Seitenwind Woche 6: Großstadttiere

Meins!

Ich mag Menschen sehr. Die haben immer so leckeres Futter und essen so unvorsichtig das ständig etwas davon runterfällt. Meistens sind es knusprige Brötchenkrümel. Ich liebe sie.

Manchmal gibt es auch außergewöhnliches. Gestern zum Beispiel fiel jemandem ein Stück Tomate von seinem Döner. Man war das gut. Nur leider findet man solche Delikatessen nicht jeden Tag.

Am schlimmsten ist die Konkurrenz. Ständig sind meine Schwestern und Brüder, Cousinen und Cousins und die Nachbarn um mich herum. Jeder versucht die besten Krümel für sich selbst zu erhaschen und scheut dabei auch nicht davor zurück seinen Schnabel einzusetzen.

Zum Glück bin ich klein und wendig und mal abgesehen von Henri, der im Haus gegenüber wohnt beachtet mich meistens eh keiner.

Oh, da vorne kommt eine Mutter die einen Kinderwagen schiebt. Das kleine Menschlein lutscht an einem sehr lecker aussehenden Keks. Jetzt schaut es zu dem Baum wo all meine Verwandten drum rum laufen. Sein Interesse am Keks lässt nach. Die Hand sinkt herab. Noch immer hält diese den Keks fest, doch nun zeigt er nach unten und ist nur noch ein klitzekleines bisschen zu hoch für mich.

Meins, denke ich. Meins! Meins! Meins!

Ich hypnotisiere diesen Keks und will ihn unbedingt haben. Da! Die Finger öffnen sich und der Keks fällt zu Boden. Nur ein winziges Stückchen von mir entfernt. Flink schieße ich vor, schnappe mir die Leckerei und bringe mich damit in Sicherheit.

Der Rest

In Massen beschleichen wir eure Städte und ziehen durch die Nervenbahnen eurer Häuser. Eure Entsorgung ist der Wirt unserer Lebendigkeit, euer Ekel der Schatten in dem wir leben. Der Gestank, dessen ihr euch entledigt, lädt uns ins Paradies, unser Leben ein Fest, dem ihr nicht beiwohnt.

Hohlräume resonieren den zarten Klang unserer Fortbewegung, lassen euch wissen, dass wir nah sind, ohne, dass ihr uns zu Gesicht bekommt. Im Dunkel der Nacht gleiten wir über Kopfsteinpflaster, lauschen dem touristischen Getöse, ernten unsere Mahlzeit aus zusammengeknülltem Aluminium und vom Regen durchnässten Pappkartons.

Still regieren wir die Stadt durch die Adern der Kanalisation. Das Gift, das ihr in unsere Bahnen werft, ist ein müder Versuch. Wenn euer letzter Atem längst schon synthetisiert ist, werden wir erst wach. Wir sind der Rest.

Parasit

Lange schon sitze ich hier fest. Das stört mich auch nicht besonders. Brauch ja nicht viel.
Oh, jetzt kommt Bewegung in die Sache.

Schon bin ich in meinem Element. Ich düse ab, fliege durch kleine Härchen, an Schleimwänden vorbei. Meine Erfüllung naht.

Wenn ich jetzt die Kurve nicht kriege, werde ich in Säure vernichtet. Hoppla, gut gemacht. Hier ist es luftig und feucht. Ein stetes Ausdehnen und Zusammenziehen. Wunderbar. Ich docke an eine kleine Luftblase an. Lasse es mir gut gehen. Feiere hoch Zeit mit meinem Wirt. Bekomme Kinder, die sich immer weiter vermehren. Wir sind viele, bauen Kolonien. Wir schmausen und grausen.

Unserem Wirt wird ganz heiß. Er mobilisiert seine Abwehrkräfte. Genau das haben wir befürchtet. Er schickt Kontrolleure. Schnellen Schrittes gehen diese auf Suche. Wir vermehren uns rasch. Er kämpft mit uns und wir mit ihm. Gleichstand. Aber was ist das, irgendetwas stimmt hier nicht. Wir zeigen Schwäche, Schwinden. Wir werden besiegt. Unsere Quelle versiegt. Mir wird ganz elend. Ich ziehe mich zurück. Versuche mich einzukapseln. Keine Chance.

Ich gehe mit den anderen. Werde gleich ausgeschieden, ob ich davon noch etwas mitbekomme.? Komme ich jemals wieder in den Genuss in einen neuen Wirt zu schlüp…

Flügel sind zum Fliegen da

Heute ist mein großer Tag. Meine sechste und damit letzte Häutung steht kurz bevor. Ich bin so aufgeregt und nehme die Abkürzung durch den Lüftungsschacht um meinen Freund Speedy zu treffen, der sich bereit erklärt hat, sich mit mir anzusaufen.
Er putzt sich gerade, als ich in sein Versteck krieche. „Man kann alles übertreiben“, necke ich ihn zur Begrüßung. Wir sind ein sehr reinliches Volk. Insgeheim bewundere ich seinen athletischen Körper und seine stattlichen Antennen, die fast so lang sind wie sein restlicher Leib. Langsam hebe ich gleichzeitig das rechte Vorder- und Hinterbein und das linke Mittelbein, dann mache ich dieselbe Bewegung andersrum und schlürfe so gemütlich zu den Luftlöchern an der Hauptseite von Speedy´s Wohnzimmer. Er sieht mir mit zitternden Borsten zu. „Lach nicht. Ich muss meine Kräfte sparen“, wehre ich mich gegen seinen Heiterkeitsanfall. „Beim letzten Wettrennen habe ich dich um 20 km/h geschlagen.“ Er war mit 280 km/h auch nicht gerade langsam gewesen, aber mein zweites Nebenhirn hat einen extrem schnellen Draht zu meinen Mittelbeinen, das ist in unserer Familie so vererbt. Ach ja, meine Familie ist alt. Steinalt. So zirka 300 Millionen Jahre.
„Schön hast Du es hier.“ Ich wittere zu der riesigen Pfütze in der rechten hinteren Ecke. Da tropft ständig etwas Wasser aus der Klimaanlage. Ideal, um sich so richtig volllaufen zu lassen. „Was hast Du heute so gemacht?“
„War gerade was essen.“
„Ach, was gab es denn?“
„Einer von der Gang des Nachbarhauses hat sich mit Kuki und mir angelegt. Hat den kürzeren gezogen. Also ganz tot war er noch nicht, als wir ihn gefressen haben. Danach aber schon. Kannst schon mal anfangen.“ Seine linke Antenne weist einladend auf den kleinen See.
Ich trotte hinüber und labe mich am kostbaren Nass. Erst wenn ich durch das viele Wasser im Körper einen hohen Innendruck aufbauen kann, lässt sich mein alter Panzer sprengen.

