Vor einigen Tagen entschloss ich mich dazu, meinen Schreibtisch aufzuräumen. Nachdem ich bereits die oberste Schicht an Unordnung beseitigt hatte, stolperte ich über das Buch „Joachim Ringelnatz - Schöne Gedichte“. Ein breites Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich es in die Hand nahm und mich in meinen gemütlichen Schreibtischsessel sinken ließ. Ein vergessenes Lesezeichen im Buch zeigte mir, an welcher Stelle ich innehalten sollte, und ich begann, laut vorzulesen:
„In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh,
und da verzichteten sie weise
Denn auf den letzten Teil der Reise.“
Mit einem tiefen Seufzer stand ich auf, legte das Buch beiseite und blickte aus dem Fenster. Draußen erstreckte sich die Welt, groß und unerforscht, und doch so oft eingeschränkt durch die ‚schmerzenden Beine‘ unserer Realität. Inspiriert von Ringelnatz‘ humorvollem, aber tiefgründigem Blick auf das Leben, griff ich zu meinem Stift. Es war Zeit, eine Geschichte zu schreiben – eine Geschichte über Umsetzungen von Ideen und Plänen Reisen, über das Erreichen und das Akzeptieren von Grenzen, über das Finden von Abenteuern in den kleinen Dingen und darüber, wie oft die größten Reisen die sind, die wir in unserem eigenen Herzen und Geist unternehmen.
**Die Ameisen auf Reisen**
Mein Name ist Formicidae, aber du kannst mich Tony nennen. Ich bin eine Ameise, die im Herzen eines Großstadt-Dschungels lebt, einem Ort, der mich zunehmend frustriert. Sehe in mir den Indiana Jones der Insektenwelt, immer auf der Suche nach dem heiligen Gral der Sauberkeit in einer Welt voller Hundekacke und Kaugummi auf dem Bürgersteig, leerer Fast-Food-Verpackungen und Zigarettenstummel.
„Eines muss ich mal loswerden“, verkündete ich eines Tages meinen Ameisenkollegen, während wir einen gigantischen Berg aus Pommes-Frites bezwangen. „Warum lassen wir uns von diesem Chaos umgeben? Wir könnten stattdessen …“
„… in einem Park leben!“, vervollständigte Fritz, mein bester Freund und ein Meister im Versuch, Gedanken zu lesen – oder zumindest in Gedanken zu stöbern.
„Genau!“, rief ich begeistert aus. „Stell dir vor: frische Luft, kein Müll, nur wir und die Natur!“
Eines Tages, während ich auf einem vergessenen Keksbrösel balancierte und darüber nachdachte, kam mir eine verrückte Idee. Ich hatte einen schrägen Plan im Kopf, und ich war fest entschlossen, ihn in die Tat umzusetzen. Wir bauen einen Tunnel!
An einem sonnigen Tag versammelte ich meine Freunde zu einer außerordentlichen Ameisenversammlung auf einem alten Kaugummipapier. Die Stimmung war gespannt, als ich mein Vorhaben präsentierte. Einige Ameisen schauten mich skeptisch an, aber ich ließ mich nicht beirren: „Denkt nur an all die großartigen Dinge, die uns auf der anderen Seite der Straße in diesem paradiesischen Park erwarten. Saftige Blätter ohne Zigarettenstummel, kristallklare Bäche ohne Plastiktüten und makellose Picknickplätze ohne Kaugummi auf dem Boden.“
„Hahaha“, kam von unserem Einsatzleiter. „Nach dem zwölften Schritt auf der Straße wirst du flacher sein als das Papier, auf dem du gerade stehst. Zwischen uns und dem Park liegt der meistbefahrene Highway von ganz Hamburg. Null Chance – vergiss es und komm lieber und probiere diese Tomatensoße.“ Die anderen Ameisen lachten, und dann erst recht, als ich von meinem Maulwurfmasterplan sprach.
„Ein Tunnel ist perfekt, damit kommen wir unterirdisch rüber und das ohne, von gigantischen Schuhen oder Reifen plattgestampft zu werden“, fügte Fritz hinzu, was nochmals zu Gelächter führte.
Aber wir waren von meiner Idee überzeugt. Der Plan war simpel, aber gewagt. Wir würden einen Tunnel graben, einen langen Tunnel, der uns unter der Straße hindurchführen sollte. W. Fritz zeichnete eine Karte, auf der saubere Orte markiert waren, basierend auf Gerüchten und Ameisenwissenschaft.
