Seitenwind Woche 5: Launisches Wetter

Launisches Wetter

Die Sonne hatte den ganzen Tag lang so getan, als wäre sie der heißeste Star am Himmel, und die Menschen waren mehr als bereit, einen neuen Star am Horizont zu begrüßen. Aber das Wetter war so launisch wie ein verwirrter Künstler in einem Farbenladen, und ich, der windige Spaßvogel, hatte eine geniale Idee.

Als ich mich über die Stadt legte, konnte ich das Grummeln des Donners kaum unterdrücken. Die Wolken sahen aus, als hätten sie ihre eigene Vorstellung im Kopf, und ich wollte die Hauptrolle spielen. Blitz! Donner! Die Bühne war bereit, und ich betrat sie mit einem schelmischen Grinsen.

Der Regen fiel in Strömen, als hätte jemand den Wasserhahn des Himmels aufgedreht. Die Leute rannten umher wie aufgescheuchte Hühner, und ihre sorgfältig geplanten Picknicks im Park wurden zu einer improvisierten Wasserschlacht. Regenschirme wurden in den windigen Tänzen herumgewirbelt, und die Frisuren der Damen wurden zu kunstvollen Skulpturen aus Haarklammern und Gel.

Aber das war noch nicht alles. Ich hatte eine besondere Überraschung für ein geplantes Open-Air-Festival. Die Bands versuchten, ihre Instrumente trocken zu halten, aber meine Launen kannten keine Grenzen. Die Bühne wurde zu einer Rutschbahn, und die Musiker improvisierten eine Wassershow, als sie auf ihren glitschigen Gitarren und Schlagzeugen auszurutschen drohten.

Die Festivalbesucher, die sich mit Ponchos und Gummistiefeln gewappnet hatten, hatten plötzlich das Gefühl, auf einer wilden Wasserrutsche gelandet zu sein. Die Organisatoren des Festivals sahen ihre sorgfältigen Pläne im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fallen, und ich konnte mir ein zufriedenes Kichern nicht verkneifen.

Die Menschen schimpften und fluchten über mich, den launischen Spaßvogel, aber tief im Herzen wussten sie, dass ich nur für ein bisschen Aufregung und Lachen gesorgt hatte. Denn wenn das Leben dir Regen bringt, warum nicht einfach tanzen und lachen?

Ich zog weiter, meine Streiche immer noch nicht müde, und ließ die Menschen darüber rätseln, was als Nächstes passieren würde. Denn eines war sicher: An diesen Tag würden sich die Menschen noch lange erinnern, und ich, der launische Spaßvogel, würde in ihren Geschichten und Anekdoten für immer weiterleben. Und wer weiß, vielleicht würde ich eines Tages sogar die Sonne dazu bringen, sich etwas weniger selbstverliebt zu benehmen.

Apotheose

Ich werde geboren als Flüstern. Ich flüstere auf den Straßen in die Ohren derer die zuhören. Ich flüstere von meiner baldigen Größe und vergehe mit dem Windstoß eines vorbeifahrenden Autos.

Ich werde geboren als Rascheln. Ich raschle durch die Blätter der Bäume am Straßenrand und lasse das Laub auf dem Gehweg tanzen. Ich raschle durch die Büsche im Park, durch die Zeitungen in den Auslagen der Kioske und ich vergehe, wenn sie wieder ruhen.

Ich werde geboren als Schatten. Ich jage über offene Felder und Wiesen, ich ziehe über Gebäude und Gesichter, die sich besorgt nach oben wenden und ich vergehe mit dem Strahlen der Sonne.

Ich werde geboren als Platschen. Ich platsche auf stille Teiche und ziehe große Kreise, ich platsche auf Dächer und male meine Muster auf die Fenster. Ich vergehe mit der Zeit.

Ich werde geboren als Rauschen. Ich rausche durch Häuserschluchten und kralle mich in die Kleidung der Menschen, bis sich ihr Schritt beschleunigt. Ich rausche durch die Bäume und lasse sie singen und ich vergehe erst, wenn meine Kraft versiegt.

Ich werde geboren als Erlöser. Ich fülle die Flüsse und tränke die Tiere. Ich wasche den Schmutz der Städte hinfort und gebe den Menschen frische Luft zu atmen. Ich alleine erlöse die Erde von ihrem Durst und ich vergehe erst, wenn ich alles gegeben habe, was zu geben ist.

Ich werde geboren als Zerstörer. Ich rage höher als jeder Turm, bin weiter als jede Mauer.
Ich bin das Gebirge im Himmel und ich bringe den Orkan! Meine Hände sind Legion und entreißen der Erde alles, an das sie sich nicht verzweifelt klammert, entwurzeln Bäume und lassen Häuser zittern. Sie fegen durch die Straßen und wirbeln den Müll der Menschen in die Gesichter jener die es wagen mir zu trotzen.
Meine Farbe ist sturmgrau und ich bringe den Regensturz! Ich flute ihre Städte und lasse die Flüsse über ihre Ufer treten. Ich donnere gegen die Fenster, bis niemand mehr hindurchsehen kann und mein Dröhnen übertönt den Klang der Welt.
Ich trinke das Tageslicht, bis die Sonne nicht mehr ist und bringe Blitze! Ich jage sie hinunter auf die Erde und entfessle Feuer, die niemand außer mir zu löschen vermag. Ich erleuchte das Zwielicht mit ihrer tödlichen Schönheit.
Und hört ihr nicht den Donner ihrer Ovationen? Denn ich habe es geschafft! Wer könnte jetzt noch über mir stehen? Ich halte die Welt in meinem Griff, ertränke die Hoffnung und ersticke das Licht, bis nichts übrig bleibt als der Applaus tausender unsichtbarer Hände, ohrenbetäubender mit jedem Blitz, den ich schleudere und ich werde niemals vergehen.

Ich werde geboren als Trauer. Meine Tränen fallen zart auf das, was übrig bleibt, und ich vergehe mit dem Licht eines neuen Tages.

