Seitenwind Woche 7: Göttlicher Auftritt

Vitzliputzli

Am Anfang war das Licht und aus dem Licht sprach eine Stimme. Sie rief meinen Namen, Vitzliputzli, und ihr zweites Wort, „Kolibri des Südens“ öffnete einen Spalt in der Finsternis und ließ das Licht auf Baumrindenpapier fallen. Ich erkannte, dass es vom Totenbuch des Volkes der Kolibri stammte, vor Urzeiten verfasst von einem Hohepriester des Jaguar-Clans, meiner treuen Priesterschaft. Ich danke Dir, kleines ahnungsloses Wesen, dass Du mich aus der Finsternis erweckt hast. Sprich weiter, sprich weiter, damit das Licht sich in deiner Welt ausbreitet und eine Brücke baut zwischen unseren Welten. Sei unbesorgt, ich tu Dir nichts, kleine Maria, so heißt Du, wie ich aus deinen Gedanken lese. Meine Jaguar-Krieger werden dich nicht anrühren, denn Du bist mein Bote, der mir deine Raum-Zeit öffnet.
Mit jedem Wort, dass du aus der Schriftrolle in deine Sprache übersetzt, Maria, wird mein Licht sich in deiner Welt ausbreiten. Das erste Wort „Vitzliputzli“ war der Urknall und eine Kugel aus Licht breitet sich um dich herum aus, als würde man mit einer Taschenlampe einen finsteren Raum betreten. Auf dem Tisch liegt eine verschollene Schriftrolle der Azteken, so nannten die bärtigen Boten der Götter von der anderen Seite des Großen Wassers mein Volk.

Hinter mir versammelt, wartet bereits meine Armee der Schattenkrieger. Ängstige Dich nicht, wenn Du mein Licht als Dunkelheit wahrnimmst. Denn was in meiner Welt Licht ist, ist in deiner Welt Finsternis. Fürchte Dich nicht, meine Krieger aus dem Schatten werden dich nicht anrühren, denn Du bist tabu in deiner Welt. Das gilt nicht für deine Mitmenschen. Meine Jaguar-Krieger werden in ihre Träume und Gedanken fahren und sie zu willenlosen Sklaven machen. Damit sie den Blumenkrieg in deiner Welt beginnen und mir Blutopfer bringen, die mich ernähren und meine Macht über diese Raum-Zeit bringen werden.

Was tust Du! Nein, lege die Schriftrolle nicht beiseite. Du hast die Beschwörung nicht gänzlich vollzogen, es fehlen noch die letzten Worte. Maria steht auf, meine Botin, und bewegt sich durch den Raum. Die Lichtkugel rollt mit ihr und wie durch eine Laterne angestrahlt, flackern Bruchstücke der Umgebung auf. Eine Bibliothek, wie ich deinen Gedanken entnehme. Ein Mann nähert sich, ein Professor für mittelamerikanische Geschichte. Er fragt, wie weit Du die Schriftrolle übersetzt hast und Du sagst, dass Du eine kurze Pause machst. Ihm fällt auf, dass Dich eine dunkle Aura umgibt, eine merkwürdige Verdunklung deiner Umgebung, die er sich nicht erklären kann.

Aber sein Argwohn kommt zu spät. Mein Odem berührt ihn und ein Wurmloch schafft eine Verbindung zwischen meiner Welt und seinem Kopf und aus der Dunkelheit hinter mit löst sich einer meiner Jaguar- Krieger, dringt in sein Gehirn und überwältigt sein Bewusstsein. Sein aussichtsloser Kampf dauert nur wenige Sekunden. Dann ist seine Seele im Kerker seines Unterbewusstseins eingesperrt und in der Gewalt meines Kriegers. Während Du dich durch die Universität bewegst, Maria, tauchen noch vier Studenten in deine Lichtkugel. Jeder der sich lange genug sich in deiner Aura aufhält, ist mein Opfer. Du sprichst sie an und baust eine Brücke für mich in ihr Gehirn und dann werden auch sie von meinen Schattenkriegern versklavt. Jetzt bin ich erschöpft. Die Versklavung hat mich viel Kraft gekostet. Ich brauche Blut, damit ich wieder zu Kräften komme.

Mit letzter Kraft löse ich mich von Dir und niste mich in deinem Professor ein. Als Parasit streife ich mit ihm und seinen versklavten vier Studenten durch die Nacht. Er lockt eine Kommilitonin in seine Wohnung. Dort steht eine Statue von mir. Er hat sie aus dem Museum entwendet, genauso wie das Opfermesser aus Feuerstein. Die vier Studenten werfen die Blume der Götter auf den Esstisch und jeder hält einen Arm oder ein Bein von ihr fest. Sie fleht um ihr Leben, aber meine Sklaven weiden sich nur an ihrer Pein. Der Professor schneidet ihr das zuckende Herz heraus und bespritzt damit meine Statue. Gierig sauge ich das Leben heraus und fühle wie ich zu Kräften komme. Ich frohlocke: die Blumenkriege haben begonnen.

Meiner Botin ahnt, was sie getan hat. Denn seit sie begonnen hat, die Schriftrolle zu übersetzen, findet man in der Umgebung des Campus immer mehr Opfer, deren Herz bei lebendigem Leibe herausgeschnitten wurde. Sie wird zur Gefahr, es wird Zeit, dass sie die letzten Worte aus der Schriftrolle spricht. Denn mit den letzten Worten der Beschwörung aus dem Totenbuch wird mein Licht explodieren und ihre Welt in Finsternis stürzen. Ich verführe sie, aber sie widersteht und übersetzt nicht weiter und bleibt stumm. Ich kann sie nicht töten, denn das würde das Band zwischen mir und ihrer Welt zerreißen. Sie ahnt, dass sie die Schriftrolle zerstören muss.

Das darf ich nicht zulassen und muss die einzige Rettung wagen. Ein Risiko, denn ich wollte weiterziehen und nicht noch mehr Verdacht erregen. Weitere Jaguar-Krieger unterwerfen Studenten auf dem Campus. Maria ist klug und hat einen meiner Sklaven in Verdacht. Sie folgt ihm, ich kann es nicht verhindern und sie wird Zeuge wie mein Hohe Priester das Herz aus einem Opfer schneidet. Er hat im Wald einen Opferstein gefunden und macht dort die Gefangenen aus den Blumenkriegen zu Blumen der Götter.

Maria will dem ein Ende setzten, finster entschlossen die Schriftrolle zu zerstören. Doch es ist für sie zu spät. Meine Krieger haben meine Rettung schon eingeleitet. Ihre Sklaven haben die Schriftrolle mit der Hilfe des Professors an sich genommen und haben sieben Menschenopfer in den Wald verschleppt. Ihre zuckenden Herzen geben mir die Kraft, ein Wurmloch zu schaffen, durch das sie in meine Raum-Zeit springen, im Zeitalter des Volkes der Kolibri landen oder der Azteken, wie die bärtigen Boten der Götter von jenseits des großen Wassers sie nennen und dort die Schriftrolle in meinen Tempel bringen. Doch was tust Du, Maria. Du springst ebenfalls? Durchstößt die Sphäre und landest im Zeitalter meines Volkes, im Kopf eines bärtigen Boten der Götter. Seid wachsam meine Schattenkrieger: Sie will die Schriftrolle zerstören.

wir wollen doch nur spielen

Tosender Applaus schallte ihnen entgegen. Trommelwirbel, Klänge von Bassgitarre und Dudelsack hüllten sie ebenso ein wie weiße Nebelschwaden. Was für ein Empfang! Persephone hielt ihre Fackel fest in der Hand und versuchte, sich zu orientieren. Ein paar Schritte neben ihr stand Herakles in seinem stattlichen Löwenfell und schwang seine Keule. Er war verteidigungsbereit. Beruhigend. Schon erklang eine kreischende Stimme, die mit den Instrumenten um die Wette zu musizieren versuchte. Die Zwillingsgeschwister Artemis und Apollon flankierten Herakles als Bogenschützen. Sie wirkten beeindruckend – wie alles um sie herum. Die Menschenmenge zu ihren Füßen jubelte ihnen zu. Nicht nur Persephone staunte.

Hephaistos fand als Erster seine Sprache wieder.

„Seht euch diesen faszinierenden Tempelbau an! Welch filigranen Stützen man hier verwendet hat! Allein die Höhe des Bodens! Wir stehen als Götter hoch über dem Volk und können von überall gesehen werden.” Als Gott der Baukunst, konnte er sich kaum sattsehen an der Konstruktion der Bühne, auf der sie gelandet waren. „Und diese Lichtführung – ein Wunder der Technik!” Wie auf Kommando flogen Spots auf die Neuankömmlinge und ließen sie hell erstrahlen.

„Was für eine grandiose Musik!” Apollon, Gott der Künste, freute sich dermaßen, dass er einen Pfeil in die Menge schoss. Zum Glück flog dieser weit über das Festgelände hinweg. Auch Aphrodite fand Gefallen an der Melodie und stimmte in den Gesang mit ein. Sie war nur mit einem Gürtel bekleidet und hatte eine Taube auf der Schulter sitzen.

„Geile Frontfrau – schaut euch diese Ische an!”, tönte es aus der Menschenmenge. Das Publikum johlte.

„Aphrodite, die meinen dich!” Persephone spürte, dass ihre Halbschwester sich wohlfühlte.

„Oh, Götterschwester! Ich liebe es! Warum sind wir nicht eher hierher gekommen?”

„Wie du weißt, haben Vaters Warnungen uns davon abgehalten, aber er hat sich geirrt. Dass wir das noch erleben dürfen!” Auch Persephone ließ sich von der Musik mitreißen und begann zu tanzen. „Es stimmt alles gar nicht. Sie haben uns nicht vergessen – sie verehren uns!”, rief sie den anderen zu. „Lasst es uns genießen!”

„Weitermachen! Wo auch immer ihr herkommt! Das ist der beste Gig unseres Lebens!”, brüllte der junge Mann am Schlagzeug ihnen zu und trommelte, was das Zeug hielt.

Dionysos und Hebe hatten reichlich Krüge mit Wein dabei und prosteten der jubelnden Menge zu. Der Ausflug hätte nicht besser sein können. „Da hat Eileithyia aber was verpasst. Sie hätte mitkommen sollen!”, raunte Persephone Aphrodite zu. „Da hast du recht.” Persephone tanzte zu ihrem Halbbruder, der wie verrückt mit seinen Flügeln schlug. „Hermes, du reiselustiger Geselle, deine Idee war großartig. Wir sollten öfter auf die Erde kommen, wenn uns langweilig ist.” Persephone war völlig beseelt von der Stimmung um sie herum. Ares und Athene schlugen im Takt mit ihren Speeren auf ihre Schilder und drehten sich dabei im Kreis. Der Applaus konnte kaum lauter sein. Über ihnen kreiste Athenes Eule und beobachtete das Geschehen.

„Zugabe! Zugabe!” Die Menge tobte.

„Wir hören eure Gebete, und sie erfreuen uns! Wir werden wiederkommen, wenn es an der Zeit ist. Aber für heute ist es genug, denn wenn wir zu spät nach Hause kommen, erwartet uns der Zorn unseres Vaters.”

In Trommelwirbel und Nebelschwaden verschwanden sie wieder.

Sie verschwanden so schnell wie sie gekommen waren, doch ihr Auftritt – zusammen mit einer bis dato noch unbekannten Mittelalter-Band – sollte in die Geschichte des legendären Festivals „Rock am Ring” eingehen. Noch am selben Abend gab die Band ihren neuen Namen bekannt – „Kinder des Zeus”.