Vier Stunden später ist es endlich so weit. Meine alte Hülle liegt ganz schön ramponiert neben mir. Ich fühle mich schwach und stürze mich gierig darauf. Recycling haben wir im Blut. Wäre ja doch schade um die ganzen wertvollen Rohstoffe, die da drin stecken. Die brauche ich um den neuen Panzer auszubilden.
Satt bewege ich danach vorsichtig meine ersten noch ganz hellen Flügel. Speedy hat seine schon eine Weile und wir planen eine kleine Weltsensation. Von wegen, Kakerlaken können nicht fliegen! Pah! Speedy und ich werden es ihnen zeigen. „Bereit?“ Aufgeregt laufe ich die Wände hoch und stelle mich an den Rand der Luftlöcher. „Ein kleiner Schritt für mich, ein großer für unser Volk“, posaune ich großmaulig und springe. Die Flügel öffnen sich und für einen Moment fühle ich den Wind, der mich trägt. Doch ein paar Sekunden später knalle ich mich mehrmals überschlagend auf dem Beton auf. „Das war geil!“, schreie ich zu Speedy, der einen Meter entfernt aufklatscht. „Wir sind geflogen!“ Etwas blitzschnelles Klebriges schießt auf mich zu. Meine feinen Haare am Popo hatten nicht einmal den Hauch eines Luftzugs gespürt. Es gibt nur wenige Lebewesen, die uns gefährlich werden können. „Was haben Frösche in der Großstadt verloren?“, denke ich, während ich im riesigen Maul dieses Monsters verschwinde.

Heimatlos

Es ist vorbei. Seit vielen Jahren jagen uns diese schwarzen Teufel. Eine Chance hatten wir nie gegen sie. Von Anfang an waren sie besser organisiert, gar militärisch geschult. Wir hingegen sind Freigeister. Folgen keinem strategischen Plan. Zielstrebig nur dann, wenn ein Leckerbissen lockt.

Galten sie bei den alten Göttern als weise Wanderer, bringen sie in unserer Zeit Unheil und Verderben, sagen die Menschen. Wie recht sie haben. Eine Koexistenz scheint ausgeschlossen. War dies einst unser Territorium, haben wir seitdem vielerorts die kleinen, wie großen Städte an sie verloren. Als die Letzte unserer Art in meiner Heimat lasse ich sie hinter mir und wende mich dem Ort zu, wohin mir diese diabolischen Vögel nicht folgen werden. An den Platz unserer Vorfahren.

Breite meine weißen Flügel aus und gleite der aufgehenden Sonne entgegen. Hinaus aufs offene Meer und sende ein letztes, leises Kreischen aus.

Wilde Treibjagd

Strahlender Sonnenschein. Mein Fell strahlt in einem schönen braun-schwarz. Endlich ist der Sommer da. Einfach herrlich!
Doch plötzlich vernehme ich ein Geräusch. Es klang nach einem Schuss. Irritiert schaue ich umher. Trudi und Keiler haben es auch gehört. Der Wind trägt das laute Schnaufen Brutus’ zu uns. Eine Warnung - die bösen Männer sind wieder da.
„Sie haben doch erst gestern Jagd auf unsere Herde gemacht.“, fluche ich innerlich, als ich mich Trudi und Keiler anschließe, die bereits dabei sind zu flüchten.
Schnell lasse ich den Garten nahe dem Wald hinter mir. Die Menschen sind so lieb. Sie bauen ständig neues Gemüse an. Vor allem die braunen Knollen aus der Erde schmecken fantastisch, wenn auch nicht so gut wie die kleinen Kaninchen, die sie hier untergebracht hatten. Aber man kann ja bekanntlich nicht alles haben.
Trudi und Keiler vor mir schlagen einen Haken. Eine Kugel pfeift an meinem Kopf vorbei.
„Oh, nein!“ Die Männer in ihren grünen Kleidern sind nah. Wir legen einen Zahn zu. Wir rennen um unser Leben.
Die Reifen ihrer Autos quietschen. Ihre Schüsse treiben uns voran. Mittlerweile haben sie uns auf die Straße getrieben. Die Menschen blicken uns ungläubig aus ihren Autos an, nachdem sie panisch auf die Bremse getreten sind.
Die Umgebung wandelt sich. Plötzlich ziehen nicht länger Sträucher, Gartenhäuschen und Bäume an uns vorbei. Nein! Wir wurden in die Stadt getrieben.
Umgeben von großen Klötzen aus Beton, suchen wir Schutz. Wir laufen durch die Straßen. Fußgänger bleiben wie angewurzelt stehen. Ihre Augen sind weit aufgerissen. Ich rieche ihre Angst, dabei sind wir es, die Angst haben müssen.
Trudi kreischt laut auf. Sie fällt zu Boden. Eine Kugel hat sie erwischt. Keiler schaut kurz zurück, aber bleibt nicht stehen. Auch ich laufe panisch weiter. Lautes Hupen begleitet uns. Menschen fluchen. Reifen quietschen. Hier und da ein menschlicher Schrei.
Ich fühle mich wie in einem Labyrinth, ohne Ausgang. Alles sieht gleich aus.
Aber da - am Ende dieser Gasse - vertrautes Grün. Ich presche vor, überhole Keiler. Bald sind wir wieder in Freiheit.
Das vertraute Dickicht wird uns Schutz bieten.
Nur noch ein kleines Stück, dann haben wir es geschafft.
Ich glaube, wir sollten zurück in den Wald.
Die Stadt ist nichts für uns Wildschweine, aber mittlerweile ist der Platz rar geworden. Deswegen haben Trudi, Keiler und ich uns für die schönen Gärten entschieden. Möglicherweise sollten wir das nochmal überdenken. Ansonsten würden die Menschen uns immer wieder wie wilde Tiere durch die Straßen treiben, um uns den Gar auszumachen.