Drachenzeit

Fantastisch! Als ich heute Morgen, noch vor den Vögeln, in den knorrigen Ästen der alten Eiche erwachte, zeichnete es sich schon ab. Ein wunderschöner Herbsttag. Nur ein paar Wolken zogen träge am Himmel entlang, mein großer Bruder hat sie genötigt. Er ist ein wirklich guter Hirte. Wenn ich groß bin, will ich auch so werden wie er. Aber erst muss ich noch etwas üben! Jetzt, kurz vor Mittag scheint sie nun so richtig: die Sonne. Warm ist sie nicht, aber sie strahlt so wunderschön! Eine Woche hat sie sich hinter dicken Regenwolken versteckt. Aber nun lockt sie mich, als hätte ich ihr genauso gefehlt wie sie mir. Juhu, die Blätter an den Bäumen leuchten am Waldrand in sattem rot und orange. Und dort, am Hochsitz, in gelb. Welch ein Fest! Ich fahre hoch, tanze rauschend durch die Zweige der Eiche, schraube mich in die Lüfte wie ein Drache, fauche und lasse mich dann stumm in den Ahorn der Meiers fallen. Dabei erschrecke ich hier einen Winzling, zupfte da am Stiel eines Riesen, kitzele dort die Ahornnasen bis sie niesend auseinanderfliegen. Mit mir rauscht eine Flut von gelben, hübsch gezackten fünffingrigen Blättern zur Erde, mitten in den Laubhaufen für Familie Igel. Ob sie noch schlafen? Ich muss unbedingt nachschauen! Auf meiner Suche drehe ich sorgsam jedes Blatt und jede Nase um, wirbele sie erst nach links, dann nach rechts. Im Gegensatz zu den störrischen Regentropfen, ist es ein leichtes, sie durch den ganzen Garten zu fegen. Sie machen sich nicht so dick und schwer. Und sie segeln so schön anmutig. Sie wollen genauso tanzen wie ich, sich drehen und wiegen, trudeln, gleiten, steigen und fallen und vor allem, sich von allen Seiten zeigen. Ich liebe diesen Reigen. Doch am Ende bin ich etwas enttäuscht. Die Igel sind schon auf und davon. Mal sehen, ob ich sie irgendwo anders aufstöbern kann. Vielleicht suchen sie ja die letzten Äpfel an der Streuobstwiese. Zärtlich fahre ich mit meinen Fingern über die Spitzen des Grases. Biege jeden Grashalm. Die Wespen halten mir ihre Flügel für eine Streicheleinheit hin, während sich am süßen Nektar des Fallobstes laben. Es kitzelt sanft, lenkt mich kurz ab. Ich träume vom vergangenen Sommer, der vom Summen erfüllten Luft, Schmetterlingen und Hummeln. Dann fällt mir Familie Igel wieder ein, aber ich treffe sie hier nicht an. Dafür kommen Luise und Stefan vorbei, sind auf dem Weg zum hinteren Gartentor. Ungewöhnlicher Weise beachten sie den jungen Amberbaum links von der Forte gar nicht. Dabei leuchtet sein Laub in der Sonne so bezaubernd. Genau wie Luises Sommersprossen. Oben sind die Blätter bereits rotbraun-orange eingefärbt, die eine Seite zeigt sich eher gelb-grün, die andere orange-gelb. Ich muss seine kleinen Hände einfach schütteln! Wie kann man die denn auch ignorieren? Ich muss sie den Kindern einfach zeigen. Dann springen und tanzen sie bestimmt mit mir im Laub herum. Mit einem Boogie tanze ich von der Seite auf sie zu… und halte inne.

Was tragt ihr denn da unter dem Arm? Ist es das, was ich glaube? Bitte, bitte, bitte, lasst es so sein. Es ist schon sooo lange her, dass ich sie gesehen habe und ihr sie mir zum Spielen überlassen habt! Ich will mich an ihnen mit euch gemeinsam so richtig austoben und zum Dank wieder euer Jauchzen, eure Ahh- und Wow-Rufe hören. Ja, eilt zum Feld, ich sause hinter, vor, neben, über und zwischen euch durch, bitte und bettle, dass ihr euch beeilt, die Stangen, die Stoffbahnen, die langen Schnüre auszupacken und abzuwickeln. Ja! Juhu! Ich zupfe begeistert an euren Mitbringseln, euren Mützen, reiße an euren Tüchern und Hosenbeinen. Ihr zieht die Schultern hoch. Euch ist kalt, ich sehe es an euren Nasenspitzen, aber ihr traut euch heraus. Weil es nichts schöneres gibt, als im Herbst mit meiner Hilfe diese leuchtend bunten Dinger fliegen zu lassen. Ihre Regenbogenfarben leuchten am Firmament, ihre lachenden Gesichter tanzen mit mir und miteinander, schauen von hoch oben auf euch runter. Sie zerren an ihren Leinen, weil sie von mir höher und höher getragen werden wollen, ihr rennt übers Feld, stoßt fasst zusammen, gebt Leine, holt sie wieder ein, bis ich noch ein Stück verlange. Ich schraube, drehe, segle, falle und kreisel, jongliere wie ein Akrobat, ein Puppenspieler der ganz besonderen Art bin ich. Und ihr jauchzt und rennt, lacht, hofft und träumt von der großen Freiheit…
bis ich die Igel sehe und mich auf den Weg zu ihnen mache, entschuldigt mich, ich bin dann mal kurz weg. Wirklich nur kurz.

Stille Wut

In mir tobt es und doch ist es ganz still. Vor mir verkriechen sich die Menschen in Kellerlöchern und halten den Atem an, Tiere flüchten, ohne zu wissen, wohin.

Manchmal erwische ich einen Bösewicht, den ich genau in mein Auge fasse, schließe ihn ein in meine Hülle und zerbrülle ihm lautlos seine Ohren. Erkennt er mich dann als mahnenden Finger Gottes, der drohend mit Höchstgeschwindigkeiten über Land, Städte und Wälder wirbelt, ist es für ihn zu spät. Er hat meine Wut verdient.

Oft aber treffe ich die Ärmsten der Armen. Ich versuche mich zusammenzureißen und ziehe dennoch ihre Hütten am Strand in die Tiefe. Ein Erdrutsch, heißt es später, löschte ganze Armenviertel an der Küste von XY aus und ließ ihre ärmlichen Behausungen ins Meer fallen.

Jemand gibt mir dann einen Namen und damit die Schuld am Geschehen. Dabei bin ich aus Natur geschaffen, welche von Menschenhand verändert wird. Ich bin gewoben aus Luftschichten mit unterschiedlichen Temperaturen, muss sie ausgleichen und dabei Zerstörung und Verwüstung hinterlassen, und nie ist es meine Wahl. Ich bin wer ich bin, ein einfacher Hurrikan.

