformten Beine übereinander und streicht ihre langen blonden Haare zurück hinter die Schultern. Ihr tiefes Dekolleté beugt sich weit vor. „Sie haben mich gerettet, ich würde mich gern revanchieren.“ Lohmeyer lockert seine Krawatte. „Nicht jetzt.“

“Kaminski,“, ruft er, während er um die Ecke ins Wohnzimmer späht. Er hört laute Schritte. Er will aufs Dach, denkt Lohmeyer, da wollen sie immer hin. Er rennt die Treppe hoch. Auf dem Balkon steht Kaminski und hält sich seine Pistole an die Schläfe.

„Keinen Schritt näher, oder ich erschieße mich.“

„Kaminski, seien Sie doch vernünftig. Denken Sie an Ihre Tochter“, sagt Lohmeyer und tritt einen Schritt näher.

Kaminski springt.

Er hat mich reingelegt, denkt Lohmeyer und zündet sich eine Zigarette an, während sich Polizeisirenen nähern.

Das magische Trio (Die Polenda’dor-Chroniken)

„Ein magisches Trio sollen wir sein?“, der Elf sieht dem Zauberer ernst in sein vom Alter zerfurchtes Gesicht.
„So sagt es die Prophezeigung, von der ich euch aufgrund der Kürze dieser Geschichte, jetzt schon erzählen muss.“, Pfeifentabak wabert aus seinem Mund.
„Ein magisches Triolein, seid ihr dann bei Sonnenschein.“, rezitiert der Zwerg in seinen rothaarigen Bart.
„Aber Elfen und Zwerge sind seit Jahrtausenden zerstritten.“, der Elf erhebt sich samt seiner Stimme.
„Und wir Menschen wurden seit jeher versklavt!“, wirft nun auch der Dritte im Bunde ein, der insgeheim ein guter Schwertkämpfer ist.
Der Zauberer zuckt nur müde mit den Schultern.
„Ja, also da kann ich beim besten Willen jetzt auch nichts mehr dran ändern. Macht ihr es? Widerwillig?“
„Ich werde aber bis zum Schlusskapitel arrogant bleiben.“, eine Zornesfalte bildet sich im sonst so glatten Gesicht des Elfen. „Dann umarme ich den Zwerg.“
„Na gut. Aber denkt nicht, dass ich besonders nützlich bin. Ihr werdet euch mehr als einmal zusammentun müssen, um mich zu retten.“, der Mensch fasst sofort vertrauen zu vollkommen Fremden.
„Unsere Frauen haben Bärte.“
„Was? Was soll das denn jetzt?“, der Elf schüttelt den Kopf.
„Was weiß ich denn, die Leute wollen das lesen.“
„Wieso sollte das überhaupt jemand lesen? Wir haben die Lösung doch schon im ersten Satz des Zwerges verraten. Wir müssen bis zum Sonnenschein Freunde werden.“, der Mensch scheint als Einziger seinen Verstand zu benutzen. Der Zauberer seufzt genervt.
„Natürlich nicht. Das hätte ich euch doch einfach sagen können. Ihr müsst euch auf den Weg machen und viele Abenteuer bestreiten, um dann am Schluss zu merken, dass damit nicht der Sonnenschein gemeint ist, sondern ‚So-nen-Schein‘. Diese alte Kultstätte der Elben.“
„Ich bin ein Elf!“
„Wo liegt der Unterschied?“
„Keine Ahnung, aber wir Koexistieren nicht im selben Buch mit Elben.“
„Lasst uns Aufbrechen und in einem Wirtshaus nächtigen in dem sich zwielichtige Gestalten herumtreiben.“
„Woran erkennen wir sie?“
„Sie tragen einen Umhang und die Kerzen im Gasthaus gehen aus, wenn sie die Türen öffnen.“

Gefährliche Reisen

„Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung 5 Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“, deklamierte der Captain.

Die Atmosphäre flirrte über der riesigen Schlucht. Eine glutfarbene Sonne schickte sich zum Untergang an. Wie heiß es wohl zur Zeit ihres Zenits hier sein mochte? Kein irdisches Wesen wäre diesen Temperaturen ohne Schutz lange gewachsen. Tausend Meter unter der kleinen Expeditionstruppe mäanderte ein Fluss. Ein türkises Band inmitten schroffer Felsformationen. Über Millionen Jahre hatte er sich in das Gestein gefräst und eine Landschaft geprägt, die niemand von ihnen je zuvor gesehen hatte. Ehrfürchtig standen sie in gebührendem Abstand zur steil abfallenden Kante. Ob es an dem sich rot färbenden Firmament lag oder an der kräftigen Farbe der Gesteinsschichten – man hätte glauben können, sich auf dem Mars zu befinden.