Ich teile nicht

Man sagt mir Schläue nach. Zu Recht, wie ich finde. Schließlich finde ich mich seit Jahren in der Großstadt zurecht. Ich finde mich attraktiv, hat nicht jeder so ein dichtes, rotbraunes und glänzendes Fell. Meine Ohren sind aufgestellt, spitz in die Höhe schauend und jedes Geräusch einfangend.

Ich mag die Straßen nicht, traue mich selten auf die andere Seite. Zu groß die Gefahr, von diesen stinkenden, schnellen Ungetümen plattgewalzt zu werden. Ich bin scheu und schließe selten Freundschaften. Doch dann habe ich die alte Dame am Rande der Stadt entdeckt. Die Schüssel auf ihrer Terrasse ist gefüllt mit Früchten, Gemüse, Fisch, ich fresse alles. Bin nicht wählerisch. Manchmal bekommt die alte Dame Besuch, so ein kleines Mädchen, niedlich ist sie, kurze schwarze Zöpfe und so rote Haarspangen. Ich mag die beiden, sehe, wie sie mich durch die Vorhänge beobachten. Das kleine Mädchen zeigt dann immer mit einem Lachen auf mich. Ich fühle mich toll, geschmeichelt, strecke mich, lecke meinen Pelz, fresse die Köstlichkeiten, stelle mich in Positur. Weiß ich doch längst, dass sie Fotos machen.

Ach, ich habe es gut. Doch eines Tages geschieht etwas Unerwartetes. Das Mädchen mit den süßen Zöpfen bekommt kleine, flauschige Tiere geschenkt. Ein Gitter umgibt das kleine Gehege, in dem sich die neuen Freunde des Mädchens tummeln. Ich beobachte sie von meinem Versteck aus und lecke vor Wut meine Pfoten.

Ich fasse einen Entschluss. Ich weiß, dass ich die beiden nie wiedersehen werde, bin etwas traurig, doch ich kann nicht anders. Mit zwei Wollknäueln im Maul verschwinde ich eines Nachts. Tut mir leid.

So eine Schweinerei

Ich liebe diese braunen Tonnen. Warum fragt ihr mich? Na ganz einfach, ihr Menschen geht in diese Fast—Fooddinger und esst dort. Ich mach das genauso, bei mir ist es die Braune Tonne.
Was da alles für Leckereien drin sind, kaum zu glauben, was die Menschen alles wegwerfen.

Gestern, da war es wieder ein super Angebot. All You Can Eat!

Denn ganzen Tag hat es geregnet und wie, ein richtiges Hundewetter. Meist bin ich in der Dämmerung und Nachts in der Stadt unterwegs. Den Tag verbringe ich schlafend in meinem Versteck im Stadtpark.

Ein total sicherer Ort, denn die Jäger dürfen hier nicht rumballern. Aber trotzdem ist Vorsicht angesagt. Den Menschen ist nicht zu trauen.

So nun aber zu gestern Abend.
Der Mond war schon als Sichel am Himmel aufgegangen und vorsichtig lugte ich aus meinem Versteck heraus, ob nicht doch noch irgendwelche Menschen ihr Unwesen im Park trieben. Die Luft war rein und ich machte mich auf den Weg zu meinem Restaurant.

Schnell durchquerte ich den Park und rannte am Hauptbahnhof vorbei. Auch hier keine Menschenseele.
Welch ein Glück. Ich schaute vorsichtig um die Ecke, denn hier treiben sich auch bei Regenwetter Menschen herum. Doch sah ich keinen und um ganz sicher zu gehen, versuchte ich sie zu riechen.

Keine Gefahr. Nur ein paar Ratten auf Nahrungssuche. Schnell galoppierte ich die Kö hoch. Da war es, mein 4 Sterne Restaurant. Nein nicht ich hatte ihm die Sterne verliehen, sondern die Menschen.
Ab in den Hinterhof und da war sie. Meine braune Tonne.

Doch was war geschehen? Sie lag umgestürzt auf dem Boden und war ausgekippt. All die leckeren Sachen lagen im Hinterhof verstreut.
Ich war entsetzt, so eine Sauerei.
Tief sog ich die Luft durch meine Nase ein. Verflucht, es roch nach Waschbären. Diese Idioten, mußten sie so ein Schlachtfeld hier hinterlassen?
Wenn die Menschen das mitbekommen ist es aus mit meinem Sterne Restaurant. Die schließen die Tonne ab und das wars.
Mein Blutdruck stieg vor Wut an. Verdammte Inversieve.
Wütend machte ich mich über die Reste her.
Trotz Waschbären war das Essen wieder ausgezeichnet lecker.
Zartes Fleisch, mit einer würzigen Soße, dazu Brokkoliröschen, leicht gedünstet mit Semmelbröseln. Himmlisch. Der Nachtisch war ein Gaumenschmaus.

Oh, Mist, die Küchentür ging auf und der neue Lehrling trat mit einer Mülltüte auf den Hof.
Scheisse, hier gab es keine Möglichkeit mich zu verstecken.

Ich nahm all meine Kräfte zusammen und sprang auf ihn zu. Er wich erschreckt zurück und stolperte, fiel rückwärts hin und schrie wie am Spieß.

Schwups war ich schon um die Ecke und rannte die Kö hinunter zum Park.
Ab in mein Versteck.

Dort angekommen legte ich mich erschöpft nieder und schlief ein.
In der Nacht träumte ich von ihr. Aber es war ein Alptraum, denn sie hatten ein Schloss an meine braune Tonne angebracht und ich kam nicht mehr an die leckeren Sachen.

Auch, wenn man sagt, ein Fuchs ist schlau, ein Schoss knacken kann ich nicht.
Welch eine Schweinerei von den Waschbären.

Zorro

Es ist ein herrlicher Morgen. Hellblau und mit feinen weißen Streifen durchzogen zeigt sich der Himmel. Die Temperaturen genau richtig, um in einem dicken Pelz, wie ich ihn trage
nicht zu schwitzen. Ich hasse es bei der Arbeit zu schwitzen, das steht mir nicht.
Eitel sei ich hat Frida neulich abends zu mir gesagt, als wir genüsslich eine Lasagne zusammen verspeisten. Was denkt die rothaarige Mieze mit dem irrem Grinsen eigentlich wer sie ist?

