Seitenwind Woche 9: Konflikte

Feuer

Sie heißt Zora und ist das impulsivste Mädchen, dass ich kenne. Klingt spannend, oder ? Ist sie auch. Ihr Haar ist Feuerrot und es könnte anders auch nicht sein. Ihre Haare spiegeln nur ihr Element wieder. Und das ist: nicht die Erde, so viel ist klar. Sie ist ein Hitzkopf. Wieso ich euch das erzähle? Weil wir uns gerade mal wieder gestritten haben und ich nicht weiß wohin mit meinem niedergebrannten Gestrüpp, das sich Emotionen nennt, was einst noch ein blühender Rosengarten war. Gesund und schön. Es war, wie es immer ist. Komme ich ihr zu Nahe, stößt sie mich weg. Wenn alles gut läuft sucht sie nach Konflikten. Sie greift nach jedem Halm, den sie entzünden kann. Und was dann folgt ist ein einzig großes Meer aus Flammen. Am Ende sitze ich da. In der über gebliebenen Asche aus der ich wie ein Phoenix aufsteigen muss, nachdem sie mich innerlich getötet hat. Alles niedergebrannt. Unseren satten Garten aus schönsten Rosen. Rot, wie die Wut. Rot, wie das Feuer. Rot, wie die Frau, die ich liebe.

Verraten

Fassungslos starrte Carex seiner Schwester nach, während die Stadtwache sie wegzerrte. Erst, als sich die Gruppe um ihn herum auflöste und er als Einziger auf der Kreuzung stand, konnte er sich rühren.
Panisch sah er um sich. Dann zornig, als seine Augen ihr Ziel fanden. Mit weit ausholenden Schritten stapfte er Acor hinterher, der sich in unsicherem Gang entfernte. Noch musste Carex sich zurückhalten. Zu viele Leute waren in der Nähe. Nur die geballten Fäuste verrieten seine Anspannung.
Endlich bog Acor in eine leere Gasse. Carex verlor jede Beherrschung. Wie tollwütig preschte er vor, packte den großen Mann am Kragen und presste ihn gegen die Wand.
»Du Dreckskerl, du elender Feigling! Wie konntest du das tun? Du hast deine eigene Schwester in den Tod geschickt, du mieser Verräter.« Er merkte kaum, wie er ausholte.
Mühelos hielt der Stärkere die auf ihn zurasende Hand auf. »Beruhige dich doch …«
»Ich soll mich beruhigen? Ist das dein Ernst? Ist dir eigentlich klar, was du getan hast?!«
»Ich habe mein Leben gerettet. Wie hätte ich das sonst tun sollen? Wir leben nun mal in einer Zeit, die nicht jeder überlebt. Wir müssen differenzieren. Ich habe eine Familie zu versorgen, sie nicht. Es wäre egoistisch von dir, sie am Leben erhalten zu wollen, allein aus Nächstenliebe. Das musst du verstehen, Bruder.«
»Wage es ja nicht, mich Bruder zu nennen!« Rasend vor Wut krallte sich Carex in Acors Schultern. »Bist du so schwach, dass dich diese grausame Zeit derart verändert hat? Hat sie alle Liebe aus deinem Herzen gesaugt?«
Acors Blick verhärtete sich. Versteift schossen seine Arme vor und stießen den Kleineren von sich. Schmerzhaft schlug jener im Dreck auf.
»Du hast nicht die geringste Ahnung von meinen Gefühlen!«, brüllte er. »Glaubst du, mir bereitet das Freude?«
»Was soll ich sonst denken?«, schrie Carex im Aufrappeln und raste mit zu Krallen verkrampften Fingern auf Acors Kehle zu.
»Hört auf!«
Zwei kräftige Arme packten Carex von hinten und hielten ihn zurück.
»Oder wollt ihr, dass jemand euer Geschrei bemerkt und euch enttarnt?«, zischte ihm Ira ins Ohr, stieß ihn weg und stellte sich vor Acor.
Carex taumelte, fing sich und hatte Mühe, seinen Zorn in den Griff zu bekommen. »Mehr hast du nicht zu sagen? Stellst dich blind auf die Seite deines feigen Gemahls?«
»Was hätte er sonst tun sollen?«, keifte Ira zurück. »Er hat Recht, wir können nicht alle retten.«
»Aber deshalb ein anderes Mitglied zu verraten, kann nicht die Lösung sein!«
»Diese Zeit fordert nun mal ihre Opfer. Warum sollte es dir besser ergehen als mir? Ich habe bereits eine Tochter verloren. Wie würdest du dich fühlen, wenn es eine von deinen gewesen wäre? Wie viele soll meine Familie noch verlieren?«
In Carex kochte eine zähe Suppe zahlloser Widerworte, so viele, dass er kein einziges herausbrachte. Von Iras giftigem Blick sah er hinter sie zu Acor. Sah er da Tränen in dessen Augen?
»Außerdem kannst du deine Schwester mit Streiten nicht retten.« Damit beendete Ira den Konflikt, packte ihren Gemahl und zerrte ihn um die nächste Ecke.
Keuchend blieb Carex in der leeren Gasse zurück.

Nein!

Er drehte sich um und rammte die viel zu große Schaufel ins Bachbett. Von dem gerundeten Blech lief das Wasser, während er das Häufchen schlammigen Sands zu dem Verhau aus Ästen und Steinen balancierte, den er während der letzten Stunde aufgehäuft hatte. Endlich war es so weit. Das Wasser begann sich zu stauen.

Boah! Kuckt mal.
Los, wir machen auch mit!

Verblüfft sah er auf.
Geht weg da, sagte er, das ist mein Damm!

Das ist aber nicht dein Bach!
Ich war zuerst da, sagte er, und warf die nächste Schaufel Sand hinein.
Fasziniert sah er zu, wie das Wasser durch die verbliebene Lücke schoss und den eben hineingeworfenen Sand in Sekunden wieder wegspülte.
Ingenieur, dachte er, ich werde Ingenieur.
Wir wollen mitspielen!
Er brauchte noch einen Ast. Und zwei große Steine.

Spielt woanders, sagte er.
He! Das ist ganz schön schnell, das Wasser.
Geht weg!
Der Bach gehört dir nicht allein!
Das ist mein Damm! Ich hab’ ihn gebaut.
Jetzt hab’ dich nicht so. Kuck’ mal, der …
Geh’ weg da!
Er hob die Schaufel.
Das nächste, was er mitbekam, war der Gruppenleiter, der ihn ins Gebet nahm.

Setzt euch zu uns, ich schmeiß’ noch ‚ne Runde.
Danke, aber ich muss hier noch aufräumen.
Ach was, ist doch schon spät, das kannst du auch morgen noch …
Gerade, weil’s spät ist. Morgen kann ich endlich mal ausschlafen.
Ach komm‘, ein Bier.
Ich mag kein Bier.
Und ich bin Unteroffizier. Ich befehle Ihnen hiermit, ein Bier mitzutrinken!
Das nächste, was er mitbekam, war der Rest des zersplitterten Glaskrugs in seiner Hand.

Wut

„Im Grunde füttere ich dich seit Jahren durch oder meinst du, dein mickriges Gehalt könnte die Familie ernähren? Klingt vielleicht blöd aber das ist eben der Unterschied zu deiner und meiner Schulbildung.“

Diese Worte setzten den ganzen Fiesigkeiten und Demütigungen, die Marie sich schon seit Tagen anhören musste, die Krone auf.

Es brodelte in ihr und sie wusste nicht, ob sie schreien oder weglaufen sollte. Sie spürte nur, dass sie hier und jetzt Dampf ablassen musste, sonst würde sie explodieren.

Wie im Affekt warf sie ihre Gabel in seine Richtung. Eigentlich waren sie gerade im Begriff, zu essen.

In diesem Wurf steckte all ihre Wut und Hilflosigkeit. Mit entsprechender Wucht traf die Gabel die Stirn ihres Mannes welcher schmerzvoll aufschrie. „Ich blute!“

Für einen kurzen Moment war Marie über sich selbst geschockt. Ihre Blicke folgten ihm als er das Esszimmer wutentbrannt verließ. Sie zitterte am ganzen Leib. Der Appetit war ihr vergangen aber sie spürte eine gewisse Erleichterung. Endlich hatte sie sich mal gewehrt.

