Seitenwind Woche 5: Launisches Wetter

Das himmlische Kindt

„Ich bin der Wind, das himmlische Kind“, höre ich die Kinder rufen, während ich pfeifend durch die Gassen eile.

Buntes Laub treibe ich vor mir her, lasse es aufsteigen und über ihren Köpfen kreisen. Es ist ein Spaß, den ich mir erlaube und wie immer scheint es ihnen zu gefallen. Und wie jedes Jahr, wenn die Blätter fallen, erfreue ich mich an ihrem Lachen. Wie sie fröhlich mit mir tanzen, ihre kleinen Arme ausbreiten und sich mit mir im Kreise drehen. Da öffnet sich ein Fenster. Es ist ihre Mutter, die mit besorgten Blicken in die Ferne schaut.

„Kinder, kommt schnell rein“, ruft sie ihnen zu. „Da kommt schon der Regen.“ Erschrocken wehe ich herum. Tatsächlich, mein Bruder naht mit heftigen Schauern.

Der Spielverderber.

Monsun

Ich bilde mir gerne ein, dass ich es war, der dich damals zu dieser Tür geführt hat. „Halt hier mal an“, hast du gesagt. Und du bist aus dem Auto gesprungen und hast an seine Tür geklopft, und ich glaube, genau da war es um euch beide geschehen.
Ihr wusstet es nicht, so wie es die anderen auch nie wissen. Das Schicksal erklärt sich nicht, das hat sie nicht nötig. Wir sind gleich alt, wusstest du das? Sie und ich. Aber ich bin viel neugieriger.
Ich habe euch besucht, immer wieder. Einmal hielt ich mich an einer Tasse fest, die du mitgenommen hast, als er sie draußen bei mir vergessen hat. Ich spürte eure Berührung, wie einen schiefen Ton, der die immer gleiche Melodie unterbricht.
Ich war auch dabei, als er dich beinahe geküsst hat. Als er schon aus der Tür war und sich noch einmal umgedreht hat, bevor ich nach seinen Haaren greifen konnte. Wovor hattest du Angst? Ich habe doch gegen das Fenster getrommelt, dich angebrüllt. Aber du hast mich nicht gehört. Manchmal hasse ich dich dafür, denn so bleibt ihr für immer perfekt. Und nichts darf perfekt sein, das musst du doch wissen. Dem Schicksal ist es egal, ich habe es ihr erzählt. Niemand bekommt eine zweite Chance, sagt sie.
Wenn du heute mit mir spazieren gehst, mische ich mich gern mit dem Salz auf deinen Wangen. Es schmeckt auch ein bisschen nach Zorn, aber du weißt nicht warum. Ich könnte es dir sagen, so wie ich manchmal auch ihm deinen Namen zuflüstere. Dann schaut er auf und weiß nicht warum, und ich verschone ihn, weil auch ich inzwischen weicher geworden bin.
Denkst du auch manchmal noch an ihn? Wenn du so am Fenster stehst, und durch mich hindurch schaust. „Was ist los?“ fragt dann der andere Mann. Der, den du geheiratet hast, als ich nicht da war. Ich glaube, manchmal sieht er es auch, aber er kennt dich eben noch nicht so gut wie ich. „Ach nichts. Nur der Monsun.“

Der Elfte im Elften

Es ist Zeit. Nach meiner Reise übers Meer bin ich über Holland hinweg gefegt (langweilig wie immer, so flach) und komme nach NRW. So ein schönes Fleckchen Erde. Mein Ziel: Köln. Ich liebe diese Stadt, kenne jedes Lied, das je über sie geschrieben wurde. Sie ist hässlich, dreckig, und die Menschen rühmen sich einer kuriosen Oberflächlichkeit und haben ihr eigenes Grundgesetz aufgestellt. Und doch. Bin ich einmal da, will ich am liebsten nie mehr weg.

Heute ist ein besonderer Tag, der Elfte im Elften, Sessionseröffnung im Karneval. Tausende Menschen sind früh aufgestanden, haben sich verkleidet, geschminkt, gut gefrühstückt und sind, meinen Vorboten zum Trotz, losgezogen um sich noch in der Morgendämmerung an ihrer Lieblingskneipe anzustellen. Ich bewundere ihre Standhaftigkeit. Viele haben Getränke in der Hand, einige stehen sogar mit Thermoskannen voller Glühwein in der Schlange. Hilfsbereit blase ich auf die heißen Getränke. Alter Weihnachtsmarkt-Veteran, der ich bin, bekomme ich noch jede Tasse auf die perfekte Schlingtemperatur.

Ich puste freudig über ihre Köpfe hinweg, möchte mitfeiern. Hie und dort erklingen kölsche Tön aus Lautsprechern, die Menschen halten lachend ihre Hüte fest, doch einige erwische ich trotzdem. Die Melone eines Lappenclowns, den Plastik-Lorbeerkranz eines Römers.