Suche

Ich war wirklich müde, so müde ich in all meiner Göttlichkeit sein kann. Ich habe den vollkommenen Schlaf genossen, bin meine Heldentaten entlanggeträumt und habe murmelnd eine neue Insektenart erschaffen. Nun dehnt und streckt sich meine Unendlichkeit und ich bin bereit, meinen perfekten kleinen Planeten erneut zu besehen. Zuerst sehe ich mir meine Krone der Schöpfung an – und stutze. Es gelingt mir gar nicht, an ihr vorbeizusehen. Der Mensch ist überall. Lebt in Bauten übereinander, vertreibt zunehmend Tiere und Pflanzen aus seinen Ortschaften. Ich atme einmal tief durch und versuche, meiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: Dem Tasmanischen Beutelwolf bei der Jagd zusehen. Ich drehe die Erde in den Händen und kann ihn nirgends sehen. Gut, das kann passieren, vermutlich verkriecht er sich. Ich sehe stattdessen nach dem Kleinen Kaninchennasenbeutler. Ich war so stolz auf diesen Namen – und finde auch ihn nirgendwo. Ich kichere kurz, als ich ein Saola sehe. Es putzt sich und verschwindet dann im Wald, als hätte es nie existiert. Ich lasse meinen Geist in die Tiefen der Meere gleiten und kitzele einen Tiefseeanglerfisch am Kinn. Er schnappt nach mir. Herrlich, wie dumm er ist. Nachdem ich noch eine Weile so durch meine Schöpfung gestreift bin, krempele ich die Ärmel hoch. Es wird Zeit.

Kurierdienst

Erneut werfe ich einen Blick auf meine goldene Rolex: Schon 30 Minuten über die vereinbarte Zeit. Vielleicht wäre es klüger, das Ganze zu vergessen und zu verschwinden. Ich stoße mich von der feuchten Wand ab, bewege mich durch den Regen auf mein Auto zu, als eine schwarze Limousine mit quietschenden Reifen am Ende der Gasse stoppt. Die Tür schwingt auf und entlässt einen beleibten Mann mit gerötetem Gesicht.

„Hermes, mein alter Freund“, grüßt er, die Arme in einer Geste des Willkommens weit ausgebreitet, während er behäbig auf mich zu schreitet. Ich schiebe meinen Hut ein Stück nach oben und richte meinen Blick auf die sich nähernde Gestalt.
„Dionysos“, erwidere ich.
„Entschuldige die Verspätung. Die Nacht scheint ihre eigenen Pläne zu haben“, sagt er breit grinsend und klopft mir freundschaftlich auf die Schulter. Der Geruch von Wein und anderen verbotenen Substanzen begleitet ihn.

“Zeit ist ein kostbares Gut, Dionysos", antworte ich knapp. Ich sollte das wissen, denn ein ganzes Jahrtausend habe ich verpasst. Wer auch immer mich in diesen Schlaf versetzt hat, wird es bereuen. Aber zunächst muss ich meinen Einfluss stärken. Dionysos winkt ab, als ob meine Sorgen nur nebensächlich wären. Die Tür der Limousine öffnet sich erneut und aus ihrem Inneren tritt eine betörende Schönheit mit einem selbstbewussten Lächeln. Die Straßenlaternen werfen verschwommene Lichter auf ihr enges Kleid, als sie sich elegant durch den Nebel bewegt.
“Das war nicht abgesprochen”, zische ich Dionysos leise zu. Unbeeindruckt zündet er sich eine Zigarette an und zuckt entschuldigend mit den Schultern.
“Du solltest ihren Einfluss nicht unterschätzen. Ihr gehört die Hälfte der Bordelle am Strip und ihre Kurtisanen können den Stoff besser in die höheren Kreise bringen als ich in meinen Clubs.”

“Hermes, mein Lieber, was bringst du uns schönes?”, haucht Aphrodite mit ihrer rauchigen Stimme, als sie sich zu uns gesellt. Etwas verschnupft ziehe ich die Ampullen mit dem ätherischen Nektar aus den Falten meines maßgeschneiderten Anzugs. Sterbliche nennen es Ambrosia, aber in dieser Sphäre hat es eine besondere Potenz – eine Substanz, die einen flüchtigen Vorgeschmack auf Unsterblichkeit für diejenigen verspricht, die gewillt sind, auf dem Abgrund zu tanzen.
“Seid ihr bereit, etwas Chaos in das banale Leben der Sterblichen zu bringen? Aber sei vorsichtig, Aphrodite, dies ist keine deiner Liebesgeschichten, sondern ein Spiel mit den Schatten.” Ihr Lachen klingt wie das Versprechen einer verführerischen Nacht. "Oh, mein süßer Hermes, die Schatten sind oft der Ort, an dem die interessantesten Geschichten beginnen.” Scheinbar unbeeindruckt von der Illegalität, greift sie lässig nach den Ampullen. „Das ist mein Beitrag zum Chaos“, sagt sie mit einem frechen Funkeln in den Augen.

„Ey Alter, was fürn geiles Kostüm.“
Ich betrachtete das Individuum mir gegenüber. Zerrissene Hose, Oberteil mit mir unbekannten Gesichtern, weiß mit merkwürdigen schwarzen Bemalungen, lange fettige Haare.
„Ich bin Thor“, sagte ich mit fester Stimme.
„Ja, nee, schon klar. Siehst ja auch so aus. Bist du der Schauspieler? Du hast unglaubliche Ähnlichkeit mit dem.“
„Schauspieler?“ Welch ein Wort, was hatte das für eine Bedeutung?
„Ja, der … ach wie heißt der nochmal? Der aus dem Film, der den Thor spielt, mein ich …“
„Film?“ In was für einer Welt war ich hier nur gelandet? Und warum sollte mich jemand „spielen“? Ich verstand den Sinn dahinter nicht.
„Ich dachte, du willst ins Kino. Heute ist doch Premiere. Und so, wie du angezogen bist … Schau mal hier …“
Er zeigte auf einen Kasten an einer Wand, in dem ein buntes Bild hing. Und tatsächlich. Der Mann, der dort abgebildet war, sah fast aus, wie ich.
„Ich hab ne Karte für die Premiere. Komm mit, die lassen dich bestimmt rein, so wie du aussiehst.“ Der junge Mann grinste und packte meinen Arm.
Ich war verwirrt. Die Welt war so anders, seit ich das letzte Mal hier war. Ich verstand die Leute nicht mehr. Sonst waren sie vor mir auf die Knie gefallen und hatte mich angebetet und jetzt packte dieser Kerl mich am Arm und schleifte mich in ein Gebäude. Hier hingen noch mehr von den Plakaten. Er zog mich zu einem Tisch mit merkwürdigen Gerätschaften, hinter dem ein ebenfalls noch recht junger Mann stand.
Als er mich erblickte, keuchte er auf. „Sie sind … Sie sind doch …“
„Ich bin Thor“, tat ich auch ihm kund.
„Oh mein Gott, ich hab noch nie einen Star hier gesehen. Krieg ich ein Autogramm?“
Er hielt mir ein kleineres Abbild von dem „Schauspieler“ entgegen und etwas längliches, mit dem man offenbar schreiben konnte. Ich kritzelte „Thor“ in altnordischen Runen auf das Bild, das wurde offenbar von mir erwartet.
„Sie sind selbstverständlich unser Gast. Sie bekommen alles, was sie möchten. Das gilt natürlich auch für ihren Begleiter. „Loki“, ließ dieser vernehmen. Stirnrunzelnd schaute ich ihn an. Das war nicht möglich. Loki war doch …
„Ein Spitzname“, sagte er erklärend. Er zog mich weiter, die Karten in der Hand, die ihm der Mann gerade gegeben hatte. Wir hielten an einem Stand, an dem kleine weiße Bälle verkauft wurden, die man essen konnte und ein dunkles, sprudelndes Getränk, sehr süß mit leicht aufputschender Wirkung. Also daran könnte ich mich gewöhnen. Dann betraten wir einen halbdunklen Raum mit vielen Sitzgelegenheiten. Offenbar gab es da ein System, denn er führte mich zu zwei bestimmten. Ich setzte mich, sehr bequem. Das war eines Gottes würdig.
Es wurde dunkel, vor mir fuhren zwei Bahnen Stoff auseinander. Es gab also noch Magie in dieser Welt. Eine große weiße Fläche wurde sichtbar und darauf sah ich kurze Zeit später bewegte Bilder. Der Sinn dahinter erschloss sich mir nicht. Dann begann der Film, mein unfreiwilliger Begleiter wurde ganz aufgeregt. Ich lehnte mich zurück und betrachtete das Spektakel. Meine Laune sank immer mehr und meine Wut steigerte sich. Das war das Bild, das die Menschheit von mir hatte? Keine Größe, keine Anbetung, dieser Abklatsch wurde nicht viel besser behandelt als ein gewöhnlicher Sterblicher!
Ich hatte genug gesehen. Noch bevor dieses Machwerk zu Ende war, verließ ich die Erde und schwor mir, nie wieder zurückzukehren

Symposion im Kloster

„Gibt es hier was Anständiges zu trinken? Was anderes außer Wasser?“ Bacchus schlurft mürrisch hinter den anderen her. Mit einem dumpfen Schlag fällt die hohe Klosterpfort!e hinter uns ins Schloss.

„Dass du aber immer nur ans Saufen denken kannst! Du bist doch ein gestandenes Mannsbild!“ Venus beäugt den massigen Kerl, von dem sie sich lasziv schwänzelnd durch die Flure ziehen lässt. „Und gar nicht so unattraktiv. Du solltest es mal mit dem Rausch der Liebe versuchen!“ Bacchus zerrt sie weiter. „Ach, ich wünschte, Mars wäre schon hier!“ Venus seufzt steinerweichend. Die ausgetretenen Kalksteinplatten im Kreuzgang allerdings waren ärgeres gewohnt. Unbeirrt strahlen sie die Kälte der Ewigkeit nach oben. Mir wird bang bei dem Gedanken, dass Venus´ aktueller Geliebter hier aufkreuzt. In ihrer eitlen Profilierungssucht als Schönste im All sinkt sie in die Arme von jedem, der nicht beizeiten auf dem nächsten Planeten Zuflucht sucht. Stets gibt es Ärger mit ihr. Schlägereien, Verfluchungen, blutrünstige Rache. Damals konnte ich noch rechtzeitig eingreifen, als sie sich sich völlig besinnungslos in Adonis verliebte. Ein Drama Dantesker Ausmaße war das letzte, was wir in unserem Gottreich brauchen konnten. Mein Einsatz war kurz und effektiv: der Eber nahm den Schönling auf die Stoßzähne.

Mir wird kühl. Mein ledernes Wams wärmt nur wenig, der Köcher wippt mir auf dem Rücken im Rhythmus meiner Schritte. Der Mönch vor uns biegt um die Ecke und öffnet dort eine mächtige, prächtig verzierte Holztür. Sofort hüllt uns gedämpftes Licht in eine goldene Wolke und weist uns den Weg. Wir betreten einen Raum voller Weisheit und Erinnerung. Entlang sämtlicher Wände vom Boden bis zur stuckverzierten Decke stehen Bücher und Folianten selbstbewusst aufgereiht, sogar in den Fensternischen unter den Gesimsen drängen sie sich eng aneinander.

Auf einer Bank fläzt Vulcanus. Er hebt die Hand zum Gruß und fragt: “Wieso eigentlich in einem Kloster? Gibt es denn keinen anderen Ort für unser Symposion?“

Langsam bin ich es leid, es jedem von ihnen erklären zu müssen. Dass wir buchstäblich auf Barmherzigkeit angewiesen sind, auch wenn kaum wer weder auf Erden noch im Himmel etwas mit diesem Wort anfangen kann. Aber wir besitzen nichts, womit wir uns legitimieren könnten, unsere Namen sagen nur wenigen etwas und wenn, dann tippt man sich an die Stirn und überlegt, ob es nicht besser wäre, die weißen Männer in den Turnschuhen zu rufen. Doch – ist nicht Geduld eine Tugend der Jagd? Also nehme ich neben ihm Platz und erläutere ihm die Lage.

