Euer Anspruch an euch selbst

Spannendes Thema. :+1:
In Bezug auf mein Schriftstellerhobby habe ich eigentlich gar keine Ansprüche an mich selbst (außer dranbleiben, bis das Buch fertig ist), aber riesengroße Zielsetzungen für dieses eine Buchprojekt. Ich möchte diese eine Geschichte, die mir am Herzen liegt, so perfekt wie möglich erzählen und am Ende ein rundum richtig gutes Buch veröffentlichen.

Ursprünglich hatte ich gedacht, wenn die Rohfassung erstmal steht, finde ich andere Leute, die ich mit ins Boot holen kann, die dann mit ihren Fähigkeiten mein Buchprojekt auf die nächsthöhere Stufe heben. Leider hat meine Rohfassung keinen von meinen ausgewählten Testlesern (unter ihnen eine Deutschlehrerin, eine Linguistin und eine erfolgreiche Absolventin eines Fernstudiums in kreativem Schreiben) so begeistert, dass jemand von ihnen hätte Co-Autor werden wollen.
Seit zwei Jahren schaue ich mir immer mal wieder im Internet die Websites verschiedener Lektoren an, aber davon hat mich leider nie etwas so angesprochen, dass ich gedacht hätte, das passt, das könnte die perfekte Zusammenarbeit werden.

Und so überarbeite ich mein Manuskript, und überarbeite, und überarbeite, und überarbeite.

1 „Gefällt mir“

Haha, was für ein Déjà-vu, @_Corinna!
Auch ich bastle schon das zweite Jahr an meinem Opus Magnum herum, von dem ich in maßloser Selbstüberschätzung dachte, das Ding ist in drei Monaten abgetan. Welch ein Irrtum!
Und dann der Leichtsinn, einzelne Kapitel im Erstentwurf mir nahestehenden Menschen vorab lesen zu lassen. Letzte Kritik meiner Tochter: „Damit würdest du in meinen Unterricht gerade noch eine Drei bekommen!“ Alter Falter, was war ich vielleicht beleidigt auf mein Kind - nur um den Text dann eine Woche später fast genauso umzuarbeiten, wie sie mir vorgeschlagen hat.
Nein, mittlerweile hab ich meine Ansprüche a la „Dein Erstlingswerk muss gleich mal den Pulitzerpreis bekommen“ weit heruntergeschraubt. Ich muss der Geschichte genügen, nicht die Geschichte mir oder gar den Kritikern. Und: Der Weg ist das Ziel. Für anderes fehlt mir die Lebenszeit.

Ich hab mir ein Zitat hier aus dem Forum (ich weiß leider nicht mehr, von wem es kam) an die Pinnwand geheftet:
Schreiben ist wie Boxen: austeilen, einstecken, Taktik ändern, wieder austeilen.

1 „Gefällt mir“

Oder um es mit Rocky Balboa zu sagen: „Es kommt nicht drauf an, wieviel du austeilen, sondern wieviel du einstecken kannst“

Haha, ja, wenn du dir ein Beispiel an mir nimmst dann kommst du auf 8 Jahre :laughing: . Und ich würde mein großes Werk aktuell gern wieder umarbeiten :joy:

Ich hatte an mein erstes Werk anfangs nur den Anspruch, dass es ein Buch werden sollte, wie es mir gefällt. Ganz oben auf der Prioritäten-Liste stand die Aussage des Buches. Die musste sitzen und beim potentiellen Leser ankommen. Dann war die Welt und die Charaktere an sich wichtig. Dann die eigentliche Geschichte. Dann der Schreibstil.

Ab der Hälfte kam mir dann der (dumme) Gedanke, dass das Werk auch Martkchancen haben soll, weshalb ich viel Wert auf Schreibstil gelegt hatte (sollte oben mithalten) und die Geschehnisse (sollte auch oben mithalten). Dabei musste ich leider die Kernaussage etwas schrumpfen. Das war ein Fehler.

Jetzt hab ich ein Werk, welches keinen Verlag gefunden hat, und mir nicht zu 100% gefällt… Naja, die nächsten Überarbeitungen kommen bestimmt. :laughing:

EDIT: Der Anspruch war also anfangs nur, ein Buch für mich zu schreiben, dann aber wollte ich oben mitspielen. Aktuell würde ich wieder zu Ersterem übergehen, weil das Werk dann am besten geworden wäre.