Ein paar Stunden Zeit habe ich noch bis es dunkel wird, so lange werde ich mir die Zeit mit „Mensch ärgere dich nicht“ vertreiben.
Das amüsante Spiel verläuft stets zu meinen Gunsten und mit Freude sehe ich die Panik in den Augen meiner Mitspieler, wenn sie mich in einer ihrer Mülltonnen entdecken.

Doch nun muss ich los, die Lichter der Stadt erleuchten bereits die Finsternis. Ich muss nur zwei Straßen vorlaufen und beim Theater rechts abbiegen, dann kommt schon der große freie Platz, auf dem jedes Jahr im Dezember der Weihnachtsmarkt aufgebaut ist.
Den Bratwurststand mit den leckeren Nürnberger Würstchen lasse ich links liegen, Paul seine Heringsbrötchen ließen mich letztes Jahr fast sterben und Christiane ihre Zimtsterne haben mein Fell ruiniert. Nie wieder!
Mein Ziel ist Glühwein-Charlie, dort fühle ich mich zu Hause. Oh, wie ich den Duft der ausgelutschten Zitronen liebe, die hinter Charlie’s Holzhütte in einer Blechtonne landen. Doch ich muss vorsichtig sein, gestern zuckte Charlie erschrocken zusammen, als er mir in die Augen mit den schwarzen Schatten blickte.
Er verständigte die Polizei und bereits einige Sekunden später standen sie bewaffnet bis zu den Zähnen auf dem Weihnachtsmarkt.
Ich konnte gerade noch rechtzeitig das Weite suchen, so alkoholisiert wie ich war, ging das fast daneben. Aber ich bin Zorro und so schnell kriegt man mich nicht zu fassen.
„Hey”, ruft es hinter mir und ich drehe mich um. „ Heute Abend Pizza bei Luigi ?“ Frida steht auf einer Mauer, ihr feuerrotes Haar strahlt erhaben im Mondlicht.
„Habe die Ehre“, erwidere ich und werfe ihr einen Kuss zu.

Burgfrieden

Schlau bin ich, das weiß der Volksmund, den der Jäger seit Jahrhunderten tut kund.

Mein Burgfrieden mit Kaninchen und Dachs, eine geniale Idee. Wir geben Acht aufeinander. Ich bin der wachsamste Nachbar in unserer Wohngemeinschaft.
Seit geraumer Zeit bedrückt uns, dass
unsere idyllische Landschaft sich zunehmend verändert.

Die täglichen und tätlichen Belästigungen nehmen stetig zu. Mit „Leben im Grünen“ hat das hier bald nichts mehr zu tun.

Apropos, der Grünrock wird auch immer raffinierter. Ich sage nur Kameras und Nachtsichtgeräte. Wo bleibt bitte die Privatsphäre? Von Chancengleichheit brauch ich gar nicht erst anfangen…

Es ist zum Mäuse melken. Wo ich schon dabei bin.
Die Mäuse auf den Feldern, seit jeher meine Leibspeise, haben sich vom Acker gemacht.

Es ist mühsam geworden, für uns Gourmets, auf dem Land, auch für ein Schlitzohr wie mich. Sträucher der Hagebutte, Schwarzbeere und Schlehe weichen nach und nach.
Nicht wirtschaftlich…
Bei der Bewirtschaftung der Felder heutzutage, alles kein Wunder!

Eine Rotte Wildschweine zog vor einiger Zeit weg. Die Leitbache kannte ich gut. Sie hatte einen guten Geschmack, es war ihr Zuviel des Mais’. Sie konnte ihn nicht mehr ertragen.

Der Wald-und Wiesenfunk meldete, dass sie sich mit Erfolg im städtischen Park niedergelassen haben. Ihre nahrungsmittelbedingte Depression fand schlagartig ein Ende.

Denn ein abwechslungsreiches Angebot gibt es dort im Überfluss. Stadtgärten mit alten Gemüsesorten, von denen sie längst glaubte es gäbe sie nicht mehr.

Weiterhin freut sie natürlich, dass der Jäger sich schwarz ärgert, ob des städtischen Schießverbots. Vielleicht lebt er jetzt als Schwarzkittel unter ihnen?

Meine Cousine, die im Bereich städtischer Immobilien tätig ist, erzählte mir, dass der Mensch Häuser schneller baut als der Specht, und das soll was heißen.
Interesse hat er an den alten und leerstehenden Objekten meist zur Genüge, nicht.

Letztens vermittelte die besagte Cousine sogar einen alten Dachboden an einen Clan Fledermäuse, eine Füchsin und eine Waschbärenfamilie.

Mir persönlich ginge diese Konstellation zu weit;
Ich gehöre eher zur altmodischen Generation.

Ich werde es meinen lieb gewonnenen Nachbarn Dachs und Kaninchen, im wahrsten Sinne des Wortes, schmackhaft machen, unseren Burgfrieden in der Stadt fortzuführen.

Mir scheint, die Vorteile überwiegen.

Legion

Ich bin immer da, kann überall hin, bin gut versteckt und doch bekomme ich alles mit. Ich laufe durch die Luftschächte der U-Bahn Tunnel, den Abwasserkanälen und Stromleitungskanälen.
Du findest mich, wenn du wirklich nach mir suchst. Aber ihr Zweibeiner zieht es vor, uns zu ignorieren. Wenn ihr wüsstet, wie viele wir wirklich sind, könntet ihr nachts nicht mehr schlafen.
Ihr könnt uns nicht leiden, so manch einer von euch erschrickt, wenn er einen der unseren sieht. Und dann erschallt ein lautes: „Iiiih, eine Ratte.“