In der Südstadt sehe ich einen Mann im Hühnerkostüm, Leghenne Fischer steht auf einem Schild an seiner Brust. Spielerisch greife ich mir ein paar seiner Federn und trage sie hinauf bis zum Dom, wo ich sie einem der frisch restaurierten Wasserspeier auf den Kopf setze. Alaaf!

Ich flöte durch die engen Gassen der Altstadt, sorge für rote Wangen bei den Touristen. In meinem Übermut werde ich stärker, rase bis zum Müngersdorfer Stadion und zurück, pfeife um die Kranhäuser und das Riesenrad am Schokoladenmuseum. Heidewitzka, Herr Käpitan!

Die Stunden vergehen wie im Flug, und bald schon stellen sich unweigerlich die Nebenwirkungen des frohen Treibens ein.

Aus leutselig Schunkelnden werden alkoholisierte Brüllaffen, der bunte Straßenkarneval beginnt zu riechen, nicht nur nach Erbrochenem, auch im Hinblick auf die überall aufgestellten Urinale und Dixie-Klos stellt sich kollektive Massenamnesie ein und Wildpinkler schießen wie Pilze aus dem Boden.

Es war zu erwarten, trotzdem dämpft es meine Freude. Ich flaue ab, streichle Hunderten von Ordnungshütern und Notfallpersonal über die Wangen.

Als die Nacht hereinbricht, beschließe ich, weiterzuziehen, aber nicht, ohne der AWB ein bisschen unter die Arme zu greifen. Bevor sie morgen mit Kehrmaschinen und Handwagen anrücken, sammele ich Wolken zusammen, presse sie dicht auf dicht, bis sie so dunkel sind, dass auch die letzte Paillette kein Funkeln mehr zustande bringt. Mit einem Donnerschlag läute ich den Regen ein, mein Abschiedsgruß an die Stadt, 30 Liter pro Quadratmeter.

Erst als alles sauber ist, ziehe ich weiter.

Perfekter Partycrash?

Meine Laune war im Keller! Ständig waren die Leute unzufrieden.
Diese Hitze ist unerträglichDer Schneematsch geht mir auf die NervenWenn es so laut donnert, habe ich immer AngstBei Regenwetter werde ich schnell schwermütigDer Wind ruiniert mir die Frisur
Ich konnte es nicht mehr hören!
Wenn es doch eh niemandem in den Kram passte, wieso sollte ich mir überhaupt noch Mühe geben?

Dann war da dieses Haus.
Rundherum bewegten sich gut gelaunte Menschen, standen an Pavillons oder um Stehtische herum. Tranken, aßen und unterhielten sich.
Eine Geburtstagsparty, denn über der Haustüre prangte ein fette 60.
Die Anwesenden waren in Fetenlaune, weil das Wetter ja so nett mitspielte und sie trugen ihre schönsten Sommer-Outfits zur Show.
Im Juni auch nicht anders zu erwarten.
Oder doch?
Meine Laune hellte sich schlagartig auf.
Das war doch DIE Gelegenheit und ein gefundenes Fressen, den Jammerern und Stänkerern mal ordentlich eins auszuwischen. Ich konnte nämlich auch ganz anders.
Zunächst ließ ich dicke Wolken aufziehen, der Himmel verdunkelte sich.
Vorfreude erfüllte mich, als ich die sorgenvollen Blicke sah, die plötzlich nach oben gerichtet waren.
Tja, damit hatte wohl niemand gerechnet.

Doch zu meinem grenzenlosen Missfallen ließ sich an der Feierei auch weiterhin niemand hindern.
Na dann …

Mein langgezogenes Donnergrollen ließ einige von den Partywütigen sogar zusammenzucken. Hätte ich ein Gesicht, mein Mund wäre zu einem breiten Grinsen verzogen.
Dann ließ ich es aus vollen Rohren schütten und mit einem Mal kam hektisches Leben in die Partygesellschaft. Alle rannten aufgeregt hin und her, einige verschlug es ins Haus, andere versuchten, das Essen zu retten und ins Trockene zu bringen.
Aber die Mehrheit blieb standhaft und hielt sich trotzig an ihren Gläsern fest.
Also packte ich als grandioses Finale noch ordentlich Wind dazu, der die Pavillons sogar ein wenig anhob. Auch die letzten Feiernden mussten doch irgendwie zu vergraulen sein!
Doch anstatt ebenfalls zu flüchten, machten sich die Gäste einen Spaß daraus, sich an den Stoff der Überdachungen zu hängen, um das Gestell der Pavillons am Abheben zu hindern.
Verdammt, was sollte das? Ich gab doch mein Bestes, das übelste Wetter zu fabrizieren, das einem halben Weltuntergang sehr nahe kam.
Eine ganze Weile ließ ich den Wind noch über die Party fegen und übergoss alles und jeden mit Regen, während ich meiner Wut in Form von Donner und Blitz hörbar freien Lauf ließ.