Eine schale Trennung

„Hey, wir müssen reden“. Müssen Reden. Der Satz hallt schwer in mir nach. So simpel, endgültig und kalt. Ahne ich, was passieren wird? Innerlich will ich sarkastisch auflachen.Oh ja- ich spüre einen jener Augenblicke, der so klar vor mir liegt, dass er fast unwirklich erscheint-wie in einem Film. *Ich hätte es wissen müssen.**„*Also eigentlich seh’ ich uns mehr so als Freunde.“ Freunde. Wie bitter dieses wundervolle Wort plötzlich klingt.
Wie schmerzhaft-diese Gewissheit. Ich möchte brüllen-und schreien, dass Du dieses wundervolle Wort überhaupt nicht verwenden darfst.
Freunde verletzten mich nicht so halblau, so mies, so feige. Du willst, das, was wir haben-nein-hatten-diese schöne Zeit- mit mir beenden und Dir gleichzeitig ein gemütliches Hintertürchen in mein Leben warm halten?!
Meine Gedanken fangen an zu rasen und sich immer schneller zu einem Sturm zu verdichten, der von meiner wachsenden Wut nur noch weiter angetrieben wird.
Zu Vieles will ich Dir sagen-von Fassungslosigkeit bis obszönen Beleidigungen, so dass ich einfach gar nichts sagen kann und nur stillschweigend in Deine kalten, grauen Augen starre.
„Vorgestern bin ich früher aufgewacht und das hat sich einfach nicht so gut angefühlt!“, sagst Du nur weiter und zuckst mit den Schultern.
Nicht so gut angefühlt. Ungläubig wandert mein Blick von Deinen ausdruckslosen Augen zu Deiner verschwitzten Stirn und dann zurück. Ein Zucken geht durch meinen Körper.
Wann haben wir Menschen eigentlich angefangen uns gegenseitig schneller aus zu tauschen, als den allmorgendlichen Kaffeesatz?!
Ich hätte es wissen müssen, wiederholt sich meine innere Stimme, die immer kräftiger klingt.
Eine Träne rinnt mir über die Wange-warm und ungewöhnlich sanft, als wolle sie mich umarmen.„Wir sind seit zwei Jahren zusammen. Und das ist alles?! Das wars?! Einfach so?!“ Ich brülle ungewöhnlich laut. Meine Stimme bricht.
Tränen rinnen mir nun unaufhaltsam über mein gerötetes Gesicht. Meine Hände sind zu Fäusten verkrampft.„Was ist aus „ich liebe Dich“ von heute morgen geworden?! War das gelogen?!“ Heiß packt mich die Wut, die mich nur noch rot sehen lässt. während meine Handknöchel weiß hervor treten.Du schüttelst energisch den Kopf. „Es tut mir leid!“ Deine Stimme klingt auf einmal viel zu hoch, so dass sich eine Gänsehaut auf meinem Nacken bildet. Hat sich Deine Stimme schon immer so hässlich angehört?

Du willst mich tröstend in den Arm nehmen, doch ich weiche erschrocken zurück. Deine Berührung ertrage ich nicht. Sie würde sich genau so falsch und schmutzig anfühlen wie Dein geheucheltes Mitgefühl. Beides will ich nicht.
„Warum?“, frage ich nach einer Pause deutlich leiser. Mehr als ein „ich weiß es nicht“, erfahre ich nicht. Den wahren Grund verschweigst Du mir.„Ich kann nicht mit Dir einfach nur befreundet sein! Wie soll das überhaupt gehen?!“, schreie ich teils zornig, teils fordernd. Regungslos betrachtest Du mich mit aufeinander gepressten Lippen.Deine Hand will nach einer losen Haarsträhne in meinem Gesicht greifen, hält jedoch mitten in der Bewegung inne.„Man sieht sich!“ Abrupt drehst Du Dich um und lässt mich einfach so stehen. Ich hätte es wissen müssen, beginnt meine innere Stimme erneut.Ich hätte wissen müssen, dass meine Freunde Recht hatten. Du warst nicht bereit dafür mich zu lieben-zu unreif und selbtsüchtig. Tief atme ich die kalte Luft ein. Der Schmerz brennt in mir nach-dumpf und pochend.
Kurz schließe ich meine brennenden Augen. Wie oft auf dieser Welt trennt sich wohl gerade in diesem Augenblick, ein Mensch von einem anderen, auf genau die gleiche, schale Art und Weise?!
„Hey, magst Du vielleicht drüber reden?! Du kannst echt froh sein, dass Du das hinter dir hast-Du verdienst, was Besseres!“, lässt mich eine bekannte Stimme aufhorchen.Unwillkürlich muss ich lächeln und ich spüre wie eine wohlige Wärme meinen inneren Zorn verrauchen lässt. Freunde.

