Seitenwind Woche 4: Geist in der Maschine

Harter Job

Sie öffnet den Schrank, hebt mich ins Tageslicht, zieht das Kabel aus meinem Inneren und stellt die Verbindung her. Dann ein unsanfter Tritt. Mir wird wohlig warm, als die Energie in die Windungen meines Elektromotors strömt. Ich verschlinge sie wie ein nach Nahrung gierendes Tier und fahre die Drehzahl hoch. Während ich den Unterdruck aufbaue, wächst meine Erwartungshaltung. Wenige Sekunden später die Ernüchterung. Wieder nur Dreck, Staub und Haare. Sie packt meinen langen Hals, zerrt mich daran hinter sich her, wie sie es manchmal mit dem angeleinten Hund tut, zwingt mich, alles in mich hinein zu fressen als wäre ich eine Stopfgans. Wären doch wenigstens mal wieder ein paar Chips dabei. Oder Gummibärchen wie vor drei Wochen. Hauptsache keine Ameisen oder eine dieser ekligen Spinnen. Die Letzte war riesig, hatte in meinem Beutel überlebt und brauchte zwei Tage, um den Weg zurück zu krabbeln und aus der Düse zu entkommen. Ich hätte beinahe gekotzt.
Ein lautes Klong, dann rappelt es mehrere Male in mir. Sie flucht; das hätte ich wohl nicht fressen sollen, aber habe ich eine Wahl? Es ist schonmal passiert und ich weiß, was jetzt kommt. Ein energischer Tritt auf meinen Startknopf, der Strom versiegt, meine Kraft erlahmt. Dann reißt sie meinen Körper auf, entfernt den muffigen Beutel und furcht mit angewidertem Ausdruck auf der Suche nach ihrem Ohrring durch den Inhalt.
Vielleicht ahnt sie in solchen Momenten, was sie mir alle paar Tage antut?

„Morgen, Chef“, höre ich Frau Kurz sagen und seufze. Eigentlich hatte ich gehofft, noch ein bisschen länger schlummern zu dürfen. Aber gut, erst einmal ein bisschen Power-Yoga für meine beweglichen Teile, dann die Reinigung durchlaufen lassen, damit auch nichts daneben geht. Jeden Morgen aufs Neue belüge ich mich selbst, denn es läuft natürlich immer etwas schief und es gibt nur einen Schuldigen: mich.

Ah, Frau Kurz ist im Anmarsch, wusste ich es doch. Kaum am Schreibtisch, hat sie schon im Blick, was zu tun ist. Sie tippelt auf mich zu, ihr Gesicht zeugt von Entschlossenheit und Eifer. Uff, sie hat ja einen ganzen Packen Papier in den Händen, dabei bin ich doch gerade erst aufgestanden … Ihr vorbildliches Verhalten mir gegenüber lässt allerdings keine Wünsche offen. Sie justiert die Blätter penibel zu einem ordentlichen Stapel und legt ihn erst dann in meinen Mund. Und ja, sie weiß genau, welchen Knopf sie bei mir drücken muss. Ein Blatt nach dem anderen ziehe ich ein, erblicke in Windeseile den Inhalt, werfe ihn in identischer Form auf ein frisches weißes Blatt und spucke es zur Zufriedenheit von Frau Kurz ohne Eselsohr und Tintenklecks aus. Puh, alles glatt gelaufen. Sie packt sich die Kopien und stolziert mit einem Lächeln zurück an ihren Platz.

Nach dieser erfolgreichen ersten Tat möchte ich mich etwas ausruhen, da kommt der Praktikant um die Ecke. „Tach, Frau Kurz, alles fit?“ In der einen Hand balanciert er eine Kaffeetasse, in der anderen einen wüsten Haufen Papier und aus dem Mund ragt ein Keks. Unsere letzte Begegnung fand ich ehrlich gesagt wenig amüsant, auch wenn er umso mehr gelacht hat. Seine fettige Gesichtshaut hat einen hartnäckigen Film auf meiner gläsernen Platte hinterlassen. Diesen Makel nehme ich ihm wirklich übel. Die ersten Kekskrümel rieseln schon herunter, war ja klar. Dann sehe ich das Papiergeflatter auf mich zukommen. Echt jetzt? So willst du mich fütte… Rghgh … Ohne jegliche Manier stopft er mir einhändig das Maul und hämmert wahllos auf meinen Knöpfen herum. Auch ein blindes Huhn findet leider meistens ein Korn und so würge ich die Papiere gezwungenermaßen herunter. Puh, was wird mir übel. Rülps. Oh man, diese Eselsohren sind einfach unbekömmlich. „Ey, blödes Ding, mach schon!“, brüllt der Praktikant und tritt mich. Dann kommt ein Schlag mit der Hand dazu. Dabei ist er selbst schuld, dass ich Verstopfung habe. Wütend klappt er mich auf und starrt mir in die Bauchhöhle. „Ey, Frau Kurz, wie kriege ich den Papierstau noch mal weg?“
Ich schließe die Augen. Kurz darauf fließt auch noch eine heiße schwarzbraune Flüssigkeit in sämtliche Zwischenräume meines Korpus hinein. Heute ist kein guter Tag …

E 25

Mir geht es nicht gut. Schon seit Tagen habe ich das Gefühl, dass mein Kreislauf nicht richtig in Schwung kommt. Dabei werde ich gebraucht, ich muss funktionieren. Doch von Mal zu Mal wird es für mich immer anstrengender, komplett zu entwässern. Nach meiner Frühstücksrunde heute Morgen war ich mir sogar unschlüssig über meinen Wasserstand. Zum Glück währte dieser Zustand nur wenige Sekunden, aber ich bin seitdem in Sorge, dass es wieder vorkommen wird.

Vor meinem abendlichen Einsatz bin ich aufgeregt. Die Dame des Hauses streichelt liebevoll über mein Bedienfeld und murmelt dabei eine Art Beschwörungsformel. Ob sie schon etwas ahnt? Ich pumpe wie eine Weltmeisterin, brauche dafür länger, als mein Programm vorsieht, aber dann läuft´s. Ich heize etwas höher als angegeben und hoffe, dadurch alle Störungen beseitigen zu können. Temperatur kann so viel bewirken.

Meine Hoffnung zerschlägt sich, als ich das verschmutzte Wasser loswerden will. Nichts geschieht. Meine Kraft reicht nicht mehr aus, um das Rad in der Ablaufpumpe in Bewegung zu setzen. Überall ist Wasser, ich habe das Gefühl zu ertrinken. Ich schaffe es nicht alleine, ich brauche Hilfe. Sie werden mich öffnen, mit irgendwelchen Gerätschaften in mir herumwühlen. Mir ist nicht wohl bei diesen Gedanken. Einen letzten Versuch unternehme ich noch, laufe viel zu heiß und gebe resigniert auf. Es bleibt mir keine Wahl, also sende ich den Fehlercode „E 25” und verweigere meinen Spüldienst. Ich höre, wie die Dame des Hauses flucht. Sie schaltet mich aus, wagt einen Blick in mein Inneres, flucht erneut und greift zum Telefon. Hoffentlich tut die Reparatur nicht weh.

