wir wollen doch nur spielen
Tosender Applaus schallte ihnen entgegen. Trommelwirbel, Klänge von Bassgitarre und Dudelsack hüllten sie ebenso ein wie weiße Nebelschwaden. Was für ein Empfang! Persephone hielt ihre Fackel fest in der Hand und versuchte, sich zu orientieren. Ein paar Schritte neben ihr stand Herakles in seinem stattlichen Löwenfell und schwang seine Keule. Er war verteidigungsbereit. Beruhigend. Schon erklang eine kreischende Stimme, die mit den Instrumenten um die Wette zu musizieren versuchte. Die Zwillingsgeschwister Artemis und Apollon flankierten Herakles als Bogenschützen. Sie wirkten beeindruckend – wie alles um sie herum. Die Menschenmenge zu ihren Füßen jubelte ihnen zu. Nicht nur Persephone staunte.
Hephaistos fand als Erster seine Sprache wieder.
„Seht euch diesen faszinierenden Tempelbau an! Welch filigranen Stützen man hier verwendet hat! Allein die Höhe des Bodens! Wir stehen als Götter hoch über dem Volk und können von überall gesehen werden.” Als Gott der Baukunst, konnte er sich kaum sattsehen an der Konstruktion der Bühne, auf der sie gelandet waren. „Und diese Lichtführung – ein Wunder der Technik!” Wie auf Kommando flogen Spots auf die Neuankömmlinge und ließen sie hell erstrahlen.
„Was für eine grandiose Musik!” Apollon, Gott der Künste, freute sich dermaßen, dass er einen Pfeil in die Menge schoss. Zum Glück flog dieser weit über das Festgelände hinweg. Auch Aphrodite fand Gefallen an der Melodie und stimmte in den Gesang mit ein. Sie war nur mit einem Gürtel bekleidet und hatte eine Taube auf der Schulter sitzen.
„Geile Frontfrau – schaut euch diese Ische an!”, tönte es aus der Menschenmenge. Das Publikum johlte.
„Aphrodite, die meinen dich!” Persephone spürte, dass ihre Halbschwester sich wohlfühlte.
„Oh, Götterschwester! Ich liebe es! Warum sind wir nicht eher hierher gekommen?”
„Wie du weißt, haben Vaters Warnungen uns davon abgehalten, aber er hat sich geirrt. Dass wir das noch erleben dürfen!” Auch Persephone ließ sich von der Musik mitreißen und begann zu tanzen. „Es stimmt alles gar nicht. Sie haben uns nicht vergessen – sie verehren uns!”, rief sie den anderen zu. „Lasst es uns genießen!”
„Weitermachen! Wo auch immer ihr herkommt! Das ist der beste Gig unseres Lebens!”, brüllte der junge Mann am Schlagzeug ihnen zu und trommelte, was das Zeug hielt.
Dionysos und Hebe hatten reichlich Krüge mit Wein dabei und prosteten der jubelnden Menge zu. Der Ausflug hätte nicht besser sein können. „Da hat Eileithyia aber was verpasst. Sie hätte mitkommen sollen!”, raunte Persephone Aphrodite zu. „Da hast du recht.” Persephone tanzte zu ihrem Halbbruder, der wie verrückt mit seinen Flügeln schlug. „Hermes, du reiselustiger Geselle, deine Idee war großartig. Wir sollten öfter auf die Erde kommen, wenn uns langweilig ist.” Persephone war völlig beseelt von der Stimmung um sie herum. Ares und Athene schlugen im Takt mit ihren Speeren auf ihre Schilder und drehten sich dabei im Kreis. Der Applaus konnte kaum lauter sein. Über ihnen kreiste Athenes Eule und beobachtete das Geschehen.
„Zugabe! Zugabe!” Die Menge tobte.
„Wir hören eure Gebete, und sie erfreuen uns! Wir werden wiederkommen, wenn es an der Zeit ist. Aber für heute ist es genug, denn wenn wir zu spät nach Hause kommen, erwartet uns der Zorn unseres Vaters.”
In Trommelwirbel und Nebelschwaden verschwanden sie wieder.
Sie verschwanden so schnell wie sie gekommen waren, doch ihr Auftritt – zusammen mit einer bis dato noch unbekannten Mittelalter-Band – sollte in die Geschichte des legendären Festivals „Rock am Ring” eingehen. Noch am selben Abend gab die Band ihren neuen Namen bekannt – „Kinder des Zeus”.