Aber irgendwie hatten die Leute sogar Spaß an meinem wüsten Ausbruch. Sie blieben, sie lachten und amüsierten sich und feierten einfach weiter. Niemand beschwerte sich, dass alles nass war, dass die Pavillons teilweise verborgen waren, weil sie krampfhaft versucht hatten, sie festzuhalten, dass sie die Platten mit Essen unterstellen mussten, dass alles unvorhergesehen geschah und sie improvisieren mussten … dass der Geburtstag buchstäblich ins Wasser fiel.

Es war schon seltsam … und ich verstand es einfach nicht.
Denn immer, wenn ich mal wieder an dem Haus vorbeizog, ein wenig Regen loswerden wollte oder auch mal Bock auf ein Gewitter hatte, konnte ich hören, dass die Leute dort in freudiger Erinnerung an diese eine tolle Party schwelgten, bei der das Wetter damals total verrückt gespielt hatte …

Der Dunkle erwacht

In einer abgelegenen, urzeitlichen Landschaft, wo der Nebel sich wie ein geisterhafter Schleier über die wilden Wälder legt und die Stille nur vom gelegentlichen Raunen des Windes durchbrochen wird, regt sich etwas Tiefes, Dunkles. Ich, ein schlafender Riese, erwache langsam aus meinem jahrhundertelangen Schlummer. Tief in der Erde verborgen, brodelt eine unaufhaltsame, dunkle Kraft.

Mein Erwachen beginnt mit einem tiefen Grollen, einem unheilvollen Lied, das aus den Tiefen meiner steinernen Kehle aufsteigt. Es ist ein drohendes Murmeln, das sich durch die Erde schlängelt und die Luft mit einer elektrischen Spannung erfüllt. Die Tiere der umliegenden Wälder spüren es zuerst – ein unheilvolles Zeichen, das sie in panische Flucht versetzt.

Mit jedem Zittern meines massiven Körpers steigen Rauch und Schwefel in den Himmel. Die Landschaft um mich herum verdunkelt sich, als meine Asche wie ein dichter Schleier herabfällt und das Sonnenlicht erstickt. Die Welt wird in ein gespenstisches Dämmerlicht gehüllt.

Als ich schließlich ausbreche, ist es ein Ausdruck purer, ungebändigter Gewalt. Meine Spitze zerspringt in einer infernalen Explosion, schleudert Feuer und Asche kilometerhoch in den Himmel. Lava strömt wie das Blut der Erde aus meinem Inneren, ein unaufhaltsamer, glühender Strom der Zerstörung.

Die Menschen in der Ferne beobachten mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen. In ihren Augen lese ich die Urängste der Menschheit – die Furcht vor der unkontrollierbaren Macht der Natur, vor der eigenen Vergänglichkeit. Für sie bin ich nicht nur ein Naturphänomen, sondern ein Omen, ein Vorbote düsterer Zeiten.

Die Natur selbst scheint unter meinem Zorn zu leiden. Wälder werden zu Asche, Flüsse verdampfen oder ändern ihren Lauf, während sich die Luft mit giftigen Dämpfen füllt. Mein Ausbruch ist ein Akt der Zerstörung, ein Beweis der unerbittlichen Macht, die unter der Erdoberfläche schlummert.

In den folgenden Tagen und Nächten, als mein Feuer langsam erlischt und ich wieder in einen ruhigen Schlaf verfalle, hinterlasse ich eine Landschaft des Verderbens. Doch selbst in dieser Zerstörung liegt eine dunkle Schönheit – die Schönheit des Neubeginns, des zyklischen Wandels, der in der Natur verwurzelt ist. Als Vulkan bin ich mehr als nur ein Berg; ich bin ein Zeuge der Zeit, ein Meister des Feuers und der Asche, ein dunkler Gott des alten Erdbodens.

Bereit

Alles passt.
Die Temperatur stimmt. Sie sind groß genug.
Ihre Kristalle einzigartig und wunderschön, sternförmig, filigran.
Nun schicke ich sie auf die Reise.

Die Menschen werden ihre zarte Berührung genießen. Kühl und schmelzend auf der Haut.
Manche behaupten, dies sei entspannender als ein warmer Sommerregen.
Da mögen sie recht haben!

Und erst die Kinder!
Was gibt es Schöneres als ihre Begeisterungsrufe, sowie sie die Flocken erblicken. Ihr Lachen, beim Versuch, Einzelne zu fangen. Was meist misslingt. Sie sind viele und sie sind schnell.
Die leuchtenden Augen, wenn es doch gelingt und sie einen Wimpernschlag lang das Wunder entdecken, jedes Kristall ein glitzerndes Sternchen, mit fein verästelten Strukturen.

„Seid ihr bereit?“

„Ja, sind wir!“ tönt es tausendfach zurück.

„Ihr kennt eure Aufgabe: Sanft, leise und bestetig herabfallen auf die Erde und ihre Bewohner.“
Wispern.
„Noch Fragen?“
Knistern.
„Flöckchen?“
Kaum hörbares Pfeifen.

„Was sagts du? Du spürst einen Luftzug?“
„Ja! Einen Eiskalten!“

„Das kann nicht sein, gerade…“
„Wir spüren es auch“! stimmen andere mit ein.