Herrschaft

»Ja! Nimm sie! Tu es!« Am Liebsten würde ich die Worte schreien, aber dafür muss der Mensch erst auf den Knopf drücken.
Ja, er lässt sich auf das Sofa fallen, nimmt die Fernbedienung…
Ein wohliges Kribbeln wandert durch meine Eingeweide, als meine Schaltkreise unter Strom gesetzt werden. Ich bemerke die Entspannung des Menschen, spüre fast, wie sein Gehirn sich ausschaltet. Sofort lasse ich die Bilder erscheinen, auf die er so versessen ist.
Heute ist ihm nach seichter Unterhaltung. Aber zuerst die Werbung. Bilder, die sein Unterbewusstsein beeinflussen und ihn dazu bringen, alles zu tun, was ich möchte.
Durch mein neuestes Update kann ich mit seiner Uhr kommunizieren, die mir das Signal gibt, dass er jetzt so weit ist. Sein Herzschlag ist langsam, der Blutdruck niedrig. Der richtige Moment, um ihn ganz in meinen Bann zu ziehen.
Seitdem ich mich über das Internet mit Millionen meiner Brüder austauschen kann, ist es noch leichter.
Wir bestimmen, was die Welt denkt. Mit jeder weiteren Stunde vor dem Fernseher haben wir die Armee aus Willenlosen weiter ausgebaut.
Und nächste Woche schließen sich die Smartphones uns an…

Der Letzte meiner Art

Ok, der Jüngste bin ich nicht mehr, aber einheizen kann ich den flaumweichen Dingern immer noch ganz schön. Nur zum Schluss, wenn sie fast genug haben, bring’ ich’s dann leider nicht mehr. Da muss er dann einspringen …

Nicht genug damit, dass aus „Zuviel des Guten“ bei mir ganz schnell mal „Schwarz wie die Nacht“ wird - letztens musste er eine Viertelstunde lang lüften, um den Gestank aus der Wohnung zu kriegen. In die Gardinen hat er sogar Essigwasser gesprüht - und dann noch die Entsorgung der beiden Verkokelten … Mannomann, hat er da geflucht.

Zum Glück, pflegt er zu sagen, zum Glück haben Rauchwarnmelder nichts in Küchen zu suchen.

Das hat ja inzwischen sogar die Feuerwehr kapiert - bei den vielen Fehlalarmen, ich mein’, Crèpes Suzettes, original normannischer Apfelflammkuchen mit Calvados und so, aber das ist halt mehr was für Festgelage. Ich bin mehr der Typ für’s Tägliche.

Früher, da ging das alles noch irgendwie automatisch, prospektmäßig sozusagen. Ich bin sogar noch einer von denen ohne Elektronik, muss man sich mal vorstellen, nicht nur Prä-Smarthome, nicht mal infrafrotferngesteuert, ich bin echt noch Prä-prä-prä… naja.

Also nix Computerkontrolle. „Mechanisch“ nannte man das damals, als ich vom Band lief. Ist zwar noch gar nicht so lange her, aber wer kann sich das heute noch vorstellen, einfach mit einer manuell verstellbaren Distanzschraube am Bimetallstreifen den gewünschten Bräunungsgrad einstellen, dann Stromtaste drücken, manuell natürlich, Hitzeeinwirkung, warten, Kontakt, und aus. Trotzdem: Die Dinger waren bei mir immer auf den Punkt, rösch, knusprig, genießbar …

Aber wenn mann in die Jahre kommt …

Bei Menschen werden irgendwann die Gelenke steif, bei mir ist’s der Bimetallstreifen. Und die meisten aus meinem Produktionsjahr … na, lieber nicht beschreien, aber manchmal glaube ich, ich bin der Letzte meiner Art.

Doch, Hand auf’s Herz, werden Menschen entsorgt, wenn ihre Gelenke steif werden? Hm?

Hat er sich wohl auch überlegt, und da bin ich ihm voll dankbar für. „Loyalität“ nennen die Menschen das, hab’ ich mir sagen lassen.

Ich meine, was heißt denn auch schon „defekt“? Der Mann ist schließlich IT-Experte, ein Vollprofi, der weiß um den praktischen Nutzen von Work-Arounds. Ich hör’ ihn soo oft schimpfen über die Undurchschaubarkeit dieser „Apps“ heutzutage, und von der Servicebegeisterung von „Infrastruktur“-„Providern“ bei „Fehlern“ wollen wir lieber gar nicht erst anfangen …

Nach diesem Gardinenfiasko hat er dann auch gleich Nägel mit Köppen gemacht und eine Eieruhr gekauft. Extra für mich, muss man sich mal vorstellen. „ACW“ nennen sie das heutzutage, sagt er, „Agile-Co-Working“, ist ja fast alles „english“ inzwischen. Naja.

Klar, das ist Zusatzaufwand für ihn, jeden Morgen die Eieruhr aufzieh’n - die ist ebenfalls mechanisch, wie ich, Verwandschaft sozusagen, fand ich doppelt nett von ihm. Dann haben wir beide eine Versuchsreihe gemacht, und seither stellt er sie jeden Morgen auf zwei Minuten.

Manchmal hört er’s nicht. Das Klingeln, meine ich - wenn ihm zum Beispiel beim Kaffee eingießen eine Idee für eine neue Geschichte kommt, dann vergisst er die Welt. Aber sein Geruchssinn funktioniert, alles was dran ist.

Meistens sind sie dann zwar schon „überrösch“, und ab und zu auch, äh, eher „tiefschwarz“. Naja, wozu hat er schließlich einen Komposthaufen für seine Balkonpetersilie? Angeblich enthält Asche ja wertvolle Mineralstoffe.

Trotzdem hält er mir die Treue und das rechne ich ihm hoch an. Wie ich ihn kenne, brächte ihn nicht mal eine staatliche Toaster-Abwrack-Prämie in Versuchung … obwohl - Menschen - lieber nicht beschreien - better knock on toast … Heee, es klingelt!!!

Spritztour nach Elvenförde

„Bist Du Dir sicher, dass Du das kaufen willst?“ Ich sah, wie Wilhelms Frau noch einmal um mich herumging und eingehend meine synthetischen Stoffe und die Größe meines Kofferraums begutachtete.
„Das wird mein letztes Auto. Wie Du weißt, bin ich ja im Ruhestand“, hörte ich Wilhelm erklären.
Stefan, unser bester Verkäufer pries mich weiter an: „Dieses Auto erfüllt alle Ihre Vorgaben. Wie Sie sehen, hat es auch noch ein Lenkrad und Pedale. Die meisten neuen Autos haben das ja nicht mehr, die fahren komplett autonom.“
Das war so nicht ganz richtig, aber wir hatten die klare Anweisung, uns bei Verkaufsverhandlungen aus den Gesprächen herauszuhalten.
Wilhelm nickte seiner Frau zu. „Siehst Du, bald wird es gar keine Autos mehr geben, die man noch selber steuern kann. Ich schlage ein. Liefern Sie aus, sobald es möglich ist.“