Weniger ist manchmal mehr

„Weißt du, auf die Sprachnachricht deiner Schwester könntest du wirklich anders reagieren, als nur eine WhatsApp zu schreiben. Sie denkt, du willst nicht mit ihr reden“, wirft meine Mutter mir mit diesem besonderen, leidvollen Zittern in der Stimme vor, während sie sich ihre, vom Alter gezeichneten, knotigen Fingergelenke reibt. Sie wirkt klein und zerbrechlich, auch wenn alles in ihr dagegen aufbegehrt.
Meine Schwester hat absolut Recht. Genau das habe ich vor einigen Monaten im Vollbesitz meiner geistigen Urteilsfähigkeit durchs Telefon gebrüllt, und da stand meine Mutter direkt neben mir.
„Ja. Ich rede immer noch nicht mit ihr. Das weißt du auch. Ich habe kein Bedürfnis danach.“
„Du musst nicht gleich so aggressiv reagieren!“
Nicht aggressiv, nur entschieden. Tut immer wieder gut, denke ich. „Sie redet lieber und ich schreibe lieber. Sei doch froh, dass wir überhaupt wieder Kontakt haben.“
„Bin ich ja, aber du könntest doch wenigstens…“
„Nur weil sie, wie du, gern Leute zutextet und Sprachnachrichten schickt, muss ich das nicht tun! Mir reichen die geschriebenen Kurznachrichten. Und von Zweizeilern tun mir, im Gegensatz zu ihr, die Finger nicht weh. Wäre bei mir auch echt kontraproduktiv.“ Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Ihr strafender Blick sagt: Der Nachsatz war vollkommen daneben. Dann kehrt sie zu ihrem Anliegen zurück. „Aber das kann doch nicht so bleiben!“
„Doch, dass kann so bleiben! Und das sollte es auch. Vielleicht ändert es sich irgendwann wieder. Ganz langsam. Wir werden sehen. Keiner in dieser Familie braucht noch einen Streit und sie darf sich sowieso nicht aufregen. Also kann das, was war, nicht ausgeräumt werden.“
„Genau deswegen ja! Du musst es abhaken. Sie ist eben so.“
„Tut mir leid. Das kann ich nicht. Ich lasse mich von niemandem mehrfach, und erst Recht nicht im Beisein meiner Kinder, beleidigen und beschimpfen! Weder von ihr, noch meinem Schwager! Schon gar nicht, wenn ich für die Interessen meiner Kinder eintrete. Wir erziehen sie dazu, respektvoll mit anderen Menschen umzugehen, und sich von niemandem respektlos behandeln zu lassen. Was wäre ich für ein Vorbild, wenn ich Wasser predigen und Wein trinken würde?“
So eins wie meine Mutter, denke ich wütend. So eins mit zweierlei Maß. Ich bin es so leid!
Ich will nur noch meinen Frieden, denke ich auch jetzt wieder und merke, wie es in meinem Inneren brodelt. Meine Mutter wirkt wie Spiritus und Grillanzünder gleichzeitig auf mich, wenn es um meine Schwester geht.
Meine Schwester. Sie darf sich wegen irre vieler diagnostizierter Leiden nicht aufregen, weil es für sie Lebensgefahr bedeuten kann. Jeder nimmt daher seit Jahren auf sie Rücksicht. Sie aber Jahr für Jahr weniger auf andere. Ich könnte mich ohne Probleme rund um die Uhr über alles Mögliche und Unmögliche aufregen. Über fehlende Dankbarkeit, Achtsamkeit, Nachsicht, Geduld…
Doch egal, ich habe dazu nichts zu sagen. Es steht mir einfach nicht zu. Im Angesicht des Leidens meiner Schwester, sind alle Kollateralschäden hinzunehmen. Seit ich sie kenne, auch ohne diagnostizierte Krankheiten, regte sie sich über alles und jeden auf, auch über Sachen, die hatte ich noch nicht einmal auf meiner Agenda, weil sie meine Person nicht betrafen. Und wenn doch, reichte mein Bewusstsein oft gar nicht so weit zurück, dass ich etwas zu ihren Erzählungen, Aussagen oder Ansichten hätte sagen können und wollen. Sie hat mir einige Jahre Leben mit unseren Eltern voraus. Ich ihr dafür die Erfahrung von Trennung und Scheidung, nachdem sie bereits ausgezogen und verheiratet war, die Erfahrung von einem Leben, mit unserer Mutter allein. Bis heute sprechen unsere Eltern kein Wort miteinander. Dabei ist mein Vater mittlerweile über zwanzig Jahre in zweiter Ehe verheiratet. Trotzdem nehmen die Berge an Dreckwäsche aus längst vergangenen Zeiten irgendwie nicht ab.
Und ich bin es so leid. Ich bin so erschöpft und bin nicht bereit, mich, meine Kinder und meinen Mann dem weiter auszusetzen.
Deswegen sieht meine Mutter mich jetzt auch mit ihren wässrigen hellgrauen Augen, und den in jede Falte ihres blassen Gesichtes gemeißelten bald 80 Jahren, so vorwurfsvoll und leidend an, wie sie nur kann. Sie kann es wirklich gut. Sehr gut sogar. In ihrem Blick liegt nicht nur ein: nimm Rücksicht ich bin alt, wer weiß wie lange ich noch habe, ein: das halte ich nicht mehr aus, auch ein: dein Vater hat mich verlassen, seither ist mein Leben ein Scherbenhaufen, das weißt du ganz genau, dazu noch ein: wie konntest du mich auch noch verlassen, und dann noch dieses: deine Schwester ist todkrank, sie kann jederzeit sterben! ALSO HÖR AUF, UNS ÄRGER, UND MIR DAS LEBEN SCHWERER ZU MACHEN, ALS NÖTIG! FUNKTIONIERE! SEI NICHT SO EGOISTISCH! DU WEISST DOCH WIE SIE IST!
Sie hat diesen Blick in den Jahren meiner Existenz so weit vervollkommnet, dass ich gar nicht mehr überlegen brauche, was sie von mir erwartet. Ich atme ihre unausgesprochenen Sätze ein und versuchte mein Bestes, ihrem Weg zu neuem Glück nicht im Wege zu stehen. Aber sie glücklich machen, das kann keiner. Niemand. Ich nicht. Andere nicht. Unmöglich! Denn sie leidet einfach viel zu ungebremst und intensiv. Das tut beim Zusehen körperlich weh. Der Lieblingssatz meiner Mutter : So, nun ist aber genug! Genau dieser Satz, mit dem sie jede Diskussion zu ihren Bedingungen beendet, der gilt dabei nicht, aber ich höre ihre Stimme, genau diesen Satz, jetzt in meinem Kopf.
Für mich ist es genug. Das Fass ist übergelaufen. Ich bin scheinbar immun.
Mein eigenes, kleines Leben ist schön, voller Wunder, Dankbarkeit, aber auch Großzügigkeit. Ich habe nur das eine wie alle anderen um mich herum. Ich teile es gern mit allen, wenn es Lachen, Gemeinsamkeit, Zusammenhalt und Kraft schenkt.
Wie hat ein Freund meiner Mutter mal gesagt: „Manche Menschen schenken Kraft und andere kosten sie.“ Er hatte leider Recht.
Schade, dass ich dazu neige meinen eigenen Kopf zu haben, eigene Ansichten und meine Zunge immer schneller ist, als mir guttut. Schade, dass ich dieses Brodeln nicht mehr unterdrücken kann, denn ob ich will oder nicht, schon schäume ich über, wie eine gut geschüttelte, zimmerwarme Champangnerflasche, aus der der Korken unkontrolliert entweicht.
„Was willst du eigentlich von mir? Schau dich und dein Verhältnis zu deiner Schwester an! Da sage ich auch nichts dazu!“
„Das ist was anderes! Das kannst du nicht vergleichen! Das ist komplizierter. Sie hat mir gesagt, ich wäre nicht ihre Schwester.“
„Genau, und weil meine Schwester es charmanter verpackt hat, ist es nicht so schwerwiegend wie bei dir? Ja, liebste Mutti, ich bin absolut dankbar, dass sie mir nur gesagt hat, sie kann nicht verstehen, wieso ich bisher keinen Gentest habe machen lassen, um endlich den Nachweis zu erbringen, dass ich von unserem Vater bin. Jahre, nachdem er mir selbst gesagt hat, dass er den Beweis nicht braucht und es zwischen ihm und mir nie wieder Thema war.“
„Aber wenn er bei ihr… Er…“
„Ich habe dir gesagt, ich habe ihn darauf angesprochen und es ihm wieder angeboten! Er hat mir mehrfach versichert, er hat mit ihr überhaupt nicht über das Thema gesprochen. Seine Frau ebenfalls. Ich bin für ihn seine Tochter, genau wie sie. Unabhängig davon, ob er sich sicher ist, dass du ihn irgendwann später betrogen hast. Er war sauer auf dich, als er mir an den Kopf geworfen hat, ich wäre nicht seine Tochter. Er wollte dich verletzen! Das gibt er zu. Und es ist ihm gelungen. Du sagst selbst, er hätte überhaupt keinen Grund gehabt an deiner Treue zu zweifeln. Also warum in der Welt, sollte ich ihm und dir nicht glauben, wenn ihr euch in diesem Punkt wenigstens einig seid? Er will den Test nicht. Ich will den Test nicht. Und wer außer uns, sollte ein vergleichbar großes berechtigtes Interesse haben? Außerdem bin ich ihm zu ähnlich um wirklich Zweifel zu haben. Meine Fingernägelform gleicht seiner, genauso ähnelt sich unsere Fußform, unsere Oberarme, Augen, Zähne, Sommersprossen. Man braucht ihn und mich nur ansehen um zu wissen, dass ich seine Tochter bin.“
„Das sag ich ja!“
„Aber sie nicht! Sie rührt immer wieder in alten Sachen herum von denen ich nichts weiß! Sie findet ich solle den Test für euch und mich machen! Aber für mich macht das alles nur noch kaputter, als es sowieso schon ist! Ich soll mich Zweifeln stellen, die ich überhaupt nicht in mir trage. In ihren Augen steht ihr alles zu und mir nur das, was sie mir freiwillig überlässt. Mach doch die Augen auf! Theater wegen der letzten Ruhestätte unseres Katers, den ich vor -zig Jahren bei Frost und Schnee einfach unter einem Baum im Garten begraben habe. Wegen einer Baumfällung, einer Haushaltshilfe für dich, dem Altersheimplatz für dich in ihrer Nähe. Vatis Grundstück mit Haus wird verkauft werden. Bringt ja nur Unglück. Eure letzten Ruhestätten werdet ihr an ihrem heutigen Wohnort finden, nicht in eurer Heimatstadt, zu der sie nie einen Bezug hatte.“
„Das ist ihr eben alles wichtig. Wo ich beerdigt werde ist mir egal, ihr seid ja beide nicht mehr da. Aber ins Heim gehe ich niemals! Kommt gar nicht in Frage!“
„Das weiß ich.“
„Das wäre alles anders…“
„Wenn wir dageblieben wären. Ja, manches wäre anders und wohl auch leichter. Das zwischen ihr und mir wäre es wohl eher nicht. Sie wäre nie zurückgekommen.“ Aber du hättest, was du wolltest. Kinder und Enkel gleich über die Straße, denke ich. Ich bin diese Gespräche so leid. Noch fünf Tage, dann fährt sie wieder nach Hause. Ich hasse mich für diesen Gedanken. Wenn wir geblieben wären, gäbe es solche Zeitrechnungen nicht, das weiß ich. Für alle wäre es angenehmer, aber ich säße weiter zwischen den Stühlen, denn so war es vor meinem Umzug, so war es die ganzen Jahre. Egal, was ich versuche, die Situation zu ändern, es bringt rein gar nichts!
Ich bin erschöpft. Es macht mich krank, denke ich, aber es geht nicht über meine Lippen.
„Hör bitte einfach auf, zwischen uns vermitteln zu wollen. Freu dich jetzt hier bei uns zu sein und wenn du bei ihr bist freu dich darüber. Nimm einfach hin, dass für mich momentan weniger mehr ist.“
Ich sage es, und ich weiß, dass sie es nicht kann. Aber das ist eben Familie, manchmal weniger und manchmal mehr.

Alltägliche Dinge
Sie stand in der Küche – aufgebaut – wie eine Löwin vor ihm und schaffte es nicht, sich zu beherrschen.
Ihre Gedanken fanden keinen Halt. Worte sprudelten aus ihrem Mund heraus, die man hätte besser nicht gesagt.
Er starrte sie aus verwirrten Augen an und fasste es nicht, was er da hörte.
Seit geraumer Zeit stritten sie sich andauernd. Genauer gesagt ab dem Tag, als das Objekt des täglichen Bedarfs seinen Geist aufgab.
Keiner hatte vor einzulenken. Das Schlafzimmer teilten sie seitdem nicht mehr. Doch diesmal schien die Situation zu eskalieren. Sie mit dem Brotmesser – in ihrer Hand – drohte ihn zu verlassen.
Ein schelmisches Grinsen, welches sein Gesicht durchzuckte, brachte sie in Rage.
Sie spürte – nein – sie wusste es, dass er ein Geheimnis mit sich herumtrug. Eifersucht stieg in ihr empor.
Mit langsamen Schritten kam er auf sie zu, seine Augen fixierten ihre. Beruhigend versuchte er auf sie einzureden.
Er sah längst ein, dass es eine blödsinnige Idee war, was er vor einer Woche vorgeschlagen hatte – ohne das Gerät auszukommen.
Nervös schaute er auf die Uhr. Wo blieben sie nur? Nach dem Frühstück hatten sie vor zu erscheinen, so war es ausgemacht.
Endlich klingelte es an der Tür.
„Überraschung!“, rief er seiner Frau zu und öffnete gleichzeitig die Flurtür.
Voller Neugierde lief sie zu ihm. Vor ihrem Angetrauten standen zwei hochgewachsene Männer.
Sie schaute an ihnen vorbei und fasste es kaum, was sie da sah. Freudig fiel sie ihrem Ehemann um den Hals. Die ersehnte Spülmaschine – die sie sich herbeigesehnt hatte – stand vor ihr.