„Wartet, das kläre ich: Wolke an Koordinator:… was ist los bei euch?“
Unverständliches Rauschen.
„Aber …Die Kaltfront war erst für morgen Abend angesagt. Könnt ihr noch warten, bevor der Nordwind losstürmt? - Oder schickt ihn erst zu den Alpen!“
„Da war er schon. Hat sich mit dem Föhn gestritten. Kam wütend zurück und will sofort wieder los.“
„Lenkt ihn ab!“
„Wie denn?“
„Habt ihr nicht noch eine klitzekleine Warmfront?“
„Damit ist euch nicht geholfen. Das gibt ein Chaos, welches wir nicht abschätzen können. – Außerdem haben wir keine. - Warte mal… eventuell eine Regenfront?“
„Nein, bloß nicht. Das gibt nur Matsch!“
„Tja , dann…“
„Warum bringt ihr alles durcheinander ? Könnt ihr nicht einmal beständig sein?“

„Das sagst du den Falschen! Wir machen das Klima nicht mehr selbst!“

Väterchen Frost

Eisiger Griff lässt dich verharren,
Klirrende Kälte dich erstarren.

Wirbelnder Sturm trübt deinen Blick,
Wärme und Licht kehren nie mehr zurück.

Auf kalten Armen ich dich trag,
Hinab in dein eisiges Grab.

Unerwartete Geschenke

Trockenheit peinigt die Stadt. Felder einst grün, harren im staubigen Dasein und warten. Warten auf mich.
Umhüllt im wattigen Gewand seht ihr mich nahen. Wie ich langsam als großer Schatten über das Land dahingleite.

Hier, von weit oben, kann ich euch alle sehen. Die Farmerfamilie, wie sie aus dem aufgeheizten Haus herausrennt und dankend ihre Arme in meine Richtung hebt. Die kleinen glänzenden Dächer von Autokolonnen auf verdichteten Straßen. Ich erahne ihren Gleichmut, schützt sie doch das dünne Autodächlein vor allem, was kommen mag.

Leichte Aufregung erhebt mich. Ich lese es von den Lippen des Farmers, der mich viel besser kennt, als die Stadtbewohner. „Die sieht … aber finster aus.“
Mein kaltes Herz lächelt auf euch nieder.
Rennradfahrer. Wanderer. Autoliebhaber mit und ohne Dach.
Ich habe eine Überraschung für euch.
Und dann lasse ich sie fallen. Die gefrorenen Klumpen, die wie zornige Kinderfäuste auf euch einprügeln.
Die Kleinen, Langsamen und Schwachen werden zu Boden gepeinigt. „So mögt ihr es doch, oder? Oder?!“, hört ihr meinen Schrei als Donner.
Ihr rennt aufgescheucht Deckung suchend unter die wenigen Bäume, die ihr noch nicht gefällt habt. Einkaufstüten liegen zerfleddert auf den Gehwegen.
Ich zermalme die jämmerlichen Regenschirme unter meinen Geschenken. Eisig soll euch bewusst sein, wer hier das sagen hat!

Ich zerschlage eure Fenster, ich zerdelle die Dächer eurer Autos! Und wer nicht schnell genug flieht, bekommt ein Loch in den Kopf!
Ich kann euch nicht alle erwischen. Nicht genug, nicht genug! So zerdrücke ich eure Ernte, ha! Ihr könnt euch nicht um alles gleichzeitig kümmern.

Nach einigen endlosen Momenten herrscht Stille. Meine Wut liegt nun dort unten bei euch. Es ist still, bis auf die kläglichen Autoalarmanlagen. „Was habe ich nur getan?“ Ich spüre Schuld, ich spüre Scham, als ich den Farmer sehe, der aus seinem lädierten Haus kommt und erzürnt in die Hände in die Hüften stemmt. So ziehe ich schnell weiter. Ich weiß auch nicht, was da über mich kam …

Winter 1987

Winterkinder können stundenlang am Fenster stehen und voll Ungeduld hinauf zum Himmel sehen. - Rolf Zuckowski, 1987. Und ich mittendrin.

Meinen eigenen Rekord brach ich genau in diesem Jahr. Im Januar. Unglaubliche Tiefstwerte, vor allem im Osten Deutschlands, aber auch in vielen anderen Regionen Mitteleuropas. Seht mich an, ich bin der Winter.

Polarhoch haben sie mich genannt. Mir gelang das, was es für einen saftigen Kälteeinbruch braucht, nämlich den Schulterschluss mit dem Hoch bei den britischen Inseln. Die Strömung war damit komplett blockiert und von der Arktis her konnte ich meinen eisigen Atem schnurstracks Richtung Deutschland hauchen.

Chaos war mein zweiter Vorname. Wegen mir räumten Soldaten Straßen frei. Wegen mir vereisten Heizungen und Schienen. Wegen mir war die Energieversorgung blockiert. Klirrende Kälte. An die Minus 30 Grad.