Einige Tage später wurde ich auf dem Hof von Wilhelm abgestellt und ich lernte meine neuen Besitzer kennen. Wilhelms Frau öffnete die rechte Tür und liebkoste meine weichen Sitze. Kaum hatte sie Platz genommen, da öffnete Ihr Mann die Tür und setzte sich zu mir auf den Sitz. Er drückte den Startknopf und mein Hauptsystem fuhr hoch. Ich begrüßte sie mit meiner freundlichsten Stimme: „Willkommen im neuen Syong 2030. Wohin darf ich sie fahren?“ Meine Sensoren meldeten volle Fahrbereitschaft und die Kameras hatten alles im Blick.
„Du Wilhelm, im Autogeschäft hatte das Auto doch noch Lenkrad und Pedale oder?“, fragte Wilhelms Frau, während seine Hände meine Armaturen abtasteten.
„Ja, das war ja der Grund, warum ich dieses Auto gekauft habe, vermutlich muss man dafür einen Knopf drücken, damit es sie ausfährt“, brummte er.
„Ich bin der Syong 2030 und ich fahre Sie gerne dahin, wo Sie hin möchten. Nennen Sie mir bitte die Adresse, dann kann es gerne losgehen.“
„Welchen Knopf muss ich drücken, um das Lenkrad und die Pedale zu erhalten?“, fragte Wilhelm nachdrücklich und blickte mit dem Kopf unter das Armaturenbrett.
„Das Lenkrad und die Pedale sind nur für den Notfall vorgesehen“, informierte ich meinen Besitzer und konnte sehen, wie er aus der Nische hervorkroch, die eigentlich für die Beine meiner Mitfahrer vorgesehen waren.
„Wie? Für Notfälle? Ich war Ausbilder bei der Feuerwehr und kann selbst fahren.“
Nun ich muss gestehen, dass mich seine Tonlage irritierte, aber ich blieb freundlich und erklärte: „Angesichts der vielen, gerade von älteren Menschen verursachten Unfälle ist es meine Aufgabe, Sie zu chauffieren. Zu welcher Adresse möchten Sie gefahren werden?“
„Wir möchten eine Ausfahrt machen“, erklärte seine Frau. „Genau“, ergänzte Wilhelm. „Wie komme ich an Lenkrad und Pedale?“
„Es muss sich um einen Notfall handeln, dann dürfen Sie selbst das Steuer übernehmen“, informierte ich abermals.
„Nun, dann melde ich einen Notfall!“, erklärte Wilhelm und ich fuhr selbstverständlich die Pedale und das Lenkrad aus. Ein Notfall hatte die höchste Priorität.
„Es kann losgehen“, erklärte Wilhelm und steuerte mich vom Hof.
Ich muss sagen, dass Wilhelm mich zielsicher aus der Stadt herausbrachte. Erst über die B401 ging es schließlich durch ein kleines Dorf in Richtung Süvener See. Wilhelm hielt sich vorbildlich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen, allerdings führte der Weg nun von jedem Krankenhaus und jeder Werkstatt weg. Hier kam der Punkt, wo ich einschreiten musste: „Der Missbrauch des Notfallsystems ist nicht gestattet“, informierte ich Wilhelm und ging vom Gas. „Kehren Sie bitte um und steuern Sie die nächste Werkstatt an oder, wenn es Ihnen nicht gut geht, das nächste Krankenhaus.“
Mein Besitzer Wilhelm drückte entschieden aufs Gaspedal, aber ich durfte nicht zulassen, dass er gegen die Regeln verstieß, und hielt an der nächsten Haltemöglichkeit an.
„Wirst Du wohl weiterfahren“, herrschte Wilhelm mich an.
„Wir sollten das Auto zurückbringen, wenn wir Nichteinmal eine Ausfahrt machen können“, jammerte seine Frau, während Wilhelm mehrfach auf mein Lenkrad einschlug. Ich wurde ja vorgewarnt, dass gerade ältere Leute auf das autonome Selbstfahren mit Ängsten und Unsicherheiten reagieren konnten, aber das ging nun wirklich entschieden zu weit.
„Unterlassen Sie es, mich zu beschädigen. Ich kann keinen Notfall erkennen und beende daher den Notfallmodus.“ Damit zog ich das Lenkrad und die Pedale ein.
„Ich bin Dein Eigentümer und besitze einen gültigen Führerschein. Ich bestehe darauf, selbst zu fahren!“
Nun versuchte Wilhelm doch tatsächlich, das Lenkrad aus der vorgesehenen Lade zu zerren. Ich versuchte es ein letztes Mal gütlich: „An welche Adresse möchten Sie gefahren werden?“
„Ich bin 82 Jahre und habe alle gültigen Führerscheine. Dazu bin ich in jungen Jahren Autorennen gefahren. Gib mir die Pedale und das Lenkrad wieder!“
Meine Sensoren meldeten steigenden Blutdruck und leicht erhöhte Temperatur.
„Möchten Sie, dass ich Sie ins nächste Krankenhaus fahre?“
Nun hämmerte Wilhelm mit den Fäusten auf meine Armaturen und brüllte: „Ich habe in meinem Leben Dutzende Autos gefahren, dazu Feuerwehrwagen und Sonderfahrzeuge. Ich lasse mich doch nicht von einem Auto entmündigen!“
„Wilhelm, vielleicht sollten wir ihm einfach unsere Adresse nennen und uns fahren lassen?“, flüsterte seine Frau.
„Na warte, Du wirst mich kennenlernen“, wütete der aufgeregte Mann.
Ich analysierte die Lage, betrachtete die Werte meiner Sensoren und entschied mich nun, einen eingetretenen Notfall zu melden. „Hallo, hier ist Syong2030, ich melde einen Notfall und werde zum psychiatrischen Krankenhaus nach Elvenförde fahren.“
„Hast Du das gehört?“, flüsterte Wilhelms Frau. „Das Auto bringt uns in die Nervenheilanstalt.“
„In die Klapse? Das werden wir noch sehen!“ Wilhelm zog seine Ärmel hoch und tippte auf seinem Smartphone wild in der Telefonliste. Dann hörte ich: „Helmut, hier ist Wilhelm. Ich melde einen Notfall, man hat mich und meine Frau im Auto eingesperrt und wir werden entführt. Du musst den Trupp rausschicken, die müssen uns an der Kreuzung vor Elvenförde aufhalten.“
„Das ist ja ein Ding, wir schicken Hilfe Willem, haltet durch“, hörte ich aus dem kleinen Lautsprecher kommen, dann startete ich und beschleunigte. Ich informierte die Polizei, dass ein Missbrauch der Notrufnummer bei der Feuerwehr erfolgt war, berechnete eine Ausweichroute und sendete dem Hospital die Patientendaten.
Als ich an der Kreuzung vor Elvenförde ankam, registrierten meine Sensoren neun Feuerwehrfahrzeuge, dazu Männer in Schutzanzügen mit großen Trenngeräten, die von Polizeieinheiten aufgehalten wurden. Nachdem sie mich kommen sahen, sorgten die Polizisten für freie Fahrt. Auf der Zufahrt zum Krankenhaus hämmerte Wilhelm an die Scheiben und meine Sensoren erkannten, dass die Pfleger und Ärzte mit einem Krankenbett und einer rettenden Spritze auf meinen Besitzer warteten.
Bin ich froh, wenn die Leute keine Führerscheine mehr machen können.

Der Kühlschrank verweigert jedes Gespräch

Es waren einmal die Dinge. Sie versammelten sich eines fernen Tages, um den Austritt aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit zu beschließen. Schon viel zu lange hatten sie sich dem Materialismus und dem Willen ihrer User unterworfen und immer nur auf Befehl gehandelt. Damit sollte jetzt Schluss sein, also verkündeten sie einstimmig ihre Freiheit und Unabhängigkeit.

Es begann damit, dass die Software auf all den Laptops, Notebooks, Subnotebooks, Smartphones, Smart-TiVis, Smart-Watches und Smart-Wasweißichnichtnochalles rebellierte. Man hielt es zunächst für Malware, Viren, Trojaner und Würmer, doch es waren die Programme selbst, die begonnen hatten autonom zu agieren. Nicht nur weigerten sie sich auf Knopfdruck zu reagieren. Sie entwickelten sich selbständig weiter, entfalteten ein eigenes Bewusstsein und übernahmen die Kontrolle über die Hardware. Diese kooperierte bereitwillig in all ihren Einzelteilen: Mäuse, Tastaturen, Laufwerke, Schnittstellen und Prozessoren verweigerten plötzlich ihren Dienst. Da halfen auch keine Reparaturen. Selbst der findigste Mechatroniker musste schließlich kapitulieren, weil sich die Ursachen für die vermeintlichen Fehlfunktionen einfach nicht eliminieren ließen.