Stiller Protest

Mein Garten, ohne grünen Daumen, eine Herausforderung!
Seit Jahren der Versuch Pflanzen, vor allem Stauden in dem Garten anzusiedeln. Für einen meiner Lieblinge, Stockrosen, habe ich ganze vier Jahre benötigt. Jetzt habe ich verschiedene Farben an den unmöglichsten Stellen. Nicht wie bei den Nachbargärten, schön angelegt, auf einen Platz zugewiesen.
Leider ist jedes Gartenjahr lang und nur einmal in einer bestimmten Zeit die Bepflanzung bestimmter Stauden möglich. So das sich meine Gartenbepflanzung hinzieht.
Im Nachbargarten ist alles an seinem Platz: Rasen, Steinflächen, Wege, ein paar Stauden natürlich ohne Unkraut.
Mein Wildwuchs überfordert mich!
Die Brombeeren sind über die Grenze gewachsen. Da fragt mein Nachbar: ob ich nicht bei ihm, auf seinem Boden, die Früchte ernten möchte.
Dies war nicht nett gemeint. Sein sauber Garten wird durch diese Zweige verunstaltet.
Also schnipp schnapp ab!
Meine Gartenschere schneidet jeden Ast oder Halm der es wagt über die Grenze zu lucken.
An der Grenze auf der rechten Seite darf auch keine Blume über die angebrachte Schmutzwand wachsen.
Die Natur kennt diese Gesetze nicht, nur meine Schere.
Ich hab die Gespräche am Gartenzaun eingestellt, dafür dem Wildwuchs Hallo gesagt.
Hummelnester sind aufgebaut, Vogelhäuschen aufgehängt, Dreckecken entstanden. So hoffe ich, dass die Grenze für die Insektenwelt nicht unüberwindbar werden.

Letztes Jahr flogen Unkrautbomben über die Zäune.
Mit Bodenfließ und Unkrautvernichter war der Gegner im Vorteil.
Vielleicht haben es einige Spätblüher geschafft, die Vorhut zu bilden.
Dieses Jahr werden sie Samenkugeln verdoppelt.

Der Krieg ist nicht vorüber!

Jede Blume, die blüht, ist ein kleines Wunder!
Licht in der Ignoranz der tristesten Gärten.

Blut & Schokolade

Der Geschmack von Blut vermischte sich mit dem der Schokolade, die sie gerade gegessen hatte. Eine merkwürdige Kombination, die in ihr, für einen kurzen Augenblick, ein unerwünschtes Gefühl der Befriedigung weckte. Die Situation, die sie so fest auf die Zunge hatte beißen lassen, war eine, die in den Straßen von Altea tagtäglich unzählige Male geschah. Mit einem Unterschied:
Diesmal hatte sie hingesehen.

Vio war eines dieser Mädchen, die man nicht bemerkte. Brav und ruhig passte sie sich der Stadt an und verschmolz mit dem Hintergrund. Immer ein Lächeln auf den Lippen, immer ein freundliches Wort im Mund, der nie wiedersprach und ansonsten still war. Doch im gleichen Maße wie sie immer unsichtbarer wurde, wurde die Wut in ihr immer sichtbarer. Sie selbst verschwand und macht etwas anderem Platz. Etwas, das nicht mehr kontrollierbar sein würde, sollte es einmal die Freiheit kennengelernt haben.

Während Eisen ihre Kehle runterann, breitet sich in ihrem Magen explosionsartig Hitze aus. Es war, als würde das Blut und die Schokolade zu einem klebrigen Gemisch werden, das immer größer wurde und dabei war ihren gesamten Körper einzunehmen.

Immer schwerer und schwerer zog sie diese Masse nach unten, sodass es ihr nicht mehr möglich war –wie sonst – weiterzugehen. Ihr Schritt stockte und sie verharrte. Ein Passant rempelte sie an, ein anderer fluchte, weil er ihr plötzlich ausweichen musste. In dieser Stadt, die wie ein Uhrwerk lief, bleib nichts stehen. Denn Stillstand gab Zeit zum denken. Und niemand sollte denken.

Doch Vio dachte nicht. Das denken hatte etwas anderes in ihr übernommen. Etwas Animalisches. Eine Urkraft, die sich nicht in einer jungen Frau hätte befinden dürfen.

Schneller als sie sich je bewegt hatte, wirbelte sie herum und schlug zu. Ihr Knöchel kolidierte mit etwas Nachgiebigen und ein lautes Knirschen lies alles um sie zum Stillstand kommen. Der Verbotene Zustand. Eigentlich hätte sie Angst haben sollen. Panik sogar. Doch das Tier in ihr verspürte Freude und ein blubberndes, befreiendes Lachen entwich ihrer Kehle.

Entsetzen im Blick ihres Gegenübers wich etwas, das sie nur als Todesangst beschreiben konnte.

Und die Befriedigung darüber schmeckte besser als Blut und Schokolade.

Heimweh

„Gib mir auf der Stelle mein Schwert zurück!“
„Damit du mich in deiner Rage aufspiesst? Nein danke.“
„Gib es mir zurück und sag mir, wie ich wieder nach Hause komme!“
„Versteh es doch endlich, Rosalyn“, seufzte Aiden. „Es gibt kein Zurück für Pfadwandler. Das hier ist dein Zuhause.“
Ihre Fäuste zitterten. „Lüg mich nicht an! Ich weiss, dass du es geschafft hast! Sag mir, wie du es gemacht hast!“ Hitze jagte durch ihren Körper. Feuer leckte an ihren Füssen.
Aidens Augen weiteten sich. „Verdammt, Rosalyn, bist du eine Emotionswandlerin? Wenn ja, dann krieg dich sofort wieder in den Griff!“
Sie knirschte mit den Zähnen. Ihr Inneres zerbarst, als die Energie unkontrolliert aus ihr herausbrach. Schwarze Flammen schossen aus dem Boden und hüllten die beiden in eine Sphäre.
Aiden schüttelte den Kopf. Hastig rammte er das Schwert in den Boden und sah sie bedauernd an. „Bitte mach nicht denselben Fehler wie ich, Rose. Denk an Vay. Denk an Sinra. Das willst du nicht.“ Dann verschwand er und liess Rosalyn alleine mit dem Dämon auf ihren Schultern zurück.

Göttin in Wut

»WER ist diese Frau?«, zürnte die Hauptgöttin Devi, hob den Blick von dem Chatverlauf ihres Göttergatten Diz und hob mahnend den Zeigefinger.
»Aber Schatz … das ist meine Cousine Liz, das weißt du doch eigentlich …«
»Ach ja.« Devi schien beschwichtigt. »ABER man hat ja auch schon von seltsamen Dingen gehört!«, fiel ihr plötzlich ein.
»Schatz, bitte! Wie gesagt ist sie meine Cousine und sie ist gar nicht mein Typ. Viel zu gebildet und …«
Und das war nun der Satz, der point of no return sozusagen. Der Kommentar, der zur Folge hatte, dass das gesamte Multiversum kurze Zeit später nicht mehr existierte.
»Zu gebildet?«, fragte Devi spitz und ihr Kopf wurde bedrohlich rot. »Ach so! Aber ich bin dein Typ?«
Diz witterte die Falle in der Frage, wusste jedoch noch nicht, auf was seine Frau hinauswollte.
»Natürlich!«
»Weil ich vielleicht nicht so gebildet bin?«
Jetzt wusste er es.
»Nein! Nein! Nein! So habe ich das nicht gemeint!«
»Ich bin also dumm, ja?«
»Das habe ich nie gesagt, Schatz …«
»Doch. INDIREKT HAST DU ES GESAGT!«
Devi hatte nun den Höhepunkt ihrer Wut erreicht.
»Kann deine Cousine etwa DAS DA?«, schrie sie und schnippte mit den Fingern.
Es gab ein leises ›Plop‹, als das Multiversum in sich zusammenfiel, damit implodierte und verschwand.
Es war auf einmal sehr still. Devi und ihr Göttergatte standen nun in ihrem Olymp und sahen sich verlegen in die Augen.
»Nun hat es sich also mit meiner Anbeterei. Das war jetzt irgendwie auch wirklich dumm«, meinte Devi und bereute ihren kleinen, doch weitreichenden Wutausbruch. »Aber momentan seine Periode zu haben, und damit diese Stimmungsschwankungen, ist ebenfalls für eine Göttin nicht leicht.«