„Ob es hier außer uns noch Leben gibt?“, fragte Uhura, die als Erste ihre Sprache wiedergefunden hatte. „Wenigstens ist die Luft atembar und die Schwerkraft erdähnlich."

„Wir sind hier, um genau das herauszufinden. Wir sollten einen Platz für unser Nachtlager suchen, bevor es zu dunkel wird. Die Nacht kommt hier sehr schnell und ich möchte kein Risiko eingehen.“

„Der Captain hat nur Angst, einer von uns könnte auf der nächtlichen Suche nach einem geeigneten Ort, um unsere dunkle Materie loszuwerden, in ein Wurmloch fallen“, flüsterte Monty und kicherte, womit er seinen Bruder James ansteckte.

„Oder sich The Next Generation ins Deep Space Nine beamt.“ Die Jungen bogen sich vor Lachen.

„Blödelt nicht rum, holt das Equipment aus dem Rover, vor allem Warmes, denn es wird bald bitterkalt.“

Plötzlich wurde Pille ganz aufgeregt und kläffte wie von Sinnen, wobei er wie bei einem Schluckauf auf der Stelle hüpfte. Sein Nackenhaar stand einem gestärkten Kragen gleich um seinen Mopshals. Mit durchgedrückten Beinchen und nun einem tiefen Knurren fixierte er einen Punkt hinter ihnen. Der Captain und Uhura drehten sich mit gezückten Phasern um. Aus der Ebene hinter einem Hügel schwebte ein Motorengeräusch heran.

„Los, alle in Deckung! Da hinter die Felsen und sorgt dafür, dass Pille sich beruhigt!“

Über eine kleine Kuppe schob sich mit geringem Tempo ein großrädriges Shuttle und stoppte. Das reflektierende Metall der aufspringenden Türen ließ die letzten Sonnenstrahlen infrarot aufblitzen und vier Wesen entstiegen dem Geländefahrzeug. Zwei große und zwei deutlich kleinere.

„Ob wir mal einen Urlaub nicht wie typische Nerds verbringen können?“, flüsterte James.

Monty nickte nur. „Wir sind voll peinlich! Wenn die da mitkriegen, dass wir im Urlaub unsere Eltern Captain und Uhura nennen müssen, ramme ich mich mit Warp in den Erdboden!“

„Hoffentlich verziehen die sich bald, der Grand Canyon ist groß genug!“

Doch die Familie, die soeben eingetroffen war, hatte anderes im Sinn. Die Erwachsenen entfalteten eine Decke neben dem Fahrzeug und holten einen gigantischen Picknickkorb aus dem Kofferraum. Als die beiden Kinder sich zaghaft und sichtlich beeindruckt von dem Panorama dem Aussichtspunkt näherten, wurden sie gerufen.

„Sam! Frodo! Nicht so dicht an den Schicksalsberg. Kommt zu uns und holt euch ein Stück Lembasbrot.“