Über den Dächern

Seit Stunden schon, huscht vor ihr ein winzig, kleiner Schemen über den Dächern auf und ab. Flink springt er über nasse Zinnen, an schmutzigen Luken vorbei und jetzt gerade- gegen den Uhrzeigersinn, scharf um einen Kamin rund herum. Ihr wachsamer Blick ist zu gefährlichen Schlitzen verengt, wenn auch ihr langsam schwindlig wird. Ihr Opfer turnt und tanzt sich in wildem Ballett immer weiter der ersehnten Freiheit entgegen. Auf leisen Pfoten folgt sie selbstbewusst und ohne Scheu. Ihr weicher Gang ist anmutig und der Körper so geschmeidig, dass Menschen noch lange von ihr erzählen werden, das ist gewiss. Blasiert hat das edle Wesen kaum einen Blick nach unten übrig. Schwerfällge Busse, kreischende Tauben, die grob an Imbissresten picken und-oh, nasse Hunde an hoffentlich soliden Leinen. Gut, dass sie hier oben ist. Ihr rechtmäßiger Platz ist eindeutig über ihnen. Unerwartet setzt das Tier zum Sprung an. Die Landung mitten in den ausgedienten Versandkarton ist natürlich perfekt gelungen. Innen wartet schon ganz aufgeregt die kleine Spitzmaus. Sie hat keine Angst vor der Katze. Ihr Gaumen ist durch das tägliche Gourmetfutter einfach zu verwöhnt. So vergeht ein weiterer Nachmittag, an dem die beiden friedlich in der Sonne schlummern.

Die Sorgen einer Großstadtkatze
Keiner will mich haben. Ich bin schon richtig neidisch auf meine Mitkatzen. Die werden gehätschelt und getätschelt. Bekommen täglich ihre Streicheleinheiten. Um ihr Fressen müssen sie sich nichts kümmern. Dafür sorgen Herrchen und Frauchen. Die meisten von denen können vor Fett kaum noch Laufen, geschweige jagen. Stundenlang hängen die am Fenster rum. Unsereins schlägt sich durchs Leben. Wann ich frühmorgens das erste Mal etwas zwischen die Beißer bekomme, entscheidet der Zufall. Mal ist es eine freche Maus, die zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort ist und mir direkt vor die Nase läuft. Manchmal ist auf meinem täglichen Streifzug bereits hinter der Kaufhalle etwas Brauchbares zu finden.
Also los. Hier muss ich über die Straße. Bloß aufpassen. Diese selbstfahrende Blechlawine lässt mir kaum Gelegenheit. Jetzt endlich eine Lücke. Mit drei, vier Sätzen sollte es geschafft sein. Mensch, das war knapp. Hast du mich eben richtig aufs Korn genommen und Gas gegeben? Die Kaufhalle ist Fehlanzeige. Noch ist nichts Essbares aufzuspüren. Dann halt weiter. Was ist denn mit dem los. Kaum, dass er mich gesehen hat, dreht er entsetzt um. Ach, das ist doch einer von den Spinnern, die schwarzen Katzen aus dem Weg gehen. Dabei will ich doch nichts von denen.
Von da vorn zieht mir so ein Geruch entgegen. Eine Tasche steht auf dem Weg. Daraus kommt der Duft. Das muss etwas Fleischiges sein. Aber Vorsicht, zwei Frauen stehen davor. Die unterhalten sich. Das könnte trotzdem gefährlich für mich werden. Schleichend an der Hauswand entlang könnte es gelingen, die Beute zu erhaschen. Jetzt ran und das obere Päckchen mit der Schnauze herausfischen.
„Halt du Mistvieh, meine Rollladen!“
Bloß weg hier und durch den Zaun. Das wäre geschafft. Na bitte, wie wahr ist doch das Sprichwort: Gelegenheit macht Diebe und mir einen vollen Bauch.

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Die nächtlichen Abenteuer des Kater Karlo

Ich bin Karlo, ein Kater mit glänzendem, schwarzen Fell und leuchtend grünen Augen, ein wahrer Schatten in den nächtlichen Gassen der Metropole. Die Stadt, mein Spielplatz, ein Labyrinth aus Beton und Lichtern, birgt Geheimnisse, die nur einer wie ich zu schätzen weiß.

Meine Geschichte beginnt in einer lauen Sommernacht. Die Straßen sind von der Hitze des Tages noch warm, und die Gerüche von Essensresten und Abenteuern liegen in der Luft. Mein Ziel: Die legendäre Delikatesse „Gourmet-Mülltonne“ am Ende der 5th Avenue, ein Schmaus für jeden Vierbeiner in der Stadt. Doch der Weg dorthin ist gefährlich und erfordert mehr als nur einen guten Geruchssinn.

Ich schleiche mich an einem schlafenden Wachhund vorbei, der unter dem Schild „Vorsicht, bissig!“ tief in Träumen versunken ist. Ein leises Schnurren entfährt mir. Zu einfach! Doch als ich um die Ecke biege, sehe ich mein erstes richtiges Hindernis: die Tauben-Gang unter der Führung des einäugigen Pietro. Sie patrouillieren ihr Gebiet mit einer Ernsthaftigkeit, die man sonst nur bei Steuerprüfern sieht.

Mit einem geschmeidigen Satz lande ich auf einem Vordach und beobachte sie. Ihr Gurren klingt fast wie ein Lachen. „Heute nicht, meine gefiederten Freunde“, flüstere ich und springe auf ein nahes Fenstersims. Von hier aus kann ich die Tauben umgehen und meinen Weg fortsetzen.

Plötzlich höre ich ein leises Klirren. Ein Mensch in einer dunklen Gasse, kauernd bei einem aufgebrochenen Fenster. Ein Dieb! Ich überlege kurz, mische mich aber nicht ein. Das ist eine Geschichte für andere Nachtwesen.

Endlich erreiche ich mein Ziel. Die Mülltonne ist genau so prall gefüllt, wie ich es erhofft hatte. Ein Festmahl! Doch bevor ich zum Angriff übergehen kann, höre ich ein leises, fast unhörbares Kichern. Der Waschbär Rico, ein alter Rivale und Meister des heimlichen Anschleichens, hat es ebenfalls auf den Müll abgesehen.

Wir starren uns einen Moment lang an, dann beginnt das große Spiel. Ein Wettstreit des Geschicks und der Gerissenheit. Wir tanzen um die Mülltonne, jeder versucht, den anderen auszutricksen. Aber ich kenne Ricos Tricks. Mit einem gezielten Sprung lande ich direkt am Ziel und schnappe mir den besten Happen.