Lärm - Gedanken zum Straßenausbau

Ich war unlängst zu einer Bürgerversammlung, da ging es um den Ausbau einer Straße.
Die hat jetzt Kopfsteinpflaster, ist rechts vor links, verkehrstechnisch und gehört zu den wichtigen Ost - West Verbindungen für alle, die aus dem Norden kommen oder aus dem Osten, den Ortsteilen.
Alles was nach Berlin West oder nach Hennigsdorf fahren will und von Norden kommt, fährt dort lang. Der andere asphaltierte Weg ist ein Umweg und länger, oder jemand steht auf Asphalt.
Die in Richtung Berlin, aus dem Norden kommen, fahren ohnehin dort entlang. Alles was gen Norden will, aber nicht die B 96 benutzt, fährt auch über diese Straße.
Der Weg über die Schönfließer Straße ist, wie gesagt, länger, das macht keiner.
Der Bürgermeister erklärte es in der berühmten Art der Politiker, wie so etwas geht, so ein Straßenausbau und warum und wieso in Afrika die Sonne scheint.
Sehr ausschweifend und wenig aussagend, auch nicht, auf welcher Seite er wirklich steht.
Die Straßenlärmfraktion wurde ungeduldig, wie ich auch, denn das Gelaber um den heißen Brei herum, kann einen auf den Geist gehen. Also will er den Asphalt oder nun nicht? Will er nun die kaputten Stellen reparieren, oder nicht?
Ich verstehe ja, jeder Bürgermeister muss nach 8 Jahren irgendwelche Erfolge aufweisen können, egal wie unsinnig die sind, will er wieder antreten. Warum sollte man ihn sonst wählen, warum überhaupt?
Wer wählt schon gerne Misserfolg, aber ist die Wahlbeteiligung nicht ein Ausdruck für Misserfolg. Darüber machen sich aber nur Künstler und Friseure Gedanken, Politiker machen einfach weiter, mit dem Satz, man konnte seine Intentionen nicht rüberbringen, oder in deutsch, der Wähler ist einfach zu doof.
Jedenfalls kam dann die Fraktion zu Wort, die sich an dieser Straße Grundstücke gekauft haben, ohne zu prüfen, was hier wirklich läuft. So wie die an den stillgelegten Eisenbahnstrecken, die in der Ruhe gekauft haben und nun soll die Bahn wieder fahren. Sie rebellieren.
Oder ist es gar das Geld? Klar, wer kalkuliert das beim Kauf schon ein, Straßenneubau, Abwasserneuanschluss, obwohl schon ein Anschluss da ist, siehe Altanschließer.
Das verstehe ich allerdings, denn wer kann eben mal mit links eine größere Summe lockermachen, für die er primär gar nichts bekommt. Das kann durchaus ruinös sein. Hier ist nun der eine Gehweg gemacht, für den hat man bezahlt, je nach Grundstücksgröße, ja da hat man was von, ist es nicht meine Seite, läuft man halt drüben.
Nun noch die andere Seite und die Straße, das kann schon mal finanziell überfordern. Jedenfalls wird jetzt diskutiert, wie unsinnig das sei, wie teuer und es würde nur den Verkehr anziehen.
Ich jedenfalls fahre keine Umwege, nur weil die Straße schön neu ist und 50 erlaubt, obwohl die ja irgendwann in Wohngebieten nur noch Schrittgeschwindigkeiten zulassen werden, also dann fährt man Umwege. Verkehr entsteht, weil gefahren wird und vielleicht sollte mal die Notwendigkeit einiger Fahrten überprüfen.
Sind die alle wirklich notwendig?
Mir schwillt schon der Kamm, da werden Brötchen geholt, mit einem SUV, der werden die Blagen zur Schule gefahren, Beine zum Laufen haben die nicht mehr.
Fahren sie nicht um halb acht an der Schule vorbei, das geht gar nicht.
Aber es geht weiter mit dem Lärm, klar leere LKW Anhänger hopsen schon mal und machen Krach, klar klappert das und vibriert und irgendwann platzt mir der Kragen. Ich melde mich und komme zu Wort: „Ich gehöre keiner Fraktion an, ich unterstütze weder den oft unsinnigen Aktionismus der Politik, noch den der Anderen, ich bin nur ein Bürger, der sehen kann und hören. Lärm, ja das ist ein Thema, ein wichtiges Thema. Lärm macht krank, das weiß man inzwischen, tut aber nichts dagegen. Genau wie die CO2 Emission, die immer mehr wird, durch riesen Autos, Kraftstoffverbrauch ist Emission, und wenn die Kisten inzwischen so groß wie Busse sind, dann ist das, mehr Emission. Erklären sie mir bitte, warum sie hier im Grünen wohnen wollen, nur um ein Haus zu besitzen, und weil das Grüne viel mehr Wert hat, als ein Haus in der Stadt? Die wenigsten haben Bäume, klar die Baumschutzsatzung dieses Ortes, verbietet geradezu Bäume zu pflanzen, denn man wird sie nicht wieder los. Obwohl das mein Baum ist, darf ich ihn nicht nutzen, als Holz. Ich muss erst beantragen, also fragen, also pflanzt keiner einen, wer braucht Ärger. Wer hat wirklich Sträucher, wo Vögel nisten können, wessen Garten ist ein Garten, mit Blumen, Erdbeeren und ein wenig Gemüse. Was findet man, Rasen, kurzgeschnitten, wie auf dem Golfplatz.“
Unruhe kommt auf, ja ich treffe sie. „Das ist aber noch kein Problem, wir sammeln gerne die Schnecken, die bei Euch nichts zu fressen finden, auch Igel haben keinen Grund bei Ihnen zu wohnen, die ja Schnecken gerne fressen.“
„Komm zur Sache“, kommt es, ich komme zur Sache.
„Warum aber kauft ihr euch Benzinrasenmäher für nur 200 qm Rasen. Für die Hecke dann auch mit einem Benzinmotor und das Laub wird weggebrüllt. Es brüllt tagelang im Dorf. Die Rasenkante, auch mit Lärm. Und es stinkt, macht CO2, an das gar keiner von der wohlfeilen Politik denkt, oder denken will, denn das gehörte untersagt. Ja selbst nasses Laub wird weggebrüllte, den ganzen Herbst brüllen diese schrecklichen Geräte durch den Ort. Selbst die Gemeinde arbeitet damit, ist das überhaupt vom Arbeitsschutz zulässig? Gewiss, die Männer haben Ohrschützer auf, aber die Abgase und die Vibrationen am Körper, das kann nicht gesund sein. Noch schlimmer aber ist der viele sinnlose Verkehr. Kein Kind kann mehr Fahrradfahren, oder laufen, alle werden zur Schule gekarrt, zum Reiten, zum Musikunterricht zum Tanzen. Die wenigsten laufen oder nehmen das Fahrrad. Der Mann fährt mit dem Dienstwagen zur Arbeit mindestens 6 Zylinder, unter dem geht es nicht. Die Frau hat auch ein Auto, SUV natürlich. Sie muss ja die Kinder durch die Gegend karren und hat Rücken. Nach dem Abitur haben die Kinder auch ein Auto, man kann es sich ja leisten und muss es zeigen. Vielleicht geht es ja auch nicht anders, der Mann ist Lokführer und fährt den ersten Zug und muss nach Beeskow, da kommt er anders nicht hin. Die Frau muss aber auch irgendwohin arbeiten und kommt da nicht unter einer Stunde hin, im Auto sind das 20 Minuten. Also sind das zwei, drei, vier Autos in der Familie, Dienstwagen. Ja LKWs werden in den Straßen des Wohngebietes geparkt, also müssen sie herfahren und wieder weg, alles Verkehr, Abgase und Lärm. Das ist Verkehr, den man vermeiden kann, manchmal aber nicht. Das ist Lärm, den wir alle machen, der vermeidbar wäre. Wenn man auf sinnlosen Lärm verzichtet und zur Muskelaktivität den Rechen nimmt. Dann braucht man keinen Sport, kein Fitness - Studio, wo wir auch hinfahren, mit einer riesen Reisetasche. Überlegen sie, wann man laufen kann, auch die Kinder, ist auch Sport, kaufen sie überlegt ein, fahren sie mit dem Fahrrad, das spart alles Energie, verhindert Abgase und vor allem Lärm und wir können ruhiger leben. Dann wird Ruhe sein, nicht nur weil Tegel zu ist, der Lärm jetzt woanders, sondern weil wir nicht mehr jetten müssen, um zu zeigen, wir sind wer, wir haben Wasser, Wald und noch gute Luft bei uns, bei uns ist es schön. Und dann, dann wird Ruhe sein, richtige Ruhe, denken sie bitte einmal darüber nach. Ich sehne mich nach einem Haus, vor dem es nicht immer rauscht, brummt, brüllt, wo es kein Grundgeräusch gibt, sondern Ruhe. Die Vögel zwitschern, die Taube gurrt, ein Hahn kräht.“
Und es wurde ruhig im Raum, ganz still im Bürgerhaus, so still das man meine Schritte hören konnte, als ich diese Stille verließ.
Frama 2022

Optimierung in der Wirtschaft

Walti trat während seiner Studienzeit den Singstudenten bei. Und er ist heute, viele Jahre später, aktiver Altherr ebendieser Singstudenten. Als deren Stammlokal zum Verkauf ausgeschrieben wurde, konnten es die Studenten mit kräftiger Unterstützung durch die Altherren erwerben, herrichten und als Speiselokal verpachten.

Walti will Freunde, die mit Singen wenig am Hut haben, zum Mittagessen einladen. Und was liegt näher, als das Lokal im Freundeskreis bekannt zu machen. Gastgeber und Geladene treffen sich schon früh zum Apéro dort, bestellen eine erlesene Flasche Wein und lassen Erinnerungen an frühere Zeiten aufleben. Walti bestellt eine zweite Flasche und etwas Brot dazu. Die Wirtin bringt die Flasche und ein Tellerchen mit vier winzigen Brotstückchen. Walti bestellt nochmals Brot und wartet … und wartet … und wartet. Walti erinnert an seine Bestellung – erfolglos.

Da steht Walti auf und strebt stracks der Küche zu.
„Hier dulden wir keine Gäste. Was wollen Sie da?“, fragt die Wirtin unwirsch.
„Wir warten schon eine halbe Ewigkeit auf etwas Brot. Das möchte ich gern haben.“
„Hier gibt es kein Brot!“
Walti schaut sie ungläubig an. „Kein Brot? Hier in diesem Haus!“.
„Nein, bevor die Gäste das Essen bestellt haben, gibt es kein Brot. Sonst haben sie keinen Hunger mehr und knausern beim Bestellen.“
Da platzte Walti der Kragen: „Da bemüht man sich Gäste hierher zu bringen und kriegt nicht einmal Brot. In diesem vornehmen Haus! Sie blamieren mich vor meinen Freunden. So geht das nicht! Holen sie den Chef!“
„Ich hole meinen Mann.“ Sagts und verschwand.