Wut steigt in mir auf. Ich reiße an Dächern, trenne Familien, rolle alles was mir begegnet zu einem großen Knäuel zusammen und werfe es wie Strohballen durch die Luft. Doch bevor mir die Luft ausgeht ziehe ich an Wurzeln und lege Wälder flach. Hunderte Jahre alte Eichen sind vor mir nicht sicherer als junge Fichten. Sie biegen sich in meinem Wind oder krallen sich verzweifelt tief in die Erde. Nur die stärksten können mir widerstehen, so ist die Natur.
Ich lasse Regen niedersinken, oder Sturmfluten entstehen, wasche Straßen leer, befreie von Luxus oder raube auch noch das letzte bisschen Hab und Gut.

Viele sehen mich mit Begeisterung, ehrfürchtig erkennen sie mein gewaltiges Potential, verfolgen mich und hoffen, nur weil sie mir huldigen, könnte ich gerade sie verschonen. Dabei bin ich nur eine weitere Faszination.
Ich greife sie wie Pappmaschee, begleite sie bei ihrem letzten wirbelndem Tanz durch die Lüfte und lege sie an fremden Orten ab. Dort scheint schon die Sonne, als wäre nichts geschehen.

Wilde Romanze mit Folgen

Dieses Jahr konnte ich den Sommer kaum erwarten. Ich hatte mir vorgenommen dem Mittelmeer einen längeren Besuch abzustatten.
Im Juni begann meine Reise und ich begegnete Holger schon im Luftraum über Italien.

Es war für mich Liebe auf den ersten Blick und da er sich gerade von seiner letzten Beziehung getrennt hatte, stand uns nichts mehr im Weg, eine leidenschaftliche Affäre zu beginnen.

Die Nächte mit Holger waren an Anfang warm und wir schauten uns die wunderschönen Sonnenuntergänge an. Gemeinsam verbrachten wir heiße Nächte und die Temperaturen stiegen, je intensiver wir uns kennen lernten.

In der Sahara sammelten wir Sand und schickten ihn an unsere Freunde im Norden, auch sie sollten so wunderschöne Sonnenuntergänge erleben, wie wir beide.
Unser gemeinsames Glück wollten wir einfach mit anderen teilen.

Traumhafte Bilder von feuerroten Sonnenuntergängen füllten die Sozialen Medien.
Das machte uns stolz und wir schickten noch mehr Sand in den Norden.

Überall, wo wir hinkamen, waren die Leute erfreut über unseren Besuch, obwohl einige sagten, wir wären einfach zu heiß und schon unser Anblick würde sie ins Schwitzen bringen.

Der Sommer verging wie im Flug.
Dann, eines Tages, kam Berta daher geweht.
Sie war kräftig und stürmisch zu gleich.

Als sie sah, dass ich mit Holger angebandelt hatte, ergoss sie sich in Tränen. Sie weinte und weinte, dazu ihre extrem starken Emotionen.
Grollend, mit blitzenden Augen, machte sie sich breit und verdrängte mich. Ihre Tränen ergossen sich über ganz Europa und viele unserer Freunde litten Not.

Immer wieder versuchte ich an Holger heranzukommen, aber Berta war einfach zu niederträchtig. Sie isolierte Holger und machte ihn ganz klein.

Einmal gelang es mir fast, ich sah Holger in der Ferne.
Berta bemerkte es sofort und sie stürmte sofort zu ihm. Hinterließ dabei eine Spur der Vernichtung.

Mittlerweile war der Sommer zu ende und ich reiste in meine Heimat zurück.
Berta hatte meine Welt verändert, ihre Eifersucht hatte alles zerstört.

Jetzt weine ich, doch durch mein Erlebnis mit Berta, wurde die Welt kalt und statt Tränen fielen Schneeflocken und deckten alles, was sie zerstört hatte mit einer großen weißen Decke aus Schnee ab.

Das erfreute mich so sehr, dass ich wieder scheine.

Durch das wald’ge Tal
wehe ich, der Winterwind,
bring’ funkelnden Schnee.

Ich wander’, steh hoch
am Firmament gleißend hell,
brenn’ alles nieder.

Ich liebe den Klang -
Regen, Blitze und Donner,
entlad’ mich kraftvoll.

Ich falle hinab
nie allein, nur gemeinsam,
im Regenschauer.

Luftig, bauschig, weiß,
so zieh’ ich durch die Bergwelt
gelenkt nur vom Wind.


Haiku ist eine traditionelle japanische Gedichtform, die heute weltweit verbreitet ist. Das (oder der) Haiku gilt als die kürzeste Gedichtform der Welt. Japanische Haiku bestehen meistens aus drei Wortgruppen von 5 – 7 – 5 Silben.

Der Berufene

… Wettervorhersage?
Zugegeben. Mein Traumjob war das nie. Doch hatte ich eine Wahl?
„Man muss aus seinen Begabungen etwas machen!“ heißt es so schön.
Und zugegeben: wenn ich eine echte Begabung habe, dann diese eine. Sie wurde mir quasi in die Wiege gelegt.
Ich kann das Wetter vorhersagen.
Und zwar so exakt, dass manche „Kollegen“ vor Neid erblassen.
Tatsächlich baue ich manchmal sogar ganz bewusst kleine Ungenauigkeiten in meine Vorhersagen ein. „Schau an, der grandiose Wetterfrosch (wenig originell, aber so nennen sie mich beim Fernsehen) hat auch mal daneben gelegen!“, lästern sie dann.
Zum Beispiel bei der Hochzeit des Ministers, der ein enger Freund unseres Intendanten ist. „Ungetrübten Sonnenschein“ hatte ich prophezeit. Und was passierte? Kaum verließen das Brautpaar und seine Gäste - ein Haufen aufgeblasener Schickimickis - das Standesamt, brach unvermittelt ein heftiger Platzregen über sie herein. Kein Schirm weit und breit. Gefundenes Fressen für die Fotografen. Schlagzeilen für die Reporter. Und eine heimliche Genugtuung für mich, gebe ich gerne zu. Weil ich den Minister für einen arroganten Fatzke halte, der täglich dazu beiträgt, dass unsere Wirtschaft weiter den Bach runter geht. Der Intendant hätte mich vermutlich am liebsten in Stücke gerissen. Aber was konnte er mir schon vorwerfen? Keiner meiner Meteorologen-Kollegen, wirklich keiner, hatte etwas anderes als strahlenden Sonnenschein vorhergesagt.
Wie konnten sie auch?
Sie haben es nicht in der Hand.
Sie mühen sich, aus den Krumen, die ich von meinem Teller fallen lasse, Daten zu schaffen, die ihnen bei ihren Vorhersagen helfen. Jahrelang müssen sie studieren, bis sie sich großspurig „Meteorologen“ nennen dürfen.
Selbst ich habe mich durch diese Ausbildung ackern müssen. Doch was für meine Kommilitonen harte Arbeit war, fühlte sich für mich eher an wie eine Psychoanalyse. Wobei ich ehrlicherweise nicht das Gefühl hatte, viel Neues über mich zu erfahren.
Was soll ich sagen?