Wenn nur schon alle da wären!

Die Bibliothek füllt sich. Juno und Minerva zeigen mit ihren abweisenden Mienen, was sie von der Veranstaltung halten. Ceres knabbert gedankenlos an ihren Weizengarben herum, Mars fällt augenblicklich in die weit ausgestreckten Arme von Venus. Apollo kommt herein und verkündet, dass Jupiter meine Amtsanmaßung entschieden missbilligt und sich außerstande sieht, dieser Komödie beizuwohnen. Gut, soll er. Mir solls recht sein.

Ich schau sie mir an, meine Kolleginnen und Kollegen und spüre, wie derangiert, wie fertig gelebt, wie unzeitgemäß und ja, überflüssig wir alle sind. Das sage ich dann auch. Die Reaktionen reichen von hämischem Gelächter bis zu bösartigen Angriffen. „Seit Tausenden von Jahren gehen wir in aller Selbstverständlichkeit davon aus, dass uns Anerkennung und Ehre gebührt und zuteil wird. Unsere wachsende ignorante Überheblichkeit verhindert einen sachlichen Blick auf die Welt und ihre Bewohner, wir geben uns unseren Leidenschaften hin und leben weiter, als wären wir noch immer die unangefochtenen Beherrscher. Uns entgeht völlig, dass längst nicht mehr die Rede von uns ist, keine Opfer für uns mehr gebracht werden, keine Tiere, keine Feldfrüchte, nichts!“

Empörung brandet mir wie explosives Feuer entgegen. Geschrei füllt den Raum. Einige versuchen stampfend den Raum zu verlassen. Vorausschauend habe ich den Mönch gebeten, abzusperren.

Ich hebe die Hand. Warte. Dann zeige ich auf die schweren Folianten, auf die leinen- oder ledergebundenen und auf die geschnürten Papierbündel. „Das hier, meine Lieben, das ist unser letzter Ort. Darin sind wir verewigt. Für die wenigen, die noch nach uns fragen. Dort werden unsere Geschichten erzählt, dort sind Bildchen von den Vasen und den Tonscherben, auf denen unsere Konterfeis betrachtet werden können. Ja, eine Welt voll von göttlicher Macht und heldischen Taten. Aber sie ist dahin! Nichteinmal mehr Orpheus singt von uns seine Lieder!“

Sie wollen es nicht glauben. Sie schreien weiter. Fragen, wie ich darauf komme, einen solchen Unsinn zu erzählen.

„Ja, das will ich euch sagen. Die Menschen, sie haben sich selbst zu Göttern erhoben. Sie tun genau das, was uns vorbehalten war. Ja, sie gehen sogar noch weiter. Sie erschaffen Welten. Sie bewegen sich darin als Wesen, denen sie selbst Gestalt und Attribute geben und worin sie sich täglich neu erfinden können. Unser Universum haben sie zu einem wissenschaftlichen Untersuchungsgegenstand degradiert. Sie brauchen uns nicht mehr.“

„Das werden sie büßen!“ „Sie werden scheitern!“ „Das kann nicht gut gehen!“ Der Unglaube und das Entsetzen reißt sie von den Bänken.

„Ja, sie werden scheitern. Aber das schlimme daran ist: wir können nichts, absolut gar nichts daran ändern.“

Enttäuscht

Nachdem ich die Erde fertig entwickelt hatte, saß ich gemütlich auf meinem bequemen Thron. Halt, da fehlte noch etwas. „Es werde Licht!“, rief ich und es ward Licht (1. Mose 1:3).

Ein lauter Knall, ein greller Blitz, irritierten mich. Im selben Augenblick befahl mir eine innere Stimme: „Es ist höchste Zeit, begib dich auf den Zeitstrahl und sause auf die Erde in das Jahr 2023.“

Zack, sofort zischte ich, wie ein geölter Blitz, mitten in eine Großstadt mit all ihren Gebäuden, Geräuschen, Gerüchen. Was mir besonders auffiel, waren Blechkisten, die schnell hin- und herfuhren, und Menschen, die sich zu Fuß eilig fortbewegten, als wären sie auf der Flucht. Ich sah einige Eisenschläuche, die wie Pfeile auf Schienen davon schossen. Darin saßen und standen Menschen, dicht aneinander gedrängt, wie konnten die atmen? In den Kisten aus Stahl hatten bis zu vier Personen Platz, ohne sich zu behindern. Jedoch der Lärm, den diese Dinger erzeugten, war schwer zu ertragen. Aha, da liefen einige Hunde neben den Menschen. Sie waren über eine Leine mit der Person verbunden und trotteten brav nebenher. Auf den Straßen bewegten sich nicht nur Blechkisten mit vier Rädern, sondern auch zweirädrige Fahrzeuge. Einige waren sehr leise, und langsam. Andere laut, sie stanken und bewegten sich so schnell wie die Blechkisten. Komisch, dass die auf den Zweirädern nicht umfielen. Manche Leute beschimpften oder drängten einander beiseite. Warum? Ich fragte den Passanten, der mir gerade gelassenen Schrittes entgegenkam und sicher für einen kleinen Plausch Zeit hatte: „Warum sind hier alle so hektisch, was ist los mit der Menschheit?“

„Woher kommst du, dass du das nicht weißt?“, wunderte sich der Fußgänger.

„Ich komme vom Himmel, ich bin hier für alles verantwortlich, aber mir gefällt nicht, was ich sehe“, erwiderte ich.

„Bist du Gott? Haha. Dann will ich dir mal was sagen! Die Menschen sind frustriert, weil es so viel Leid gibt, Kriege, Terror, Pandemien und Naturgewalten.“ Er holt kurz Luft und redet weiter: „Dann rennt jeder hinter dem Geld her und ist neidisch auf die, die mehr haben. Manche leben im Luxus, manche in bitterer Armut. Da gibt es Neid und Missgunst.“

„Ich werde es ändern“, versprach ich dem Mann.

„Was ist das denn für ein komischer Vogel? Tut, wie der liebe Gott persönlich. Dass ich nicht lache, der will die Welt retten. Das haben schon andere versucht und nicht geschafft“, murmelte der hinter mir her.

Ich hatte den Menschen erschaffen, die Erde zu besiedeln, gut zu verwalten und die Natur zu schonen. Sie sollten einander respektieren und sich helfen. Das war komplett aus dem Ruder gelaufen. Ob ich das wieder in den Griff bekommen würde? Warum waren die Menschen so egoistisch, so neidisch, so gewaltbereit. Sie sollten friedlich und glücklich zusammenleben.

Mein Weg führte unter eine Brücke. Hier war es ruhiger und entspannter, das genoss ich, ruhte mich aus und schaute mich um. Einige Menschen liefen mit Wermutflaschen herum, torkelten bisweilen, aber machten einen verträglichen Eindruck. Sie waren nicht so gepflegt wie die da oben, dafür friedlich. Einer spielte auf der Gitarre, andere begleiteten ihn mit rauen Stimmen. Ich ging auf einen zu und fragte ihn, wieso die Menschen da unten so anders waren als die oberhalb der Brücke.

Der Mann mit der Wermutflasche antwortete: „Weißt du, das ist ganz einfach. Wir besitzen nichts, also kann uns keiner etwas wegnehmen. Wovor sollten wir Angst haben? Denen da oben über der Brücke gehören teure Autos, elegante Wohnungen und sie verfügen teilweise über viel Geld. Angst, dass es ihnen genommen wird, Neid und Missgunst plagen sie. Wenn wir Hunger haben, gehen wir in die Suppenküche und holen uns etwas Warmes zu Essen. Den Wermut, der uns bei Laune hält, müssen wir uns erbetteln, funktioniert einigermaßen. Aber, glaub mir, das Leben unter der Brücke ist verdammt hart. Vor allem im Winter, wenn es eisig ist. Wenn wir hier nicht zusammenhalten, gehen wir alle vor die Hunde.“

Die Erfahrungen in dem Jahr, gaben mir zu denken. Da musste sich viel ändern. Ich fuhr zurück gen Himmel und überlegte seither, wie es da unten weitergehen solle. Hoffentlich gibt es eine Lösung für all die Probleme, dachte ich und nach weiteren hundert Jahren würde erneut auf die Erde hinab sausen und schauen, was sich verändert hatte.

Tschüss, ciao, αντίο!

Alter Göttervater, wie lange habe ich geschlafen? Was ist hier los? Was sind das für riesige Blechvögel mit Menschen drin, die so schnell an mir vorbeirasen, dass es mich einmal quer durch die Wolken wirbelt? Und dann diese lauten Wagen auf der Erde, die überall herumfahren … Was für ein Chaos! Aber da, was lese ich da – mein Name steht in Leuchtbuchstaben über einem Schaufenster mit Leder und Lack tragenden Puppen drin: „Cupido“. Ha, ich scheine Eindruck bei euch hinterlassen zu haben. Und dort in dem Schaufenster – Bronze-Figuren, die aussehen wie ich. Ein bisschen zu pummelig habt ihr mich dargestellt, aber immerhin: Pfeil und Bogen sind da, Flügel sind dran, man kann mich erkennen. Und was macht ihr da? Warum haltet ihr alle diese eckigen, flachen Teile auf mich? Das ist wohl eure Art, mir eure Huldigung entgegenzubringen. Und dann auch noch mit Blitz. Das gefällt mir!

Aber huch, wo kommt denn ihr jetzt alle her? Doch nicht alle auf einmal. Lacht ihr etwa? Hier gibts nichts zu lachen. Das ist keine Verkleidung, ich bin es – Amor, Eros oder Cupido – wie auch immer ihr mich nennen wollt. Ey, hört auf, mich anzufassen: Ja, ich bin wirklich nackt und ich habe Flügel. Ich bin ein Gott, da ist das normal. Das gehört dazu. Jetzt hört doch auf zu schreien. Na wartet, ich beschieße euch gleich mit meinen Pfeilen und lasse euch alle in Liebe und Leidenschaft verbrennen und verglühen, so wie es meine Mission ist. Oh, und wer seid ihr? Polizei sagt ihr? Habe ich noch nie gehört. Interessiert mich auch nicht. Grrr, lasst meine Handgelenke in Ruhe. Aua, warum sperrt ihr sie ein? Oh nein, nein, nein, Pfeil und Bogen könnt ihr mir nicht abnehmen. Das geht nicht. Ich kann die Welt ja gar nicht in Lust und Ekstase explodieren lassen ohne sie. Was? Exhibitionismus? Ich habe keine Ahnung, was ihr damit meint. Nein, ich komme auch nicht mit euch mit. Aua, das tut weh. Nicht meine Arme verdrehen.

Na gut, dann sitze ich eben jetzt in eurer knatternden Blechbüchse. Aber auf die Wache und in diese so genannte Jugendpsychiatrie komme ich nicht mit. Meine Hände sind zwar eingesperrt, aber meine Flügel sind noch frei. Harmlos habt ihr sie genannt und mit gutem Kleber festgeklebt. Ihr Narren! Sobald wir stehen bleiben und ihr meine Tür aufmacht, bin ich weg.

So, jetzt. Tschüss, ciao, αντίο! Ich mache den Hermes und lege mich wieder schlafen. Pfeil und Bogen hole ich mir beim nächsten Mal. Und dann verlasst euch auf feurige Orgien der Selbstzerstörung, Schlachtfelder der Begierden, vor Sehnsucht brennende Eifersuchtskämpfe. Nur diese dämlichen Metallfesseln muss ich vorher noch abkriegen. Verdammte scheiße, sind die fest. Na ja, dann muss ich eben mit den Fesseln schlafen. Egal jetzt, gute Nacht!

Mord im Olymp

„Chef, es gibt ein Problem!“

„Ich bin gerade beschäftigt.“, rufe ich nach draußen.