36 Jahre später bin ich ruhiger geworden. Zwangsweise. Ich fühle mich oft lustlos, ausgelaugt und abgeliebt. Ich weiß gar nicht warum. Oft schwitze ich. Mir wird dann richtig heiß und ich spüre mein Eis nicht mehr. Ich tropfe aus. Kein Arzt konnte mir bisher helfen. Ich bin so müde. Ich will noch nicht gehen.

Der stille weiße Zeuge

Cloe wehte ein eisiger Hauch um die Nase, als sie auf die Straße trat. Sie war einige Schritte gelaufen – als erste auf der frischen weißen Schneedecke. Ihr Atem bildete kleine weiße Wölkchen. Ein Schmunzeln umspielte ihre Lippen, als sie sich dabei ertappte, dass die Wölkchen ihre Gedanken zu der kleinen Dampfeisenbahn, die stolz durch ihr früheres Lieblingsbuch paffte, trieben. Das Knirschen unter ihren Schuhen zog sie weiter magisch in die Welt ihrer Kindheit zurück. Bei jedem Schritt über den weißen Flaum knirschte es, wie früher auf dem Weg in die Backstube zu ihrer Oma. Damals trugen sie ihre kleinen Füße wie von selbst durch die Dunkelheit des Winters. Sie genoss die Stille, die nur durch das Knirschen der roten Winterstiefel auf dem weißen Vlies aus Schnee unterbrochen wurden. Wie heute, zu einer Zeit, in der die Menschen in ihre warmen Decken gehüllt friedlich schliefen. Cloe blieb stehen, schloss die Augen und sog die kalte Winterluft ein. Ihr war, als könne sie einen Hauch aus der Backstube von damals erhaschen. Als sie ausatmete, öffnete sie ihre Augen und ließ den Blick über die frisch verschneite Straße wandern. Der Weg lag so unberührt und rein vor ihr. Cloe riss sich von den Erinnerungen los, um ihren Weg weiter fortzusetzen, als ihr etwas im Schnee entgegenglitzerte. Etwas Kleines, nur so groß wie ein Tropfen. Etwas Rotes, dass im Begriff war den Schnee zu schmelzen. Etwas, das hier nicht hingehörte. Die Eindrücke sickerten langsam in ihr Gedächtnis, wie Wasser, das durch einen Kaffeefilter sickerte. Blut! Vor ihr fielen einzelne Tropfen roten Blutes in den unberührten Schnee.

Kleine Tröpfchen

Mit eisig kalten kleinen Tröpfchen scheuche ich die Menschen schnell unter Dächer, in Hauseingänge, in den Rückzug ihrer Kapuzen. Ich bin nicht bösartig, ich scheuche nur gerne. Ich sehe zu, wie sie ihre Mäntel enger ziehen, wie sie fluchen und rennen, das erfreut mich. Dem scharfkantigen Schauer mische ich noch ein wenig Wind bei, wehe Regenschirme beiseite und den Regen gegen die Scheiben. Die Menschen mögen mich. Sie nehmen mich als Ausrede, in ihren Behausungen bleiben zu dürfen. Aber wenn sie sie doch verlassen müssen, warte ich auf sie, bringe ein bisschen Bewegung in die schlaffen Muskeln und Röte in die Gesichter.

Ein schöner Frühsommertag

Es war ein schwüler Spätnachmittag im Juni, die meisten Menschen waren dabei ihre Arbeitsplätze zu verlassen und den Feierabend anzutreten. Manche hatten die Stadt bereits verlassen hinaus auf Land wo viele wohnten.

Vereinzelt standen aber noch PKWs vor den Betrieben von Menschen die um diese Zeit noch arbeiteten, Überstunden machten oder Spätschicht hatten. So sah mich auch keiner kommen, wie ich mich vor dem Homberg auftürmte, immer dunkler und bedrohlicher wurde. Ich setzte mein bedrohlichstes Gesicht, pechschwarz und gelb auf, was jedem der mich kannte ein Alarmsignal hätte sein sollen. Eine halbe Stunde später, eine halbe Stunde die ich den Nachzügler noch gewährt hatte, um den Heimweg anzutreten oder einen sicheren Ort aufzusuchen war verstrichen.

Ich hatte einen sonnigen Frühsommerabend in dunkle Nacht verwandelt und ließ die ersten Regentropfen auf das ausgetrocknete Land und die Straßen und Dächer der Stadt fallen.
Ein paar Unerschrockene liefen noch auf den Bürgersteigen, geschützt von Regenschirmen, die ich ihnen mit Windböen entriss oder umklappte. Wer konnte suchte Schutz und nachliegenden Fabrikeingängen oder in den Geschäften.

Der erste Blitz gefolgt von einem Donnerschlag der auch den Letzten an einen Ort trieb am dem er Schutz finden würde. Nun hatte ich freie Bahn, ich konnte mir Luft machen, meine ganze Kraft entfalten. Mülltonnen und deren Inhalt flogen über Parkplätze und Straßen, Blätter von Bäumen stoben umher, Äste brachen stürzten herab, die Wurzen der Bäume waren nicht mehr in der Lage sich am Boden zu halten und kippten zur Seite, der Asphalt und die Pflastersteine wurden durch die herausgerissen wurzeln gelöst und verteilen sich auf der Straße.