Ich bin das Wetter.

Ich kann es nieseln, regnen, schneien, winden oder stürmen lassen. Ich lasse Orkane und Windhosen über das Land ziehen, wenn mir danach ist. Gewitter, Hagel, Blitz und Donner sind mein Werk, Hitzewellen und Fön mein Hobby, El Niño und La Niña meine Meisterstücke.
Niemand weiß davon. Nicht auszudenken, welches Schicksal mir blühte, würden meine Fähigkeiten bekannt. Seit mein Urururgroßvater fast als Hexenmeister auf dem Scheiterhaufen geendet wäre, lassen wir in unserer Familie größte Vorsicht walten. Niemand, wirklich niemand kennt unsere ganz besondere Gabe, die von einer Generation an die nächste vererbt wird.
Natürlich waren wir immer darauf bedacht, einen gewissen Profit aus unserer Begabung zu schlagen. Als Farmer zum Beispiel, als Viehzüchter oder auch als Winzer. Doch nie war es so bequem wie in der heutigen Zeit.
Man bezahlt mich dafür, dass ich im Fernsehen die Ergebnisse meiner eigenen „Arbeit“ vorhersage. Man bezahlt mich sogar ausgezeichnet - denn ich gelte allgemein als der Beste meines Fachs.
Man respektiert mich und ich habe sogar „Fans“, die mich um Autogramme bitten. Im Restaurant bekomme ich stets den besten Platz. Und wenn ich mit meinen Freunden im Biergarten sitze, hat noch nie eine Regenwolke die Stimmung getrübt.

Kommen wir jetzt zur Wettervorhersage.

Gnade

Seit jeher sehnen sich die Menschen danach, Einfluss auf mich nehmen zu können. Ihr Überleben hängt von meiner Gnade ab.

Sie beschwören mich mit ihren lächerlich anmutenden Opfern.
Sie nehmen das Leben eines starken Widders, verbrennen ihr hart erarbeitetes Brot, dessen Getreide mein barmherziges Antlitz imVorjahr erblicken durfte.
Ich tränke ihr Vieh. Ich tränke sie.

Ich tränke ihre Äcker. Der Samen quillt. Seine Wurzeln dürsten nach meinem Lebenselixier; die Sehnsucht der Menschen ist dem des Samenkorn gleich.

Sie haben mit der Zeit beide kreative Wege gefunden, meine Quellen zu erschließen. Doch bin ich ungnädig, verdörrt sowohl das Pflänzchen, als auch die Hoffnung der Menschen.

Den Moment, in dem alle Gaben an mich vergeblich erscheinen und sich die Zukunft schwarz wie das Gewand der Krähen in ihren Gesichtern spiegelt und ich dann doch Gnade spende.

Winzige Tropfen, die erst zögerlich niedergehen. Die zunächst blitzartig verdampfen. Ihre mannigfache Anzahl dann in einen seichten, aber kontinuierlichen Niederschlag übergeht und auf trocken-rissige Scholle herabprasselt.

Wenn sich Trauer und Perspektivlosigkeit in ungläubige Freude verwandelt. Ihre Stoßgebete des Dankes und ihre Tränen gefüllten Augen, die mit mir gemeinsam alle Angst und Sorge hinfortwaschen und Flucht zumindest dieses Jahr keine Überlebensstrategie darstellt.

Ich brauche eure Opfergaben nicht, mein Beginn und mein Ende, einzig aus Gnade.

Ganz langsam und mühevoll komme ich mich aus meinem Tiefschlaf empor. Träge und faul versuche ich, mich zu spüren. Was soll das alles? Was bitte hat mich jetzt wieder gestört? Es ist doch noch gar nicht so lange her, dass ich meiner schlechten Laune Luft gemacht habe oder? Kann man mich nicht einmal 1000 Jahre in Frieden lassen? Darf ich nicht einfach mal ein paar hunderttausend Jahre faul herumliegen und nichts tun?
Verdammt nochmal, ich habe gerade eben etliche hundert Millionen Kubikmeter Land verschoben, ich habe das verfluchte Wasser verdrängt und Inseln erschaffen und jetzt… jetzt darf ich immer noch nicht ausruhen? Da muss einem doch das Magma hochkommen oder? Nein, ich rege mich jetzt nicht auf.
Nein… ruhig Alter… Sonst platzt du wieder.
Ach, ich pfeif auf Ruhe! Ich will mich aufregen! Jetzt hab ich Magendrücken und meine Gedärme rumpeln! Warum immer ich? Ich bin müde! Ich will schlafen! Ich will meine Ruhe! Aber nein, nix ist mit Ruhe! Gerade eben noch habe ich alles verbrannt, verschüttet und vergiftet, da kitzeln mich Gräser und Blumen überdecken mein feines Schwefelparfum mit ihrem Gestank! Blumen! Wer bitte braucht Blumen!?
Durchatmen… nicht ärgern… schlaf einfach wieder ein.
Wie soll ich einfach wieder einschlafen, wenn dieses verdammte Grünzeug meine Decke aufbricht? Natürlich regt mich das auf! Da rieselt auch noch Wasser in meine Poren! Das geht entschieden zu weit. Echt jetzt mal, irgendwer hat zuviel reinen Sauerstoff geschluckt oder?

Nein, das ist kein Grummeln von mir, ich bin sauer! Mich sollte man wirklich mal ernst nehmen. Ich hasse Stress, ich hasse Grün, ich hasse eigentlich alles. Und vor allem hasse ich dieses Gepolter unter mir! Kann man bitte mal aufhören, mein Bett ständig zu verschieben? Ich werde ganz schief!

Es hört nicht auf! Das ist zuviel. Mir platzt gleich der Kragen! Ich habe jetzt aber mal so richtig Druck im Kessel. Und übel wird mir auch! Ich spüre, wie ich in Wallung gerate. Selber schuld! Sagte ich schon, dass ich Grünzeug hasse? Und frische Luft? Ich zeig euch mal, was ich mag!
Hitze steigt in mir auf, Feuer und Asche platzen aus mir heraus. Ich verdunkle den Himmel mit meinem kleinen Rülpser und schicke euch Beben und Funkenregen. Magma… gutes, reines Magma fließt aus mir heraus und damit es auch klar ist, wie schlecht meine Laune ist, puste ich noch ein paar pyroklastische Ströme hinterher. Na, wie schmeckt euch das? Habt ihr jetzt genug? Darf ich jetzt endlich weiterschlafen?
Herrlich. Meine Decke ist wieder geschlossen. Warm und kuschelig. Nix Wasser! Das verdampft fleißig bei meiner Berührung. Hachja… diese leblose Stille und Ruhe… irgendwie bin ich jetzt müde.