Triumphierend ziehe ich mit meiner Beute in eine ruhige Ecke. Die Stadt schläft nie, aber für einen Moment genieße ich die Stille und den Geschmack des Sieges.

Und während ich dort liege, mit vollen Bauch und einem Lächeln im Gesicht, weiß ich, dass die Stadt noch viele Abenteuer für mich bereithält. Denn ich bin Karlo, der Kater aus den Schatten, und dies war nur eine Nacht von vielen im Herzen der Metropole.

Blöd! Richtig blöd!
Wie bin ich bloß in diese Lage gekommen?
Hab ich nicht genug aufgepasst?
Wäre ich doch bloß an der Küste geblieben!
Aber nein, ich wollte ja die große Stadt sehen!

Ich liege hier auf dem Küchentisch von Olaf. Eingerollt in Angelschnüre und Plastik. Mein schöner Schnabel ist geknickt.

Tina hat mich gefunden und aus dem Wasser gezogen. Jetzt heult sie. Ob ihr etwas weh tut? Vielleicht sollte sich Olaf um sie kümmern.

Olaf sieht mich lange an. Tippt auf eine kleine Maschine. Die scheint ihm zu antworten. Dann er weiß wohl, was zu tun ist.

„So, Kleine Emma, es macht jetzt etwas Lärm, aber dort wo dein Schnabel gebrochen ist, da hast du keine Nerven.“

„Du willst doch wohl keine Löcher in den Schnabel bohren?“ Kreischt Tina „Mach doch lieber die ganzen Schnüre ab!“

„Sie darf sich nicht bewegen. Erst der Schnabel, dann die Schnüre. Hol mir bitte den dünnen Draht und die Schere aus der Schublade.“

Es rattert in meinem Kopf. Olaf arbeitet konzentriert. Er biegt den Draht, fädelt ihn durch die Löcher. Schmiert eine stinkende Paste darüber.

Zufrieden betrachtet er sein Werk. „Emma, damit bist du einzigartig. Der Kleber ist auch schon fest.“

Jetzt zerschneidet er die Schnüre und stellt mich auf meine Füße. Ich bewege meine Flügel. Hurra! Nichts tut weh.

Olaf macht das Küchenfenster weit auf. Tina schnäuzt in ihr Taschentuch.

Ich fliege hinaus und denke: So schlimm ist die Großstadt doch gar nicht.

Überleben

Es ist dunkel. Vorsicht ist geboten. Ich sehe mich um, bevor ich die Straße überquere. Diese Metallmonster mit den glühenden Augen machen mir Angst, aber ich habe keine Zeit. Das Fressen wird knapper. Heute konnte ich einige Mäuse und Insekten erbeuten, aber das reicht nicht. Ich muss weiter. Eigentlich darf ich das Gebiet nicht betreten. Wenn sie mich entdecken, werden sie mich jagen. Das darf nicht passieren. Ich hebe die Nase dem Wind entgegen. Ab jetzt wird es gefährlich. Der Mond scheint hell und beleuchtet meinen Weg. Durch die Gassen schleichend, verlasse ich mich auf meinen Geruchssinn, bis ich den großen Behälter erreiche. Plötzlich öffnet sich eine große Tür und ich verstecke mich hinter einigen Kartons. Der Mensch steht einfach da und macht ein kleines Feuer um sich einen stinkenden Glimmstängel anzuzünden. Es juckt mir in der Nase. Ein schnaufen entweicht mir. Plötzlich brüllt der Mensch und stampft, während er wild mit den Armen rudert. Seine Augen durchbohren mich. Ich habe Angst und laufe davon, jedoch nur so weit, dass er mich nicht mehr sieht. Nach wenigen Minuten verschwindet er wieder und ich klettere an einer Regenrinne hinauf. Ich weiß nie ob ich es auch aus den großen Behältern wieder herausschaffe, aber ich habe keine Wahl und lasse mich fallen. Als erstes fresse ich so viel ich kann. Dann klaube ich das was die Menschen verschmähen zusammen und werfe es über den Rand. Das Glück ist auf meiner Seite. Ich schaffe es hinaus. Hoffentlich haben mir die Ratten nichts davon gestohlen. Die Biester können richtig groß werden und ihre Bisse schmerzen. Ich sammele meine Schätze zusammen und sprinte zurück zum Versteck. Ich drücke mich durch ein enges Loch. Meine Kinder warten schon. Sie hören mich und wuseln aufgeregt um mich herum, weil auch sie den Duft meiner Beute in der Nase haben. Meine Milch reicht ihnen nicht mehr, aber zum Jagen ist es noch zu früh. Über uns höre ich die Schritte der Menschen. Was ich mitgebracht habe, reicht nicht. Ich weiß, dass ich noch einmal raus muss, denn ich habe keine Wahl. Bald wird es leichter, dann können meine Kinder mit auf Beutezug. Vielleicht überstehen wir den Winter, bis die Menschen uns bemerken. Sie mögen uns nicht und verjagen uns, hetzen ihre Hunde auf uns oder verteilen stinkende Köder und Fallen, im uns fernzuhalten. Sie wollen uns nicht. Wenn ich könnte würde ich meine Kinder in einem holen Baumstumpf sicher wissen, doch hier gibt es keine richtigen Wälder mehr. Sie wurden verdrängt von den Menschen mit Ihren Häusern aus tristem grauem Stein. Ich schärfe meinen Kleinen noch einmal eindringlich ein, sich ruhig zu verhalten, während ich unterwegs bin. Dann zwänge ich meinen Körper mit dem dichten grauschwarzen Fell durch den Eingang. Die Nacht ist noch nicht vorüber. Ich gebe nicht auf.

Perry

Es war ein Morgen des Schicksals, der mich aus meinem sicheren Heim in die Weite des städtischen Dschungels trieb. In einer Stadt, umgeben von Glas und Stahl, begann mein neues Leben. Anfangs ängstlich, bald fasziniert von der Fremdheit der Geräusche und dem beständigen Wirbel um mich herum.

Die ersten Tage waren hart. Ich fand Essen an ungewöhnlichen Orten, sichere Ruheplätze in versteckten grünen Flecken. Die Stadt, ein Labyrinth aus Licht, Schatten, wurde mein Revier.