Deduktion in Seidenmatt

„Ein neuer Fall?“ Sherlock sprang von seinem leidgeplagten Ledersessel auf. „Endlich, Watson!“ Er wedelte ungeduldig mit der Hand und begutachtete den Mann, der gerade von seinem Mitbewohner hereingeführt wurde.
„Er kam mir auf dem Weg nach unten entgegen.“ Watson bat den Mann mit einer Handbewegung in die Wohnung.
„Guten Tag, die Herren, ich fürchte…“, setzte der andere mit Fistelstimme an.
„Still!“, befahl Sherlock und starrte ihn nieder. „Sagen Sie kein Wort mehr. Ich weiß, warum sie hier sind.“
Der Angesprochene blinzelte verwirrt und griff verlegen nach seinem Taschentuch, das ihm aus der Jackentasche ragte.
„Sie sind“, begann der Detektiv und schlich auf unheimliche Weise näher, „gebürtiger Waliser, einer von zweieiigen Zwillingen, kamen zehn … nein, fünfzehn Sekunden später auf die Welt als Ihr Bruder.“
Der Mann stand wie erstarrt im Türrahmen, das Taschentuch auf halbem Weg zur schweißglänzenden Stirn. Watson hatte sich abwartend gegen den Kamin gelehnt.
Sherlock fuhr fort zu deduzieren. „Sie waren ein liebes Kind und hatten die volle Zuneigung ihrer Mutter.“
Der Mann wurde blass und riss die Augen auf. Sein Nacken spannte sich an und er vergaß, was er hatte tun wollen. „Pardon, woher…?“
Sherlock umrundete ihn wie ein Tiger, starrte ihm ins Ohr, roch an seinem Mantel, fingerte an seinem Hut herum. „Gestern Abend um Viertel vor Zwölf beschlossen Sie, herzukommen. Was hatten Sie zum Abendessen?“
Die Antwort war ein Grunzen und ein tiefes Atemholen. Endlich fand das Tuch die Stirn und trocknete sie.
„Nein, nein“, fiel im Watson in die Parade. „Darauf müssen Sie nicht antworten.“
Sherlock betrachtete sein Gegenüber. „Hose am Bund zu eng, gerötete Haut, kaum Haare auf dem Kopf. Sie nehmen zu viel Schweinefleisch zu sich, mein Lieber.“
„Das ist nicht gesund.“, bescheinigte Watson kopfschüttelnd. „Essen Sie mehr ausgewogen.“
Der Fremde steckte das Tuch weg und lief rot an. „Diese Unverschämtheiten muss ich mir nicht länger anhören!“
„Die Wahrheit ist niemals unverschämt, Mr Dylan Jones.“
Selbst Watson waren die vergoldeten Initialen auf dem kleinen Lederköfferchen aufgefallen, welches der Mann mittlerweile krampfhaft umfasste. „Warum gerade Jones, Sherlock?“, fragte er interessiert.
Sein Freund hatte sich mittlerweile abgewandt und kramte in einer Schreibtischschublade. „Der häufigste Name in Wales, John, der häufigste Name.“
Watson trat auf den Mann zu. „Ist Ihr Name nun Dylan Jones?“
Mr Jones nickte erbost. „Ich bin hier, weil…“
„Ja, warum eigentlich?“ Fiel ihm Sherlock abermals ins Wort. „Sie haben doch längst den richtigen Verdacht. Dass Ihr Bruder die Uhr gestohlen hat, aus Eifersucht.“
„Meine Uhr?“ Verblüfft hob der Mann den Arm und der zurückgleitende Ärmel offenbarte ein leeres Handgelenk.
Sherlock warf wahllos Dinge hinter sich, die er aus der übervollen Schublade zog. „Eben jene, die ein Geschenk Ihrer Mutter war. Gestohlen gestern abend bei einem der seltenen Treffen mit Ihrem Bruder.“
Ein paar Sekunden war es still. Sherlock richtete sich plötzlich auf und starrte aus dem Fenster. Dann drehte er sich lässig um und nahm auf der Kante des Tisches Platz. „Der Diebstahl ist aufgeklärt, Mr Jones. Warum sind Sie noch hier? Wünschen Sie, dass ich Ihnen verrate, wo Ihr Bruder die Uhr versteckt hat?“
„Nun, im Grunde wollte ich…“, begann Jones und öffnete den Koffer, um den Inhalt zu präsentieren.
„In der Keksdose. Steht auf dem siebten Regalbrett in seiner Küche.“ Sherlock verzog kurz das Gesicht. „Ganz hinten, versteckt hinter einigen Kochbüchern.“
Watson starrte verständnislos in den Koffer. „Seidenstrümpfe?“
Jones rümpfte die Nase. „Jawohl.“
Sherlocks Mund öffnete und schloss sich. „Es tut mir leid, Jones, aber eine solche Art von Bezahlung nehme ich nicht an. Das ist unwürdig.“
Der Vertreter triumphierte. „Die sind für Ihre Vermieterin, Mrs Hudson. Sie rief bei meiner Firma an und verlangte einen Hausbesuch.“
„Oh?“ Sherlocks Gesicht entgleiste für eine Sekunde.
Jones schloss energisch den Koffer, drehte sich um und im Hinausgehen versicherte er: „Und die Dose, Mr Holmes, die werde ich überprüfen.“

Der scharfe Hauch des Todes

Mit einem Quietschen, das den Totengräber des Ortes zum Weinen gebracht hätte, schwang die Saloontür auf. Schleppenden Schritts kamen zwei Männer herein, die sandbedeckten Staubmäntel vorne weit offen. Jeder von ihnen hatte die Rechte auf dem Knauf seines 45ers ruhen.

