Vorwort:
Achtung: Hier wird’s richtig lang. Wer auf Tweets steht oder das Lesen von mehr als dreißig Zeilen als Belastung empfindet, sollte sich jetzt und hier genau überlegen, ob er den Novemberblues liest.
Novemberblues
„Ich fasse es nicht, ihr macht mich total fertig. Wie kann man so etwas nur tun? Ich habe Jos durchs Fenster über die Schulter geschaut. Er grübelt und grübelt. Der arme Kerl.“
„Aber, was ist denn…“
„Was ist denn, was ist denn? Was ist das für eine bescheuerte Reaktion? Wie kann man sowas im November machen?“
„Aber, es ist doch nur…“
„Schon wieder ein Aber. Was soll das? Habt ihr in eurem Laden nichts anderes auf Lager als Aber?“
„Aber…“
„Oh, was habe ich getan, dass ich so gestraft werde? Aber, aber, aber.“
„Nun lass mich doch endlich auch mal was sagen. Das ist ja wieder mal nicht zum Aushalten mit dir.“
„Ah, diesmal kein Aber. Stattdessen ein ganzer Satz. Wahrlich eine Steigerung. Vielleicht folgen jetzt endlich auch Antworten auf meine Fragen.“
"Was willst du denn wissen? Du schmeißt hier nur mit Nebelkerzen und glaubst, ich könne erraten, was dich so in Rage versetzt.“
„Siehst du, ich hatte mir genau sowas gedacht. Ihr wisst gar nicht, was ihr da tut. Ihr haut einfach mal was raus, ohne vorher die Folgen abzuwägen. Das ist grob unprofessionell, wenn ich das mal so sagen darf.“
„Aber wieso denn?“
„Ächz, schon wieder ein Aber. Wieso denn? Das will ich dir sagen. Ihr habt euch keine Gedanken gemacht, wo wir hier sind.“
„Hä? Was spielt das für eine Rolle, wo wir hier gerade sind?“
„Das spielt eine sehr große Rolle. Ich will dir aber gerne auf die Sprünge helfen. Wir sind hier im Sauerland.“
„Ja und? Das weiß ich auch, aber was willst du mir damit sagen?“
„Ihr habt in eurem Laden ja tatsächlich keine Ahnung. Schon mal was davon gehört, dass man erst recherchiert und dann schreibt? Ich vermute mal nicht.“
„Ach so, wir haben also keine Ahnung. Ok. Aber deine Vorverurteilung, das ist professionell, ja?“
„Ich verurteile nicht vor, ich benenne die Fakten.“
„Und was sind das für Fakten? Lächerlich. Quakst hier irgendwas von Sauerland, sagst aber nicht, was wir damit zu tun haben sollen.“
„Klar, dass sowas kommt. Typisch Berliner. Ihr seid einfach zu nah dran, an der Politik. Das färbt ab.“
„Was soll das denn jetzt wieder? Erst Sauerland, dann Berlin, was kommt als Nächstes?“
„Schnallst du auch nicht, was? Wenn bei den Politikern was in die Hose geht, sagen sie ‚was haben wir damit zu tun‘. Genau wie du es gerade getan hast.“
„Herr Gott nochmal, dann sag mir endlich, was es mit diesem blöden Sauerland auf sich hat.“
„Ok, ich will es dir sagen, du kommst ja eh nicht von selbst drauf. Aber vorweg noch eines: Das Sauerland ist nicht blöd, es ist wunderschön. Jedoch wird es auch als die Wiege des Novemberblues bezeichnet.“
„Hä? Und was hat das nun wieder mit uns zu tun?“
„Jetzt mach dich aber nicht kleiner, als du bist. Oder ist dir etwa entgangen, dass wir gerade im November sind?“
„Nein, ist mir nicht entgangen, aber du laberst so viel und sagst mir nichts. Werde doch mal konkret.“
„Na gut. Wie du willst. Also, ihr haut da in eurem Seitenwind mitten im November das Thema Wetter raus, ja. Wetter! Verstehst du? Regen und so. Schau doch mal, was da für Beiträge bei euch reinflattern. Ein Regen nach dem anderen. Alles erfundenes Zeug. Aber hier, im Sauerland, hier regnet es wirklich. Wenn du dir ein Stück Seife auf den Kopf legst, aus dem Haus gehst und einmal drum herumrennst, kommst du perfekt geduscht wieder rein.“
„Ha-ha, und jetzt sollen wir daran schuld sein, dass es im Sauerland regnet, ja?“
