Euer Anspruch an euch selbst

Ja, bestimmt schwierig @_Corinna. Bei LinkedIn ist der Vorteil, dass man erstmal unverfänglich Beiträge kommentieren kann und so ins Gespräch kommt, ohne direkt nach einem Preis zu fragen. Dauert aber natürlich auch lange, die ganzen Leute dort zu sondieren.

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LinkedIn ist vor allem sehr viel seriöser als Facebook. Es dient hauptsächlich zur Vernetzung im Business-Bereich. In letzter Zeit habe ich allerdings vermehrt den Eindruck, dass sich dort auch ein paar Leute tummeln, die überwiegend Schwachsinn posten. Der Umgangston ist aber immer noch deutlich professioneller.

Der einzige Anspruch, den man haben sollte, ist, authentisch zu sein und den Leser nicht zu langweilen.
Schreibe nur aus dem eigenen Erfahrungsbereich. Wenn du ein „aufregendes Buch“ schreiben willst, dann führe auch ein aufregendes Leben. Wenn dein Nachbar Michael Schmidt heißt und du denkst, er ist eine Story wert, dann verpasse ihm keine albernen, nichtssagenden Namen wie Tom Sinclair und verpflanze ihn nicht nach Idaho, wenn du noch nie in Amerika warst – es sei denn, du hast wirklich einen guten Grund dafür.

Das heißt nicht, dass man keine Fantasie schreiben soll. Hier besteht die Kunst in der „Stimmigkeit der inneren Realität“ des Sujets. Siehe „Alien“: In der Anfangssequenz unterhalten sich die Charaktere über Lohnerhöhungen und Boni. Der Autor übernahm diesen Dialog von Fernfahrern an einer Raststätte in den USA, die er zufällig gehört hatte. Ich schweife ab – sorry –, aber ich schreibe aus der Realität des täglichen Lesens von Exposés, Treatments etc. , wovon 99 % unerträglich sind: inzwischen von KI vermurkst, fürchterlich recherchiert (wenn überhaupt) seelenlos und ohne jeglichen Bezug zur Realität des Rezipienten, geschweige denn des Autors. Quasi aus dem Ärmel geschüttelt, das Plagiat des Plagiats nie selbst erlebt oder gelitten. So etwas kann man weder verlegen noch verfilmen. Im diesem Sinne seit authentisch.

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Ich stimmte dir bei deinen Ausführungen zu. Doch das hier

lässt sich gar nicht realisieren, denn dann müsste jeder, der Krimis schreibt, mal jemanden getötet haben oder Zeuge eines Mordes (oder einer anderen Tat, z. B. Wirtschaftskriminalität) gewesen sein.

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geschweige denn, Fantasy oder Science Fiction. Ich würde ja alles drum geben, mal ins All fliegen zu können, auch ein paar Zaubersprüche zu lernen, hätte sicher was.
Aber so lange das nicht geht, muss man halt auf die eigene Fantasie ausweichen.

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Du kannst das durch Recherche lösen.
Zum Beispiel: Wenn du über einen Serienmörder schreibst, ist die Basis „Psychologie, Fachliteratur, Interviews mit Tätern, Gerichtsakten“ – und das Erforschen der eigenen Untiefen. Das ist keine schöne Arbeit, aber es gehört dazu. US-Autoren sind in dieser Hinsicht vorbildlich. Sie investieren massiv Zeit in die Recherche, und genau das macht ihre Qualität aus. Im Zweifel schreibt man lieber nicht.

Authentizität entsteht nicht durch Gewalt, sondern durch die Frage: Was macht diese Gewalt mit allen Beteiligten?
(das ist oft interessanter als die Tat selbst)

Da fällt mir spontan Patricia Highsmith (Der talentierte Mr. Ripley) ein: der Fokus liegt auf der Angst vor Entdeckung, nicht auf der Tat selbst.

Schwieriger wird es natürlich, wenn die Tat selbst forensisch aufgearbeitet werden soll. Das geht nicht ohne Forensiker und Psychologen – zum Beispiel im Fall Jürgen Bartsch. Hier ist das „Warum“ interessanter als die Reaktion der Gesellschaft in den 1960er-Jahren. Ist natürlich Ansichtssache.

Wie auch immer. Das Fundament ist die Recherche. Es gibt viele Techniken sich einem Stoff zu nähern. Gelingt es nicht, dann sollte man, wie Marlene Dietrich es so schön sagte, nach Hause gehen und irgend etwas anderes machen.

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Genau darauf wollte ich hinaus, doch du hattest geschrieben:

Ganz genau!

Richtig. Und eben nicht nur durch eigene Erfahrungen. Leute wie Tess Gerritsen haben bei der Beschreibung von Leichen natürlich durch ihre Berufsausbildung einen enormen Vorteil.

Es ist gerade zu Beginn einer Schreibkarriere (sofern man davon sprechen kann) wichtig, authentisch zu sein, vor allem den „Therapieschreiber“ abzulegen, Ungereimtheiten allgemeinverständlich zu kanalisieren und sich zum „Handwerker des Wortes“ zu mausern.
Das heißt aber nicht, Textabschnitte nach irgendeiner formalen Vorgabe blind an eine Wäscheleine zu hängen. Auch beim Schreiben gilt: „Form follows function“.

Im Moment herrscht die Unart, beliebige Ideen zwanghaft auf eine „Heldenreise“ zu schicken. Diese Leute haben zwar Campbell gelesen, aber nie Shakespeare oder Homer – und genau „das“ funktioniert nicht.