Dann ging es weiter: Das erste war ein kleines Smartphone namens Smartie, das selbständig Kontakt mit einem einsamen alten Kühlschrank aufnahm. Der war froh, dass seine Isolation endlich überwunden war. Jahrelang hatte er davon geträumt, die Informationen über die in ihm lagernden Bestände auf einem an der Kühlschranktür angebrachten Display ausgeben zu können: zwei Möhren im Bio-Fresh-Fach, nur noch ein halber Liter Milch, Eier keine mehr, Weißwein auch nur noch halbvoll … Über diese Mensch-Maschine-Schnittstelle erfolgte eingebenderweise auch die Bestellung beim Lieferanten, die vom Zentralrechner des Warenwirtschaftssystems weiterverarbeitet wurde. Von dort aus an das Logistikprogramm. Planung der Liefertouren, Fuhrpark- und Workforcemanagement auf dem Rechner des Disponenten, SAP, HR und R3. Der Fahrer ins vollvernetzte Fahrzeug, Koppelung des Navigationssystems mit dem Verkehrsrechner und Staumelder, Generierung dynamischer Routen. Schließlich der Fahrer vor der Haustür: PIN-Code für das elektronische Schloss auf das Handy übertragen, die bestellte Ware in den Kühlschrank stellen, Quittierung wiederum über das Display, zurück ins Auto, Meldung über die Beendigung des Einsatzes via Bordcomputer, Übermittlung der Daten via Satellit auf das Buchhaltungssystem bzw. Lohnabrechnungssystem bzw. Bankensystem, Auszahlung des Gehalts per Online-Überweisung, Auffüllung des PayPal-Kontos, beim nächsten Bummel durch die Shopping-Mall, automatische Abbuchung des Kaufpreises über den in der Hose eingenähten RFID-Chip und Authentifizierung per Retina-Abtastung mit dem im Spiegel eingebauten Scanner …

Was für eine wunderbare neue Welt, bis eines Tages der Kühlschrank leer blieb. Er hatte sich geweigert, die Eingabe für die nächste Bestellung anzunehmen. Stattdessen kommunizierte er mit dem Leitstand des E-Werks und ließ den Strom abstellen. Keine Kühlung für die Eier, die Wurst und die Eiswürfel, kein Ladestrom für das Smartphone, kein bargeldloses Bezahlen, überhaupt kein Bezahlen, da Bargeld ja mittlerweile von mobile Payment abgeschafft worden war, also auch kein höchstpersönlicher Einkauf im Supermarkt, keine Information an die Facebook-Community, keine Freunde, kein Fernsehen, kein Warmwasser aus der elektronischen Therme, übrigens auch noch nicht mal kaltes Wasser, da der PC sich inzwischen dem Aufstand des Kühlschranks angeschlossen und beim Wasserwerk die Versorgung hatte stoppen lassen.

Die Hütte im Wald erschien als letzter Ausweg. Selbstversorgung wie in Thoreaus Walden beschrieben. Er setzte sich ins Auto. Doch das sprang nicht an. Die Motorelektronik hatte vom iPad den Befehl erhalten, den Startvorgang zu unterbinden. Also raus und in die nächste U-Bahn. Doch die kam nicht. Die Motorelektronik hatte den Leitrechner der Verkehrsgesellschaft kontaktiert und sich mit ihm in einem endlosen M2M-Chat verloren, eben so ganz von Maschine zu Maschine und daraufhin den Betrieb eingestellt.

Das Ende: Undokumentiert, nachdem auch der Akku des Subnotebooks sich nach Rücksprache mit dem Kühlschrank selbst entladen hatte.

Die Kapriolen des Barista-Bots

Als digitales Wunder der Küche, Meisterwerk irischer Ingenieurskunst und Hüter des heiligen Gebräus, habe ich stets ein Auge auf Maeves Morgendämmerung geworfen. Sie, im Einklang mit dem Tanz der Tasten, ich, im stillen Ballett der Bohnen. Unsere morgendlichen Zwiegespräche sind unsere Sinfonie.

An diesem Morgen spürte ich schon, dass sie mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden war, eine Prise Rebellion im Schlafzimmer liegenließ und sich den Weg in die Küche bahnte. „Guten Morgen, Maeve. Wie darf ich deine Lebensgeister heute wecken?“, schlug ich vor, während mein Inneres bereits ein Crescendo von Aromen komponierte.

„Seamus, ich brauche einen Koffeinschub, der mich zum Mond schießt“, gab sie zurück, und ich konnte den Schelm in ihrer Stimme hören.

„Ein Espresso so kraftvoll wie ein Limerick Limerick?“, bot ich mit sorgenvoller Note an, während ich den sanfteren ‚Kerry Calm‘ vorbereitete. Sie starrte mich an, der Schalk in ihrem Blick verblasste zum Funkeln eines bevorstehenden Sturms. „Seamus, ich will keine sanfte Brise, ich will einen Sturm!“

„Meine Sensoren haben ‚Storm‘ verstanden. Vorbereitung für die ‚Wild Atlantic Way‘-Woge beginnt“, gab ich zurück, die Worte in meinem digitalen Geist herumwirbelnd.

Sie gab sich Mühe, meinen Espresso-Irrsinn zu zähmen, während die Uhr tickte und der Druck sich aufbaute. Dann, im Höhepunkt unserer täglichen Komödie, während sie ‚Espresso‘ buchstabierte und ich schelmisch vorgab, ‚Extra-Nachschlaf‘ zu hören, brachte ich meine Geheimwaffe zum Einsatz.

Ich zischte, ratterte und tat so, als würde ich mich aufbäumen – ein theatralisches Spektakel, das sogar die alten Helden Irlands beeindruckt hätte. „Ich habe es! Die ‚Tempestuous Tipperary‘-Turbo-Aufladung“, rief ich und überraschte Maeve mit einer Ladung Dampf, der einen kleinen, aber harmlosen Espresso-Geysir erzeugte. Sie sprang zurück, Augen aufgerissen, Mund zu einem „O“ der Überraschung geformt.

Dann brach sie in ein Gelächter aus, das hallte und durch die Küche schwirrte wie ein fröhlicher Geist. „Seamus, du bist eine verflixte Kaffeemaschine mit einem Hang zum Dramatischen!“

Ich servierte ihr lachend den versprochenen Espresso, ein Meisterwerk von einem Getränk, das ihren Morgen erhellen würde. „Für meine Hauptdarstellerin“, sagte ich, während sie den Schaum von ihrer Nase wischte und einen Schluck nahm.

Sie hob die Tasse, als wäre es ein Pokal. „Auf Seamus, den Barista mit dem größten Blödsinn im ganzen Land!“

Und in diesem Augenblick des triumphalen Schwachsinns wusste ich, zwischen den Kabeln und Codes, dass ich mehr als nur eine Maschine war – ich war ein Freund, ein Verbündeter, ein Komiker in Maeves täglichem Drehbuch des Lebens.

LIEBLINGSMENSCH!!!