2 „Gefällt mir“

Das stammte von @michel

3 „Gefällt mir“

:joy: Ja, ich habe meine hellen Momente…

3 „Gefällt mir“

Ich habe gemerkt, dass Schreiben in einer gewissen Weise süchtig machen kann. Man steckt in der Geschichte drin und hat manchmal das Gefühl, man würde sie selbst erleben. Aber für mich würde das bald schal werden ohne das Ziel, es veröffentlicht zu bekommen und möglichst viele Leser zu finden. (Es ist übrigens auch eine Piratengeschichte).

Leider macht dieser zweite Teil der Arbeit, nämlich mit Verlagen verhandeln und Werbung zu machen, gar keinen Spaß. Aber es gehört wohl dazu.

1 „Gefällt mir“

Interessant @_Corinna, deine Lektorensuche. Hast du’s mal mit LinkedIn versucht? Ich bin da mit ein paar Lektoren und Ghostwritern vernetzt und ich habe den Eindruck, da kann man anhand der Beiträge ganz gut sehen, wie die ticken

1 „Gefällt mir“

Noch stelle ich keine hohen Ansprüche. Jeder liest und schreibt anders und dem einen gefällt es oder nicht. Natürlich träume ich davon, dass das Buch, was ich schreibe, irgendwann mal veröffentlich wird. Einen genauen Zeitpunkt hab ich noch nicht auf dem Schirm. Erstmal schreib ich hier das eine oder andere um Lob und Kritik zu erhalten. Und das muss man einstecken können. Dann kann man auch evtl seinen Stil ändern, die Ausdrucksweise usw.

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Und jeder Schriftsteller hat auch mal klein angefangen.

In diesem Sinne… :hugs:

Ich hatte bei VFLL geschaut. Ich habe mir auch schon den einen oder anderen Namen aus dem Verzeichnis notiert, aber mich hat noch kein Internetauftritt dort so sehr angesprochen, dass es die (Geld-)Hemmschwelle überwunden hätte. Einmal wäre ich bereit, ein paar tausend Euro in das Lektorat meines Buches zu investieren, aber nur einmal. Deshalb müsste ich ein richtig gutes Gefühl haben, dass es wirklich passt. (Und nein, ein paar Seiten Probelektorat würden meiner Meinung nach nur dann etwas bringen, wenn es um Sprachstil ginge, mir geht es aber - zumindest für die nächsten zwei Überarbeitungsrunden - hauptsächlich um die inhaltlichen Aussagen, die Gesamtstruktur und den Spannungsaufbau in den 500 Normseiten.)
Schwierig … :woman_shrugging:

Ja, bestimmt schwierig @_Corinna. Bei LinkedIn ist der Vorteil, dass man erstmal unverfänglich Beiträge kommentieren kann und so ins Gespräch kommt, ohne direkt nach einem Preis zu fragen. Dauert aber natürlich auch lange, die ganzen Leute dort zu sondieren.

1 „Gefällt mir“

LinkedIn ist vor allem sehr viel seriöser als Facebook. Es dient hauptsächlich zur Vernetzung im Business-Bereich. In letzter Zeit habe ich allerdings vermehrt den Eindruck, dass sich dort auch ein paar Leute tummeln, die überwiegend Schwachsinn posten. Der Umgangston ist aber immer noch deutlich professioneller.

Der einzige Anspruch, den man haben sollte, ist, authentisch zu sein und den Leser nicht zu langweilen.
Schreibe nur aus dem eigenen Erfahrungsbereich. Wenn du ein „aufregendes Buch“ schreiben willst, dann führe auch ein aufregendes Leben. Wenn dein Nachbar Michael Schmidt heißt und du denkst, er ist eine Story wert, dann verpasse ihm keine albernen, nichtssagenden Namen wie Tom Sinclair und verpflanze ihn nicht nach Idaho, wenn du noch nie in Amerika warst – es sei denn, du hast wirklich einen guten Grund dafür.