„Sorry, kann nicht warten! Es ist was … passiert.“ Lex’ Stimme klingt seltsam verunsichert. Muss wohl etwas ernstes sein. Ich schiebe die kleine Blondine von meinem Schoß. Dabei hatte es gerade angefangen Spaß zu machen. Ihr entfährt ein enttäuschtes Schnauben. Mit ihren langen Locken und den dunklen Augen erinnert sie mich ein bisschen an Aphrodite. Mir wird anders, wenn ich nur an sie denke und so fällt es mir umso schwerer mich zu lösen.

Ich trete aus meinem Büro.

„Was gibt’s denn so dringendes?“

„Naja, es gibt … da ist … im VIP-Bereich …“, stammelt er.

„Was denn nun?“

„Ein Mord“, entfährt es ihm.

Ein Mord im meinem Club. Kann es denn noch schlimmer kommen. Seit Jahrzehnten war ich nicht mehr unter den Menschen und jetzt wo ich wieder angefangen habe, Spaß daran zu finden, passiert so etwas. Ich habe diese Auszeit gebraucht. All die Intrigen und Heimlichkeiten bin ich leid.

Seit der Eröffnung letzte Woche, ist das Olymp immer gut besucht. Leute aus allen Schichten kommen vorbei, um das Leben zu genießen. Und ich bin ihr Herr. Seit Jahrhunderten habe ich mich nicht mehr so lebendig gefühlt.

„Gib Bescheid, dass keiner das Gebäude verlassen darf.“, trage ich Lex auf.

Wir lassen die Büroräume hinter uns und betreten den VIP-Bereich. Für gewöhnlich ist es hier um diese Zeit dunkel und nur eine leichte, goldgelbe Beleuchtung sorgt für ausreichend Helligkeit. Doch jetzt ist alles hell erleuchtet. Die Musik verstummt. Keine Spur von ausgelassener Stimmung. Die Leute wirken bedrückt oder entsetzt. Lex führt mich durch das Labyrinth von Tischen und Menschen. Auf der Eckbank liegt ein Körper, von einem schwarzen Tischtuch bedeckt. So habe ich mir meinen Urlaub unter den Menschen nicht vorgestellt.

Vorsichtig hebe ich das Tuch an und werfe einen Blick auf den Toten. Es ist ein Stammgast. Er war fast jeden Abend hier. Auf seiner Brust hat sich eine großer Blutfleck ausgebreitet.

„Wissen wir wer es war?“

„Morrison hält ihn im Technikraum fest.“

„Bring mich hin.“

Wir schlängeln uns weiter durch die Räumlichkeiten. Am Technikraum angekommen, öffnet mir Morrison die Tür. Vor mir sitzt eine unscheinbare Gestalt, mit Kabelbindern an einen Stuhl fixiert.

„Was fällt ihnen ein, einen meiner Gäste zu ermorden?“, entfährt es mir.

„Es musste sein“, beschwichtigt er mit einem Lächeln. Ich werde wütend.

„Wissen sie überhaupt was das bedeutet? Nicht nur, dass jetzt einer tot ist. Der Verwaltungsaufwand, der Imageschaden. Wie viel Zeit ich hier reingesteckt habe und sie machen hier alles kaputt!“

„Es war die einzige Möglichkeit, um dich zur Rückkehr zu bewegen.“ Wieder lächelt er mich an.

„Was soll das bedeuten?“

„Die anderen Götter machen was sie wollen. Es ist schon Wochen her, dass du den Olymp verlassen hast. Die Titanen begehren auf und niemand tut etwas dagegen. Du musst deiner Pflicht als oberster Gott nachkommen.“ Jetzt ist er ganz ernst.

„Wir hatten das besprochen Hermes. Ich komme zurück, wenn ich es für richtig halte.“

„So geht es schneller. Keiner wird mehr in deinen Club kommen und dir vergeht der Spaß.“

„Du bringst einen Menschen um, nur um mir den Spaß zu rauben? Du bist wahnsinnig!“ entfährt es mir.

„Es ist Wahnsinn den Olymp unbeaufsichtigt zu lassen. Die Zeiten haben sich geändert. Das Gleichgewicht gerät aus den Fugen.“

Die Tür geht auf und zwei Polizeibeamte betreten den Raum.

Wortlos trete ich hinaus und werfe einen Blick hinunter zur hell erleuchteten Tanzfläche. Alle wirken betreten. Mir ist der Spaß vergangen. Was lassen sie sich wohl als nächstes einfallen, um mir das letzte bisschen Freude zu rauben. Besser ich kehre gleich zurück, bevor noch mehr Menschen zu schaden kommen.

Götterwandel

Der Jüngling im laxen Sportdress erschien mit einem Blinzeln. Den Bogen in der Hand eilte er geduckt die letzten Meter über die Wiese, wo er verborgen hinter einer Reihe dichter Büsche zum Stehen kam. Längst hatte er seine Opfer auf dem sonnenbeschienenen Platz in der Campusmitte ausgemacht. Er drehte die Schirmkappe, zog einen Pfeil mit goldener Spitze aus dem Köcher, legte ihn auf, erhob sich aus der Deckung, spannte die Bogensehne, zielte auf ein Paar, das miteinander auf einer Steinbank flachste und schoss. Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass der Pfeil sich auf den letzten Metern teilte, bevor er in beide Herzen einschlug, wo er binnen eines Sekundenbruchteils seine Wirkung entfaltete und sich in Licht auflöste. Einem weiteren Paar erwies er seine Gunst. Der Dritte traf zwei Männer, die mit dem Rücken zu ihm am Brunnen standen.
Sein Werk war getan, doch in eben dem Moment des sich Wegblinzelns bremste ihn eine mahnende Stimme hinter sich ein. »Eros!«
»Hera«, seufzte er. Sicherlich würde er sich wieder eine Standpauke über seine in göttlichen Kreisen als unschicklich angesehene Kleiderwahl einhandeln. Er drehte sich um, doch statt der stets in eine strahlendweiße Tunika gehüllten Erscheinung erblickte er eine dezent geschminkte Frau mittleren Alters, die ein karamellfarbiges Wollkleid und eine Brille auf der Nasenspitze trug. Flink blinzelte er sich in die Gestalt eines Geschichtsprofessors, damit ihr Gespräch auf Altgriechisch nicht auffiel. »Hat der Göttervater dich schon so … ähm … verändert gesehen?«
»Er billigt alles, was uns voranbringt.«
»Er billigt seit Jahrtausenden alles, was du ihm einflüsterst«, murmelte Eros.
»Sumerer, Ägypter, Griechen, Römern, Nordmänner, um nur einige zu nennen«, schwadronierte sie, »sind dank unseres Einflusses zu ruhmreichen Nationen gewachsen.«
»Und untergegangen.«
»Zugegeben, dieses Ein-Gott Konzept der Menschen hält sich extrem hartnäckig. Umso zwingender ist es, dass auch du den Nutzen moderner Technologie erkennst.« Sie blinzelte und ein goldenes Tablet erschien in ihrer Hand, auf dessen Display sie mit den manikürten Fingern wutschte und wedelte. »Das Internet hat uns auf eine neue Ebene der menschlichen Bewusstseinskontrolle gebeamt. Google …«
»Zeus!«, korrigierte Eros.
»… Wikipedia …«
»Athene.«
»… Facebook …«
»Du.«
»… Twitter …«
»Hermes.«
»… es ist an der Zeit, dass du dich einbringst.«
»Als was, Eros-24/7?«. Er lachte.
Mit einer herrischen Bewegung schnitt sie ihm das Wort ab. »Athene hat bereits eine passende App entwickelt.«
»Natürlich hat sie das.« Grübelnd betrachtete er die von seinen Liebespfeilen getroffenen turtelnden Menschen. In seinen Augen war die wahre Liebe ein Geschenk. Dies via App wie ein Füllhorn über die Menschheit auszugießen war ihm zuwider.
»Stell dir vor«, gurrte Hera, »kein heimliches hinter Büschen verstecktes Pfeileverschießen mehr, sondern …«. Sie erhob ihre Stimme. »Eros der globale Liebesknaller der Superlative.«
»Also gut!« Er seufzte. »Aber wir brauchen einen Namen, der im Netz abgeht wie Zunder.«
»Ich wusste, dass du das sagst.« Zufrieden lächelnd schnippte Hera mit den Fingern. Das Display ihres Tablets veränderte sich und eine Startseite mit dem Wort Tinder erschien …

Domesday in Jynxten

Neulich auf dem Weihnachtsmarkte mitten im beschaulichen Jynxten:
„Gott zum Gruße, guter Mann! Verzeihung, gestatten gnädiger Herr, daß ich höflichst mich nach dem rechten Wege erkundige? – Wo, bitte, findet sich …“
„Zum Teufel mit dir! Zieh‘ Leine, Mensch! Hab‘ keine Kröten dabei!“
„Sehr geehrter Herr, weiß – mit Verlaub – Ihren ausgeprägten Sinn für Humor, der doch bekanntermaßen den Umgang untereinander so sehr viel leichter gestaltet, ungemein zu schätzen! Wenn ich gleichwohl mein Anliegen dahingehend präzisieren dürfte, …“
„Mann, quatsch‘ mich nich‘ so blöd‘ vonner Seite an! Verstehs’was‘schmein‘?! Sieh‘ zu, dasse Land gewinns‘!“
„Werter Herr, verstehe ich Sie insoweit recht, daß Sie einer gepflegten Konversation gewisse Abneigung entgegen bringen und sich einer solchen abhold zu zeigen belieben?“
„Ej, du ticks‘ wohl nich‘ mehr ganz sauber?! Hau‘ ab, Alter, aber’n bisschen flott! Sonst, ischschwör‘, setzt’s was!!“
„Verehrter Herr, …“
„Zack! Wusch! Bäm! Ratazongngng!!!“
Das saß.
Sanka. Polizei. Untersuchungshaft.