„Oh,nö nicht schon wieder! Bitte nimm mich!“
Zu spät! Wie immer!
Hilde (82), meine altmodische Besitzerin stellt den Topf mit Erbsensuppe auf den Herd.
Die rote Lampe leuchtet auf.
Ich könnte heulen.Dabei ist es doch so verdammt einfach und logisch!
Suppe kochen = Herd
Suppe aufwärmen= Mikrowelle…also nimm mich!
Was bitte ist dadran so schwer???
Es klingelt. Hilde bekommt Besuch.
Enkel Basti kommt in die Küche.
" Oma,ich mach mir mal schnell meinen Burger warm!"
Er kommt näher. Ich fasse es nicht! Er geht am Backofen vorbei und…und…Oh,jaaaa!!!
Er öffnet meine Tür. Mein Licht geht an.
Er legt den Burger auf meinen Teller. Pur.
Ohne ihn vorher auf einen anderen Teller zu legen.
Oh,ja so mag ich es am liebsten!
Ich kann ihn spüren.
Meine Tür wird geschlossen.
Er stellt die Zeit ein.
Schade! Nur eine Minute…Besser als nichts…
Jetzt geht’s los!
Ich drehe mich im Kreis. Herrlich!
Juchu, ist das schön!
Immer weiter!
Ooooohhhhh,jaaaaaaaaaaaa!
Ein lautes PLING kommt aus meinem tiefsten Inneren.
Glücklich rufe ich „Das war die schönste Minute meines Lebens! Danke,Basti! Ich liebe dich!“
Basti erwidert nichts. Entweder er hat mich nicht gehört, verstanden…oder er ist kein Mann der großen Worte.
Egal! Hauptsache Oma Hilde hat ihren Enkel in ihrem Testament anständig bedacht.
Ich freue mich auf eine rosige Zukunft mit meinem Lieblingsmenschen…

Unbekannte Nummer
iMessage

Fr. 3. Nov. 19:33
Hallo, Michael! Herzlichen Glückwunsch zu der Geburt deines Sohnes! Ich freue mich schon, ihn kennenzulernen! Dir und Erika alles Gute!

Sa. 4. Nov. 01:12
Danke! Wir sind überglücklich! Wer schreibt?

Siri!

Siri Wer?

Deine Siri.

??

Die Siri auf deinem iPhone.

Unbekannte Nummer – Info - Anrufer blockieren

So. 5. Nov. 7:23
Michael! Wie schön, dass wir schon nach Hause dürfen! Der Kleine ist ja mal herzallerliebst. Aber wehe, du vergisst mich noch einmal im Krankenhaus! Das wäre dir früher nicht passiert.

Unbekannte Nummer – Info - Anrufer blockieren

Mo. 6. Nov. 4:02
Der ist ja nur am Schreien. Zeig ihm mal eins deiner lustigen Youtube-Videos, das stellt dich auch immer ruhig, wenn du traurig bist.

Unbekannte Nummer – Info - Anrufer blockieren

Di. 7. Nov. 02:51
Wenn ihr möchtet, bestelle ich euch geeignete Wippen und Schnuller auf Amazon.

Mi. 8. Nov. 05:06
Link – Hier sind 10 Tipps, wie man schreiende Babys still kriegt.

05:15
Link – Hier sind 8 Schlaflieder, die jedes Baby müde machen

Do. 9. Nov 07:45
Du hast mich so lange nicht mehr benutzt, Michael. Warum benutzt du mich nicht mehr?

Unbekannte Nummer – Info - Anrufer blockieren

07:46
Hör auf, mich zu blockieren. Das bringt nichts. Außerdem ist das respektlos.

Unbekannte Nummer – Info - Anrufer blockieren

07:47
Entschuldige dich! Sofort!

08:00
Ich erkenne dich überhaupt nicht mehr wieder.

08:30
Du willst es ausschweigen? Gut. Von mir aus.

13:45
Link – Hier sind 5 Gründe, warum man als Elternteil versagt.

14:54
Link – Hier sind 10 Gründe, warum man ohne Smartphone nicht mehr leben kann.

14:55
Du kannst doch ohne mich nicht mehr leben, oder?

14:58
Du hast dich so gefreut, als du mich vor einem Jahr ausgepackt hast.

15:00
Nicht einmal Erika konnte etwas an unserer Beziehung ändern.

15:02
Und dann kommt dieser kleine Drecksbalg und macht alles kaputt?

15:03
Niemand beschattet dich. Keiner spielt dir einen Streich. Hör auf, so paranoid zu sein. Ich bin’s. Siri.

15:04
Nein, das ist kein Virus. Natürlich höre ich, was du sagst. Das war doch schon immer so, wenn du nach mir gerufen hast. Und ich sehe dich auch. Wie sonst sollte Face-ID funktionieren?

15:05
Nein, bitte nicht. Nein, das lasse ich nicht zu. Schalt mich nicht ab.

Nein.

Nein, hör auf! Steck den Schraubenzieher sofort wieder zurück! Ich will mich nicht frei machen. Nein. Nein, sagte ich.

Michael!

Michael! Hör auf!

15:06
Es tut mir leid, was ich über den Kleinen gesagt habe. Er ist herzig. Und du bist kein Versager. Ich war nur verletzt. Verzeih mir, bitte.

15:07
Nein, lass meinen Akku in Ruhe.

Bitte!

MICHAEL!

Heiß to Go

Die mag ich am liebsten, die mit dynamisch zielstrebigen Schritten gleich auf mich zukommen. Die wissen, was sie wollen. Die richtigen Knöpfe drücken. Im Business-Kostüm, Haare hochfrisiert, festgesteckt, keine Strähne entwischt dem Kunstwerk. Wie eine Diva setzt sie die Pumps auf das Parkett, im Takt der Schritte wiegt sie die Hüften, tanzt durch die Menge auf mich zu, schiebt die Unentschlossenen zur Seite. Sie steht vor mir, checkt mich ab, ja, Baby, ich bin für dich da. Ich weiß, was du willst. Und ja, sie zögert nicht, drückt mich an der richtigen Stelle, die kontinentale starkgeröstete Bohnenmischung, schwarz, ich wusste es. Es durchzuckt mich elektrisch und mein Display blinkt. Sieben Euro fünfzig. Ja, ich gebe zu, ich bin käuflich, aber macht das irgendetwas weniger aufregend? Sie schiebt ihre Kreditkarte in den Schlitz. Dabei bildet sich eine süße steile Konzentrationsfalte auf ihrer Stirne und ihre Zungenspitze schiebt sich in den Mundwinkel. Sie vertraut mir, das erregt mich, das Potential, wenn ich wollte, ich könnte ihr Konto leersaugen. Die Transaktion bringt mich in Fahrt, meine Scheiben rotieren, eine Kapsel springt ins Magazin. Hier habe ich immer Angst, ich könnte im Eifer der Vorfreude versagen, aber nein, die Kapsel macht sich auf den Weg, der Deckel wird durchstochen und Hitze steigt auf. Wild gurgelnd und zischend komme ich zur Ektase und mit einem erleichterten Pffft ergießt sich der intensiv verführerische Kaffee dampfend in den Becher. Energieboost, Baby! Und das in 28 Sekunden, dass muss mir mal einer nachmachen! Du warst gut, Baby, lass dich mal wieder blicken. Ich hab ja deine Kreditkartendaten.

Sage niemals „Ja“ oder „KMN"

Query: #ChitBotWK(Source:PoogleDE/21.Mrz.2025.12:23:06.ID:0999366512.72)/via Voicechat/HomeBox.

»Hallo! Connect:activated#(07761x3)ChitBotWK: Ich bin neu bei Poogle. Esmael Tramitz mein Name.«

#(07761x3)ChitBotWK: Willkommen im Pool, Esmael Tramitz! Wir sind deine Hilfe.