Als wäre der Tod zwischen ihnen hereingeglitten, erstarben die Gespräche im Raum, wie von Geisterhand erstickt. Nur noch das beharrliche Wimmern des Windrads, das vor dem Saloon für Wasser in der Pferdetränke sorgte, untermalte die Stille.

„Ist Daisy da?“

Der Barkeeper hatte es nur geflüstert, mit abgewandtem Kopf gewissermaßen aus dem Mundwinkel gequetscht, doch durch die Stille donnerten seine Worte wie Revolverschüsse.

Einer der Männer, der hagerere von beiden, drehte ruckartig seine Hakennase in Richtung des Sprechers. Seine Falkenaugen durchbohrten den Blick des Barkeepers. Der wurde kreidebleich und zerfiel sichtlich, als der Mantelträger den Knauf seines 45ers nach vorne schob, als wollte er zeigen: ‚Noch ein Wort …‘

Doch Daisy hatte den Barkeeper gehört.
Mit raschelnden Röcken kam sie durch die Tür zur Küche. Als sie sah, wer da vor dem Tresen stand, bereit, jeden im Raum in ein bluttriefendes Sieb zu verwandeln, griff sie sich mit nervöser Hand an die Brust.

„J - j - joe?“ fragte sie, und auf ihrer Stirn zeigten sich erste Schweißperlen.

Der Mann mit der Hand auf dem Knauf seines Colts sagte immer noch nichts. Während sein Begleiter unter zusammengezogenen Augenbrauen die anderen Gäste des Saloons im Auge behielt, die Hand zugbereit lauernd fingerbreit über dem Coltknauf, richtete Joe seinen stechenden Blick auf die rassige Rothaarige, deren Dekolleté sich angstvoll hob und senkte.

Er hob seine Linke, krümmte den Zeigefinger und winkte sie zu sich.
Zögernd, als würde sie lieber rückwärts gehen, und gleichzeitig spürend, dass ihr gar keine Wahl blieb, kam sie Schritt für Schritt um den Tresen herum.

„Joe, ich …“

Ruckartig hob Joe seinen Zeigefinger an den Mund.

Daisy verstummte, wie abgeschnitten. Einer aufgezogenen Puppe gleich ging sie weiter auf Joe zu. Als sie dicht vor ihm stand, legte ihr Joe zwei Finger unters Kinn und hob ihren Kopf an, bis sie ihm direkt in die Augen sehen konnte.

„Das Steak gestern …“ begann er, und alle im Raum konnten sehen, wie Daisy zu zittern begann. Es schüttelte sie förmlich.

Mit bedauerndem Blick schüttelte Joe langsam seinen Kopf.
„Ach Daisy“ sagte er, „ich hatte medium rare bestellt“.

„Joe, ich …“
Daisy begann zu schluchzen.

„Ja, Daisylein, ich weiß, dass es dir leid tut. Aber du weißt auch, was Leuten blüht, die mich enttäuschen, oder?“

Mit sanfter Hand begann er das Haar der Rothaarigen zu ordnen, langsam, zärtlich, wie jemand, der am Totenbett letzte Hand an ein einst geliebtes Wesen legt.

„Joe, ich …“
„Das sagtest du bereits, Darling.“

Joes Stimme blieb unverändert sanft, während seine Finger weiter ordnend durch die kupfernen Locken glitten. Alle konnten sehen, wie die Schultern unter der roten Haarpracht herab sanken, wie die Schöne sich in ihr Schicksal ergab.
„Medium rare?“ fragte sie.

„Medium rare, Darling, und vergiss nicht, die Aioli schön scharf zu machen.“

Daisy atmete sichtlich auf. Der Barkeeper wischte sich den Schweiß von der Glatze und der Mann am Piano griff wieder in die Tasten. Während die rassige Rothaarige in dem Wissen, eine allerletzte Chance erhalten zu haben, sich auf den Weg zurück in die Küche machte, dachte sie an das Chiliöl im Küchenschrank. Für versierte Köchinnen gab es mehr Möglichkeiten als Bauchschüsse, jemandem die letzte Hölle auf Erden zu bereiten.

Scharf Joe? Kannst du haben!