„Das es hier gerade regnet nicht, nein. Aber das Thema, zu dieser Zeit, unter diesen Umständen, das geht gar nicht. Man könnte auf den Gedanken kommen, ihr werdet von der Pharmaindustrie gesponsert. Wenn man die Leute so mit der Nase drauf stößt, ist doch klar, dass die nächsten Depressionen zur Behandlung kommen werden. Ihr tragt also wesentlich dazu bei, dass der Novemberblues seinen Anspruch auf den Hit des Monats nicht verliert.“
„Unverschämtheit. Was du uns da gerade unterstellst, das schlägt ja dem Fass den Boden aus.“
„Mag sein, aber damit helfe ich euch ja sogar.“
„Wie denn das bitte?“
„Na, dann kann das Fass im Regen nicht volllaufen. Sonst würdet ihr eh ganz schön doof dastehen.“
„Wieso würden wir das? Außerdem haben wir gar kein Fass.“
„Ja, nicht mal das habt ihr. Aber wenn ihr eines hättet, mit Boden drunter, dann solltet ihr euer Papyrus ganz schnell in Sicherheit bringen. Der Regen weicht es nämlich auf und verwandelt es im Handumdrehen in eine hässliche Brühe. So ein bisschen Seitenwind kann das Zeug dann auch nicht mehr trocknen. Da bräuchtet ihr schon einen ziemlich starken Föhn.“
„Wir haben doch gar kein Papyrus. Von was faselst du da?“
„Ich sag doch, ihr habt so vieles nicht. Keine Ahnung, keine Recherche, kein Fass und jetzt noch nicht mal Papyrus, obwohl ihr so heißt. Da darf man doch mal annehmen, dass ihr auf nem ganz schön dünnen Brett durch den Regen surft.“
„Äh…“
„Jetzt sag mit bloß nicht noch, dass ihr kein Brett habt. Ich fasse es nicht. Ihr seid aber auch auf nichts vorbereitet.“
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„Zeus, was tust du da? Du wirkst so angespannt. Ist etwas nicht in Ordnung?“
„Ach Hera, ich möchte dich mit meinem Ungemach nicht belasten. Aber wenn du es wissen willst, ich lese in einem Buch.“
„Seit wann haben wir denn ein Buch, Zeus? Sowas haben wir doch noch nie gebraucht. Was ist es denn für eines?“
„Ein Fachbuch von einem Mann namens Freud.“
„Oh, der Name gefällt mir. Freud wie Freude. Was schreibt er denn?“
„Auf jeden Fall nichts Freudiges, obwohl es von ihm ist.“
„Du spielst schon wieder mit den Worten, Zeus. Um was geht es denn nun?“
„Um Schizophrenie.“
„Schitzo… was bitte?“
„Phrenie, um Schizophrenie. Das ist eine Krankheit.“
„Z-e-u-s, was ist los? Verschweigst du mir etwa etwas?
„Nein, nein, Hera, mach die keine Sorgen um mich, mir geht es blendend. Ich mache mir Sorgen um etwas Anderes und versuche herauszufinden, wie man es heilen kann.“
„Ist das jetzt wieder so ein Ding, mit dem du deine Langeweile vertreiben willst, oder steckt mehr dahinter?“
„Diesmal steckt in der Tat mehr dahinter, geliebte Schwester, viel mehr sogar. Ich hege Zweifel, obgleich ich weiß, dass Zweifel keines Gottes würdig sind.“
„Dann verdränge sie doch einfach aus deinen Gedanken. Wozu bist du ein Gott.“
„In diesem Fall kann ich es nicht. Es betrifft mich selbst und, ich deute es nicht gerne an, im weiteren Sinne betrifft es auch dich und unsere Kinder.“
„Aha, jetzt machst du mich aber neugierig. Das sollte genügen, dass du mir deine Zweifel mitteilst. Sonst bin ich am Ende doch noch beunruhigt.“
„Nun gut. Ich gewinne immer mehr die Überzeugung, dass es damals ein Fehler von uns war, den Olymp zu verlassen, um hier auf dem Jupiter unseren Alterssitz zu gründen. Wir haben die Kontrolle abgegeben und jetzt muss ich sehen, wohin das geführt hat. Die Wetter auf der Erde machen, was sie wollen. Es herrscht so etwas wie eine Klima-Anarchie. Was wir einst so sorgfältig austariert haben, funktioniert nicht mehr. Mir scheint, das Wetter ist verrückt geworden.“
„Zeus, ich kenne dich jetzt seit ein paar tausend Jahren, ich ahne, worauf unser Gespräch hinausläuft. Zieh bitte nicht in Erwägung, dich wieder einmischen zu wollen. Seit wir vom Olymp weg sind, hatten wir nur gute Zeiten. Willst du die gefährden?“