Einige Augenblicke später erscheint der Wirt. Walti kanzelt auch ihn ab. Schon etwas milder zwar und dann war der Zorn verraucht. Die Lautstärke normalisierte sich. Der Wirt erkannte Walti nämlich als einen der studentischen Altherren und somit einen der neuen ‚Hausherren‘. Darum entschuldigt er sich in aller Form für das ‚Versehen‘ und holt eigenhändig eine Scheibe Brot.

Die zweite Flasche war längst leer, als Walti an den Tisch zurückkehrte. Man bestellte und die aufgetragenen Köstlichkeiten ernteten nur Lob. Beim Verlassen des Lokals standen Wirt und Wirtin Spalier, die Wirtin mit einem Laib Brot, einem veritablen ‚Pfünderli‘ in der Hand, das mit einem roten Bändel verziert war. Das überreichte sie mit vollendetem Charme dem verdutzten Walti: „Nur damit Sie sehen, dass wir hier sehr wohl Brot haben!“

Bedrängt

Das Mädchen, etwa siebzehn Jahre alt, ziemlich klein und schlank wurde von zwei Jungs an die Wand gedrängt. Ich roch Alkohol und sah, dass sie das Mädchen ziemlich arg belästigten. Der eine von ihnen, ein ziemlich kräftiger Kerl, hatte seine Hand unter ihrem Shirt, während der andere sie grob küsste und dabei allem Anschein nach ihrem Po knetete. Das Mädchen versuchte sich zu wehren und weinte. „Hey, geht’s noch? Lasst sofort die Kleine in Ruhe. Wenn ihr keinen Alkohol vertragt, solltet ihr das Trinken lieber sein lassen!“ Meine Stimme klang steinhart, wie ich selbst fand. Beide drehten sich leicht zu mir, ohne jedoch das Mädchen aus der Zwickmühle zu lassen. „Verschwinde, das hier geht dich nichts an.“ Murrte der eine und wandte sich wieder dem Mädchen zu. Der andere grinste ziemlich dreckig und tat es seinem Freund gleich. „Ich glaub ich habe mich nicht deutlich genug ausgedrückt. Ich sagte lasst die Finger von der Kleinen!“ Ich wusste, dass ich ziemlich leichtsinnig war. Ich war allein, sie zu zweit. Doch ich wusste auch, dass ich es mit ihnen aufnehmen könnte, wenn es darauf ankam. Auch wenn man es mir nicht ansah, so hatte ich mehr Kraft als andere Menschen. Was, wie ich jetzt wusste, wohl daran lag, dass ich nicht wirklich ein Mensch war. Der eine Kerl, ich schätzte ihn auf neunzehn Jahre, war groß und bullig und sah mich mit hasserfüllten Augen an. „Halt dich da raus kleiner, sonst lassen wir die Kleine in Ruhe und kümmern uns um dich. Ist nicht ganz so befriedigend, aber bestimmt auch ganz lustig. Was meinst du Frank?“ bei diesen Worten warf der Bullige einen Blick zu seinem Kumpel, der immer noch dabei war mit seinen dreckigen Fingern das Mädchen zu befummeln. Er sah kurz auf und grunzte etwas Unverständliches. Der bullige wandte sich wieder mir zu, als er sah, dass ich keine Anstalten machte auf seine Drohung zu reagieren kam er auf mich zu. Ohne ein weiteres Wort holte er mit der Faust aus und eine Sekunde später ertönte ein furchtbares Knacken und der bullige brüllte wie am Spieß. Ein verwunderter Ausdruck trat in meine Augen, als ich feststellte, dass das Knacken von seiner Hand kam und dass ich meine Hand darum geschlossen hatte. Ich hatte reagiert ohne nachzudenken und ihm anscheinend die Hand gebrochen. Mein Gegenüber hatte aufgehört zu brüllen und wimmerte nur noch leise. „Bitte, lass meine Hand los“ bat er leise unter Schmerzen. Er war mindestens genauso verwundert wie ich, hatte mir solches Geschick und solche Kraft nicht zugetraut. Von seiner großen Klappe war nun nichts mehr zu merken. Der andere hatte aufgehört an dem Mädchen rum zu machen und sah erschrocken zu uns herüber. Langsam ließ ich die Hand los, die Finger sahen grotesk verbogen aus. Ich war über mich selbst erschrocken. Wie war das möglich? Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich den Schlag abgefangen hatte. Beide Jungs sahen mich geschockt an und wie abgesprochen drehten sich beide um und verließen fluchtartig die Terrasse. Ich drehte mich zu dem Mädchen um, das mich geschockt, mit großen Augen ansah. „Alles ist ok, keine Angst“ versuchte ich sie zu beruhigen. Sie zitterte und ich spürte, dass hier gute Worte nicht ausreichten. Das Mädchen war vor Angst wie erstarrt, stand eindeutig unter Schock. Als ich einen Schritt auf sie zuging, zuckte sie zusammen und wimmerte leise. Sofort blieb ich stehen und nahm langsam mein Handy aus der Tasche. Ich wählte die Nummer des Notrufes. Ich schilderte die Situation und erklärte, dass hier ein Mädchen im Schockzustand wäre, gab die Adresse durch und legte auf. Dann redete ich leise und beruhigend auf die Kleine ein bis endlich der Krankenwagen kam. Ich empfing die Notärzte an der Tür und führte sie zu dem Mädchen. Sie nahmen sie mit ins Krankenhaus.

Entzweigespräch – südstaatlich

  • Wann entsteht Leben? Was glaubst du?
  • Gute Frage, Leben gibt es schon sehr lange auf der Erde, …
  • So lange ist das gar nicht her!
  • Die Antwort hängt etwas davon ab, was du Leben nennst. Bakterien sind sehr alt …
  • Bakterien? Ich will wissen, wann Leben beginnt!
  • Ah, menschliches Leben. Das ist auch nicht ganz einfach zu beantworten. Eizelle und Spermien leben bereits, die befruchtete Eizelle ebenfalls. Die wächst dann …
  • Du antwortest wie ein Philosoph. Ich will wissen: Was glaubst du?
  • Was wir Leben des Embryos nennen, ist auch eine Frage der Konvention, abhängig von gesellschaftlichen Überlegungen, praktischer Anwendbarkeit, juristischen Konsequenzen, religiösen Ansichten, ich denke …
  • Jetzt redest du wie ein Advokat! Beginnt für dich das Leben mit der Befruchtung? Was glaubst du, will ich wissen.
  • Ich muss an dieser Stelle nicht glauben. Warum ist dir das wichtig? In der Juristerei legen wir das fest. Das spielt etwa eine Rolle im Erbrecht oder im Abtreibungsrecht, und das kann man durchaus kontrovers …
  • Ich will wissen: Was glaubst du? Ich stelle eine simple Frage, und du erzählst lauter Spitzfindigkeiten. Ich will mir solchen Bullshit nicht anhören.
  • Oh, das haben wir gemeinsam; ich höre mir auch nicht gern Bullshit an.

She too

Sie erbrach sich lange auf der Toilette.
Es schien ihr, als ob sie das fremde Blut bis in den Rachen hinunter verätzt hätte, weshalb sie noch immer der Würgereiz überkam, obwohl sie sich schon mehrfach den Mund ausgewaschen hatte.
Als er mich bat, ihn zu befriedigen, hätte ich Nein sagen müssen, dachte sie jetzt.
Stattdessen signalisiert sie ihm mit einem kurzen Augenaufschlag, dass sie verstanden hat und öffnet fix seine Hose. Und auch alle weiteren Wünsche erfüllt sie ihm: Geht auf die Knie, obwohl kalter, harter Marmor, und sie nur in Nylons. Knöpft sich mit einer Hand die Bluse auf, schiebt den Rüschen-BH hoch und berührt sich an den Brüsten. Sie lässt sich sogar zu einem lustvollen Jauchzen hinreißen, nachdem er sie gönnerhaft darauf hinweist, vor lauter Penisfixierung seine Hoden nicht zu vergessen.
Erst, als er ihr befiehlt, den Kopf in den Nacken zu legen und den Mund so weit zu öffnen, damit er treffsicher in ihn hinein ejakulieren kann, schnellt die Hospitantin zurück und schaut zu ihrem Chef hoch.
»W-was … was ist?«
»Will ich nich!«
»Wie? Will ich nicht? Was soll das heißen?«
»Dass mir das zu weit geht! Ganz einfach!«
»Tickst du noch richtig, du Schlampe? Erst dich den ganzen Abend an mich ranschmeißen! Und dich jetzt verweigern? Soweit kommt`s noch! Mach sofort dein blödes Maul auf, sonst …!«

»Sonst?« Die Kommissarin sprach leise, als schreckte sie instinktiv vor dem zurück, was als Antwort kommen würde. »Was passierte dann?«
Aber die junge Frau hielt ihren Blick gesenkt und schwieg.
Wie erklären, dass sie zunächst tatsächlich ihren Mund geöffnet, dann jedoch blitzschnell zugebissen hatte, und zwar mit all der Kraft, die ihr der viele Champagner noch erlaubte, woraufhin der alte Mann, der sie den ganzen Abend gelobt und schließlich mit einer Assistentenstelle gelockt hatte, vor Schmerz einen Schritt zurückwich, dabei ausrutschte und mit dem Hinterkopf auf dem Waschbecken aufschlug.