Sommersturm.

Die Stille schlägt mir wie ein vergessener Schmerz entgegen. Nirgends sind mehr Farben zu sehen, alles vergeht im schweren Dunst der feuchten Sonne. Die Menschen regen sich mit müden Gliedern. Sie zerfließen wie verblasste Farben auf welkem Papier. Man schwitzt!
Kein Wort mehr, nichts scheint zu wehen! Die Welt steht still.

In kleinen Gruppen stehen sie da, atmen klein, so als wäre jeder Zug einer zu viel. Und für manche ist er es auch!
Es ist heiß!

Vielleicht verwehe ich wieder, lasse sie in ihrem eigenen Dunst vergehen, vergesse ihr Sehnen. Lasse die schwüle Brühe auf ihren schweren Häuptern ruhen, wie die graue Erinnerung an friedvolle Stille? Wie den Duft des vergangenen Frühlings?

Doch es regt sich - eisig. In mir! Dort, wo niemand mehr aufstehen mag, am Rand der Berge. Dort stehe ich.
Ich bin bereit.

Jetzt stehen auch sie. Hoch am Himmel, sehen sie die Zeichen? Die schweren Wolken am Horizont? Ein Adler zieht seine Runden, getragen von meinen Launen. Er weiß schon, was kommen wird.

Dann breche ich herein. Aus Himmelshöhen, wie ungestüme Rosse zerreiße ich die zähe Sphäre der feuchten Glut. Mit Flügel aus Eis und Atem aus Feuer. Die alten Gedanken, längst ausgedacht, zerbrechen wie Staub.
Mein Donner trägt das Schweigen hinfort. Diese Brühe, jetzt regst sie sich!

Lang stand die Sonne hoch über der Stadt, jetzt bin ich. Mit eisiger Hand. Es ist Sommer. Es schnurre, es fließt. Die Katzen sind längst im trockenen Bett. Nur vergessene Hund sind noch vor der Tür.
Sommersturm.

Herbsterwachen

Die Sonne zieht ihre Bahnen ein Stückchen tiefer am Himmel als die Monate zuvor. Die Tage werden langsam kürzer und nicht nur der Blick auf ein Thermometer verrät, der Sommer liegt im Sterben. Doch Sterben bedeutet nicht mehr, als festzustellen, etwas Neues ist im Aufbruch.

Ein Blatt legt sich vor meinen Augen sanft zu Boden. Ein kühler Windhauch zieht an meinem Gesicht vorbei. Den Blick nach oben gerichtet, betrachte ich das Spiel der Wolken. Sie stehen hoch aufgetürmt, andere nur klein und wandern als Vorboten des kommenden, langsam über das Blau. Eine gewisse Melancholie erfasst mich, ich verliere mich in der Zeit, beim Verfolgen der sich immer wieder neu formenden weißgrauen Berge über mir.

Abgeerntete Felder breiten sich vor mir aus. Ihre Stoppeln zeugen von der einstigen Pracht, die hier im Winde wogte. Doch ist die Pracht wirklich weg? Ist vergangen, was einst die Schönheit dieses Fleckchens ausmachte? Nein, das Gesamtbild mit der Umgebung ist ein perfektes. Bäume und Büsche, Sträucher und Wiesen, welche die Felder umgeben und sie durchziehen, lassen diese durch ihre natürliche Wandlung als wundervolle große Flächen erscheinen, die ein wenig Freiheit offenbaren, Grenzenlosigkeit.

Das kristallklare Wasser eines Baches bahnt sich seinen Weg. Darauf reisen einige Blätter. Niemand weiß, wo sie einmal ankommen werden, bevor sie sich endgültig zur Ruhe legen. Nicht mehr lange und die Farben dieser Jahreszeit haben überall Einzug gehalten.

Zugvögel machen sich auf in den Süden. In großen Schaaren gleiten sie am Himmel entlang. Man sieht vereinzelt auch schon ein paar Rabenvögel, die ihrerseits zu uns geflogen sind, um zu überwintern. Ihre krächzenden Stimmen erklingen zusammen mit den Lauten der anderen Vögel. Es scheint ein loses Durcheinander, schließt man jedoch die Augen und lässt sich etwas treiben,…

Der Blick zum Horizont verrät den nahenden Abend. Der eben noch gleißende Ball der Sonne verwandelt sich in ein rundes Meer aus Rottönen und das ausgehende Licht, legt einen Mantel der farbigen Ruhe über die Wolken.

Die Menschen bleiben stehen, wo sie auch immer gerade sind und genießen. Manche nur für einen Moment. Aber sie machen es, genießen den Farbenrausch des sich verabschiedenden Tages; dieses ersten Tages, an dem der Sommer gestorben, aber dafür der Herbst geboren ist.

###Windstärke

Ich bin der Sturm und bringe den Tod.
Irgendwo über dem Nordatlantik nehme ich meinen ersten Atemzug. Ich hole tief Luft, tanke Energie für meinen langen Weg nach Osten.
Ich bin ein außergewöhnlicher Sturm.
‚Außergewöhnlich stark, außergewöhnlich schnell und außergewöhnlich zu dieser sommerlichen Jahreszeit.
Eine bestimmte Route verfolgt ich nicht, lasse mich treiben auf den Isobaren des Luftdrucks.
Mit Macht stoße ich meinen nassen Atem über der Nordsee aus, erkläre die tosende See zur todbringenden Handlangerin meiner entsetzlichen Zerstörungswut, schmiede sie zu meiner effektivsten Waffe, indem ich sie zu einer alles vernichtenden Flut auftürme.