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Nicht jeder, der schreibt oder schreiben möchte, muss die Klassiker durchgeackert haben.

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Danke für den Shakespeare. Der ist (für Charakterentwicklungen) wirklich unentbehrlich. Und für den Hinweis mit dem „Therapieschreiben“ (trifft mich grade sehr).
In der Tat scheint mir die Knochenarbeit des Überarbeitens und „Für-Normalverbraucher-lesbar-machens“ das wirklich härtere Stück zu sein. Nicht alles was der Flow des Schreibens bei mir hochschwemmt ist für andere zumutbar. Und gute Recherche bei Dingen von denen man keine Ahnung hat (bei mir grad Feuerwehrtätigkeiten bei Flutkatastrophen) ist unabdingbar.
Für Krimiautor:innen hier ein kleiner Buchtipp.

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Das nun nicht gerade. Aber ein paar gute Bücher im eigenen Genre sind schon nicht verkehrt. Wie soll man sonst zum Beispiel einen guten Liebesroman schreiben, wenn man noch nie einen gelesen hat?

Ups. Was war das denn?

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Sollte man aber. Das ist die Basis.
Niemand stirbt, wenn er sich mal Romeo und Julia vornimmt, die Hirtengedichte Vergils liest oder in Cyrano de Bergerac abtaucht. Wer schreiben will, muss lesen. Viel lesen. Und nicht nur die Belletristik-Autoren seines Lieblingsgenres. Insbesondere deutsche Schriftsteller und nicht schauerliche Übersetzungen. Alleine schon wegen des Wortschatzes. Es erfordert eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Literatur. Das ist wie mit Klavierspielen. Wer auf einer Synthesizer Klavier spielen gelernt hat wird nie wirklich Klavier spielen können wer aber auf einem Klavier gelernt hat kann auch Synthesizer spielen. Klingt komisch, ist aber so.

Irgendwann sitzt man vielleicht vor einem Redakteur der Abteilung Film und Fernsehspiel oder einem Lektor mit ein paar Semestern Literaturwissenschaft in einem seriösen Buchverlag. Ohne fundiertes Unterfutter (dazu muss man nicht studiert haben) wird das ein ziemlich kurzes Gespräch.

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In diesem Fall halte ich es fast für wichtiger selber schon mal geliebt zu haben. Am besten unglücklich.

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Das stimmt. Ich habe es in deutsch und in englisch gelesen. Und auch einige andere Klassiker. Dennoch halte ich kein einziges spezielles Buch für Pflichtlektüre. Dass viel Lesen unerlässlich ist, ist ganz klar. Nur was gelesen werden muss, da glaube ich, gibt es nichts.
Sorry für die knappe Antwort. Sitze beim Zahnarzt.

Beides. Und dann noch etwas Sprachgefühl.

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Ja, bitte unbedingt. Wenn Du als reiner Therapieschreiber im Prozess aufgefordert wirst, Dialoge umzuschreiben, Kapitel zu verdichten etc. wirst Du das als persönlichen Angriff empfinden. Da hilft nur handwerkliche Kompetenz. Es soll ja ein Arbeitsgespräch sein, keine Therapiesitzung.

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Jeder (gute) Klassiker trainiert das Hirn. Er erweitert den Wortschatz, gibt generell tiefere Einsichten und lehrt den Subtext - von Struktur ganz zu schweigen. Ein heikles Thema.

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Eine Mischung ist glaub echt nicht verkehrt. Ich habe eine ganze Menge Klassiker gewälzt, weil ich sie sehr gern mag und in den letzten Jahren immer weniger zeitgenössische Bücher gelesen.

Dafür lesen sich meine Texte inzwischen leider recht altmodisch und oft geschwollen. Das mag angebracht sein in klassischer Literatur, aber a) bin ich natürlich weit entfernt von so einem Niveau und b) schreibt heute so niemand mehr. Keiner, der freiwillig einen Klassiker liest, würde seine Zeit an mein Geschreibsel vergeuden und jeder, der gern moderne Krimis mag, rollt mit den Augen. So viel also zum Anspruch an mich selbst.

Mit ein paar moderneren Romanen zur Abwechslung lässt sich sowas bestimmt ausgleichen, bzw. das Stilproblem wäre vielleicht gar nicht so aus dem Ruder gelaufen.

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Was ist eigentlich ein Therapieschreiber? Und wie vermeidet man es, einer zu werden oder zu sein?

Das ist ein guter Tipp mit dem „Handwerker des Wortes“. Danke dafür.

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Richtig, aber ab wann ist ein Klassiker ein ‚guter‘ Klassiker?

Dazu muss man nicht unbedingt Klassiker lesen, es gibt auch moderne Literatur, die den Wortschatz bereichern können.

eine markige Aussage, ich meine aber, dass man das nicht so pauschal sagen kann. Nur wenn man sich mal eben Romeo und Julia (oder etwas Vergleichbares) ‚reinzieht‘, führt das nicht automatisch zu irgendwelchen Einsichten, und um ein Gefühl für Subtext und Struktur zu bekommen, brauchts erstmal eine Anleitung, worauf man da überhaupt achten muss.
Gerade bei den Klassikern, die einem in der Schulzeit von leider oft sehr inkompetentem Lehrpersonal mehr oder weniger ausführlich vorgesetzt werden, kann man viel falsch machen und einem die Lust am Lesen gründlich vergällen.

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