Der Geist der Weihnacht

Claus liegt mit weit aufgerissenen Augen im Bett und starrt an die Zimmerdecke. Der Radiowecker dudelt seit ziemlich genau 17 Minuten und 34 Sekunden vor sich hin. Da Sky-Radio eingestellt ist, plärrt das Gerät pausenlos Weihnachtslieder in infernalischer Lautstärke. Die dicke Daunendecke lastet schwer auf seinem viel zu voluminösem Bauch und scheint den Plan zu verfolgen ihn ersticken zu wollen. Panik überfällt ihn und verschlimmert die aufkommende Atemnot weiter. Burnout, hatte sein Therapeut gesagt. Adipositas sein Hausarzt.
„Wham“ beginnt in weinerlichem Ton, schmalzig das letzte Weihnachten zu besingen und Claus zieht sich stöhnend die Bettdecke über das Gesicht. Wieviel Elend muss ein Mensch erdulden?
Sehr viel mehr Elend.
Jemand reißt mit ziemlich viel Elan die Decke von ihm herunter, zieht in einer fließenden Bewegung den Stecker des Radios aus der Dose und schafft es fast zeitgleich die schweren Vorhänge aufzureißen.
Gleißende Helligkeit durchflutet den gemütlich eingerichteten Raum.
Claus stöhnt gequält auf und kneift die schmerzenden Augen zu.
„Morgen, Boss !“, ruft Harry Twinkletree.
„Es ist schon 11 Uhr“, fährt sein übereifriger Assistent fort und schüttelt die Decke auf.
„Wir sind spät dran“!
Eine Viertelstunde später nimmt Claus am Frühstückstisch Platz und Harry gießt ihm dampfenden Tee ein. Seine Tablettendose steht vor ihm auf seinem Frühstücksbrettchen. Misstrauisch betrachtet er die bunten Pillen.
Eine gegen Bluthochdruck, eine gegen seinen Typ-2 Diabetes, ein paar Vitamine, er ernährt sich jetzt seit drei Jahren vegan und nun auch noch eine Pille gegen seine Depressionen.
Er schüttet sich die gesamten Tabletten in die Handfläche und wirft sie sich gesammelt in den Mund, um sie mit seinem Tee runter zu spülen.
Der Tee schmeckt furchtbar und er kleckert sich auch noch sein weißes Hemd voll.
„Schmeckt wie Katzenpisse“, keucht Claus und schleudert die Tasse an die Wand.
Harry blickt ihn entgeistert an.
„Das ist Bratapfeltee“.
„Noch so ein Weihnachtsmist“, schimpft Claus und humpelt zu seinem Kaffeeautomaten rüber.
Ungeschickt fummelt er an der Maschine herum. Ein heißer Strahl „Latte macchiato“ ist das Ergebnis seiner Bemühungen. Dummerweise hat er nicht daran gedacht eine Tasse unter den Auslass zu stellen und ein weitere Fleck gesellt sich zu dem Bratapfelteefleck.
„Fuck“, flucht er, geht schließlich zum Kühlschrank und öffnet sich eine Dose Bier.
„Ich habe wirklich genug von diesem Weihnachtsscheiß“.
Harry wirft ihm einen missbilligenden Blick zu.
„Ich bereite schon mal den Wagen vor. Du solltest Dir wenigstens etwas Sauberes anziehen“.
Der „Wagen“ ist eigentlich ein Schlitten. Harry hat fünf ihrer ehemals sieben Rentiere eingespannt. Blitzen ist letztes Jahr von dem hässlichen, roten Truck einer bekannten Getränkefirma überfahren worden und Rudolph hat scheinbar eine fiese Erkältung, seine Nase leuchtet förmlich, so rot und geschwollen ist sie.
Auf der Ladefläche türmt sich eine unvorstellbare Anzahl Geschenkpakete und Claus stöhnt erneut, als er ihr Arbeitspensum für den heutigen Abend mustert.
Als er langsam auf den Schlitten zugeht, spürt er, wie sein Stiefel in etwas Weichem versinkt. Der würzige Geruch von Rentierscheiße wird ihn heute hartnäckig begleiten. Wütend lässt er sich auf die Sitzbank fallen und deponiert die Bierdose im Getränkehalter. Harry klettert neben ihn. Dann gibt er den Rentieren das Signal zum Start.
Die Rentiere ziehen den Schlitten auf die schneebedeckte Weite hinaus und beschleunigen. Trotzdem dauert es ungewöhnlich lange, bis sie abheben. Harry zieht eine Augenbraue in die Höhe.
„Hast du wieder zugenommen“?
„Es sind nur fünf Rentiere angespannt“!
„Wann hast Du Dich das letzte Mal gewogen“?
"Ach, leck mich doch! ", sagt Claus und schaltet das Radio ein.
„All I want for christmas is you“ leiert Mariah Carey.
„Ahhhhhhhhrrrrggg“, schreit Claus und legt eine CD ein.
Rockiger E-Gitarrensound ertönt und Claus grölt laut mit als ACDC verkündet, dass sie mittlerweile auf dem Highway to Hell unterwegs wären. Und genauso fühlt Claus sich auch.
Die erste Siedlung kommt in Sicht, als die Sonne bereits untergegangen ist und Harry klettert auf die Ladefläche. Seit dem Bandscheibenvorfall im letzten Jahr, kann Claus nicht mehr durch die Schornsteine klettern und Harry übernimmt die Auslieferung der Geschenke.
Die ersten hundert Mal rutscht Harry mit den Paketen unter dem Arm durch den Schornstein und drapiert sie liebevoll unter dem Weihnachtsbaum. Den Großteil der Nacht wirft er sie nur noch gekonnt durch den Schlot und die letzten 712 Pakete schmeißen sie nur noch über den Zaun in den Vorgarten des jeweiligen Empfängers.
Als die Sonne schließlich wieder aufgeht, haben sie das letzte Geschenk im Müllcontainer auf dem Parkplatz eines Discounters entsorgt.
Beide sind fix und fertig.
Santa Claus reicht Harry eine Dose Bier. Zischend öffnet Harry sein Getränk und die beiden stoßen an.
„Das war wirklich das letzte Mal“, sagt Claus und nimmt einen tiefen Schluck.
Harry schweigt betreten.
„Ab Morgen bin ich offiziell in Rente“.
„Aber wer kümmert sich dann um Weihnachten und die ganzen Geschenke“?
Claus zuckt mit den Schultern.
„Amazon, DHL, GLS, Hermes, was weiss ich“?
„Auf die Rente“, sagt Claus und sie stoßen an.
Unterdessen hofft Harry inständig, dass Claus den gestern angekommenen Rentenbescheid erst in ein, zwei Wochen findet.