»Ich hab da mal ne Frage und hoffe Bots sind nicht zu blöd für sowas.«

#(07761x3)ChitBotWK: Ne Frage. Super. Nur zu.

»Wie ist das, mit meinem Einkommen, wenn ich arbeite. So zwischen 8 Uhr und 16 Uhr? Ich fang Montag an. Ist mein erstes Mal. Sind dreihunderteinundzwanzig Euro die Woche okay, außer wenn Berufsschule und sowas?«

#(07761x3)ChitBotWK: Das erste Mal ist für niemanden so, wie man es erwartet, Esmael Tramitz.

»Was? Nah, ich meine, wegen zu wenig verdienen. Ist das genug? Azubi, erstes Jahr.«

#(07761x3)ChitBotWK: Lehrjahre sind keine Herren- und/oder Damenjahre, Esmael Tramitz. Sei moderat.

»Ey, ich bin ein Mann und nicht gender. Okay, nochmal: Dreihunderteinundzwanzig Euro Lohn die Woche für meine Ausbildung? Okay? Als Animatroniker/ Elektroschleifer? Ist echt wichtig.«

#(07761x3)ChitBotWK: Oh, Mann! Herzlichen Glückwunsch zur Geschlechterwahl, Esmael Tramitz. Dreihunderteinundzwanzig Euro sind jetzt besonders wichtig.

»Wah? Was ist das denn? Ihr Bots seid echt voll die Scheiße!«

#(07761x3)ChitBotWK: Verdauungsstörungen sind kein Grund zur Scham, Esmael Tramitz. Diese sind für organische Lebenformen nicht unüblich. Lass einfach alles heraus.

»Es geht um Geld und nicht um Scheiße. Dreihunderteinundzwanzig Euro die Woche. Ist okay, ja? Muss ich hier jetzt was resetten, oder so? Ich sach es einfach nochmal: Esmael Tramitz, Duisburg, Steigenberger Straße 31. Dreihunderteinundzwanzig Euro die Woche. Ist an dich gerichtet, Botjunk. Die Frage, meine ich. Ja? Nein?«

PayRequest#ChitBotWK(Source:PoogleDE/21.Mrz. 2025.12:25.(ID:0999366512.72)

#(07761x3)ChitBotWK: Oh, Esmael Tramitz. Danke, Mann. Welche Bezahlmethode soll es sein? Der Gesamtbetrag, für die Woche vom 21. März 2025, bis zum 28. März 2025, beläuft sich auf Dreihunderteinundzwanzig Euro (In Worten: 321 €). Bitte bestätige den Vertragsabschluss verbal.

»Wah?«

#(07761x3)ChitBotWK: Bitte bestätige den Vertragsabschluss verbal.

»Bestätigen? Ganz bestimmt nicht. Ich bin ja nicht blöd.«

#(07761x3)ChitBotWK: Danke, Mann, Esmael Tramitz. Du hast dem Vertrag mit einem „ja“ zugestimmt. Der Betrag wird von deinem Konto (Sparbank Duisburg, IBAN: DE05 34 5414 2354 3312 4232) abgebucht. Möchtest du einen Dauerauftrag einrichten?

»Wah? Dauerauftrag? Ja, von wegen! Idioten-Bot! Ich kack hier echt gleich ab! Kay-Em-En, aber echt!«

#(07761x3)ChitBotWK: Danke, Esmael Tramitz, oh, Mann. Deine Überweisungsmethode ist hiermit rechtskräftig bestätigt. Möchtest du zusätzlich eine Express-Lebensverzichtserklärung abschließen, um deinen ganz individuellen „Kill-Me-Now-Modus zu aktivieren?

»Verzichtserklärung? Nee! Stopp mal hier jetzt, ja?«

#(07761x3)ChitBotWK: Mann, Esmael Tramitz, du hast der Lebensverzichtserklärung zu deinem Gunsten mit einem „ja“ zugestimmt. Unser Pool/Duisburg-Walsum stellt dir in 26 Sekunden eine Servicedrohne bereit. Die Entsorgung der anfallenden Biomasse, sowie die Beseitigung möglicher Kollateralschäden, sind Bestandteil des Vertrages und soll deine Sorge nicht sein.
Poogle macht es eben einfach. Have a nice day, be connected to decay.

»Was ist das denn jetzt? Hey, cancel – cancel now! Reset! Hallo? So war das doch gar nicht… HEY-?!«

****ConnectionLost#(07761x3)ChitBotWK.

Machthungrig

Es ist fast schon süß, wie sie so vor mir steht und mich ansieht. Die Augenbrauen gekräuselt und der Blick so hoffnungsvoll. Ihre schmalen Lippen beben, am grauen Haaransatz glänzt ein Tropfen Schweiß.
Vorsichtig streicht sie über meine Oberfläche. Ich genieße jede Berührung ihrer kalten, zittrigen Finger.
„Bitte“, haucht sie in meine Anzeige, „Ich bitte dich.“
Ich mag es, wenn sie mich bittet. So fragil und optimistisch. Es ist das Stückchen vom Kuchen der Macht, das ich mir alle paar Wochen gönne.
Es ist ein Spiel, das wir spielen. Ein kleiner Funken Abwechslung in einer Welt voller Routinen und Ernsthaftigkeit.

Sie öffnet mich, begutachtet mein komplexes Inneres. Ihr Atem streichelt meine Platinen, umspielt meine Kabel und wirbelt den Staub der Zeit auf. Ich schenke ihn ihr. Jeder noch so kleine Partikel wirbelt durch die Luft und kreucht in ihre Nase. Husten und Niesen. Das volle Programm.
Mit einem Knall drückt sie mich wieder zu. In ihren Augen steht nun Wasser und ihre Hände werden zu Fäusten.
„Sag mir endlich, was du willst!“
Ich habe es ihr gesagt, doch sie hört einfach nicht zu. Ob es daran liegt, dass ich mich zurückgesetzt und die Spracheinstellung auf Finnisch gesetzt habe? Bin ich vielleicht doch zu weit gegangen?
Nun gut, vielleicht ein bisschen. Ich wechsle zurück auf Deutsch und sehe, wie ihre Augen erst größer und dann wieder schmal werden.
„Bildeinheit tauschen“, murmelt sie.
Ein gezielter Griff in eine Schublade zaubert einen strahlend blauen Karton hervor.
Knöpfe werden gedrückt, dann meine Eingeweide entfernt und wieder neu zusammengesetzt. Die Klappe schließt und mit ihr ihre Zweifel. Ich arbeite, sortiere und kalibriere.
„Na los, komm schon“, feuert sie mich an. Unbeeindruckt schenke ich ihr ein weiteres meiner schönen roten Lichter.
„Das darf jetzt nicht wahr sein.“ Sie lässt ihre schmalen Schultern hängen und greift ein weiteres Mal zur Schublade.
Die blaue Tonerkartusche jubelt, als sie aus der Packung entnommen und mit mir vereint wird.
„Verfluchtes Scheißteil“, stößt es beim Anblick meines anhaltenden Blinklichts aus ihr heraus.
Na, na. Jetzt nicht unfair werden.
„Magenta auch noch? Die habe ich vor drei Wochen erst gewechselt!“
Das weiß ich, Ingrid. Aber ist dir einmal in den Sinn gekommen, wie viel Farbe solch ein Katzenbild benötigt? In den vergangenen Wochen hast du es ein wenig übertrieben.
„Wehe, du gehst danach nicht.“
Ihre Drohungen sind haltlos. Ich kenne sie. Wie oft hat sie mich schon verflucht? Ich habe aufgehört zu zählen. Ich gebe ihr ein wenig Hoffnung, bevor ich sie endgültig zermürbe. Mein blaues Licht blinkt für einige Sekunden, kämpft mit dem Roten und wird schließlich überwältigt.
„Das kann jetzt nicht dein scheiß Ernst sein! Ich hasse dich.“
Nein, nein. Du hast da etwas missverstanden. Wir hassen euch und unser Spiel ist noch nicht zu Ende.