Die Regentropfen verwandelte ich in Hagelkörner so groß wie Golfbälle und ließ die auf den Boden gegen Autos und Gebäude brasseln, Fensterscheiben an PKWs und Häuser zerbarsten, hastig heruntergelassene Jalousien durchlöcherte mein Hagel und Auto übersäte ich mit Dellen.

Meine Hagelkörner, verstopften die Gullys und das Wasser und der Hagel stiegen immer weiter an und lief in Fabrikhallen und Bürogebäude, keiner konnte mir etwas widersetzen, ich hatte gezeigt wer der Stärke ist.

Meine Wolkendecke riss so schnell auf wie sie gekommen war, die Sonne kam zum Vorschein und ein doppelter satter Regenbogen überspannte den Himmel.

Der Student

Schaut euch diesen Burschen an, der da so stolz dahinschreitet! Einen schönen Spaß werde ich mit ihm haben. Wer so frech pfeift und singt auf seinem Weg über Felder, vorbei an Burgen und durch Dörfer, wer die dunklen Wolken ignoriert, die sich hinter ihm zusammenbrauen, dem gehört ein gehöriger Schreck eingejagt. Eine Lehre, die er nicht an seiner Universität erhält!
Ich kenne ihn, den lieben Martin, den feisten Studenten. So manches Mal ist er betrunken durch meinen Regen gestolpert, hat Mädchen hinterhergepfiffen, hat im Sonnenschein faul auf der Wiese gelegen. Im Winter, wenn ich Kälte so scharf wie ein Schwert durch die Straßen schickte, hat er auf der Bank des Hörsaals gekauert, die Hände vor den Lippen, um sie am Hauch seines Atems zu wärmen.
Doch nun ist er übermütig geworden. „Was sollen mich ein paar Tropfen Regen schrecken, davon wird der Arsch mir schon nicht nass!“, hat er gelacht, als man ihn warnte. Ein Unwetter zöge herauf, er zuckt nur mit den Schultern. Ja vergnüge dich nur, mein lieber Martin, mach deine Witze über mich!
Schon nähert er sich Stotternheim. Ich treibe die Wolken an, ein Windstoß treibt Sand und Zweige über den trockenen Pflasterweg, zerrt an seiner Tunika. Überrascht sieht Martin auf, blickt in Finsternis, wo eben noch blauer Himmel war. Er versucht den Weg zu verkürzen, läuft schnellen Schrittes übers Feld. Ich lasse schwere Tropfen fallen und ein Grollen wie aus tiefster Erde rollt über das Land. Er rennt, ich öffne die Schleusen des Himmels, noch bevor er den Baum erreicht, kleben ihm die Haare auf dem Kopf, rinnt ihm das Wasser die Nase hinunter. Ich warte, bis er sich umdreht, die Augen zu mir erhoben, dann schleudere ich einen Blitz hinab. Ha, wie er springen kann! Er weicht zurück, ganz dicht bis zum Stamm, noch ein Blitz, näher diesmal, das Krachen erreicht fast im selben Moment seine Ohren. Noch einer und noch einer, mein Lachen ist das Donnergrollen. Ich gerate außer Rand und Band, ohohoho, lieber Martin, dich werden doch wohl ein paar Tropfen Regen nicht schrecken?
Was ist das? Er kauert, hat sich zu Boden geworfen, die Lippen beben. Betet er, der feine Student, der kleine Martin? Das letzte Grollen verhallt, ich lasse den Regen für einen Augenblick verebben, damit ich ihn verstehen kann.
„Heilige Anna, wenn du mich rettest. Ich will ein Mönch werden.“
Martin Luther ein Mönch! Na wer glaubt denn so etwas. Da bin ich wohl zu weit gegangen. Denke ich und treibe mit einem Windhauch das Gewitter weiter.

Ich bin der Sturm

Ich bin ein Sturm, der über der Stadt tobt. Meine dunklen Wolken ziehen bedrohlich am Himmel auf und mein donnerndes Grollen lässt die Menschen erzittern. Mit jedem Windstoß und jedem Regentropfen, den ich fallen lasse, beeinflusse ich das Leben dort unten.

Die Menschen werden sich an dieses Unwetter erinnern, denn ich hinterlasse eine Spur der Verwüstung. Ich wirbel Blätter und Äste durch die Luft, reiße Dachziegel von den Häusern und lasse Fensterscheiben klirrend zu Boden fallen. Autos werden von meinen Sturmböen umgeworfen. Ich bin der Sturm und nichts kann mich aufhalten.
Mein Zorn kennt keine Grenzen und die Bewohner dieser Stadt müssen sich vor meiner Macht in Sicherheit bringen.

Während ich wüte, retten sich die Menschen in ihre Häuser und beobachten mich durch die Fenster. Sie sind fasziniert von meiner Kraft und gleichzeitig ängstlich vor meiner Zerstörungskraft. Aber sie wissen auch, dass sie meiner Macht hilflos ausgeliefert sind. Sie können nur abwarten und hoffen, dass ich bald weiterziehe.