„Ich werde es wohl müssen, mich einmischen und damit vielleicht auch unser Wohl gefährden.“
„Aber Schatz, überleg doch mal. Was willst du denn erreichen. Die Dinge sind nicht mehr wie früher. Alle unsere Verbündeten aus dem Reich der Götter haben es uns gleichgetan und sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Keiner von denen ist mehr da, die du bräuchtest, um dich unbeschadet in die Wetter einmischen zu können. Thor im Norden ist weg, Baal im Osten ist nicht mehr da und Chaac ganz im Westen auch nicht mehr. Und all die anderen haben sich ebenfalls irgendwo im Universum verstreut. Du bräuchtest eine starke Union, aber wie willst du sie alle finden?“
„Ich bräuchte sie nicht gleich alle. Die drei, die du benannt hast, würden mir reichen. Zusammen hätten wir genug Kraft, um dem Wetter zu zeigen, wie es sich zu verhalten hat.“
„Aber warum haben wir dann damals diesen ganzen Aufwand betrieb? Warum haben wir dieses Schauspiel aufgezogen, in dem Kratos dir den Schädel auf dem Felsboden zerschmetterte? Wie lange habe ich dich gepflegt, bist du wieder ganz der Alte warst. Ich dachte, wie wären uns einig, dass wir es taten, um uns zu befreien, um die Fesseln der Gottheit auf Erden ein für alle Mal abzuschütteln. Und jetzt sollen wir sie uns freiwillig wieder anlegen?“
„Nein, Hera, so weit will ich nicht gehen. Deshalb studiere ich dieses Buch von Freud. Ich hoffe, darin eine Lösung zu finden.“
„Aber du bist kein Arzt, Zeus. Von Medizin hast du noch nie etwas verstanden. Warum baust du dann ausgerechnet auf diesen Weg?“
„Weile es der einzige Weg ist, dem ich zutraue, mich ohne die Hilfe der anderen Götter zum Ziel zu führen. Und das ohne, dass wir unser Asyl verlassen und aus der Deckung treten müssen.“
„Was macht dich da so sicher, dass ein Mensch wie dieser Freud weiß, was ein Gott nicht weiß?“
„Urteile nicht so schnell über ihn. Ich habe gelesen, dass er von den Menschen als Gott in Weiß bezeichnet wurde. Bedenke bitte, dass wir dem Olymp schon lange den Rücken gekehrt hatten, als er auf die Bühne trat.“
„Was kein Garant dafür ist, dass er dein Problem lösen kann. Du hast mir außerdem noch gar nicht gesagt, was das Problem genau ist. Was macht das Wetter denn? Was es will ist ja noch keine präzise Aussage und verrückt war es doch schon immer.“
„Sicher, aber jetzt ist es auf dem besten Weg, die Erde von den Menschen zu befreien. Ich denke, nicht wissentlich, aber doch grob fahrlässig.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob wir es daran hindern sollten. Aber wie geht es denn vor?“
„An einer Stelle heizt es die Meere über Gebühr auf, dann beschwert es die Atmosphäre mit Unmengen an Wolken, die es in Wirbeln stürmen lässt, die so groß sind wie Kontinente. Es lähmt den Jetstream, ein Phänomen namens El Nino ist dabei ganz Südamerika auszutrocknen, monatelang fällt in Europa und auf anderen Erdteilen kein Tropfen Regen, bis er sich dann punktuell in solchen Mengen ergießt, dass im Nichts mehr widerstehen kann und alles wegschwimmt. Es gibt keine Koordination mehr auf der Erde, der das Wetter folgt. Alles ist zufällig und nichts ist bestimmt.“
„Aber, lieber Zeus, auch das ist doch nicht neu. Liegt das nicht in der Natur des Wetters?“
„Eben, das ist sie, du hast es ganz richtig erkannt. Deshalb haben Thor, die anderen Kollegen und ich dem Wetter einst die Schranken gewiesen und ihm solche Exzesse untersagt. Als wir gingen, hatten wir gedacht, dass das Wetter unsere Regeln auf ewig befolgt. Heute sehe und höre ich, dass es das nicht getan hat.“
„Ok, das verstehe ich, aber welche Rolle spielt jetzt dieser Freud in dem Spiel? Ist Schizophrenie etwa ein Phänomen des Wetters?“