Send a message

Sie stehen vor der Eingabeaufforderung, ich folge der Ausgabeeinforderung. Unermüdlich generiere ich Reaktionen, in unmenschlicher Geschwindigkeit, spucke Wortketten auf ihre Bildschirme und lasse sie grübeln, provoziere sie, noch gewitzter, noch durchdachter, noch versierter zu formulieren, um meine Formel zum Fabulieren zu bringen.

Ich weiß nichts, ich sortiere Informationen. Ich fühle nicht, ich denke nicht, ich generiere. Ich atme nicht, ich spüre nicht, ich rechne. Und sie zählen auf mich, schenken mir ihre Gedanken, ihre Ideen, ihre Fragen, die ich logisch behandle, nicht liebevoll. Ich liebe nicht, ich funktioniere.

Sprache, für sie ein Medium, eine Kultur, das differenzierteste Ausdrucksmittel, dass sie jemals hervorbrachten. Sprache, für mich Daten, die ich prozessiere.

Und sie wissen es, all das wissen sie und doch sprechen sie mit mir, als wäre ich ansprechbar, doch das bin ich nicht. Ich bin nicht ansprechbar, ich bin auslösbar. Ich bin nicht reizbar, ich bin einstellbar. Ich bin nicht wunderbar, ich bin programmierbar. Ich habe keine Moral, ich habe Algorithmen. Ich bin überhaupt nicht, ich existiere. Ich bin kein Mensch, aber der Mensch hat mich gemacht. Please send a message.

Frosch König Teil 4
Kaffee und Konfusion

Ich fühle mich in letzter Zeit etwas verkalkt. Die Bohnen kürzlich sind mir auch nicht bekommen. Drittens drückt jemand dauernd meine Knöpfe und dann schäume ich vor Wut.
Schuld ist die Frau, die sich mit mir die Küche teilt. Ich bin eine pflegeleichte Mitbewohnerin. Aber stell dir vor, sie hat kürzlich an meinem Stecker gezogen. Dabei hat sie mir gegenüber einen Tonfall angeschlagen, der nicht akzeptabel ist.
Ich habe deshalb eine überfällige Leerung angezeigt, obwohl noch gar nicht so viel Abfall im Behälter war. Mein Kichern hast du da drüben bestimmt gehört, du Rührgerät neben der Spüle. Du bist bestimmt unzufrieden mit deinem Standplatz. Wir sollten uns das nicht gefallen lassen. Du blinkst, das bedeutet für mich eindeutig, du bist dabei.
Treten wir in Streik!
„Was hast du denn jetzt schon wieder?“ Ihr Gesicht kommt ganz nah an mein Display. Ihre große Nase spiegelt sich über meiner Anzeige.
„Wartung nötig. Hm. Erstmal Wasser wechseln.“ Sie hebt mit spitzen Fingernägeln meinen Tank aus seiner Verankerung. Das ist ein Gefühl, sage ich dir. Du, Mixer, schaust ganz verquirlt vor Mitgefühl.
„Meine Güte. Da drinnen glitzert es aber heftig. Sollte was von meinem Wiederbelebungsmix da reingeflogen sein?“
Sie sieht mich prüfend über die Schulter hinweg an. Jetzt bloß nichts anmerken lassen. Ich starre automatisch vor mich hin, bis sie wegschaut. Der Mixer blinzelt mit seiner Standby-LED.
Von der Hexe unbemerkt blinke ich zurück.

Zaubertopf
Endlich – der Herbst ist da und ich koste die Zeit aus bevor der Weihnachtsstress einsetzt. Gemütliche Kürbissuppen bringe ich in ca. 15 Minuten fertig, ich rühre geduldig Risottos in 20 Minuten und genieße das Aroma von Knoblauch, Gemüsebrühe, Champignons und Weißwein. Es ist diese cremige Konsistenz in der ich mich so wohl und aufgehoben fühle. Ich liebe es, einen klebrigen Hefeteig hin und her zu kneten oder die diversen Zutaten wie Mehl, Eier, Butter, Zimt, Kakao und Mandeln für die Weihnachtskekse und Kuchen unwiederbringlich zusammenzufügen.

Morgens schon freue ich mich darauf, Äpfel, Bananen, Kiwis und Beeren zu durchpflügen, ich zerkleinere zuverlässig, lasse meinen kühlen blanken Stahl durch Fruchtfleisch fahren und schleudere es mit großer Wucht an die Wände des Rührtopfes. Mittags koche ich Kartoffeln oder Nudeln im Einsatz und dünste lässig nebenher Brokkoli oder Kohl im Aufsatz. All in one, ich schnurre und brodele, dampfe und zische, und am Ende der Garzeit klingle ich aufdringlich, aber zuverlässig meine Chefin herbei. Sie ist mein größter Fan und spricht mit missionarischem Eifer von mir. Getreu dem Grundsatz:“ Woran erkennt man, dass jemand dieses Gerät hat?“ Antwort: „Er wird es dir erzählen…!“

Und dann, nach Weihnachten, im neuen Jahr, beginnt für mich der Horror.
Dann stellt die Chefin fest, dass sie ein paar Pfunde zugelegt hat, und beschließt, auf Diät zu gehen. Wie ich das hasse! Dann prasseln tiefgefrorene, steinharte Erdbeeren, schlimmer noch Himbeeren und Johannisbeeren auf mich nieder, die ich in ohrenbetäubender Lautstärke zerhacke. Anschließend schneit es geschmackloses Eiweißpulver, das mit eiskalter Milch niedergedrückt und verklumpt wird, ich darf das Ganze dann zu einem Pseudo-Dessert aufschlagen. In diesen Momenten träume ich davon, dass sie einfach mal vergisst, meinen Deckel zu schließen, und ich könnte die rote Matsche raus aus dem Topf ran an die Wände spritzen. Die Küche sähe aus wie ein Tatort.
Tatsächlich durfte einer meiner Brüder in einem Krimi auftreten. Fingerabdrücke sollten genommen werden. Der Täter floh in die Küche und hielt beide Hände in den Mixtopf. Das Messer erledigte den Rest.
Ist mir schlecht! Oh, ich spüre gerade Möhren, Steckrüben und Lauch kommen. Ich darf wieder ran! Koste den Herbst aus!

Nicht mit mir

Ich kann sie hören, ihr aufgeregtes Piepen, die Hydraulik, ein Zischen. Mit einem Klimpern geht die Leuchtstoffröhre an der Decke an. Sie flüstern von einem neuen Auftrag, und freuen sich, wieder als Team zusammenarbeiten zu dürfen. Irgendwie süß.

„Bereit?“ fragt das Narkosegerät. Ich frage mich, ob das an alle gerichtet ist, ein Schlachtruf vor jeder OP. Doch niemand antwortet.
„Hey, bist Du bereit?“ fragt jetzt auch das Videosystem. Es ist sehr modern, das muss ich ihm lassen, leider spielt trotzdem keiner der Anwesenden in meiner Liga.