Ich beobachtete die anderen Stadttiere: Tauben, elegant zwischen Menschen, Kenner der U-Bahn, Katzen, die in dunklen Gassen verschwanden, Waschbären, gerissen in Mülltonnen, listige Eichhörnchen. Sie beherrschten ihre Welt, ich aber war anders.

Meine Stimme war meine Stärke. Ich ahmte Menschenworte nach, anfangs ein Spiel, bald mehr. Meine Worte bewirkten etwas. Sie brachten Menschen zum Lachen, zum Nachdenken, boten Ablenkung.

Ein Tag am Markt, zwei ältere Damen sprachen über Verwandte, die sie vermissten. Ich rief spontan: „Besuche sie!“ Ihr Lachen war Musik. Meine Worte waren Brücken, verbanden mich mit den Menschen.

Tage voll kleiner Streiche, Beobachtungen. Ich liebte es, menschliche Eigenarten aufzugreifen, Worte im falschen Moment zu wiederholen. „Zu spät!“ rief ich einem gehetzten Geschäftsmann nach.

Der Geruch von frischem Brot zog mich an. In einer Bäckerei ließ ein Mädchen Brot fallen. „Hoppla!“ rief ich, als es den Boden berührte. Überraschung und Lachen folgten.

Im Park, Kinder spielten mit einem Ball, Hunde tollten. „Hole ihn!“ rief ich einem Hund zu. Verwirrung, Lachen, ein Echo meiner Worte im Park.
Jeder Tag eine neue Geschichte, ein Abenteuer. Ich hatte meinen Platz und meine Bestimmung gefunden, ich, Perry, der Papagei.

das Netz

Früher war ich Einzelgängerin. Stolz auf meine kunstvollen, eng gewebten und bemerkenswert stabilen Netze, um die mich andere Spinnen oft beneideten. Doch die Menschen mögen uns nicht, mochten uns noch nie sonderlich. Besonders die weiblichen. Dabei sind wir einander gar nicht so unähnlich. Wollen wir doch nur ausreichend Nahrung für unsere Liebsten, ab und zu mal einen besonders köstlichen Happen und uns dann und wann – wenn Sonne und Tau perfekt zusammenspielen – an der glitzernden Schönheit unseres Zuhauses erfreuen.

Die Welt hat sich verändert. Ist immer sauberer geworden. Wir mussten uns zusammentun, unsere Netze verstärken, unsere Nahrung besser einteilen. Überall Besenwagen, Putzroboter und Spritzkanister mit Giften, die uns das Atmen schwer und unsere Beute ungenießbar machen.

Mit meinen haarigen Beinen husche ich zu der Stelle in unserer Falle, in die heute früh ein Zementbrocken geflogen war. Ich hatte gerade mit meiner Flickarbeit begonnen, als ich eine Erschütterung bemerke. Sofort ist unsere gesamte Truppe zur Stelle. Das Netz bebt und schaukelt gefährlich. Es ist zum Zerreißen gespannt, denn unser Opfer zappelt erbärmlich. In Windeseile produzieren wir Faden und wickeln unser Päckchen ein. Eine kleine Ratte – welch´ Volltreffer! Davon würden wir bis Weihnachten leben können.

Könige der Stadt

Ich und meine Gang sind die Könige der Stadt,

tanzen edel durch die Straßen,

das Kleid ist schwarz matt.

Ob am Boden, auf Straßen aus Teer und Asphalt,

oder im Himmel, dessen Blau die Welt umkrallt,

sind wir die Schlausten, die Schönsten, allen überlegen

wir sind die Raben, die auch in deinen Straßen leben.

Vor einigen Tagen entschloss ich mich dazu, meinen Schreibtisch aufzuräumen. Nachdem ich bereits die oberste Schicht an Unordnung beseitigt hatte, stolperte ich über das Buch „Joachim Ringelnatz - Schöne Gedichte“. Ein breites Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich es in die Hand nahm und mich in meinen gemütlichen Schreibtischsessel sinken ließ. Ein vergessenes Lesezeichen im Buch zeigte mir, an welcher Stelle ich innehalten sollte, und ich begann, laut vorzulesen:

„In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh,
und da verzichteten sie weise
Denn auf den letzten Teil der Reise.“

Mit einem tiefen Seufzer stand ich auf, legte das Buch beiseite und blickte aus dem Fenster. Draußen erstreckte sich die Welt, groß und unerforscht, und doch so oft eingeschränkt durch die ‚schmerzenden Beine‘ unserer Realität. Inspiriert von Ringelnatz‘ humorvollem, aber tiefgründigem Blick auf das Leben, griff ich zu meinem Stift. Es war Zeit, eine Geschichte zu schreiben – eine Geschichte über Umsetzungen von Ideen und Plänen Reisen, über das Erreichen und das Akzeptieren von Grenzen, über das Finden von Abenteuern in den kleinen Dingen und darüber, wie oft die größten Reisen die sind, die wir in unserem eigenen Herzen und Geist unternehmen.

                               **Die Ameisen auf Reisen**

Mein Name ist Formicidae, aber du kannst mich Tony nennen. Ich bin eine Ameise, die im Herzen eines Großstadt-Dschungels lebt, einem Ort, der mich zunehmend frustriert. Sehe in mir den Indiana Jones der Insektenwelt, immer auf der Suche nach dem heiligen Gral der Sauberkeit in einer Welt voller Hundekacke und Kaugummi auf dem Bürgersteig, leerer Fast-Food-Verpackungen und Zigarettenstummel.
„Eines muss ich mal loswerden“, verkündete ich eines Tages meinen Ameisenkollegen, während wir einen gigantischen Berg aus Pommes-Frites bezwangen. „Warum lassen wir uns von diesem Chaos umgeben? Wir könnten stattdessen …“
„… in einem Park leben!“, vervollständigte Fritz, mein bester Freund und ein Meister im Versuch, Gedanken zu lesen – oder zumindest in Gedanken zu stöbern.
„Genau!“, rief ich begeistert aus. „Stell dir vor: frische Luft, kein Müll, nur wir und die Natur!“

Eines Tages, während ich auf einem vergessenen Keksbrösel balancierte und darüber nachdachte, kam mir eine verrückte Idee. Ich hatte einen schrägen Plan im Kopf, und ich war fest entschlossen, ihn in die Tat umzusetzen. Wir bauen einen Tunnel!