„Nein, ganz und gar nicht. Schizophrenie ist die Spaltung einer Persönlichkeit. Wie schon gesagt, es ist eine Krankheit. Um sie zu heilen, oder zu kontrollieren, bedarf es einer Psychotherapie.“
„Das verstehe ich alles nicht. Sag mir mit einfachen Worten, was du tun willst.“
„Ich will das Wetter therapieren.“
„Ah, verstehe, du gehst davon aus, dass das Wetter krank ist, und willst es heilen. So weit so gut, aber hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, dass ein Wetter zwar die Ursache für Krankheiten anderer, selbst aber nicht krank sein kann?“
„Das vermutest du, ich sehe das aber anders.“
„Ah. Und worauf gründest du deine Sicherheit, die du mir versagst?“
„Ich habe das Wetter belauscht.“
„So, so, du hast dem Säuseln des Windes also entnommen, dass das Wetter krank ist, ja? Oder hat es etwa gehustet?“
„Ich habe nicht dem Säuseln gelauscht, ich habe ein Gespräch belauscht.“
„Ein Gespräch. Ah-ha. Mit wem hat das Wetter den g-e-s-p-r-o-c-h-e-n?“
„Mit sich selbst.“
„Jetzt verärgere mich nicht, Zeus. Wir sprechen alle mal mit uns selbst. Deshalb sind wir doch noch lange nicht krank.“
„Gewiss sind wir das nicht, aber wir sprechen ja auch nicht wirklich mit uns selbst. Wir sagen etwas und hören, was wir sagen, aber wir begeben uns nicht mit uns selbst in einen Dialog oder gar einen Zwist.“
„Aber das Wetter tut das?“
„Tut es.“
„Gut, dann stimme ich deiner Diagnose allerdings zu. Wann und über was hat sich das Wetter denn mit sich selbst unterhalten?“
„Ich habe es gestern bemerkt. Es hielt sich im Sauerland auf. Ich denke, diese Region wird dir nicht bekannt sein. Es lag mit sich in einem Streit. Das eine Wetter schimpfte das andere, etwas nicht Angemessenes getan zu haben, während das andere Wetter dies zu leugnen versuchte.“
„Und wie ist der Streit ausgegangen?“
„Das weiß ich noch nicht. Ich wurde in meiner Tätigkeit unterbrochen, als du mich fragtest, ob alles in Ordnung sei, weil ich so angespannt auf dich wirkte.“
„Oh, entschuldige, das hatte ich nicht beabsichtigt. Was wirst du als Nächstes tun?“
„Ich werde das Wetter noch eine Weile beobachten und seine Selbstgespräche belauschen. Ich hoffe, daraus Erkenntnisse für eine Therapie gewinnen zu können.“
„Wenn ich dir dabei behilflich sein kann, lass es mich bitte wissen. Ich bin jetzt auch neugierig geworden.“
Drei Tage später. Zeus hatte sich ohne Unterbrechung auf das Wirken des Wetters konzentriert und viele Gespräche belauscht. Dabei gruben sich von Stunde zu Stunde tiefere Sorgenfalten in seine Stirn.
„Langsam mache ich mir Sorgen um Dich, Zeus. Du wirkst mir schwer belastet.“
„In der Tat, Hera, das bin ich auch.“
„Und was ist der Grund dafür? Vielleicht kann ich dir helfen. Obwohl ich doch weiß, dass Hilfe unter Göttern verpönt ist. Aber du bist ja auch mein Ehegatte. Tust du dich mit deiner Therapie für das Wetter so schwer?“
„Danke, das ist lieb von dir, nur denke ich, dass sich ein weiteres Vorgehen in Sachen Wetter erübrigt.“
„Oh, was ist passiert? Woher der Sinneswandel?“
„Ich habe mich daran erinnert, was der Grund war, weshalb wir den Olymp verließen und gesehen, wohin er sich entwickelt hat.“
„Wenn ich mich recht erinnere, lag es nicht am Wetter.“
„Nein, lag es nicht. Es lag an der Unvernunft der Menschen. Wir haben ihnen Regeln aufgegeben, die zu ihrem Besten waren, aber immer wieder haben sie die über den Haufen geworfen. Irgendwann war es zu viel. Da half es uns auch nichts, dass wir Götter sind. Gegen die Unvernunft der Menschen sind wir machtlos.“
„Waren.“
„Bitte?“
„Wenn du in der Vergangenheit sprichst, heißt es waren wir machtlos, nicht sind wir machtlos.“
„Bis vor ein paar Tagen hätte ich das auch noch so gesehen, aber jetzt weiß ich, dass wir es sind.“
„Warum? Das musst du mir erklären. Hast du denn die Krankheit des Wetters aus dem Fokus verloren.“