Nachspiel: Großes Gedränge vor und im Gerichtssaale. Der Vorsitzende ergreift das Wort:
„Unser Jynxter Gerichtstag ist eröffnet. Stellen Sie bitte Ton- und Bildaufnahmen ein und schließen die Türen! Bitte nehmen Sie Platz! –
Die neunte große Strafkammer ruft die Strafsache 66 KLs 13/23 gegen Herrn Gott auf. Prokollsbeamter, nehmen Sie bitte auf: Der Vorsitzende stellt fest: die Strafkammer ist mit drei Berufsrichtern und allen Schöffen und Ergänzungsschöffen vollzählig. Die Staatsanwaltschaft ist vertreten durch: Oberstaatsanwalt Dr. Kain Parrdong und Staatsanwältin Sine Kullpah. Die Gerichtsdolmetscher werden vereidigt. Als Nebenkläger ist erschienen: Herr Religionspädagoge Prof. Dr. Haudoch Immerpheß-ter Druff. Der Angeklagte, Herr Gott, wird anwaltlich vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Andrees Welltbyldt.
Sobald im Saale die erforderliche Ruhe herrscht, bitte ich die Staatsanwaltschaft die Klage zu verlesen!“ –
„Hohes Gericht, dem Angeklagten wird mannigfacher versuchter und vollendeter Völkermord in Tateinheit mit vielfältigsten Verletzungen der in der UNO-Charta festgelegten Menschenrechte zur Last gelegt. Desweiteren wird er des großflächig illegal betriebenen Cannabis-Anbaus in noch nicht genau bezifferbarem Ausmaße bezichtigt. Schließlich wird ihm durch den Nebenkläger schwerer Raubüberfall und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Es ist überhaupt dem Nebenkläger zu verdanken, daß der Delinquent …“
„Herr Oberstaatsanwalt, auch hier gilt, wie Sie wissen, die Unschuldsvermutung!“
„… daß der Angeklagte dingfest gemacht werden konnte! Unter Einsatz seiner körperlichen Unversehrtheit hat der Nebenkläger durch sein mutiges und besonnenes Handeln den Zugriff ermöglicht. Im Rahmen der Untersuchungshaft erst traten die weiteren Anklagepunkte zu Tage.“
„Herr Gott, Sie haben die gegen Sie erhobenen Vorwürfe vernommen. Bevor Sie aber Gelegenheit haben, sich dazu zu äußern, sollten Sie zunächst noch einige Angaben zu Ihrer Person machen: Herr Gott, wann und wo sind Sie geboren?“
„Hohes Gericht, Herr Vorsitzender, gestatten Sie, daß ich angesichts seiner kieferchirurgischen Behandlung anstelle meines Mandanten antworte!“
„Genehmigt, Herr Rechtsanwalt Welltbyldt. Wenn Ihr Mandant dann jeweils durch Kopfnicken bestätigen könnte .“
„Ja, also: der Familienname lautet “Gott“, die Vornamen gemäß Reisepaß und Divinitätsausweis „Großer“, „Allmächtiger“, „Grundgütiger“ und „Karel“. Da mein Mandant als Vollwaise aufgewachsen ist, und wir bislang weder in Standesämtern noch in Kirchenbüchern verläßliche Angaben finden konnten, kann er sein Geburtsdatum leider derzeit nicht genau angeben. Seine eigene Altersschätzung erscheint aber glaubhaft, die von 14,7 Milliarden Jahren ausgeht. Als vor der U-Haft ausgeübte Tätigkeit gibt er „Schöpfer“ an.“
„Was schöpft er denn? Wasser? Verdacht? Hoffnung?“
„Herr Staatsanwalt, zügeln Sie sich!“
„Oberstaatsanwalt …!“
„Herr Vorsitzender, wir würden an dieser Stelle Haftverschonung beantragen wollen.“
„Herr Oberstaatsanwalt? Bedenken?“
„Herr Vorsitzender, in Anbetracht des Umstandes, daß der Angeklagte offenbar nicht über einen festen Wohnsitz verfügt, weder Verwandtschaft noch festen Arbeitsplatz aufweist, sieht die Staatsanwaltschaft akute Verdunklungsgefahr!“
„Bevor wir hier entscheiden, erst einmal zu den – doch recht massiven – Vorwürfen, Herr Rechtsanwalt!“
„Hohes Gericht, hierzu hat mein Mandant vorab eine Erklärung vorbereitet, die ich verlese:
‚Ich habe aus einer Sommerlaune heraus – das sei eingestanden – das Leben ins Leben gerufen. Das war so einfach nicht: es mußten die Rahmenbedingungen in Gestalt der von mir entworfenen Naturgesetze aufs feinste austariert werden, damit alles ins Laufen kam. Aber einmal ins Rollen gekommen, war’s dann letztlich ein Selbstläufer. Schließlich entstand so dann auch der Mensch aus einfacheren Prototypen. Und der machte so seine Erfahrungen mit mir, da ich denen immer mal wieder gut zureden mußte. Und um diese Erfahrungen herum bauten sie dann Gebäude, zunächst aus Gedanken, später dann auch aus Stein. Diese Gebäude haben mal große lichte Fenster oder auch kleine enge. Und diese Gebäude nennen sie „Religion“. Einige behaupten wider besseren Wissens oder weil in ihrer Einsichtsfähigkeit eingeschränkt, diese „Religionen“ stammten von mir – das ist keineswegs der Fall! Routine- und serienmäßig ist jedem Exemplar eine tötungshemmende Platine – bisweilen „Gewissen“ genannt – eingesetzt. Auch habe ich immer wieder entsprechende Gebote erlassen. Wieso es dort dennoch gelegentlich zu Aussetzern, die ich zutiefst bedauere, kommt, ist noch in der Erforschung.‘
Soweit die Einlassung meines Mandanten.“
„Vielen Dank! Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück.“
– – –
Durchs geöffnete Fenster dringt vom Weihnachtsmarkte herüber der Duft gerösteter Mandeln und Kastanien. Im gegenüber liegenden Konservatorium schallen die Klänge des „Te Deums“ Marc-Antoine Charpentiers herein.
– – –
„Bitte erheben Sie sich zur Urteilsverkündung! Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil:
Der Angeklagte wird verurteilt zu zwei Jahren Freiheitsentzug auf Bewährung wegen des unerlaubten Besitzes erheblicher Mengen Cannabis. Von den übrigen Anklagepunkten wird er freigesprochen, da eine unmittelbare Verantwortung, geschweige denn Vorsatz, nicht nachzuweisen ist. Die Haft ist unverzüglich aufzuheben.
Frohe Weihnachten!“

Spätes Erwachen

An diesem Morgen erwachte ich erst am späten Nachmittag. Der gestrige Abend hatte es in sich gehabt. Wir feierten bis in den Morgen hinein und hatten viel Spaß, zuviel Alkohol und zuwenig Schlaf.
Allerdings war dieses Erwachen nicht angenehm. Mein Kopf drohte zu platzen und ich hatte das Gefühl, im ihm sitzt ein Männchen mit Presslufthammer und sein Ziel ist es meine Gehirnwindungen zu pulveriesieren.

Völlig müde schleppte ich mich ins Badezimmer. Verrichte die notwendigen Bedürfnisse meines Körpers und trat zum Waschbecken.
Beim Handewaschen blickte ich in den Spiegel.
„Scheiße“, schrie ich. Mein Spiegelbild war nicht mein Gesicht. Ich achte sehr auf mein Äusseres, aber das, was mich da erschreckt anstarrte, war mir völlig unbekannt.

Meine Augen, sonst von helblauer, strahlender Frabe, waren getrübt und hatten eine schleimig grünbraune Farbe. Aber das war nicht das Schlimmste. Meine Haut.
Teilweise sah sie aus als wäre sie verbrannt. Seltsame Hautunreinheiten, die Flüssigkeiten absonderten, gaben meinem Gesicht den Anschein einer Kraterlandschaft. Oh nein, keine Kraterlandschaft, sondern einer riesiegen Müllhalde. Der Geruch der mir in meine Nase stieg, war auch der einer Müllkippe.
Das muss ein Alptraum sein, dachte ich mir, wach auf. Ich kniff mich, doch der Anblick änderte sich nicht.
Dann kroch aus meinem Ohr, was höllisch schmerzte, ein kleines Männchen mit einem Presslufthammer.
In dem Moment fragte ich mich, was ich gestern, ohne es zu wissen, an Drogen zu mir genommen hatte.
Das Männchen trug grüne Kleidung und kletterte auf meine Nase.

„Darf ich mich vorstellen?“ fragte es. Ohne meine Antwort abzuwarten sprach es weiter.
„Ich bin ein Naturgeist und habe die Aufgabe, dich zu überzeugen, etwas in Zukunft zu unternehmen, was die Erde wieder gesunden läßt. Du bist ein Mensch, wie viele andere, die gerade genauso erstaunt ihr Ebenbild betrachten wie du.
Ihr und damit alle, die einen extrem großen Beitrag daran haben, dass der Planet vergiftet wurde, werdet jetzt zur Rechenschaft gezogen. Jeder von euch erhält Superkräfte und die habt ihr zu nutzen, damit ihr den Planeten rettet. Ansonsten wird es euer Untergang sein!“
Genauso überraschend wie der Naturgeist erschienen war, verschwand er.
Alle Versuche, mein Gesicht wieder in den Urzustand zurück zu versetzen, schlugen fehl und so verdeckte ich mein Gesicht und machte mich auf den Weg in mein Unternehmen.
Ich rief sofort ein Meeting ein.
Das Erste, was mir auffiel, alle Angestellten in meiner Firma, die höhere Positionen inne hatten, waren im Gesicht genauso verändert, wie ich und ströhmten den Geruch einer Müllhalde aus.
Nach dem Meeting setzten wir uns mit kooperierenden Firmen in Verbindung. Es wurde bestätigt, dass weltweit die Naturgeister zugeschlagen hatten.
Die nächsten Monate wurde eine neue Organisation gegründet. Sie sollte sich mit dem Problem befassen, was als Herausforderung angesehen wurde, welches uns die Naturgeister gestellt hatten.
Es wurden von der Organisation Berater eingestellt. Wissenschaftler befasten sich mit Lösungsansätzen.
Dann nach fast einem Jahr, lag eine Lösung auf dem Tisch. Man hatte sich geeinigt.
Alle, die von den Superkräften betroffen waren, setzten sie im selben Augenblick ein.
Es dauerte einige Zeit, bis sich die freigesetzte Energie bündelte und anfing zu arbeiten.
Doch dann setzte sich die gewünschte Veränderung auf unserem Planeten in Gang.
Am nächsten Morgen, als ich das Bad betrat, sah ich es im Spiegel sofort. Ich hatte mein altes Aussehen wieder erlangt. Auch der Gestank war weg.
Ich war glücklich. Doch dann erschien der Naturgeist.
„Ihr habt eure Kräfte egoistisch eingesetzt und habt damit eure letzte Chance verspielt. Jetzt werdet ihr innerhalb der nächsten Jahre die Hölle auf Erden erleben, aber nicht überleben. Die Natur hat die Nase voll von euch Menschen und wird zurückschlagen. Ihr seid dem Untergang geweiht.“
Und weg war er.

Erwachen des Letzten von Atlantis: Eine Mission zur Rettung der Erde

Ich erwache aus einem 12.000 Jahre währenden Tiefschlaf und finde mich in einer Welt wieder, die mir fremd und doch irgendwie vertraut erscheint. Die Erde, so wie ich sie kenne, hat sich drastisch verändert. Es gibt Kriege, Intrigen und Verbrechen, Zustände, die mich zutiefst anwidern. Doch ich, der letzte Überlebende des sagenumwobenen Atlantis, bin nicht hilflos. Ich besitze übersinnliche Kräfte und trage einen Anzug, dessen Technologie Jahrhunderte über der gegenwärtigen steht.

Mein erster Schritt ist, die Welt zu verstehen. Ich nutze meine mentalen Fähigkeiten, um verschiedene Sprachen schnell zu erlernen und mich mit der aktuellen Kultur und den sozialen Gegebenheiten vertraut zu machen. Mein Anzug hilft mir dabei, verborgene Informationen aufzuspüren und die wahre Natur der Konflikte zu erkennen, die die Menschheit plagen.

Dann beginne ich, positiv einzugreifen. Mit meiner Technologie säubere ich zuerst die Umwelt. Ich reinige die Ozeane, die Luft und den Boden, nutze atlantische Technologien, um erneuerbare Energien zu fördern und eine nachhaltige Infrastruktur aufzubauen. Ich arbeite im Verborgenen, um keinen Verdacht zu erregen, aber die Effekte meiner Taten sind weltweit spürbar.

Ich nutze auch meine übersinnlichen Kräfte, um Menschen in Not zu helfen. Ich heile Krankheiten, die für die moderne Medizin unheilbar sind, und nutze meine mentalen Fähigkeiten, um in Konfliktregionen Frieden zu stiften. Ich beeinflusse die Gedanken der Führungspersönlichkeiten, um sie zu mehr Mitgefühl und Weisheit zu inspirieren.

Aber ich weiß, dass wahre Veränderung von innen kommen muss. Also beginne ich, Menschen zu inspirieren. Ich teile mein Wissen über Atlantis und seine fortschrittlichen Ideale in subtiler Weise, um einen Wandel im Bewusstsein zu fördern. Ich fördere Bildung und Kreativität, unterstütze Wissenschaftler, Künstler und Denker, die die Welt zum Besseren verändern wollen.

Mit der Zeit wird die Erde zu einem lebensbejahenden Ort, an dem Harmonie und Fortschritt Hand in Hand gehen. Die Menschheit beginnt, ihre Fehler zu erkennen und arbeitet gemeinsam an einer besseren Zukunft. Und während ich im Schatten bleibe, weiß ich, dass ich dazu beigetragen habe, die Welt zu einem Ort zu machen, an dem man gerne lebt. Ein Ort, der vielleicht ein wenig an das verlorene Atlantis erinnert.

