Monsun
Ich bilde mir gerne ein, dass ich es war, der dich damals zu dieser Tür geführt hat. „Halt hier mal an“, hast du gesagt. Und du bist aus dem Auto gesprungen und hast an seine Tür geklopft, und ich glaube, genau da war es um euch beide geschehen.
Ihr wusstet es nicht, so wie es die anderen auch nie wissen. Das Schicksal erklärt sich nicht, das hat sie nicht nötig. Wir sind gleich alt, wusstest du das? Sie und ich. Aber ich bin viel neugieriger.
Ich habe euch besucht, immer wieder. Einmal hielt ich mich an einer Tasse fest, die du mitgenommen hast, als er sie draußen bei mir vergessen hat. Ich spürte eure Berührung, wie einen schiefen Ton, der die immer gleiche Melodie unterbricht.
Ich war auch dabei, als er dich beinahe geküsst hat. Als er schon aus der Tür war und sich noch einmal umgedreht hat, bevor ich nach seinen Haaren greifen konnte. Wovor hattest du Angst? Ich habe doch gegen das Fenster getrommelt, dich angebrüllt. Aber du hast mich nicht gehört. Manchmal hasse ich dich dafür, denn so bleibt ihr für immer perfekt. Und nichts darf perfekt sein, das musst du doch wissen. Dem Schicksal ist es egal, ich habe es ihr erzählt. Niemand bekommt eine zweite Chance, sagt sie.
Wenn du heute mit mir spazieren gehst, mische ich mich gern mit dem Salz auf deinen Wangen. Es schmeckt auch ein bisschen nach Zorn, aber du weißt nicht warum. Ich könnte es dir sagen, so wie ich manchmal auch ihm deinen Namen zuflüstere. Dann schaut er auf und weiß nicht warum, und ich verschone ihn, weil auch ich inzwischen weicher geworden bin.
Denkst du auch manchmal noch an ihn? Wenn du so am Fenster stehst, und durch mich hindurch schaust. „Was ist los?“ fragt dann der andere Mann. Der, den du geheiratet hast, als ich nicht da war. Ich glaube, manchmal sieht er es auch, aber er kennt dich eben noch nicht so gut wie ich. „Ach nichts. Nur der Monsun.“