Am Vorabend unserer großen Flucht feierten wir ausgelassen. Es gab Kuchenkrümel, Tropfen Limonade und wir tanzten bis in die frühen Morgenstunden. „Auf, zu einem neuen Leben!“, riefen wir, unsere kleinen Füße schmerzten vom ausgelassenen Tanzen.
Am nächsten Morgen, mit müden Augen, aber voller Hoffnung, begaben Fritz und ich uns in den von uns selbst gegrabenen Tunnel. „Auf ins Abenteuer!“, rief ich, während wir uns in die Dunkelheit wagten.
Von unserem weisen Ameisen-Scout hatten wir den ultimativen Insidertipp erhalten: In nur dreißig Metern Entfernung befand sich eine Baustelle. Aber ehrlich gesagt, in Hamburg gibt es vermutlich mehr Baustellen als Ameisen auf einem Zuckerstückchen! Also machten wir uns auf den Weg zu diesem vermeintlichen Eldorado der Baustellen.
Als wir endlich vor Ort ankamen, fanden wir ein Schild mit der Aufschrift „Baustelle“ und eine Absperrung, aber keine Bauarbeiter in Sicht. Wir Ameisen rieben uns verwundert die Fühler. „Sind wir zu früh oder zu spät gekommen?“, fragte Fritz mit einem skeptischen Klickern.
Unerschrocken wagten wir uns vor. Doch oh, welch ein Abenteuer erwartete uns. Wir mussten uns vor riesigen Regentropfen in Sicherheit bringen, uns durch ein Wurzellabyrinth kämpfen und sogar eine rasante Rutschpartie auf einem gigantischen Lutscher überstehen. Ich sage euch, selbst die besten Achterbahnen würden vor Neid erblassen!
Nachdem wir uns gestärkt hatten, beschlossen wir, den Tunnel zu graben. Der Boden erwies sich jedoch als hartnäckiger als ein Keks, den man aus dem Glas nicht herausbekommt. Gegen Abend gaben wir erschöpft auf, und die Enttäuschung hing schwer in der Luft wie der Duft eines vergessenen Bratwurstdöners.
Wir Ameisen sind hartnäckige Kämpfer, darum fiel es uns sehr schwer, den Traum vom Park aufzugeben. Bevor wir den Heimweg antraten, beschlossen wir, noch einmal zum Park hinüberzuspähen. Wir kletterten auf eine Barke der Baustellenabsperrung, und just als wir uns in der Mitte befanden, passierte das Unglaubliche!
Ein riesiger Bauarbeiter packte unsere Barke und stellte sie auf die andere Straßenseite. Wir zitterten am ganzen Panzer und klammerten uns verzweifelt fest. Die Ameisenachterbahn war zurück, und diesmal gab es keinen Ausstieg!
Aber siehe da, wir erreichten tatsächlich unser Ziel. Die Parklandschaft war so atemberaubend schön, dass selbst unsere winzigen Ameisenmundwinkel vor Freude zu grinsen begannen - und das bei Ameisen ist so selten wie ein Schneemann im Sommer! Die Luft roch nach Freiheit und Frühling, als ob ein Parfümflacon von „Ameisenwonne“ über uns ausgekippt worden wäre, die Blumen strahlten in den lebhaftesten Farben, als ob sie an einem Neonlichtwettbewerb teilnahmen, und es gab Delikatessen, von denen wir zuvor nur geträumt hatten. Es war, als ob der Ameisenhimmel auf Erden eröffnet hätte!
Wir tanzten vor Freude, und da sah ich neben einer Parkbank einen angebissenen Hamburger liegen. Mein Herz raste vor Aufregung - endlich eine würzige Belohnung für unser großartiges Abenteuer! Wer hätte gedacht, dass unser Abenteuer mit einem „McSchmaus“ enden würde?
Wir beschlossen, unsere Ameisen-VIP-Lounges unter den Blättern aufzuschlagen und lebten ab diesem Moment in unserem eigenen, winzigen Paradies.
Also, meine lieben Freunde, träumt Eure Träume, verwirklicht Eure Ideen, lacht viel und denkt daran: In jedem von uns steckt ein kleiner Abenteurer! Möge euer Leben so aufregend sein wie eine Ameisenreise durch den Großstadt-Dschungel – voller Mut, Humor und unvergesslicher Erlebnisse.