Sie kehren wieder - Götter im hellen Morgenrot

„Mein liebster Vishnu,“ flötete ich, Lakshmi, und setzte mich neben ihn auf die weiche Wiesenrispe im himmlischen Garten. „Lass mich dir von einer kleinen Kabale erzählen, die ich entfacht habe, während du dich mit den donnernden Ungeschicklichkeiten des Zeus herumschlagen musstest. Dieser Angeber. Noch immer hat er sich nicht den Schlaf von Jahrhunderten aus den Augen gewischt. Außer seinem Hang zur blinden Blitzeschleuderei ist ihm und seiner olympischen Götterkleinkindertruppe noch nichts eingefallen, unser aller Morgenerwachen gebührlich zu feiern. Statt wegen junger Knaben schämt sich die rosenfingrige Eos jetzt wegen der verkorksten Blitzereien ihres Chefs, dieses hephaistoserzeugenden Kuckucks.“

Mein Göttergatte, dessen müde Augen für einen Moment die Last der göttlichen Zwiste vergessen ließen, war schon wieder zu einem Lächeln fähig. „Eine Kabale? Bei deiner Lotosblüte, Lakshmi, das scheint ein gar köstlicher Zeitvertreib zu sein. Berichte mir davon, während ich mich an himmlischem Tau erlabe.“

„Ah, es war eine Ränke der harmlosen Art,“ fuhr ich fort, während meine Finger ein paar Lichtstrahlen einfingen, die durch die Äste zu uns herübertanzten. „Wir, Ganesha und ich, haben ‚DhanaDhara‘ ins Leben gerufen. Eine App, die mehr ist als nur ein digitales Füllhorn des Wohlstands. Sie ist eine Symphonie der Fülle und der Versöhnung von materieller Prosperität und ideellen Gedeihens in dieser Ära der neuen Anfänge. Ganesha hatte gerade einen Start-up-Inkubator namens „VighnaVarta“ – „der Wegbereiter“ – ausgebrütet. Dieser Inkubator zielt darauf ab, die Unternehmer zu unterstützen, deren Ideen die Welt zum Besseren verändern können. Ich selbst steuerte die Finanz-App „Träger des Reichtums“ bei, „DhanaDhara“ genannt. Die App ist einzigartig: sie verwaltet nicht nur den persönlichen Kies, sondern fördert auch mit göttlichem, also meinem, Beistand ethische Investitionen und belohnt ihre Benutzer für gemeinnützige Handlungen gar über die Maßen. Ganesha überließ das Namensrecht mir. Der Gute!

Vishnu lauschte, sein Geist langsam aus den Schatten des göttlichen Streits mit dem Kronossohn auftauchend. Wie eine Lotusblüte, die sich dem ersten Licht des Morgens öffnet.

„Unsere Schöpfung erblühte wie ein digitaler Garten Eden im Morgenlicht. Doch es gab Widerstand, eine Störung und ein fulminieren aus unterirdischen Tiefen. Hephaistos, mit seinem ‚TechForge‘, schien sich wegen der Nachfrage nach unserer App ‚DhanaDhara‘ zu überhitzen. Er war fest entschlossen, sich in seinem digitalen Vulkan zu verschanzen, blind für das Potenzial eines Joint Venture mit uns.“ „TechForge“, bietet hochmoderne, aber ganz traditionell ethisch fragwürdige Technologien an. Damit will er in der Welt des Kommerzes Fuß fassen. Des Vulkaniers Ziel ist es, die Welt in Abhängigkeit von seinen Erfindungen zu bringen und dadurch seine Position als unangefochtene technologische Autorität zu sichern.

„Und du hast den sturen Schmiedegott doch noch zu seinem, unser allem, Besten überzeugt?“ fragte Vishnu und mit Krähenfüßchen in den Augenwinkeln.

Ich nickte. „Es bedurfte eines Festschmauses der Worte. Shiva höchstselbst wäre ob meines Tanzes der Diplomatie aus dem Tritt geraten; aber ja doch. Unter Sternen, die als stille Zeugen der geräumigen Ewigkeit standen, webten wir ein Netz aus Worten, das selbst den Mond zu wohligem Seufzen brachte.“

Vishnu erhob sich, neugierig und amüsiert. „Erzähle mir von diesem wortereichen Netzwerk, das du gewoben hast, und wie du den Gott der Schmiede dazu gebracht hast, zu fusionieren.“

„Mit Ganesha an meiner Seite luden wir ihn zu einem Gespräch ein, in einem Raum, wo die schicksalwebenden Moiren selbst innehielten, um zuzuhören. Ich muss gestehen, es gab Momente, in denen ich fürchtete, unser Unterfangen könnte in den Flammen seines Stolzes verbrennen. Doch als wir ‚TechDhara‘ vorschlugen, eine Vereinigung von göttlicher Weisheit und technologischer Meisterschaft, da sah ich etwas in Hephaistos‘ Augen aufleuchten. Vielleicht war es die Erkenntnis, dass auch ein Gott der Schmiedekunst das Feuer der Innovation mit dem Wasser der Weisheit zur höchsten Glut und seinem Ruhm anfachen kann.“

„Und so wurde Harmonie aus Konflikt. Etwas Neues, Feuer und Wasser, Innovation und Weisheit wie zwei gebändigte Rösser am platonischen Wagen“ meinte Vishnu. Ein Lachen, tief und warm wie der Nachklang eines fernen Donnergrollens, wie aus einem Vulkan, hallte durch den Garten.

„Genau,“ erwiderte ich. „so breitet sich heute, allerliebster Vishnu, mein allerwertester, ‚TechDhara‘ über die Welt aus, ein Zeugnis von Einheit und Stärke, Wohlstand und Können.“

Und nun, liebe Leser, die ihr diesen Worten lauscht, denkt daran: Jeder von euch trägt das göttliche Funken in sich, das Vermögen, Neues zu schaffen und Grenzen zu überschreiten. Ihr seid berufen, im großen kosmischen Spiel mitzutanzen, in Harmonie und mit einem Augenzwinkern gegenüber den unvermeidlichen Turbulenzen des Lebens. Nehmt diesen Text als Einladung, uns, wenn auch schon etwas betagte Götter und sogar den Götterkindergarten vom Olymp, als Sinnbilder für Ideen und Pläne zu sehen und zu nutzen. Erinnert euch dabei stets an unser leises Lachen, wenn wir ín euren Werken und Gedanken, -und nur da-, als göttliche Prinzipien, Ideen und Muster im Geiste weiterleben.

So ein blöder Zufall

Die Geschwindigkeit fiel von unvorstellbar über unmöglich bis kurz unterhalb der Lichtgeschwindigkeit. Die Künstliche Intelligenz ließ die Sensoren das Sonnensystem überprüfen. Als die Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprachen, leitete sie die vorgegebenen Schritte ein.

Das Raumschiff schaltete auf Tarnmodus und verbarg sich hinter einem Asteroiden, während die KI den Piloten aufweckte. Trotz allen Fortschritts waren kohlenstoffbasierte Körper noch immer empfindlich und mussten schonend behandelt werden.

Während dieses Prozesses wertete die KI die empfangenen Signale aus und versuchte, das gefundene Bewertungsschema der Planetenbewohner zu begreifen. Das erwachende Lebewesen wäre demnach eine Mischung aus Gärtner und Schädlingsbekämpfer, sein offizieller Titel ließ sich am ehesten mit dem Begriff pflegender Bewahrer übersetzen. Da es hier üblich war, vollständige Namen abzukürzen, würde man ihn mit den Anfangsinitialen als D47 bezeichnen.

D47 war faul, schlampig, lustlos und nicht umsonst einer weit entfernten, unbedeutenden Galaxie zugeteilt worden. Unwirsch ließ er sich die Daten geben und knurrte:

«Verdammt, die Veloceraptoren waren klug genug und ich hatte ihnen genug Sozialverhalten mitgegeben, dass sie sich hätten durchsetzen müssen. Selbst auf diesem armseligen Planeten! Oder hast du mir eine Variable unterschlagen?»

Die Schuld bei anderen zu suchen, war ein weiterer schlechter Charakterzug von D47, doch die KI war völlig emotionslos und antwortete sachlich.

«So, so, ein nicht vorausberechenbarer Meteoriteneinschlag, was für ein blöder Zufall. Aber der Misserfolg wird mich wieder Gütepunkte kosten und ich werde noch länger in der Peripherie armselige Kreaturen bei ihrer Entwicklung begleiten dürfen. Oder hat sich eine Art durchgesetzt, die auf eine Aufnahme in die intergalaktische Zivilisation hoffen darf?»

Die KI ließ in schneller Reihenfolge etliche Bilder auf dem Sichtschirm erscheinen, was vielleicht ihrer Art des Lachens entsprach.

D47 war nun völlig wach und machte sich unmotiviert, aber konzentriert an die Arbeit. Das Unangenehme schnell hinter sich zu bringen, um wieder in einen sanften Schlaf zu gleiten, der mit künstlichen, aber wunderschönen Träumen angefüllt war, trieb ihn an.

«Also, wir brauch eine Art, die ausgesprochen anpassungsfähig ist, mit minimalen Ressourcen auskommt und Ansätze für ein funktionierendes Sozialverhalten zeigt. Vor allem aber dürfen keine selbstzerstörerischen Tendenzen erkennbar sein.»

Natürlich hatte die KI eine Auswahl vorbereitet. So genial und die komplex die Programmierung auch war, so unvorstellbar groß die Datenmengen in ihren Speichern auch sein mochten, letztlich war sie eine Maschine, die denken nur simulierte. So reagierte sie völlig emotionslos, als D47 sich gegen die favorisierten Arten entschied.

«Und die Schädlinge?»

«Sie beherrschen die Grundlagen der Atomphysik und beschäftigen sich schon mit Quantenphysik, ein nicht unerhebliches Potential, Schaden zu verursachen. Also das Standardvorgehen – ein Virus, hochansteckend, keine Symptome, nur mit jeder Generation lässt die Zeugungsfähigkeit immer weiter nach. In zehn Generation sind sie ausgestorben und die Evolution macht den Rest. Also an die Arbeit und ich begebe mich in die Schlafkammer!»

Während D47 wieder in die Traumwelt glitt, erledigte die KI ihre Aufträge. Zwei Sonden wurden bestückt. Das Virus zu konstruieren und unbemerkt in Umlauf zu bringen war Routine. Die zweite Sonde landete in einem heißen, sandigen Gebiet. Miniroboter schwärmten aus, fingen Lebewesen und nahmen winzige Änderungen an deren Genen vor. Die Gehirnleistungen der künftigen Generationen würden sich erheblich steigern. Die Sonden zerstörten sich selbst, um alle Spuren zu verwischen, die KI berechnete den Kurs zum nächsten Planeten.

Doch vorher bestückte die KI noch eine Botensonde zum Rat der galaktischen Zivilisation. Emotionslos berichtete sie, dass die Erfolgsquote von D47 nun unter 30 Prozent gesunken war. Sie fügte an, dass die Wahrscheinlichkeit für die Spezies der Nacktmulle, im Laufe der Evolution eine stabilere und würdigere Zivilisation als die Menschen aufzubauen, rechnerisch bei 2,564 Prozent lag. Hätte die KI Emotionen besessen, hätte sie vielleicht mit Bedauern angefügt: Es ist schon ein blöder Zufall für die Menschheit, dass der Erde ausgerechnet D47 als pflegender Bewahrer zugeteilt wurde.

Lilith

Ach Gott, da bekomme ich von dir deine weibliche Seite verpasst und werde Adam zur Frau gegeben. Es ist ja ganz nett, mit ihm zusammen zu sein. Die Paarung, besser noch die Lust und die Ekstase machen mir Spaß. Adam aber will mich mit allen Mitteln unterdrücken, er will der Herr im Haus sein, ich soll ihm dienen.