Weihnachten im Juli

Von drinnen, vom Al… komm ich her;
Ich muss Euch sagen, es weihnachtet sehr!
Es ist schon Juli und ganz klar:
Dass ich auf Weihnachtsdeko starr!

Wie ich durch die Gänge eile,
am Lebkuchenstand sehr lang verweile.
Da ruft es laut „alter Gesell,
sei nicht so lahm, mach lieber schnell!
Die Schokomänner sind bald weg
Und Dir bleibt nur das alte Gebäck!“
Da fang ich an, wie wild zu rennen,
seh Kinder und auch alte flennen.
Das Weihnachtsfest ist schließlich bald,
dann kommt das Christkind aus dem Wald!

Nun sprinte ich zum nächsten Gang,
warte auf den großen Fang.
Ganz leise hör ich hinter mir:
„So ist es recht, mein treuer Knecht,
sei rücksichtslos und ohne Reue
Damit die Familie sich erfreue!
An hart erkämpften Weihnachtsdingen,
zu denen sie „last Christmas“ singen.“

Von drinnen vom „Al…“ Komm ich her,
ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Und seht wie ich`s hier drinnen find:

Ich fühl mich wieder wie ein Kind!
Und an der Kasse hör ich`s lachen:
Die wollten nur Geschäfte machen!

FROHE WEIHNACHTEN!

Meine neuste Erfindung

Nach langer Forschungsarbeit ist es mir gelungen, meine Zeitmaschine noch vor dem Weihnachtsfest fertigzustellen. Es handelt sich dabei um keine gewöhnliche, sondern um die Super Magenda 2.0 reloaded! Die einzige Maschine, mit der man nicht selbst durch die Zeit fliegt, sondern sich die historischen Personen direkt nach Hause holen kann.

In diesem Jahr werde ich Weihnachten gemeinsam mit den großen Persönlichkeiten der europäischen Geschichte und der Legenden begehen! Dafür habe ich das ganze Jahr hart gearbeitet.

Ich bin auf das große Ereignis gut vorbereitet. Der Baum ist mit bunten Kugeln und viel Lametta geschmückt. So wie früher, versteht sich – denn früher gab es mehr Lametta!
Allerdings mit LED-Lichtern anstelle von Kerzen – sicher ist sicher.