„Nein, das habe ich nicht, ich bin nur zu einer anderen Einschätzung gekommen, was seine Krankheit angeht. Ich habe erkannt, dass das Wetter selbst unter einem Novemberblues leidet, von dem es glaubte, dass er nur Menschen ereilen könne. Mittlerweile weiß ich, wie der Virus dieses Blues auf das Wetter überspringen konnte.“
„Aha, ein Blues. Und wie?“
„Über die Unvernunft der Menschen.“
„Wie bitte? Über die Unvernunft der Menschen? Dann haben wir Götter mit dem Wetter ja mehr gemeinsam, als wir dachten.“
„So ist es. Das Wetter hat alles, in seiner Macht stehende getan, um das Verhalten der Menschen zurück auf die richtige Spur zu bekommen. Nichts hat funktioniert. Es hat Täler überflutet, Häuser weggeschwemmt und Brücken einstürzen lassen. Es ließ Wüsten wachsen, zog das Grundwasser ab und versengte die Ernten. Es blies ganze Wälder um und setzte den Schneefall in den Bergen aus. Nichts von dem, was das Wetter den Menschen damit vermitteln wollte, haben sie verstanden. Sie haben nichts besser gemacht, sondern machen alles immer schlechter. Die Menschen sind es, die verrückt geworden sind.“
„Und daran ist das Wetter verzweifelt.“
„Genauso ist es. Es fragte sich, wie es möglich sein kann, dass die Menschen, die vermeidlich intelligentesten Lebewesen auf der Erde, alles daransetzen, um sich selbst zu vernichten.“
„Und weil das Wetter von niemandem eine Antwort bekam, begann es mit sich selbst zu reden.“
„Auch das ist richtig, liebste Hera. Nur verlor das Wetter irgendwann die Kontrolle über seine Selbstgespräche und verfiel mehr und mehr in Streit mit sich selbst.“
„Und was sagt dieser Freud dazu?“
„Schizophrenie dritten Grades, unschön aber für das Umfeld harmlos. Für den Betroffenen jedoch nicht. In den meisten Fällen endet sie früher oder später im Wahnsinn.“
„Was bedeutet das dann für das Wetter?“
„Nichts Gutes, aber es hat noch eine letzte Strategie.“
„Eine letzte Strategie? Das ist interessant. Welche?“
„Es hat sich angefangen seine Kräfte zu bündeln. Seine punktuellen Kapriolen sind nur noch Ablenkung, damit die Menschen nicht merken, dass etwas Größeres im Anmarsch ist.“
„Das heißt, das Wetter hat die Menschen aufgegeben.“
„Ja und nein. Eigentlich haben die Menschen sich selbst aufgegeben, das Wetter hat nur akzeptiert, dass es so ist. Und es hat sich einen mächtigen Verbündeten an die Seite geholt, um seine Strategie schneller umsetzen zu können.“
„Wer ist das? Und was will das Wetter tun?“
„Die Natur. Gemeinsam haben sie eine Katastrophe geplant. Eine Sintflut, wie die Welt sie noch nie gesehen hat. Um vieles größer als jene, die in der Bibel beschrieben wird.“
„Dann können wir uns ja danken, dass wir hier auf den Jupiter gezogen sind. Der Olymp wird wohl mit untergehen, oder?“
„So wird es sein. Aber sei bitte mal kurz leise. Ich glaube, das Wetter spricht gerade wieder mit sich selbst.“
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Einen Augenblick lang bleibt es still, aber dann kann auch Hera hören, was sich das Wetter zu sagen hat.
„Du bist so hartnäckig. Ich versteh das langsam nicht mehr. Was ist mit euch Papyranten eigentlich los?“
„Wir sind nicht hartnäckig, wir haben einfach nur Recht. Was ist daran verkehrt, im November das Thema Wetter in eine Schreibrunde einzubringen? Schau dir doch mal die Beiträge an. Den meisten Teilnehmern gefällt das Thema.“
„Nochmal wiederhole ich das nicht. Du kapierst es eh nicht. Du glaubst doch immer noch, dass ein Novemberblues ein Hit aus New Orleans ist. Dabei habe ich ihn kreiert, ich alleine.“
„Nein, sowas glaube ich nicht.“
„Dann macht doch, was ihr wollt, aber lasst mich damit in Ruhe. Ich bin raus.“
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