Wieso das, ich bin doch die Frau im Haus?

Gott hat uns beide aus dem selben Staub geformt. Adam fühlt sich überlegen, er wird aggressiv. Ich muss weg von ihm. Ich gehe. Treffe auf meinem Weg viele Gleichgesinnte. Auch mit ihnen macht mir die Paarung Spaß. Diese Wesen lassen mich so sein wie ich bin. Gott schickt mir drei Engel, die drängen darauf, mich wieder mit Adam auszusöhnen und zu ihm zurück zukehren. Ich soll mich bei ihm entschuldigen. Wofür?

Adam kommt mit mir nicht klar, ich bin ihm zu wild, zu selbstbewusst. Ich lebe jetzt so, wie ich es für mich richtig finde.

Warum soll ich darauf verzichten?

Ich gehe nicht zu ihm zurück. Dafür werde ich verflucht, gebäre tausende Kinder, die dem Tod geweiht sind. Sie sterben, kaum das ich sie geboren habe. Ich bin in steter Trauer.

Das hört niemals auf. Niemals?

Die Menschen geben mir die Schuld am plötzlichen Kindstod, Ich verführe die Männer zum Ehebruch. Sie nennen mich männerverführende Teufelin. Der Aberglaube macht ihnen Angst vor mir.

Ja wisst ihr Menschen denn nicht, dass auch ihr meine Kinder seid?

Wir schreiben das Jahr 2023. So viele Kinder sterben in der Welt durch Krieg und Terror. In der Ukraine, Russland, Afghanistan, Israel, Gaza, Lybien, Syrien …

Ich ertrage es nicht mehr nur zu zuschauen und leiden zu müssen.

Ja, wer hat mich denn verflucht? Die männliche Seite.

Gleich treffe ich mich mit meinen göttlichen Freundinnen.

Letztes Jahr haben wir versucht das Weltgeschehen zu verlangsamen. Asklepios hat eine Pandemie ausbrechen lassen. Es gab kaum noch Kriminalität auf den Strassen, dafür häufte sich Betrug und Verrat. Die Seele unserer Kinder litt zu sehr.

Die Angst vor Ansteckung mit dem Virus, Isolation, kaum noch soziale Kontakte pflegen zu dürfen, ließ die Seele der Menschen verkümmern.

2023 kommt ganz groß die künstliche Intelligenz ins Spiel. Bald herrscht sie über die menschlichen Wesen.

Hera, Athene, Diana, Asklepios, Aphrodite sind auf dem Weg zu mir.

Ich bin voller Zuversicht.

Wenn wir die Welt, nach unserem Bilde schaffen, werden wir sehen, dass es gut ist.

Und dann dachte ich ernsthaft darüber nach, als nächstes die Sonne auszuknipsen…

Christl

Deutschland, Oktober 2000
Sehr geehrte Heiligkeit,
hiermit erbitte ich dringende Unterstützung eines Gottes in der Wunscherfüllung, vor allem für die vielfach gewünschten Formel1-Rennwagen und Harry-Potter-Fähigkeiten.
Hochachtungsvoll
Christl

Deutschland, Oktober 2001
Hoch verehrte Heiligkeit,
Bedauerlicherweise wurde meine Bitte aus dem letzten Jahr nicht entsprochen. Auch in diesem Jahr werden wieder viele - für mich unerfüllbare – Wünsche gestellt: aufgrund der extremistischen Aktivitäten vor allem in Afghanistan und in NewYork sind dies u.a. Weltfrieden, Luftschutzbunker, Sicherheit vor Terroristen und die Fähigkeit zu fliegen wie Superman.
Daher erbitte ich erneut um Unterstützung in der Wunscherfüllung durch einen Gott.
Hochachtungsvoll
Christl

Deutschland, Oktober 2002
Erlauchte Heiligkeit,
Mit großem Bedauern habe ich im letzten Jahr erneut weder eine Antwort noch Unterstützung erhalten. Die Nichterfüllungsquote der Weihnachtswünsche lag daher in meinem Distrikt bei 45%. Eine solch niedrige Qualität kann nicht im Interesse des Himmels liegen, und ich möchte Sie darauf hinweisen, dass meine Arbeitszufriedenheit ebenfalls darunter leidet.
Zur Sicherung der mir im 16. Jahrhundert von Eurem Gesandten Martin Luther übertragenen Aufgaben bitte ich hiermit, offiziell den Status Gott verliehen zu bekommen. Nach dem Elbe-Hochwasser und den steigenden Flüchtlingszahlen ist es wirklich dringend, auch Weihnachtswunder wirken zu können.
Hochachtungsvoll
Christl

Deutschland, Oktober 2003
Verehrte erlauchte Heiligkeit,
Bedauerlicherweise habe ich auf meinen letztjährigen Antrag keine Antwort erhalten. Zur Sicherung der mir übertragenen Aufgaben beantrage ich hiermit erneut den Status Gott. Mit dem Auftreten neuer Virusvarianten wird es künftig noch notwendiger werden, Wunder zu wirken.
Ferner bitte ich um die Einrichtung einer E-Mail-Adresse, da die Post immer längere Zustellzeiten hat. Heuer haben mich noch bis Ende Januar Wunschzettel erreicht.
Hochachtungsvoll
Christl

Deutschland, Oktober 2004
Geehrte erlauchte Heiligkeit,
Danke für die Zusendung der Antragsformulare für den Status Gott. Leider fehlten Ihre Bearbeitungshinweise. Ich bitte höflichst um Nachsendung derselben.
Mit der EU-Osterweiterung und den durch die anhaltende Flüchtlingswelle aus Asien und Afrika ist es weiterhin dringend notwendig, Wunder wirken zu können.
Danke für die Einrichtung einer E-Mail-Adresse. Es wäre hilfreich, wenn Sie zudem eine Firewall für die Domain himmel.org einrichten, da die mich erreichenden Angebote zu Potenzmitteln und Sex-Dienstleistungen etwas nerven. Ich bitte um zeitnahe Bearbeitung.
Hochachtungsvoll
Christl

Deutschland, Juni 2005
Verehrte Heiligkeit,
anbei sende ich meinen ausgefüllten Antrag für die Verleihung des Status Gott in dreifacher Ausfertigung zurück. Ich habe ergänzend die Spracherkennung angekreuzt, da mich inzwischen immer häufiger Wunschzettel in mir unbekannten Sprachen erreichen. Ich bitte um zeitnahe Bearbeitung, bevor die Saison beginnt.
Hochachtungsvoll
Christl

Deutschland, November 2005
Sehr geehrte Heiligkeit,
bedauerlicherweise habe ich noch keine Antwort auf meinen Antrag für die Verleihung des Status Gott erhalten. Hiermit möchte ich um eine dringliche Bearbeitung meines Antrags bitten, da die Saison bereits begonnen hat und, nach dem Tsunami Ende letzten Jahres und der zahlreichen diesjährigen Hurrikane, wiederum die meisten Wünsche nur durch Wunder erfüllbar sind.
Für die freundliche Zusendung des Wörterbuches Deutsch-Arabisch / Arabisch-Deutsch möchte ich mich bedanken, jedoch ist der erste Teil dieses Nachschlagewerk für meine Arbeit unnötig und zweite Teil für die Entzifferung der Wunschzettel nicht verwertbar, da es mir mangels Sprachkenntnissen nicht möglich ist, die Schriftzeichen zu entziffern.
Verzweifelte Grüße
Christl

Deutschland, Juli 2006
Geehrte Heiligkeit,
nach Ablehnung meines Antrags auf den Status Gott möchte ich hiermit Widerspruch einlegen und bitte um erneute Prüfung. Wie Sie auch im Protokoll der diesjährigen Christkind-Dienstversammlung nachlesen können besteht für unsere Tätigkeit weltweit die dringende Notwendigkeit, Wunder wirken und omnipotent Sprachen erkennen zu können. Insgesamt liegt die Nichterfüllungsquote nun bei rund 70%, was sich deutlich negativ auf unsere Arbeitsmotivation auswirkt.
Eine mögliche Alternative sehen wir darin, jedem Christkind einen Gott als Assistenten im 4. Quartal des Jahres zur Verfügung zu stellen.
Ich bitte dringend um Erhörung unserer Anliegen.
Sommerliche Grüße
Christl

Deutschland, November 2006
Eure Heiligkeit,
Ihr Schweigen führt aktuell leider zu Chaos in der Bearbeitung der eingegangenen Wunschzettel. Die diesjährigen Terroranschläge ängstigen weltweit die Menschen, nicht nur in Deutschland. Ich weise hiermit offiziell darauf hin, dass bereits im letzten Jahr die Quote der Wunscherfüllung nur 20% erreicht hat.
Ich bitte dringend um Erhörung unserer Anliegen.
Grüße aus dem Distrikt Deutschland
Christl

Deutschland, Dezember 2007
Sehr verehrte Heiligkeit,
auf den bei mir eingehenden Wunschzettel stehen Wünsche für ein besseres Klima auf Platz 1, gefolgt von Weltfrieden und eine Verringerung der sozialen Unterschiede in der Gesellschaft. Hiermit möchte ich diese Wünsche aus bekannten Gründen zur Erfüllung an den Himmel weiterleiten und bitte um Bearbeitung.
Mit freundlichem Gruß
Christl

Deutschland, Dezember 2009
Sehr geehrte Heiligkeit,
nach der Finanzkrise im letzten Jahr und der Schweinegrippe-Pandemie in diesem wünschen sich die meisten Menschen in Deutschland finanzielle Sicherheit und eine anhaltende Gesundheit. Hiermit delegiere ich diese Wünsche zur Erfüllung an den Himmel und bitte um Bearbeitung.
Mit freundlichem Gruß
Christl

Deutschland, Oktober 2012
Geehrte Heiligkeit,
meine Arbeit ist nicht mehr zu leisten. Mein E-Mail-Postfach quillt über vor Junk- und Spam-Mails, die Wünsche auf den letztjährigen Wunschzetteln waren bereits zu 90% mit meinen begrenzten Fähigkeiten nicht erfüllbar. Hiermit trete ich in Streik und bitte um Umleitung meiner Eingangspost an eine Vertretung.
Mit den besten Wünschen
Christl

Deutschland, Sommer 2016
Sehr geehrter Himmel,
Mit den weltweit zunehmenden Terroraktivitäten und Naturkatastrophen, der steigenden Unfähigkeit der gewählten Politiker und dem Neubau zahlreicher Moscheen in christlichen Ländern sowie der Nichtbeachtung meiner Wünsche und fehlender Unterstützung innerhalb der Organisation kündige ich hiermit. Ich habe bereits zum 01. Oktober eine neue Stelle in einer hiesigen Postfiliale gefunden.
Erleichterte Grüße aus Deutschland
Christl