Auf dem Tisch steht die Weihnachtsgans, darum festliches Geschirr. Servierten, Gläser, der ganze Schnickschnack, der bei einem Fest dazugehört.
Ich schenke mir ein Glas Rotwein ein und nehme die Zeitmaschine in die Hand. Sie ist nicht größer als ein Laptop, sehr modern – 2.0 reloaded, wie gesagt. Ich drücke die Taste.

König Etzel, der große Hunnenkönig landet in meinem Zimmer und läuft sofort laut nach Kriemhild rufend durch das Haus.
Ein Kreuzritter muss her. Ich drücke wieder auf den Knopf und er schlägt neben dem Tisch auf. Sofort zückt er seinen Dolch und sticht auf die Weihnachtsgans ein.
Napoleon hat tatsächlich die Hand unter seiner Jacke, wie auf dem berühmten Bild! Allerdings nur, um eine Pistole zu ziehen und damit die Kugeln vom Weihnachtsbaum zu schießen.
Der nächste Gast ist Achill, der große griechische Held des trojanischen Kriegs. Furchteinflößend steht er im Raum und wirft einen strafenden Blick auf den Ritter, der weiter auf die Gans einsticht.
Hildegard von Bingen blickt sich erschrocken um und folgt dann singend König Etzel, wahrscheinlich will sie ihn beruhigen.
Die Weihnachtsgans sieht mittlerweile aus wie pulled pork oder auf deutsch, wie ein gerupftes Huhn.
König Etzel und die singende Hildegard laufen an mir vorbei. Ich nehme einen Schluck Rotwein und studiere meine Gästeliste. Siegfried, der große Held der Nibelungensage, allerdings der erste Mann von Kriemhild. Das gibt nur Ärger mit König Etzel. Ich streiche ihn von der Liste und nehme mir vor, mir mehr Mühe bei der Auswahl der Gäste zu geben.

Napoleon schießt weiter auf die Kugeln. Etzel leert mein Weinglas in einem Zug und rennt auf Achill zu, der weicht zurück und stößt mit der Ferse an das Tischbein. Mit einem Schrei bricht er zusammen.
Oje! Ist nicht die Ferse seine einzige verletzliche Stelle? Im trojanischen Krieg hat ihn der Pfeil des Paris in die Ferse getroffen und getötet.
Ein Pfeil in den Fuß – der Held bricht zusammen – zack bumm – tot! Sachen gibt`s!

Ich springe auf und ziehe ihn mit Hilfe von Hildegard von Bingen aufs Sofa. Achill ist ganz blass und hat glasige Augen. Ich lege ihm ein Kühlpack auf die Stirn, während Hildegard Kräuterelixier auf seine Sehne träufelt und singt. Meine Gedanken rasen. Wie soll der trojanische Krieg ausgehen, wenn Achill auf meinem Sofa stirbt?
Ich renne zurück zum Tisch, komme ins Stolpern und drücke versehentlich auf die Tasten der Zeitmaschine.
Caesar steht mitten im Raum, neben ihm Brutus. Er sieht die zerrupfte Gans, nimmt das Bratenmesser und richtet es gegen Caesar. Auch Etzel fixiert den römischen Kaiser. Lagen damals nicht die Hunnen mit den Römern im Krieg?
Die Lage spitzt sich zu, mir wird ganz mulmig.

Ich drücke die Nottaste und alle verschwinden. Eine fast gespenstige Stille breitet sich aus. Eine Kugel, die sich bis jetzt noch am Baum halten konnte, fällt herunter und zerbricht.
Ich schalte festliche Musik an, schenke mir Wein nach und belade meinen Teller mit pulled Gans. Ich werde dieses Jahr allein Weihnachten feiern und nächstes Jahr besser an der Gästeauswahl arbeiten.