»Ich verstehe Ihre Scham«, sagt die Kommissarin jetzt, »aber ich verspreche Ihnen, diesmal werden wir gewinnen!«

Vom Einfall zum Schlaganfall

Er hätte sich gar nicht erst einen Termin beim Chef geben lassen sollen. „Geh nie zu deinem Ferscht, wenn du nicht gerufen werscht“ - haha. Früher konnte er darüber lachen. Heute war ihm ganz und gar nicht danach.

Vorgesetzte! Pah!

Vor einen gesetzt, ja! Aber kein Verständnis, wenn man sie als „Nachgesetzter“ auf einen Missstand hinweist, den man abstellen und dabei zugleich noch eine ganze Menge verbessern könnte. Freundlich, vorsichtig, in wohl abgewogenen Worten hatte er seinen Vorschlag unterbreitet. Er hatte es gut gemeint. Für alle hätte es besser ausgesehen, die Mitarbeiter, die Chef-Etage, die Kunden. Genützt hats nichts. „Ja, Herr Bergkammer, ich überleg mir das gerne nochmal“, und „Danke auch für Ihren Hinweis! Das wird sicher geändert!“. Und ein abschließendes: „Geht klar!“

Nichts würde klar gehen, das wusste er vom ersten Moment an, an dem er wieder vor der Tür des Chefbüros stand. Geld hätte es gekostet. Und die Aufgabe alter Gewohnheiten. Aber das eigentliche Problem, die unangenehme Situation, das nicht ausgeschöpfte Potenzial zur Verbesserung blieb. Und der massige Mann stand da wie eine Mischung aus begossenem Pudel und kleinem Schulbub, den man gerade zurechtgewiesen hatte: „Halt deinen Mund, wenn du nicht gefragt worden bist!“

Wochenlang hatte er sich Gedanken gemacht, alles für ihn Wichtige aufgeschrieben, zwischendrin mal seine Kollegen befragt, alles bis ins Detail sauber durchgerechnet, sogar aufwändige Grafiken zur Präsentation vor dem Chef angefertigt. Seine Freizeit ging derweil flöten, seine Familie reagierte zunehmend mit Unverständnis. Egal, es war es wert. Der CEO müsste nur einen guten Tag haben und ihm zustimmen. Vielleicht war ja sogar eine Prämie drin?

Es gab keine Prämie. Und auch sonst nichts: Kein gutes Wort, keine Anerkennung. Dafür allerlei, was ihn in kürzesten Abständen abblockte: keine Zeit, kein Interesse, kein Geld, keine Möglichkeit, vom bisherigen Standard abzuweichen. Er war schneller wieder weg von seinem Stuhl vorm Chefsessel als er für die Begrüßung draußen bei der Sekretärin gebraucht hatte.

Es nagte in ihm. Erst leicht in den folgenden Minuten, dann immer intensiver in der Stunde danach. Er saß an seinem Arbeitsplatz, schrieb etwas auf, redete mit einem Kollegen, dachte nach, telefonierte - aber der Groll wurde nicht weniger. Im Gegenteil: Wut kroch in ihm hoch, verstärkte sich, kam in enger laufenden Wellen ins Herz und von dort direkt ins Hirn. Unverständnis, Ärger, Enttäuschung – alles ballte sich zusammen, stieg in ihm immer höher, wurde intensiver, begann schließlich zu pochen und zu schmerzen…

Nein, er hätte wirklich nicht dorthin gehen sollen, jedenfalls nicht jetzt, nicht so. Es lohnte sich einfach nicht. Vielleicht hätte er dem Boss lieber direkt … hmpf. Verd…

Der Knall kam plötzlich. Nein, kein Knall, mehr ein Geräusch, als wenn man einen Zwirnsfaden spannt und ihn nach einem Moment der äußersten Anspannung zerreißen lässt. Krr…ick. Dann kam der elende Schwindel, der getrübte Blick, die unsägliche Übelkeit, das nur seiner Umwelt gewahr werdende Herumlallen, der irre Kopfschmerz, ganz zum Schluss die Wahrnehmung einer irgendwo im Schwarzen geschrienen Notfallnummer…

Ein Schlaganfall mitten im gesprochenen Satz, sagte der Arzt später. Mit ausgelöst durch Stress womöglich. Und mehr Glück als Verstand, dass er ihn überlebt hatte.

(leider nach einer wahren Begebenheit)

Auszug aus „Die Feder des Kakadus“ - der Prinz spricht

Bisher war es nicht nötig, einen Freund davon abzuhalten, Artur nach Hause zu folgen. Er tut gut daran, vorzugeben, dass er mich nicht kennt. Wie würde der ehemalige Ratgeber meines Vaters seine Rolle in dieser Geschichte erklären? Der kleine Mann war einmal mein engster Vertrauter. Ich bin wahrhaft nicht gutgläubig und trotzdem bin ich auf diesen Windhund hereingefallen!
Beim Gedanken, mit ihm nach Hause zu gehen, wird mir einfach nur schlecht! Wenn er einen Fuß in den Palast setzt, reiße ich ihm den verdammten Kopf ab.

Sie ist da!

Eine Glaswand teilt den Raum, in den ich von Adam geführt werde. Auf der anderen Seite steht sie, gebeugt über eine Anrichte, und drapiert sorgfältig etwas auf Teller. Sie trägt eine lange schwarze Schürze über einer kurzärmligen schwarzen Bluse, und auf ihrem Kopf sitzt ein adrettes schwarzes Häubchen. Der andere Adam, der schwarze, steht neben ihr und wartet.
Als wir eintreten, blickt sie ganz kurz auf, senkt aber ihre Augen sofort wieder, konzentriert auf die Tätigkeit ihrer Hände. Ich bin mir nicht sicher, ob ihr Blick mich überhaupt registriert hat.
Chan! Eine heiße, verzehrende Welle rollt durch meinen Körper. Meine Wangen glühen, und Tränen trüben mir den Blick.
»Komm, Dev.« Adam schiebt mich am Arm in den Raum diesseits der Glaswand.
Ohne den Blick von ihr zu wenden, lasse ich mich an die Schmalseite eines langen Tisches führen und auf einen Stuhl drücken. Der Tisch, weiß und leuchtend, ist mit edlen Gläsern, Besteck und Servietten gedeckt. Adam setzt sich an die breite Seite; und mir gegenüber am anderen Ende der Tafel wartet ein drittes Gedeck. Wird dort etwa der andere Adam sitzen, während sie uns bedienen muss?
Jähe Wut steigt in mir auf. Wie kann ich ihr zu verstehen geben, dass ich die beiden töten will? Ich sehe Messer beim Besteck – sind sie scharf genug? Wenn jede von uns einen übernimmt, kann es ganz schnell gehen… Blutige Bilder drängen sich in meine Vorstellung, zwei grausige, kahlköpfige Fratzen mit durchschnittenen Kehlen, das grellrot besudelte Weiß dieser makellosen Räumlichkeiten…
Mein stierer Blick schreckt hoch.
Jemand hat mir gegenüber Platz genommen.
Es ist sie.
Sie hat ihre Schürze und das Häubchen abgelegt. Ihr Haar sieht anders aus. Es gefällt mir. Wer hat es ihr geschnitten? Eine Maschine?
Ich sehe auch, dass sie ihr Netz noch trägt.
Und ihr Gesicht? Sie sieht nicht unglücklich aus. Eher genervt. Sie sieht mich mit demselben Ausdruck an, den sie bei der Aufzeichnung hatte, die Adam dem Captain gesendet hat, als er sie kurz ins Bild geholt hat und sie sich über das Essen beschwert hat.
Ich schaue sie schwer atmend an; meine Freude über das Wiedersehen ringt mit der Ahnung, dass etwas Fürchterliches über dieser Begegnung schwebt. Ich versuche, Chan wenigstens mit meinen Blicken zu berühren, suche in ihren Augen nach einer Erwiderung meiner Gefühle…
Adam sitzt zwischen uns und schaut erwartungsvoll von einer zur anderen. Dann winkt er dem zweiten Adam, der daraufhin mit einer Flasche Champagner an den Tisch kommt.
»Wo kommst du denn jetzt auf einmal her?«, blafft Chan plötzlich in meine Richtung.
Die Kälte ihrer Stimme fährt wie ein Schlag in meine Magengrube und lässt mein Gesicht erstarren. Neben mir schenkt der schwarze Adam mein Glas voll.
Ich bringe kein Wort heraus.
»Bist du etwa gekommen, um mich zu retten?«, fragt Chan mit einem keuchenden Lachen.
»Ich… ich…«, stammle ich verdattert.
»Ja wirklich!« Sie schaut den weißen Adam amüsiert an und zeigt dabei auf mich. »Meine Freundin Dev ist gekommen, um mich zu befreien! Wie rührend, wie toll!«
Ihre Stimme klingt völlig anders, als ich sie kenne: böse und gehässig. Jede ihrer beißenden Bemerkungen schmerzt mich wie ein Peitschenhieb.
Ich lasse meinen Kopf sinken und starre auf die Tischplatte.
Bruder Adam serviert das Essen.
Es gibt – natürlich – Blumenkrabbe.
Der intensive heiße Dunst von Meeresgetier, Hühnerfett, flüchtigem Alkohol und Zwiebeln dreht mir den Magen um.
»Lass es dir schmecken, Dev«, sagt Chan bitter. »Ist mit Liebe gekocht.«
Was ist mit ihr? Warum ist sie so gemein zu mir? Hat etwa das System sie so verdreht? Sie benimmt sich, als hätte ich ihr etwas Böses angetan, als wären wir in Streit und Zwietracht auseinandergegangen – wo doch das Gegenteil der Fall war! Wir waren uns so nahegekommen, schon bei unserer ersten Begegnung. Und an unserem letzten Abend war es, als ob Chan mir ihre Hand gereicht und eine schwere Last von mir genommen hätte…
Und jetzt?
Ihr grausamer Hass zerstört all meine Hoffnung und Zuversicht.
Ich bin umsonst hergekommen!