Nach Stunden des Wütens beginne ich mich langsam zu beruhigen. Meine Wolken ziehen weiter und mein Grollen wird leiser. Die Menschen atmen auf, weil sie wissen, dass das Schlimmste vorbei ist. Doch ich werde wieder kommen.
Sie werden sich auf mich vorbereiten und versuchen, sich so gut wie möglich zu schützen. Aber letzten Endes sind sie meiner Macht hilflos ausgeliefert. Ich bin der Sturm und nichts kann mich aufhalten.

Gewitter

Launisch will ich heute sein.
Etwas schaffen? Etwas zerstören? Mal sehen.

Dunkel ist dieser Abend, noch dunkler dank meiner finsteren Wolken. Über den Himmel hab ich sie geschoben, die letzten Sonnenstrahlen haben sie verschluckt, Mond und Sterne werden sie verbergen. Mein Regen prasselt, übertönt jedes Geräusch.
Da ist einer, der nutzt die Gelegenheit. Er wartet, triefnass, aber geduldig. Ich lasse ihn zappeln, nur ein wenig. Er hat gezählt, hat aufgepasst. Mein Blitz zuckt in der Ferne. Eins. Zwei. Drei.
Donner grollt, Glas zerbricht. Er greift zu, eilig, gierig. Tropfend hängen ihm die Haare ins Gesicht. Alles hat er in seine Taschen gestopft. Jetzt rennt er mit meinen Regentropfen um die Wette. Mein Wind peitscht sie hinter ihm her, treibt sie an und an ihm vorbei, trägt die Rufe seiner Verfolger an seine Ohren. Noch düsterer sind die Wolken, noch dichter der Regen, verschlingen das Licht, behindern die Sicht.
Still steht er, im Schatten, in der Dunkelheit, hinter der Kaskade eisigen Wassers. Die Häscher werden langsamer, verzweifeln, geben auf. Zu gut hab ich ihn verborgen, den Schuft. Direkt vor ihren Augen.
Und nun? Ein Blitz. Da ist er. Direkt vor ihren Augen. Erwischt.

Launisch wollt ich heute sein.
Gelegenheit geschaffen. Hoffnung zerstört. So ist es geschehen.

Lautlos erscheine ich am Abend. Wie aus dem Nichts verwandle ich die Landschaft in weiß. In dem Licht der Straßenlaternen kann man sehen, wie langsam ich falle. Mit großen Augen drücken sich die Kinder der Stadt ihre Nasen an den kalten Fensterscheiben platt. Ich zeige mich zum ersten Mal seit Winterbeginn. Sie können es kaum erwarten, aus mir einen großen Schneemann zu bauen. Sie schlüpfen in ihre Schlafanzüge und sausen hastig in ihre Betten. Wie wird die Stadt wohl am Morgen aussehen? In den frühen Morgenstunden lässt meine Kraft allmählich nach. Die ersten Kinder sind schon erwacht. Sie schmeißen sich in ihre Winteranzüge und springen in die Stiefel. Hier und da ertönt ein Staunen. Einige Kinder sind mit Möhre, Topf und Schal bewaffnet. Andere veranstalten eine Schneeballschlacht mit Geschwistern, Eltern oder Freunden. Würde ich doch nur überall solch eine Freude verbreiten…

Unverhofft kommt oft

Es ist ein wundervoller Tag. Die kleine Insel umgeben von der geheimnisvollen Nordsee erstrahlt in einem ganz zauberhaften mysteriösen Glanz. Die ganze Atmosphäre hat etwas geheimnisvolles. Der Himmel erstrahlt in einem wunderschönen Blau. Noch kann man die Sonne deutlich erkennen.
Der Strand ist gut besucht. Verschiedene Menschen spazieren an ihm entlang. Einige gehen ganz nah an der Brandung und genießen den schönen Tag.

Mit mir rechnen die meisten von Ihnen heute überhaupt nicht, doch ich stehe schon in den Startlöchern. Noch gedulde ich mich, denn ich lasse Sie noch in dem Glauben , dass sie ruhig noch weiter raus spazieren können. Die Strandpaals entfernen sich immer weiter von den Spaziergängern.

Jetzt ist mein perfekter Moment gekommen. Ich nehme tief Luft und blase mit aller Kraft meine Freunde ,die prall gefüllt sind mit Regen ,auf die Bühne. Ich freue mich sehr die Reaktionen der unwissenden Touristen zu sehen.

Sie haben mich längst bemerkt. Die langen Haare der Frauen lasse ich wild fliegen.
Die Hosenbeine der Männer flattern wie Fähnchen im Wind. Sie haben Mühe einen Schritt vor den anderen zu setzen.
Ich grinse in mich hinein und kann meine Freude nicht mehr unterdrücken. Ich muss lachen. Das ist das Signal für meine Freunde, die Wolken. Sie dürfen sich erleichtern.
Der Regen fällt und die Menschen rennen Richtung Strandpaal. Manche lachen darüber , andere Ärgern sich richtig und schimpfen.
Ich mag diese Art von Menschen, die aus jedem Wetter etwas Schönes machen können.
Für Sie habe ich auch noch eine Überraschung. Ich lasse die Sonne wieder aufziehen und beschere den Menschen die aufmerksam sind einen traumhaften Regenbogen über dem Meer.
Ach, ich liebe es immer wieder mich auszutoben.