Tequila Kiss

Fünfundzwanzig Sekunden später kam Lina-Sophie-Anna-Luisa wieder zu sich. Sie blinzelte unkontrolliert, so als hätte sie verlernt, wie das ginge. Ihr Kopf dröhnte und in ihrem Mund fühlte es sich an, als hätten Salz und Zitrone eine Party veranstaltet. Unter ihr war warmer Sand, über ihr ein dunkelblauer Himmel.
Vor der untergehenden Sonne hatte sich ein Hüne aufgebaut, der ihr die Hand entgegenstreckte. Zwar erkannte sie nur die Silhouette seines muskulösen Körpers, doch was sie preisgab, ließ Lina-Sophie-Anna-Luisa schwindelig werden. Erneut.
„Kann ich dir helfen?“, hauchte er in tiefer, männlicher Stimme.
„Sechs“, antwortete sie.
Der Fremde hob eine Augenbraue, was sie im Gegenlicht freilich nicht sehen konnte.
„Ich hatte sechs Tequila“, schob sie eilig nach, um keinen falschen Eindruck zu erwecken.
„Wir alle fangen klein an.“ In seiner Stimme lag ein Grinsen. Nachdem sie seine Hand ergriffen hatte, zog er sie zu sich. „Max-Philipp-Aidan“, stellte er sich vor. „Meine Freunde nennen mich Miro.“
„Max“, säuselte sie. Ihr Blick fuhr von seiner behaarten Brust hoch zu seinen Augen. Tief atmete sie ein. Auf ihrem Retter klebte der herbe Duft von Moschus, der ihr die Knie abermals weich werden ließ. Sein Händedruck war kräftig und sanft gleichermaßen. Max’ lockiges, schulterlanges Haar wirkte fast wie ein Klischee. Aber nur fast, denn sein braungebrannter, muskulöser Körper war nicht im Fitnessstudio, sondern bei der Weinlese entstanden. Trauben wogen offenbar mehr als man glaubte.
„Philipp-Aidan“, ergänzte er. Er hielt ihr zu Gute, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben Alkohol getrunken haben musste. Und ja, er liebte jeden einzelnen seiner Vornamen. Sie waren so unverbraucht, sicher hatte bislang noch keiner von ihnen jemals Verwendung in einem schnulzliterarischen Werk gefunden. Es wurde Zeit, das zu ändern. „Ich habe dich hier noch nie gesehen. Bist du zu Besuch in der schönen Toskana, wo immer die Sonne scheint und die Schwalben Liebeslieder zwitschern?“
Lina-Sophie-Anna-Luisa fasste einen klaren Gedanken. „Ja, weißt du - ich war eine erfolgreiche Werbetexterin in Berlin. Doch statt befördert zu werden, schnappte mir jemand meinen Traumjob vor der Nase weg. Gemein. Dann betrog mich mein Freund, den ich in zwei Wochen heiraten wollte, mit meiner besten Freundin. Daher habe ich ihn verlassen, um in der Toskana eine Auszeit zu nehmen.“
„Oh“, machte Max-Philipp-Aidan. „Warum gerade die Toskana?“
„Mein Leben ist ein Buch“, säuselte sie. „Und meine Leserinnen und Leser sollen sich eine schöne Region vorstellen, während sie mich bei meiner Selbstfindung begleiten. Das hilft auch, wenn die Story eher dünn ist.“
„Selbstfindung?“
„Ja. Ich lauf in viel zu weiten Klamotten rum und verhalte mich wie ein Zehnjährige. Außerdem kommt in ein paar Wochen sicher mein Ex vorbei und will mich zurück. Ganz bestimmt.“
„Du bist ein bisschen melodramatisch“, stellte der Hüne fest und fuhr sich durch sein langes Haar, in dem Sand klebte. „Außerdem klingt das für mich ziemlich nach French Kiss. Kennst du den Film?“
Sie stotterte. „N-nein?!“ Dass sie log, war nicht zu überhören.
Max-Philipp-Aidan löste sich von ihr, machte kehrt und lief davon.
„Wohin gehst du?“, rief sie ihm hinterher.
„Sex“, antwortete er in tiefer, männlicher Stimme.
„Tequila?“
Kurz darauf war er hinter einer Düne verschwunden.

Düsternis

Wir schreiben das dritte Zeitalter des vierten Zeitalters. Ein düster dreinblickender Wanderer betritt die Bar „zum düsteren Wanderer“. Er blickt sich um. Die Bar ist voll düsterer Gestalten. Er geht zum Tresen, hinter dem der düster dreinblickende Wirt einen Krug poliert.

„Wirt!“ ruft der Wanderer „Ein Dunkelbier!“

„So etwas haben wir hier nicht“ entgegnet der Wirt mit düsterer Miene „Und solche wie ihr sind hier nicht willkommen!“

„Seid ihr euch da sicher?“ entgegnet der Wanderer, und zieht einen Onyx Anhänger aus seinem schwarzen Lederwams. „Auch wenn ich das hier habe?“

„Bei den sieben himmlischen Höllen!“ ruft der Wirt entsetzt „Ihr seid einer jener die in den Schatten leben und sich in Tiere verwandeln können!“

„Genau“ sagt der Wanderer und blickt den Wirt an. Düster. „Ich bin ein Schattierer!“