Ich bin der Sturm und bringe den Tod.
Maskiere mich zunächst als bleiernes Wolkengebirge, welches sich, einem bösen Omen der Apokalypse gleich, zur Gänze die Sonne einverleibt und anstatt ihres goldenen Lichts eine konturlose Landschaft in ausgewaschenen Tönen hinterlässt. Der Morgenhimmel ergibt sich kampflos jener antizyklischen Nacht, die ich heraufbeschwöre. Mit meiner sturmgepeitschten Regenwand verwische ich die Grenze zwischen Himmel und Land. Einzig der Deich, der sich wie ein Rückgrat als geschwungene Linie bis hin zum Horizont zieht, stemmt sich gegen das hereinbrechende Chaos. Eisern neigt er seine flache Seite der See zu.
Ich bin der Sturm und bringe den Tod.
Als bedrohliche Wand ziehe ich heran, treibe mit meinem langen Atem Wassermassen aus dem Bauch der See vor mir her, türme sie zu nie gekannten Höhen auf. Gewaltige Brecher, deren gezackte Spitzen als flockige Gischtfontänen fortgerissen werden, rennen blind gegen die Küste an. Von meinen mächtigen Böen vorangepeitscht rasen sie auf den verwaisten Strand, nehmen seinen feinen Sand mit sich auf ihren Weg in das Landesinnere. Ohne Mühe überspülen sie schäumend die Dünenlandschaft, tragen uralte Sandgebirge ab, fressen sich seufzend und schmatzend vorwärts durch das Land, weiter und weiter. Bald treffen sie auf den alten Deich, lecken gierig an seiner Krone, brechen sich abertausendfach das Genick an seinem wehrhaften Rücken, ziehen sich bleckend zurück, um gleich darauf erneut anzugreifen.
Ich bin der Sturm und bringe den Tod.
Nirgendwo stoße ich auf Gegenwehr. Meine Gewalt macht, dass zerrissene Zeltplanen wie schmutzige Leichentücher durch meine tosenden Lüfte segeln, um sich in windschiefen Weidezäunen zu verheddern, reiße sie erneut los, damit sie ihren grotesken Flug fortsetzen. Ich nehme einen Holztisch zwischen meine Kiefer, jage ihn durch die Luft, lasse ihn krachend an einem Schuppen zerschellen. Ihm lasse ich graue Wolldecken und Kleidungsstücke folgen, die sich in sturmgebeugten Krüppelweiden verfangen und ihnen ein geisterhaftes Aussehen verleihen. Der alte Deich muss sich meiner Flut ergeben. Sein Brechen verursacht ein Stöhnen, das tief aus seinem Inneren kommt. An mehreren Stellen gleichzeitig reißen die Fluten meterbreite Schneisen in seinen kampferprobten Unterbau, lassen ihn achtlos beiseite liegen, um schäumend in das flache Land in seinem Schatten vorzudringen und es in Windeseile einzunehmen. Um den Vorgang weiter zu beschleunigen, presse ich die dunkle Brühe mit immer größer werdender Kraft in Richtung Land. Nichts vermag sie aufzuhalten.
Ich bin der Sturm und bringe den Tod.

Den Schalk im Nacken

Es war ein herrlich sonniger Tag der langsam zu Ende ging und es fing bereits an zu dämmern.
Den Tag über wünschten sich die Menschen so sehr eine kühle Brise, aber den Gefallen tat ich ihnen natürlich nicht, denn sie haben doch so sehr nach, wann gibt es endlich Sommer? geschrien also bescherte ich ihnen lediglich hier und da mal ein laues Lüftchen.
Von hier oben konnte ich das emsige Treiben auf den Strassen der Stadt beobachten.
Gestresste Menschen auf dem Heimweg von der Arbeit, überfüllte Parkplätze vor den Supermärkten und Kinder die eilig Heim liefen weil das Abendessen auf dem Tisch stand.
Langsam gleite ich Richtung Stadtrand. Vorbei an Spielplätzen auf denen sich Jugendliche in Gruppen zusammengefunden haben und laut lachten.
Im angrenzenden Park stand ein trauriger Junge der noch schnell seinen Drachen fliegen lassen wollte,
den Gefallen tue ich ihm doch gerne.
Ich hole luft und…schwupps der Drache fliegt.
Das Kind jauchzt vor Vergnügen. Ich lächele und ziehe weiter.
Die Heiterkeit des Knaben hat mich wohl angesteckt,
komm, murmel ich in mich hinein, laß uns etwas Spass haben.
Hier am Stadtrand war es nicht so trist, es gab wunderschöne Gärten mit Rattanmöbeln und manche hatten einen Pool.
Dort drüben war ja schon einer, die Kinder hatten ihren Wasserball darin vergessen.
Ein kurzes kräftiges Pusten und schon tänzelt der bunte Ball übers Wasser.
Hui, das macht Spass!
Im nächsten Garten steht eine Wäschespinne die könnte ruhig auch eine kräftige Brise vertragen.
Toll wie schnell sie sich nun dreht und die Wäsche hin und her flattert.
Soviel Spaß hatte ich lange nicht mehr.
Mein inneres Kind schreit: " Mach weiter."
Dort, ein aufgespannter Sonnenschirm, ich gebe mir etwas schwung und „Hurra“ er fliegt. Ich lasse ihn etwas an Höhe gewinnen um ihn dann sanft wieder nach unten segeln zu lassen.
Jetzt kennt mein Übermut keine Grenze mehr.
Ich erfasse in windeseile eine Sitzgruppe samt Tisch und lasse sie durch den Garten purzeln. Das sieht so lustig aus.
Schon kommt der Besitzer aus dem Haus gerannt um sie in Sicherheit zu bringen.
Habe ich mich verhört? Oder hat dieser Mann gerade wirklich gesagt dieser dumme Wind?
Oh nein mein Freund, so nicht
Nicht mit mir.
Ich bin nicht dumm! Wut baut sich in mir auf, ich blase ihm mit aller Kraft entgegen, nun muss er sich mir mit aller Gewalt entgegenstemmen um seine Möbel zu retten.
Ich zerre an seiner Kleidung, zerzause wild seine Haare und dränge ihn zurück ins Haus.
1:0 für mich.
Leider bin ich jetzt so erbost das es mir nicht gelingt mich zu beruhigen.
Also fege ich wie ein kleiner Orkan weiter.
Meine Wildheit lässt Baumkronen laut rauschen, die Bäume wiegen sich wild von rechts nach links.
Äste brechen und fallen zu Boden. Dachziegel erzittern unter mir, Garagentore und Rolläden klappern und die Menschen auf den Strassen flüchten in ihre Häuser.
Langsam verraucht mein Ärger, ich werde ruhiger und ziehe mich zurück.
In der nächsten Zeit braucht ihr gar nicht nach mir rufen…
Strafe muss sein.