Böses Erwachen

Ich kam langsam zu Sinnen, konnte mich jedoch noch nicht dazu bringen, endgültig zu erwachen. Um mich herum nahm ich Stimmen, Lärm und eine Menge anderer Geräusche war. Es musste eine Menge Trubel sein. So ging es einige Stunden, in denen ich immer mehr wieder zu meinem Selbst wurde. Die Stimmen und Klänge verebbten. Als ich mich schlussendlich aus meiner Starre löste, war es dunkel und ich allein.
Zuerst verwirrte es mich. Normalerweise waren immer Menschen im Tempel. Und auch das Innere des Tempels wirkte verändert. Doch dann erinnerte ich mich. Es war unser Beschluss. Wir hatten abgestimmt und die Entscheidung war gefallen. Hephaistos hatte vorgeschlagen, den Menschen eine Zeit ohne göttliche Lenkung einzuräumen. Zuerst waren die anderen nicht begeistert gewesen. Besonders Pallas hatte sich Sorgen gemacht, die Menschheit könne ohne ihren weisen Eingriff und Hermes Vermittlung nicht gerecht miteinander umgehen, doch schlussendlich hatten sich alle von Hephaistos Argumenten und Demeters beruhigendem Zuspruch überzeugen lassen. Somit war die Abstimmung zu dem Ergebnis gekommen, den Menschen eine Möglichkeit zuzugestehen, ihre Klugheit und ihr Geschick unter Beweis zu stellen und zu zeigen, dass sie mittlerweile auch ohne unsere Lenkungen zurechtkamen. Damit niemand dennoch in die Versuchung kam, in einer brenzligen Situation einzugreifen, waren wir alle zu Statuen erstarrt.
Nun war ihre Zeit also abgelaufen. Ich muss zugeben, dass ich durchaus eine gewisse Neugierde verspürte bezüglich dessen, was die Menschheit ganz ohne göttliche Hilfe geleistet hatte.
Ich stieg von meinem Podest, verließ die imposante Eingangshalle und wurde von einer ungeheuren Kälte eingehüllt. Meine Gewänder waren definitiv nicht für diese Wetterlage ausgelegt. Ich sah mich um, konnte jedoch keine Möglichkeit finden, mir etwas weiteres umzulegen. So beschloss ich, ein Gewässer zu suchen. Dieses würde ich erhitzen und mich so warmhalten können, bis ich am nächsten Tag etwas anderes zum anziehen fand.
Während ich die Wärme des Wassers genoss, fragte ich mich, ob die anderen auch bereits erwacht waren. Bei dem leuchtenden Mond am Himmel jedoch, blieb mir kein Zweifel, hier musste Artemis ihre Finger im Spiel gehabt haben.
Als der Morgen anbrach, kamen die ersten Menschen zu dem See, aus dem ich mittlerweile wieder herausgestiegen war und begannen darüber zu schlittern. Sie alle trugen verschiedene Gewänder und an ihren Füßen glänzte Metall. Sie wirkten ausgelassen und fröhlich und es herrschte eine ungewohnte Harmonie. Ich begann zu glauben, dass Hephaistos recht gehabt haben könnte. Vielleicht waren die Menschen zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich soweit gewesen, ohne unsere Unterstützung zurechtzukommen.
Gerade als ich mich zum Gehen wand, hörte ich auf einmal aufgeregte Schreie. Ich drehte mich in die Richtung, aus der sie kamen und sah ein heilloses Durcheinander. Die Menschen rannten in alle Richtungen und doch schien sie alle eins zu verbinden: die Hektik. Es dauerte einen Moment ehe ich die Quelle der Aufregung ausgemacht hatte, doch in diesem Augenblick begriff ich. Ein ganzes Stück vom Ufer entfernt, war ein Loch im Eis und ein kleiner Junge zappelte wild darin. Die Menschen versuchten sich einerseits ans Ufer zu retten, andererseits dem Jungen zu helfen. Kurzerhand lief ich auf das Eis zu, stabilisierte es und näherte mich dem Kind. Als ich es erreichte, war es allerdings bereits unter der intakten Eisschicht verschwunden. Ich sprang ins Wasser, tauchte unter und zog den Jungen mit mir an die Oberfläche. Von dort aus kroch ich mit ihm im Arm in Richtung Ufer, wo wir sofort von zahlreichen anderen Eisläufern in Empfang genommen wurden.
Der größte Teil der Gruppe konzentrierte sich auf den Jungen und schaute, ob sie ihm helfen konnten. Einige Leute legten ihm ihre Jacken über. Ein kleinerer, aber dennoch beachtlicher Teil, legte auch mir Kleidungsstücke um die Schultern und lobte meinen waghalsigen Einsatz.
Kurz darauf eilten Feuerwehrleute und Sanitäter zu uns. Der See wurde gesperrt und der Junge und ich in 2 Rettungswagen gebracht. Dort versuchte man mich aufzuwärmen, nahm mir die nasse Kleidung ab und gab mir Trockene. Diese nahm ich bereitwillig an, lehnte eine Fahrt ins Krankenhaus jedoch ab.
Nachdem ich die Rettungskräfte überzeugt hatte, dass es mir gut ging und ich aus dem Wagen stieg, begegnete ich der Mutter des Kindes, die gerade mit den Männern sprach, die ihren Sohn behandelten. Die Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben. Als sie mich erblickte, lief sie auf mich zu und schloss mich stürmisch, begleitet von tausenden Worten des Dankes, in ihre Arme. Ich versicherte ihr, dass es mir gut ginge und ich mich freute, dass es mit ihrem Sohn ebenfalls so stand. Sie dankte mir nochmals und verschwand wieder in seine Richtung.
Ich nutzte den Moment, in dem sich alle auf den Jungen konzentrierten, um zu verschwinden und fand mich kurze Zeit später in einer kleinen Gasse wieder. Es war jene Seitenstraße, aus der ich gestern Nacht gekommen war. Bei Tageslicht sah ich jedoch, dass über dem Eingang des betreffenden Hauses das Wort „Zeitgeschichtliches Museum“ prangte. Meine Statue hatte all die Jahre in einem Museum und nicht mehr in einem Tempel gestanden? Was bedeutete das? Hatten die Menschen etwa auch für sich erkannt, dass sie nun auch ohne unsere Gunst auskamen und uns zur Vergangenheit erklärt?
Dank des Zwischenfalls brauchte ich mich um angemessene Kleidung nicht mehr zu sorgen und so beschloss ich der Sache auf den Grund zu gehen und betrat das Gebäude. Das Glück schien auf meiner Seite zu sein, denn gewöhnlich kostete der Eintritt zur Ausstellung Geld, welches ich freilich nicht besaß. Der heutige Tag gehörte jedoch offenbar zu einer Aktionswoche, in der man teilnehmende Museen kostenlos besuchen konnte. So gelang es mir, in Erfahrung zu bringen, was es mit dem Verbleib meiner Statue dort auf sich hatte. Doch ich erfuhr nicht nur das.
Ich erfuhr auch zahlreiche andere wichtige Ereignisse der vergangenen Jahrhunderte und musste meine Annahme vom Morgen, die Menschen kämen gut zurecht, lebten in Harmonie und hätten die Probleme ihrer Zeit gelöst, revidieren. Es hatte zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen und Attentate gegeben, die mitunter auch Unschuldige trafen. Zudem hungerte ein großer Teil der Erdbevölkerung während andere Lebensmittel in solchem Überfluss hatten, dass sie sie wegschmissen. Einige starben an Krankheiten, die man in anderen Teilen der Welt längst heilen konnte. Die Menschen schienen nicht teilen zu können.
Als wäre als das nicht genug, zerstörten sie mit ihren zahlreichen Erfindungen den Planeten in einer Weise, die sie schlussendlich selbst töten würde und erkannten es nicht einmal oder nur allmählich. Viel zu langsam realisierten sie ihre Taten und sie schienen auch nichts daraus zu lernen, da sie ihre Fehler immer wieder wiederholten.
Ich war maßlos enttäuscht und offenbar nicht der einzige, denn in diesem Moment sah ich die anderen 11. Auch sie hatten sich mehr erhofft und waren zu dem Schluss gekommen, dass die Menschheit wohl doch noch etwas mehr Unterstützung brauchen würde. Sie hatten nur noch auf meine Rückkehr gewartet. Gemeinsam sahen wir durchaus Fortschritte und Entwicklungen, die uns gefielen und so beschlossen wir, unser Möglichstes zutun, um den Menschen unter die Arme zu greifen und ihnen, wie in meinem Fall, Zeit zu verschaffen. Auch wenn ich unglaublich sauer war auf das, was sie den Ozeanen und seinen Bewohnern angetan hatten, so sah ich dennoch, dass gerade ein Umdenken stattfand und versuchte fortan die Fluten zurückzuhalten, um den Menschen Zeit zu lassen, zu reagieren und ihr Verhalten zu verändern, bevor sie und große Teile der Erde überflutet wurden.

Erkenntnisse

Aphrodite fand sich in einem Raum voller Regale wieder, die vollgestopft waren mit… ja, was eigentlich? Sie besah sich eines der Exemplare näher, auf deren Deckel ein Ruderschiff gemalt war und schlug es auf. Unverständliche schwarze Zeichen füllten den weißen Untergrund, die in ihrer Reihenfolge und Gestaltung variierten, sich aber in unregelmäßigen Abständen wiederholten und wenn sie dies taten, in keinster Weise von ihren Vorgängern abwichen. War das eine Schrift? Aber wie schaffte es der Schreiber, die Buchstaben so einheitlich zu zeichnen? Nicht die kleinste Abweichung schien ihm unterlaufen und das offenbar auf hunderten dieser dünnen weißen Blätter. Was für ein Meisterwerk! Der Schreiber verdiente sicher ein Vermögen.
Was war das nur für ein seltsames Material? Es war schlicht und doch reinlich. Ein trefflicher Ersatz für einen Papyrus.
Sie nahm eines der anderen Objekte zur Hand, das mit einer Blume verziert war und stellte fest, dass die Symbole zwar in einer anderen Reihenfolge angeordnet waren und auch die Gestaltung und Größe der Buchstaben sich vom ersten Text unterschied, dessen Schreiber aber die gleiche Effizienz bewies. Schnell überprüfte sie zwei weitere Exemplare. Was war das nur für ein Ort? Nicht einmal im Olymp hatte es so einen fähigen Schreiber gegeben.
Ihr fiel eine junge Frau auf, die nur wenige Schritte entfernt stand und den Inhalt eines der Regale mit den Augen abtastete. Sie suchte offenbar gezielt nach etwas.
Aphrodite ließ den Blick durch den Raum schweifen. Leute traten ein und aus und jedes mal schepperte dabei ein leises Glöckchen. Sie beobachtete das wilde treiben einen Moment. Die Leute zogen scheinbar wahllos Schriftstücke aus den Regalen, blätterten darin herum, lasen eine Stelle und stellten es entweder zurück ins Regal oder schleppten es zu einem Tresen nahe des Ausgangs. Es musste ein Laden sein, denn hinter dem breiten, länglichen Tisch standen ernst aussehende Damen und nahmen Blätter und Münzen entgegen, dafür dass sie eine der Schriften in eine Art Tragetasche packten und dem Kunden zurück über den Tresen schoben. Warum sie aber mit Blättern bezahlten war ihr ein Rätsel. Und ihre Form… Fielen die so von den Bäumen?
Aphrodite fasste den Entschluss, den Geheimnissen dieses Ortes auf den Grund zu gehen. Forsch trat sie auf die weibliche Person vor sich zu.
„Darf ich fragen, ob du hier arbeitest… oder… bist du eine Kundin?“, endete sie etwas lahm.
„Ich? Nein. Ich bin keine Buchhändlerin. Aber ich habe mit Büchern zu tun.“ Die junge Frau lächelte freundlich und wirkte auch etwas stolz, als sie fortfuhr: „Ich bin Lektorin von Beruf.“
„Eine Lektorin?“, fragte Aphrodite verwirrt. Sie musterte die Frau. Sie war hübsch und wenn sie mit Texten zu tun hatte offenbar belesen und intelligent. Plötzlich hellte sich Aphrodites Gesicht auf. „Lektorin? So nennt ihr eure Hetären?“
„Nein!“ Die junge Frau wirbelte erschrocken mit den Händen. „Wie kommen Sie denn darauf?“
„Oh, Schade. Du bist also keine Hetäre?“
„Nein…“
„Möchtest du eine werden? Ich könnte dir zeigen, wie man Männer um den Finger wickelt“, bot Aphrodite großzügig an.
Die Dame lief sichtlich rot an, wandte sich um und ergriff die Flucht, wobei sie einen Bücherstapel umstieß, der laut poltern zu Boden stürzte.
Welch ein Jammer. Aphrodite fasste sich ein Herz und bückte sich, um der jungen Frau aufzuhelfen. Sie würde ihr Manieren beibringen. Und das Liebesspiel.
„Deine schüchterne Art wird den Männern gefallen.“