An einem sonnigen Tag versammelte ich meine Freunde zu einer außerordentlichen Ameisenversammlung auf einem alten Kaugummipapier. Die Stimmung war gespannt, als ich mein Vorhaben präsentierte. Einige Ameisen schauten mich skeptisch an, aber ich ließ mich nicht beirren: „Denkt nur an all die großartigen Dinge, die uns auf der anderen Seite der Straße in diesem paradiesischen Park erwarten. Saftige Blätter ohne Zigarettenstummel, kristallklare Bäche ohne Plastiktüten und makellose Picknickplätze ohne Kaugummi auf dem Boden.“
„Hahaha“, kam von unserem Einsatzleiter. „Nach dem zwölften Schritt auf der Straße wirst du flacher sein als das Papier, auf dem du gerade stehst. Zwischen uns und dem Park liegt der meistbefahrene Highway von ganz Hamburg. Null Chance – vergiss es und komm lieber und probiere diese Tomatensoße.“ Die anderen Ameisen lachten, und dann erst recht, als ich von meinem Maulwurfmasterplan sprach.
„Ein Tunnel ist perfekt, damit kommen wir unterirdisch rüber und das ohne, von gigantischen Schuhen oder Reifen plattgestampft zu werden“, fügte Fritz hinzu, was nochmals zu Gelächter führte.
Aber wir waren von meiner Idee überzeugt. Der Plan war simpel, aber gewagt. Wir würden einen Tunnel graben, einen langen Tunnel, der uns unter der Straße hindurchführen sollte. W. Fritz zeichnete eine Karte, auf der saubere Orte markiert waren, basierend auf Gerüchten und Ameisenwissenschaft.

Am Vorabend unserer großen Flucht feierten wir ausgelassen. Es gab Kuchenkrümel, Tropfen Limonade und wir tanzten bis in die frühen Morgenstunden. „Auf, zu einem neuen Leben!“, riefen wir, unsere kleinen Füße schmerzten vom ausgelassenen Tanzen.

Am nächsten Morgen, mit müden Augen, aber voller Hoffnung, begaben Fritz und ich uns in den von uns selbst gegrabenen Tunnel. „Auf ins Abenteuer!“, rief ich, während wir uns in die Dunkelheit wagten.
Von unserem weisen Ameisen-Scout hatten wir den ultimativen Insidertipp erhalten: In nur dreißig Metern Entfernung befand sich eine Baustelle. Aber ehrlich gesagt, in Hamburg gibt es vermutlich mehr Baustellen als Ameisen auf einem Zuckerstückchen! Also machten wir uns auf den Weg zu diesem vermeintlichen Eldorado der Baustellen.
Als wir endlich vor Ort ankamen, fanden wir ein Schild mit der Aufschrift „Baustelle“ und eine Absperrung, aber keine Bauarbeiter in Sicht. Wir Ameisen rieben uns verwundert die Fühler. „Sind wir zu früh oder zu spät gekommen?“, fragte Fritz mit einem skeptischen Klickern.
Unerschrocken wagten wir uns vor. Doch oh, welch ein Abenteuer erwartete uns. Wir mussten uns vor riesigen Regentropfen in Sicherheit bringen, uns durch ein Wurzellabyrinth kämpfen und sogar eine rasante Rutschpartie auf einem gigantischen Lutscher überstehen. Ich sage euch, selbst die besten Achterbahnen würden vor Neid erblassen!

Nachdem wir uns gestärkt hatten, beschlossen wir, den Tunnel zu graben. Der Boden erwies sich jedoch als hartnäckiger als ein Keks, den man aus dem Glas nicht herausbekommt. Gegen Abend gaben wir erschöpft auf, und die Enttäuschung hing schwer in der Luft wie der Duft eines vergessenen Bratwurstdöners.
Wir Ameisen sind hartnäckige Kämpfer, darum fiel es uns sehr schwer, den Traum vom Park aufzugeben. Bevor wir den Heimweg antraten, beschlossen wir, noch einmal zum Park hinüberzuspähen. Wir kletterten auf eine Barke der Baustellenabsperrung, und just als wir uns in der Mitte befanden, passierte das Unglaubliche!
Ein riesiger Bauarbeiter packte unsere Barke und stellte sie auf die andere Straßenseite. Wir zitterten am ganzen Panzer und klammerten uns verzweifelt fest. Die Ameisenachterbahn war zurück, und diesmal gab es keinen Ausstieg!

Aber siehe da, wir erreichten tatsächlich unser Ziel. Die Parklandschaft war so atemberaubend schön, dass selbst unsere winzigen Ameisenmundwinkel vor Freude zu grinsen begannen - und das bei Ameisen ist so selten wie ein Schneemann im Sommer! Die Luft roch nach Freiheit und Frühling, als ob ein Parfümflacon von „Ameisenwonne“ über uns ausgekippt worden wäre, die Blumen strahlten in den lebhaftesten Farben, als ob sie an einem Neonlichtwettbewerb teilnahmen, und es gab Delikatessen, von denen wir zuvor nur geträumt hatten. Es war, als ob der Ameisenhimmel auf Erden eröffnet hätte!
Wir tanzten vor Freude, und da sah ich neben einer Parkbank einen angebissenen Hamburger liegen. Mein Herz raste vor Aufregung - endlich eine würzige Belohnung für unser großartiges Abenteuer! Wer hätte gedacht, dass unser Abenteuer mit einem „McSchmaus“ enden würde?
Wir beschlossen, unsere Ameisen-VIP-Lounges unter den Blättern aufzuschlagen und lebten ab diesem Moment in unserem eigenen, winzigen Paradies.

Also, meine lieben Freunde, träumt Eure Träume, verwirklicht Eure Ideen, lacht viel und denkt daran: In jedem von uns steckt ein kleiner Abenteurer! Möge euer Leben so aufregend sein wie eine Ameisenreise durch den Großstadt-Dschungel – voller Mut, Humor und unvergesslicher Erlebnisse.