Frau Holle

Jedes Jahr wieder freue ich mich, wenn unter mir der Teil der Erde auftaucht, den die Menschen Europa nennen. Wenn die Tage dunkler und die Nächte länger werden, mein Cousin, der Herbst, die Blätter bunt gefärbt hat und sich langsam verabschiedet. Der Winter schleicht sich an und bringt Kälte mit sich. Alle fiebern darauf hin, dass ich mich endlich zeige, doch jedes Jahr dauert es länger bis ich meine ganze Pracht entfalten kann, denn die Zwillinge Sonne und Wärme spielen mir immer öfter einen Streich und weichen nicht aus dieser Region. Wenn die Kinder anfangen gegen den Himmel zuschauen und zu bitten, dass Frau Holle endlich tätig wird, war dies früher der Startschuss für mich an die Arbeit zu gehen. Ich erfreute mich an den Menschlein, die morgens aus dem Fenster schauten, die angezuckerten Berge erblickten und vor Glück laut aufgeschrieen haben. Spätestens Anfang Dezember hatte ich die höherliegenden Regionen vollflächig mit Schnee bedeckt und für alle Schnee- und Skibegeisterten startete die Saison. Ich bewunderte immer die Leichtigkeit derer, die sich die Hänge hinabstürzten. Ich erfreute mich an dem Trubel unter mir. Besonders das lustige Treiben in den Skihütten zauberte mir stets ein Lächeln in mein Wesen. Ich verfluche diese Wichtigtuer, die jedes Jahr noch länger an ihrer Macht bleiben wollen. So kostet es mich und meine Brüder, den Wind und die Wolken, viel Kraft und Energie, endlich die Oberherrschaft zu erringen und diese zu vertreiben. Jedes Jahr dauert es noch länger, bis wir unsere gemeinsame Blüte erreichen und ich endlich wieder Frau Holle spielen kann. Ich steh auf diese Erden-Bezeichnung. Wenn wir es geschafft haben, am 24. Dezember ein Schneekleid zu erschaffen, die Menschen vor Freude darüber tanzen und dies ihrem Weihnachtsfest die besondere Note verleiht, dann bin ich stolz auf meine Kraft und mein Wirken.

Viva forever

Ich beginne in 3…2…1…Sekunden meinen langen und gewaltigen Weg. Für viele Betrachter sieht es so aus, als hätte ich Mühe meinen Weg zu bestreiten, aber in Wirklichkeit lege ich mehrere Meter pro Sekunde zurück und bringe den sicheren Tod für alle Lebewesen, die sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen können.

Die zwei Reporter, die in ihrem Sensationswahn zu nahe an den Krater herangekommen sind, die habe ich erst einmal geheilt. In letzter Minute haben sie es geschafft, ihr kleines Leben zu retten.
Im Inneren des Vulkans brodelte es bereits, wie in einem Hexenkessel und eine gewaltige Gasblase wuchs von Stunde zu Stunde heran. Der Druck in der Gaskammer wurde stärker und intensiver, schließlich mussten die Gase entweichen und es gab eine mächtige Explosion. Beladen mit einer extrem hohen Energie und einer Temperatur von 1000 Grad Celsius begann ich in das Tal hinabzustürzen.
Das Pärchen hatte ausreichend Erfahrungen auf dem Gebiet der Vulkanfotografie, doch nun wurden sie leichtsinnig.
Wäre nicht in letzter Sekunde der Helikopter aufgetaucht, hätte ich sie mitgenommen auf meinem Weg in die Ebene. Ich versuchte mit tiefhängenden, grauen Aschewolken meine Opfer zu verwirren, um sie für immer in mir zu begraben. Doch ihre Rettung kam in letzter Sekunde und so kümmerte ich mich um meinen reibungslosen Auftritt und ergoss mich kilometerlang über die grünende Insel.

Meine eigentliche Mission, den Vulkan zur Ruhe kommen zu lassen, habe ich erfüllt. Der Nebeneffekt, dass in einigen Jahren hier neues Leben besonders gut gedeihen wird, erfüllt mich mit Stolz. Die Fotos vom Ausbruch der Hekla auf Island sind beeindruckend schön, die Fotos von der herabstürzenden Lawa sind sensationell. Sie gehen um die ganze Welt.

Kälte

Hier bin ich wieder, über Nacht bin ich mit meinen Freunden gekommen. Zusammen sind wir stark und unberechenbar. Mein Freund der Vollmond und der Frost.
Zusammen haben wir das Land weiss angemalt. Wir bringen es zum bersten, das Laub wird zerbrechlich. Die bunten Wälder werden kahl. Wie immer kamen wir unvorhergesehen, waren leise und plötzlich da.
Niemand hat mit uns gerechnet. Hektisch und unsicher bewegen sie sich auf den Wegen, oder mit Ihren Blechbüchsen auf den Straßen.
Wie kleine Ameisen.Wir haben unseren Spaß daran,Sie so zu sehen.
Meine Freunde und Ich sind Künstler. Wir malen die schönsten Bilder auf Landschaften. Der Horizont ist silbrig. Scheiben und Gewässer werden bemalt. Kinder und Erwachsene sind freudig mit strahlenden Augen mit ihren Holzschlitten unterwegs,den Sie vorher mit einer alten Speckschwarte eingeölt haben. Es werden Männer aus Schnee gebaut,einer schöner als der Andere.
Und wenn uns die Luft und Lust ausgeht, lassen wir alles wieder verschwinden.
Nun laufen Sie dann nass und schlecht gelaunt, verschnupft, krank herum.
So ist das, wenn ich mit meinen Freunden komme und gehe.

Schlechte Laune

Ich habe schlechte Laune. Ja, auch ich darf launisch sein.
Dick und grau plustere ich mich auf, fege wütend und wild über die Felder, zerre an den Bäumen so dass auch die letzten Blätter fallen und die Äste nackt zurück bleiben.
Ich werfe das Laub am Boden auf, schickt es zurück in die Gärten, die die Menschen ach so fein gekehrt haben. Ist mir doch egal.
Doch was ist das? Ein Mensch und seine kleinere Version. Sie lassen etwas Buntes fliegen, ich glaube, sie nennen es Drachen. Das Kind lacht.
Lachst du mich aus? Dir zeige ich es.
Noch schneller und wilder jage ich durch die Luft und pralle mit aller Macht gegen den Drachen. Doch er weicht mir aus, gleitet auf meinen Flügeln weiterhin hinauf. Das Kind johlt.
Ich folge dem Drachen, rase erst links, dann rechts an ihm vorbei. Er macht einen Looping und hält dagegen, fordert mich heraus.
Das kannst du haben.
Nun bin ich es, der johlt und nehme noch Geschwindigkeit zu. Zusammen tanzen wir durch die Lüfte, umgarnen uns, um in der nächsten Sekunde voneinander abzuprallen.
Was ein Spaß.
Nur eine Sekunde habe ich nicht aufgepasst, das Spielt zu weit getrieben. Jetzt hängt der Drachen in den Ästen, sein Bauch durchlöchert, die Seite gebrochen.
Das Kind weint und auch ich niesel auf die Welt hinab. Das wollte ich nicht.
Doch ich weiß, was ich uns Gutes tun kann. Langsam ziehe ich die dicken Wolken auseinander. Sofort strahlt die Sonne herab, hell und warm und sorgt für das schönste Farbenspiel der Welt. Ein kräftiger Regenbogen zieht sich lang über die Köpfe der beiden Menschen. Die Augen des Kindes werden groß, dann lacht es wieder.
Jetzt ist alles wieder gut. Für uns beide.