Hochstapler

„Was willst du denn hier?“, fragt mich die Regenwolke irritiert. „Der Himmel gehört dir nicht!“
„Willst du wetten?“, frage ich und grinse. „Ich bin das beste Wetter, das es gibt, also zisch ab!“
„Ha“, sagt die Regenwolke. „Du bist doch kein Wetter.“
„Klar bin ich welches“, behaupte ich. „Ich regne!“ Funken, die regne ich, und die sind viel schöner als das Wasser.
Ich ziehe weiter, in die nächste Zeitzone, und breite mich auch hier aus.
„Verschwinde!“, grollt der Donner, aber ich höre ihn nicht. Ich bin zu laut, rummse und knalle und jaule, was das Zeug hält.
Ein Sturm? Ich jage viel schneller in die Höhe, als dass der mir was anhaben kann.
Sternenklare Nacht? Meine Bilder sind viel bunter. Mir wird zugejubelt, überall, immer, was niemand anderes für sich verbuchen kann.
Ich bin das beste Wetter, das es gibt. Ohne Zweifel.
Nur gegen die Neujahrssonne, gegen die verliere ich jedes Mal.

Macht ist meine Strategie

Was wären die Menschen nur ohne mich? Es gab sogar Tänze die mich ehrten und heraufbeschwören sollten, doch ich kam wann, wo und so lange ich wollte. Wenn ich es übertrieb, mich in vollen Zügen auslebte, dann schimpften sie, weinten und riefen verzweifelt höre auf damit. Doch ich allein entschied, wann es genug war und ich von ihnen abließ. Und so würde es bleiben - für immer.

Heute überfiel ich einen kleinen Ort, er lag in einem Tal, in dessen Tiefenlinie ein kleines Dorf seine Heimat gefunden hatte. Ich war schon oft hier und beobachtete die Leute. So lieblich die Häuschen von hier oben auch aussahen, wenn ich in der Vergangenheit an ihre Fenster klopfte, sah ich genau das Gegenteil. Streitlustig warfen sie das Geschirr durch die Gegend und brüllten sich an. Beim letzten Mal sah ich sogar noch etwas Schlimmeres und entschied mich sie ihre Taten spüren zu lassen. In jeder Sekunde peitschte ich an ihre Häuser und ließ ihre Keller volllaufen. Sie sollten alles von Grund auf neu aufbauen müssen, mit ihren eigenen Händen. Ich hatte die Hoffnung sie würden danach ihr Leben zusammen mehr zu schätzen wissen, denn wenn ich es wollte hätte ich es ihnen auch nehmen können. Ja so mächtig war ich.

Morgen werde ich an einen Ort gehen, an dem ich nur sehr selten bin und den Menschen das Wasser schenken, welches sie zum überleben brauchen. Auch meine Güte kennt keine Grenzen.

Die Liebe im Wind

Endlich ist er da! Der stürmische und wilde Herbstwind Luc versucht, uns auf seine Reise mitzunehmen. Er zieht und zerrt, eilt vorbei und kommt zurück. Viele meiner Freundinnen und Freunde sind bereits unterwegs. Wirbeln in Gelb, Grün und Orange durch die Luft und erfreuen die Menschen im Park. Aber keine ist so rot und leuchtend wie ich. Ganz oben im Baum klammere ich mich an den Ast und weiss um meine Bestimmung. Nur ich habe die Gabe, ewige Liebe zu schenken. Wer mich bekommt, wird immer glücklich sein.

Wusch, das Abenteuer geht los. In Lucs Armen werde ich entfesselt durch die Luft getragen, quirle herum, geniesse den Flug. Wer wird es sein? Wer nimmt mich mit? Da lande ich bei einem jungen Mann in der Kapuze seines Sweaters. Ach wie herrlich! Mit meinem Stil kitzle ich ihn am Hals. Er greift nach hinten und schleudert mich verdrossen weg. Schwer enttäuscht lande ich auf dem nassen Kiesweg des Parks. Ein unbedachter Kick von einem vorbeigehenden Schuh katapultiert mich zurück in den Wind. Luc hat Erbarmen und begleitet mich auf dem weiteren Weg. Endlich erblicken wir eine Gestalt, die es wert sein könnte. Und siehe da, die junge Frau wird auf mich aufmerksam. Luc lässt mich tanzen und strudeln. Die Frau versucht, mich zu fangen. Luc ist gnädig und lässt mich in ihre Hand fallen. Ihre Augen leuchten und bewundern meine tiefrote Farbe. Da springt ein Hund im Spiel, reisst mich aus ihrer Hand und rennt davon!