Das heißt nicht, dass man keine Fantasie schreiben soll. Hier besteht die Kunst in der „Stimmigkeit der inneren Realität“ des Sujets. Siehe „Alien“: In der Anfangssequenz unterhalten sich die Charaktere über Lohnerhöhungen und Boni. Der Autor übernahm diesen Dialog von Fernfahrern an einer Raststätte in den USA, die er zufällig gehört hatte. Ich schweife ab – sorry –, aber ich schreibe aus der Realität des täglichen Lesens von Exposés, Treatments etc. , wovon 99 % unerträglich sind: inzwischen von KI vermurkst, fürchterlich recherchiert (wenn überhaupt) seelenlos und ohne jeglichen Bezug zur Realität des Rezipienten, geschweige denn des Autors. Quasi aus dem Ärmel geschüttelt, das Plagiat des Plagiats nie selbst erlebt oder gelitten. So etwas kann man weder verlegen noch verfilmen. Im diesem Sinne seit authentisch.

2 „Gefällt mir“

Ich stimmte dir bei deinen Ausführungen zu. Doch das hier

lässt sich gar nicht realisieren, denn dann müsste jeder, der Krimis schreibt, mal jemanden getötet haben oder Zeuge eines Mordes (oder einer anderen Tat, z. B. Wirtschaftskriminalität) gewesen sein.

2 „Gefällt mir“

geschweige denn, Fantasy oder Science Fiction. Ich würde ja alles drum geben, mal ins All fliegen zu können, auch ein paar Zaubersprüche zu lernen, hätte sicher was.
Aber so lange das nicht geht, muss man halt auf die eigene Fantasie ausweichen.

4 „Gefällt mir“

Du kannst das durch Recherche lösen.
Zum Beispiel: Wenn du über einen Serienmörder schreibst, ist die Basis „Psychologie, Fachliteratur, Interviews mit Tätern, Gerichtsakten“ – und das Erforschen der eigenen Untiefen. Das ist keine schöne Arbeit, aber es gehört dazu. US-Autoren sind in dieser Hinsicht vorbildlich. Sie investieren massiv Zeit in die Recherche, und genau das macht ihre Qualität aus. Im Zweifel schreibt man lieber nicht.

Authentizität entsteht nicht durch Gewalt, sondern durch die Frage: Was macht diese Gewalt mit allen Beteiligten?
(das ist oft interessanter als die Tat selbst)

Da fällt mir spontan Patricia Highsmith (Der talentierte Mr. Ripley) ein: der Fokus liegt auf der Angst vor Entdeckung, nicht auf der Tat selbst.

Schwieriger wird es natürlich, wenn die Tat selbst forensisch aufgearbeitet werden soll. Das geht nicht ohne Forensiker und Psychologen – zum Beispiel im Fall Jürgen Bartsch. Hier ist das „Warum“ interessanter als die Reaktion der Gesellschaft in den 1960er-Jahren. Ist natürlich Ansichtssache.

Wie auch immer. Das Fundament ist die Recherche. Es gibt viele Techniken sich einem Stoff zu nähern. Gelingt es nicht, dann sollte man, wie Marlene Dietrich es so schön sagte, nach Hause gehen und irgend etwas anderes machen.

2 „Gefällt mir“

Genau darauf wollte ich hinaus, doch du hattest geschrieben:

Ganz genau!

Richtig. Und eben nicht nur durch eigene Erfahrungen. Leute wie Tess Gerritsen haben bei der Beschreibung von Leichen natürlich durch ihre Berufsausbildung einen enormen Vorteil.

Es ist gerade zu Beginn einer Schreibkarriere (sofern man davon sprechen kann) wichtig, authentisch zu sein, vor allem den „Therapieschreiber“ abzulegen, Ungereimtheiten allgemeinverständlich zu kanalisieren und sich zum „Handwerker des Wortes“ zu mausern.
Das heißt aber nicht, Textabschnitte nach irgendeiner formalen Vorgabe blind an eine Wäscheleine zu hängen. Auch beim Schreiben gilt: „Form follows function“.

Im Moment herrscht die Unart, beliebige Ideen zwanghaft auf eine „Heldenreise“ zu schicken. Diese Leute haben zwar Campbell gelesen, aber nie Shakespeare oder Homer – und genau „das“ funktioniert nicht.

5 „Gefällt mir“

Nicht jeder, der schreibt oder schreiben möchte, muss die Klassiker durchgeackert haben.

2 „Gefällt mir“