Wettermacher

Wetter ist das, was draussen stattfindet, sagen die Menschen.
Wer von ihnen definiert eigentlich wie ich wahrgenommen werde?
Bei allem Respekt, aber ob sich eine bestimmte Meinung über mich als alternativlos gestaltet, kann doch nicht der Einschätzung von ein paar Wenigen unterworfen bleiben. Wo bleibt da die Würdigung meiner Bemühung um real existierende und sich im Ganzen wieder ausgleichende Diversity, wo die Beachtung meines Efforts, lokal auf unterschiedlichste Weise in Action zu treten?
Wollt ihr das totale, flächendeckende Donnergrollen so wie es in den Vorhersagen zwecks Klickratenoptimierung angekündigt wird? Soll ich das wirklich mal so durchziehen?

Pompeji

Es ist August, im Jahr 79 v. Christus. Plinius, der Obstverkäufer steht mit seinem kleinen Sohn wie jeden Tag auf dem Markt und handelt mit Nüssen, Datteln und Feigen. Plinius schaut zu meinen Berg. Sein Gesicht sieht besorgt aus. Er sieht die Risse in den Häuserwänden, die zerbrochenen Wasserleitungen. Die meisten Menschen in der quirligen Stadt interessiert das nicht, sie verkaufen, handeln und tauschen lautstark.

Ich habe die Macht, den Berg zum Brodeln zu bringen, Gase und Gestein nach oben zu befördern. Jedes Mal ein erhebendes Gefühl. Im wahrsten Sinne. Für den Berg fühlt es sich wohl so an, als ob ätzende Säure den Schlund hochkommt. Mein flüssiges, rotglühendes Gestein trifft auf Grundwasser im Kegel des Berges und schießt den Pfropfen, der ihn verschlossen hat, weit in den Himmel. Welche Erleichterung!

Ares, der Junge des Obstverkäufers hält seinen zitternden kleinen Hund auf dem Arm: „Sieh nur Papa, der große Berg hat eine Rauchwolke bis zum Himmel und wirft Flammenschlangen“. Jetzt gibt es kein Halten mehr. Ich gerate in Ekstase, Lava, Bims, graue Asche, weiße Asche, Gesteinsbrocken, große glühende Klumpen, Gasströme, die nicht enden wollen.

Ein Forscherteam entdeckt Jahrhunderte später einen Marktstand, der gut erhalten ist. Erschüttert blicken sie auf zwei versteinerte Menschen. Der Größere ist wohl der Vater, der sich schützend über sein Kind gebeugt hat. Das Kind hält einen Hund umklammert.

Ernsthaft? Ernsthaft!

Meine Geburt ist 8 Minuten her und schon habe ich eine Geschwindigkeit vom 300km/h. Wie herrlich ist das denn? Tendenz steigend. Ich spüre es mit jedem meiner Teilchen. Windteilchen. Wow, was für eine Reise mitten hindurch … durch … ?

Es ist hinter mir echt hell. Und heiß. Vor mir alles dunkel. Fast alles.
….

Inzwischen habe ich sagenhafte 700 km/h drauf. Schneller wird es wohl nicht mehr. Mir reicht’s auch. Ich stürme nun schon seit 48 Stunden voran. Vor mir taucht eine Kugel auf. Blau-weiß, milchig, etwas grau hier und da. Sieht richtig schön aus.
….

Wow, was werde ich herum gewirbelt. Meine Teilchen werden richtig geleitet, wie auf einem Schienensystem. Und die Kugel wird unter mir größer und größer.

  1. Übliches Ende: Dann höre ich mit meinen feinen Sinnen überall zarte Stimmen: ”Aah, da.” "Oh wie schön, sich mal.” “Was für wunderschöne Farben.” Und umgeben von staunenden und beglückten Ausrufen vergehe ich … und meine Teilchen versinken im Nichts.

  2. Alternatives Ende: Was für eine Macht in mir steckt, merke ich erst so nach und nach, aber letztlich doch sehr schnell. Das magnetische Schienensystem funktionierte nur kurze Zeit. Ich überrennen es einfach und dann sehe ich, wie überall um mich herum, Blitze zucken. Schreie ertönen … überall. Dann gehen die Lichter aus. Akkumulatoren brennen durch. Und… alle elektronischen Schaltkreise bis in den kleinsten Computer und Handy mit. Wer immer hier zuhause war: Elektrizität ist nach mir nur noch Wunschdenken.

Im letzten Abgang meiner Teilchen vernehme ich noch eine mit Entsetzen angefüllte Stimme: "Dieser Sonnensturm wird uns in das Mittelalter zurückkatapultieren. Unser aller Kultur wird sich auflösen und nach den Kriegen und Tötungen wird die Welt schon in wenigen Wochen eine ganz andere sein. Wir waren gewarnt … 1847, 1859, 1921, 1940 und zuletzt 1989 in Quebec. Wir hätten uns besser schützen können. Wir haben versagt.”
„Na“, denke ich noch bei mir, „dann vergehe ich wenigstens nicht alleine …“

Nachtrag am 14.11. um 22:41 Uhr aufgrund des Kommentars von Pütchen
3. Offenes Ende: Ich konzentriere mich auf den weißen Deckel auf der Kugel und eile dorthin. Je näher ich dem Boden komme, desto wärmer wird es mir. Dann höre ich weit entfernt Stimmen. Voller Neugierde jage ich zu der Quelle der Schallwellen. Und schon bin ich da und höre : „… das ist hochbedenklich, wenn …“ Schon bin ich vorbei und höre nichts mehr. Was ist hochbedenklich? Wenn was …? ?