Adam hört zu essen auf und legt den gesenkten Kopf schräg, um meinen Blick einzufangen, der immer noch starr auf den unberührten Teller vor mir gerichtet ist.
»Nimm’s nicht so schwer, Dev. Zu mir ist sie die ganze Zeit so.« Er schaut zu Chan hinüber. »Na ja, ich hab’ sie angeblich ‚entführt’. Ich bin zwar immer noch der Meinung, dass ich sie einfach als erster gerettet habe, aber sie scheint das anders zu sehen.« Er seufzt und stößt einen kurzen Lacher aus. »Ich glaube, die lange Zeit allein dort unten hat ihr nicht gut bekommen. Sie war mal so ein süßes kleines Ding – aber sie ist ein richtig gemeines Biest geworden.«
Als Chan ihn mit einer finsteren Grimasse bedenkt, schaut er wieder mich an. »Was zwischen euch beiden los war, weiß ich nicht…«
Meine Augen sind noch auf Chan gerichtet, während Adam das zu mir sagt.
Und da – für einen Wimpernschlag – verwandelt sich ihr Gesicht!
Wie ein Schatten weicht der bösartige Ausdruck von ihr, und ein Lächeln strahlt mich an, erfüllt von der Zuneigung, die ich schon verloren geglaubt hatte.
Mein Herz macht einen Satz. Und Chan schickt noch schnell ein Zwinkern hinterher, das mich augenblicklich wissen lässt, wie ich ihre Worte verstehen soll.
Adam merkt meinem Gesicht etwas an, doch als er sich irritiert zu Chan umschaut, ist da wieder derselbe böse Blick wie zuvor.
»Jetzt esst doch«, sagt er ärgerlich »Es wird ja kalt!«
Ich bemühe mich, weiter Appetitlosigkeit vorzutäuschen, aber nach Chan’s Botschaft gelingt mir das nur für ein paar zaghafte Bissen.
Es schmeckt so gut! Ich fange an, hemmungslos zu schlingen.
»Na also!«, sagt Chan spöttisch. »Hau rein, Herzchen. Nicht einmal du kannst verbergen, dass dir mein Essen schmeckt.«
»Mit genügend Hunger schmeckt jeder Fraß«, knurre ich mit vollem Mund.
»Pass nur auf, dass du dich nicht wieder überfrisst«, lacht sie höhnisch. »Wie an unserem letzten Abend bei Deepak. Was habe ich auf dem Klo zu dir gesagt, während du gekotzt hast?«
»Nicht zu fassen!«, rufe ich entrüstet, »Jetzt fängst du wieder damit an! Mir war so schlecht, dass ich nichts darauf sagen konnte. Aber pass mal auf: Du hast mir gesagt, was du von mir hältst – und jetzt sage ich dir: Ich halte dasselbe von dir!«
»Du mich auch, Dev! Verstanden?«
»Ja, du mich auch! Eines Tages bekommst du es zurück! Hundertfach…«
»Das möchte ich sehen, haha!«
»Ich kriege dich!« Ich funkle sie giftig an. »Darauf kannst du dich verlassen!«
»Auf den Tag freue ich mich schon!«
»Du wirst weinen, wenn ich mit dir fertig bin! Du zitterst ja jetzt schon, schau dich nur an!«
»Weil ich es nicht erwarten kann, dich in die Hände zu bekommen!« Chan springt auf. Sie schnappt nach Luft und ringt zornig mit Tränen. »Am liebsten würde ich dich jetzt gleich… packen… und…«
Ich stehe auch auf. »Komm doch her…«
Ich presse meine linke Hand an meine Brust und strecke Chan die rechte entgegen – als wollte ich sie packen oder abwehren. Und sie tut dasselbe. Ohne Adam zu beachten, stehen wir uns keuchend gegenüber. Wir durchbohren uns feindselig mit Blicken, starren uns so tief in die Augen, dass ein schmerzhafter Sog entsteht, dem wir nur mit Mühe widerstehen können, eine Energie, die wir in diesem Moment gemeinsam spüren als wären wir eins; eine Energie, die uns beiden in alle Fasern dringt und uns verbindet mit einem Hochgefühl, das tausendmal intensiver ist als meine erste Begegnung mit dem goldenen Netz.
Chan!
»Jetzt reicht’s!«
Adam, der die ganze Zeit mit offenem Mund unseren theatralischen Schlagabtausch verfolgt hat, schlägt mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass Gläser und Geschirr klirren.
»Eure Streiterei geht mir auf die Nerven! Ihr setzt euch jetzt beide wieder hin und benehmt euch!«

Das Innere des Bunkers war düster und staubig, ein durchdringender Geruch nach Staub und Schimmel hing in der Luft. Ich blieb auf der untersten Stufe der Treppe stehen und sah mich in dem schwachen Streifen Tageslicht um, der durch die Luke in meinem Rücken hereinfiel. Die Umrisse einer kargen, zweckmäßigen Einrichtung schälten sich aus der Dunkelheit; ein wackeliger Tisch, beladen mit Papierstapeln und anderem Krimskrams, rundherum Stühle. Mir gegenüber zwei Regale an der nackten Betonwand und eine weitere, nur angelehnte Tür. Das Innere des Bunkers wirkte unordentlich, als wäre er durchsucht worden.

Ein leises Klirren ertönte, und ich zuckte zusammen. Außerhalb der Stadt war ich ungewohnt schreckhaft, aber das war es nicht, was meinen Puls zum Rasen brachte, sondern Pax, der mit gerunzelter Stirn durch den Raum streifte und alles mit scheinbarer Verachtung musterte. Gerade hatte er eine Tasse hochgenommen und drehte sie beiläufig in seinen Händen.

„Stell das wieder hin.“ Bevor ich es verhindern konnte, schossen die Worte aus meinem Mund, hart und scharf wie Dolche.

Pax hob den Kopf. „Wieso? Wen stört es?“

„Mich.“ Ich rang um Beherrschung, zwang mich, langsam zu ihm zu gehen und ihm die Tasse aus der Hand zu nehmen, statt zu rennen und sie ihm zu entreißen. „Und die … Bewohner.“
Bewohner?“ Er schnaubte und hielt seine staubverschmierten Finger in die Höhe. „Hier wohnt niemand mehr, und zwar seit einer ganzen Weile. Wahrscheinlich sind sie längst …“

Trotzdem gehört es sich nicht, in fremden Sachen herumzuschnüffeln“, schnappte ich, bevor er seinen Satz beenden konnte, und ignorierte die Tatsache, dass das vor uns offensichtlich schon jemand getan hatte. Ich drehte mich so, dass er mein Gesicht nicht sehen konnte, als ich die Tasse vorsichtig wieder auf dem Regal abstellte. „Die Sachen gehören dir nicht. Fass einfach nichts an.“

Ich spürte mehr, wie er näher kam, als dass ich es hörte. Seine Fähigkeit, sich nahezu lautlos zu bewegen, war wirklich unheimlich. Ich drückte den Rücken durch und rührte mich nicht, aber obwohl ich wusste, dass er hinter mir stand, zuckte ich zusammen, als seine Stimme plötzlich viel zu dicht an meinem Ohr erklang.

Du warst es doch, die uns hierher geführt hat“, raunte er. Sein Atem strich warm über die Haut an meinem Nacken und ich bekam eine Gänsehaut. „Es war deine Idee, diesen schäbigen alten Bunker aufzusuchen, also erzähl mir nichts von Hausfriedensbruch und Privatbesitz. Soll ich dir einen Tipp geben? Wenn du hier draußen überleben möchtest, solltest du deine moralischen Grundsätze über Bord werfen. Die sind ja ganz sexy, aber außerhalb der Stadt kommst du damit nicht weit.“

Mit einem Zischen fuhr ich herum – und stieß ihn mit aller Kraft von mir. Ich sah die Überraschung in seinem Gesicht, als er rückwärts taumelte und mit einem Poltern gegen den Tisch prallte. Mit Mühe schaffte er es, nicht hinzufallen, doch die Sachen auf dem Tisch hatten nicht so viel Glück. Ich zwang mich, nicht hinzusehen, als mehrere Messgeräte ins Rutschen kamen und über die Kante rollten. Glasröhrchen zersprangen splitternd in tausend Teile. Es war egal. Es waren nur Dinge.

„Erzähl mir nichts vom Überleben“, fauchte ich. Pax stand noch immer an den Tisch gelehnt, hielt sich mit den Händen an der Platte fest. Seine Miene drückte Verständnislosigkeit und Ärger aus. „Du kennst mich nicht.“ Zum ersten Mal erlebte ich ihn sprachlos, doch ich konnte meinen Sieg nicht genießen – wenn es denn überhaupt einer war. Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte ich an ihm vorbei in den angrenzenden Raum.