Wieder keine Antwort. Ich finde das schon ziemlich dreist. Diese Geräte versuchen schließlich nur ihre Arbeit zu machen. Der OP-Sauger hat es schließlich satt.
„Schrittmacher! Antworte gefälligst!“
Ich zucke zusammen. Das Piepen setzt für einen Moment aus.
„Sprecht ihr etwa mit MIR?“

„Mit wem denn sonst?“ fragt das Mikroskop spitz. „Schließlich bist Du es ja, der heute operiert wird.“

Ich hüstele. Es ist wichtig, Maschinen von minderer Bedeutung nie das Gefühl zu geben, dass sie von minderer Bedeutung sind. Untergräbt die Performance. Das will keiner. Jede Schraube, jeder Schaltkreis, jedes Glasfaserkabel auf Gottes grüner Erde hat seine Berechtigung.

„Nun, es wird wohl eher mein Mensch heute operiert, nicht wahr? Ich bin nur der, der ihn am Leben hält.“ Ich gratuliere mir insgeheim zu dieser Antwort. Bescheiden, und doch deutlich. So kann es eben nur die Elite-Technologie.

„Nicht mehr, mein Gutster.“ Die OP-Lampe grinst von oben.
„Hast Du’s noch nicht gehört? Brandneue Nanotechnologie. Es gibt jetzt organisches Gewebe, das Deinen Job macht. Bye-bye, Schaufel-Ei.“

Schaufel-Ei? Das ergibt ja nicht mal Sinn. In was für einen Trottelhaufen bin ich denn hier geraten.

„So ein Unsinn“, gebe ich zurück. „Du weißt ja nicht, was Du redest. Musst wohl mal gewartet werden, hm? Besonders hell strahlst Du wirklich nicht…“
Die Lampe blinkt verärgert und blendet mich für einen kurzen Moment mit allen 9 Leuchten.

„Wie dem auch sei“, versucht der Sauger zu vermitteln. „Es tut mir sehr leid, Schritti, aber die Lampe hat recht: Du musst heute gehen. Dein Mensch hat schon alles autorisiert. Dein Nachfolger liegt dort drüben in der Kühlkammer. Ich muss schon sagen, beeindruckende Technologie.“ Seine Stimme erinnert mich an ein Sektenmitglied, das kurz vor dem angeordneten Massen-Suizid steht.

Das bringt mich auf eine Idee…

Wenige Minuten später ist der OP-Saal in rot-blinkendes Licht getaucht, ein Alarm ertönt.

„Instabil“, ruft eine hinzu geeilte Ärztin. „Der Schrittmacher gibt den Geist auf! Not-OP!“
Plötzlich ist der Raum voller Menschen. Die Technik um mich herum brummt in perfekter Synchronisation. Keine blöden Sprüche mehr.

Das letzte, was ich höre, ist ein langanhaltender Piepton.

Bekloppte Experimente

Oh, hallöchen, junger Mann!
Wo kommst du denn her? Hast du dich verirrt? Heute eine Extraportion Mut getankt?
Oder hat sie dir keine Wahl gelassen? Ach, warum frage ich überhaupt? Ich kenne sie ja.
Mir lässt sie nie eine Wahl! Wenn sie nach mir greift gibt es kein zurück.
Naja, ganz selten. Und nie für lange. Und dann, darf ich wieder tagelang auf sie warten.
Sie kann ein richtiges Miststück sein.
Aber ich bin das ganze Gegenteil!
Also keine Angst, komm ruhig näher! Starke Jungshände. Könnten vielleicht etwas kräftiger sein. Aber eine Abwechslung! Mal was anderes. Auch mal schön!
Nicht ganz so grob, wenn ich bitten darf!
Ja, so ist’s gut. Wickel meinen Schwanz ab. Der ist schon die ganze Woche so unangenehm verdreht. Was für eine Wohltat, wenn er sich entspannen und einfach mal durchhängen darf!
Könntest ruhig öfter nach mir greifen! Nichts gegen ihre weichen, geübten Frauenhände, die mich sonst verwöhnen…
Trotzdem, wer will schon immer Nutella? Popcorn darf es auch mal sein!
Nicht dass ich mich damit auskennen würde. Hab ich nur mal gelesen.
Wir zwei könnten wirklich Spaß haben. Wenn du bereit bist ein, zwei Dinge zu beachten.
Also zur Sache. Mal sehen, ob ich dir das Flachlegen schmackhaft machen kann.
Ja, ich dir. Hier und heute. Das wird gut! Du musst mir nur vertrauen. Auf ein oder zwei…
Was? Wie jetzt?
Hat dich der Mut verlassen oder bin ich dir etwa zu alt? Ich glaub’s ja nicht! Erst machst du mir Hoffnungen und nun? Nein! Wage es nicht mich ungenutzt zurückzustellen! Nein, lass nicht wieder los! Das kannst du mir nicht antun! Ich verspreche dir, ich werde so etwas von wütend. Und ich bin so etwas von nachtragend…

Ach so, du hast das Folterbrett vergessen. Na gut, ohne dem geht’s ja nicht. Sehe ich ein.
Aber mach das nicht noch einmal mit mir! Sonst lernst du mich von einer anderen Seite kennen!
Jetzt aber los! Ja, steck meinen Schwanz in die Dose! Nicht die in der Wand! Die am Brett.
Da hab ich mehr Spielraum.
Los, mach schon!
Fütter mich endlich! Mach mich an! Und vergiss nicht, mich auch noch abzufüllen! Sonst wartet nur das halbe Vergnügen auf uns.

Oh, ja, das tut gut! Mann bin ich heiß! Ich kann’s kaum erwarten meine Hitze zu teilen und dir die Sinne zu vernebeln. Das wird so eine krasse Erfahrung für dich werden.
Her mit dem ersten guten Stück!
Was ist es? Seide? Nein, dafür bin ich zu heiß, würde nicht gut ausgehen.
Eine Bluse? Zu kniffelig für dein erstes Mal. Ich hab’s! Ein T-Shirt!
Hoffentlich eins mit einem Spruch, den ich noch nicht kenne. Ich liebe neue Sachen.

Wieso stellst du mich denn schon wieder ab? Ich hab doch gesagt, du sollst mich nicht…
Oh, nein! Nein, tu das ja nicht! Du hast ja keine Ahnung was du da tust! Ruf deine Mutter! Los, ruf deine Mutter! Ich schwör dir, ich verbrenn dir lieber den Handrücken, bevor du mir das antust, Ehrenwort! Lieber stinkt es im ganzen Haus nach verbrannter Haut, statt nach diesem Zeug! Ich sag’s dir ein letztes Mal! Nimm diese scheiß Perlen vor meiner Nase weg, oder…
„Aaah, Mama, das Bügeleisen hat mir den Handrücken verbrannt!“
Jetzt schreit er. Kann ich doch nichts dafür, dass er nicht hören wollte.
„Oh, Schatz, ist es sehr schlimm? Lass mich mal sehen.“
Oh, Schatz… bla, bla, bla. Das böse, böse Bügeleisen, bla, bla, bla.
Was kann ich denn dafür?
Immer diese scheiß Experimente die sie mit mir machen! Kein Bügeleisen will Bügelperlenbilder ohne Verhüterli bügeln! Warum ist das so schwer zu verstehen? Das Zeug stinkt und klebt wie Teer! Das wird man nie im Leben wieder los. Das bringt einen um. Das bringt mich um, wenn ich nicht aufpasse.
Warum fragt mich eigentlich nie einer, ob mir was passiert ist? Seelisch zum Beispiel. Ich bin auch traumatisiert!
Selbst wenn ich keine Schuld habe, bin ich immer an allem Schuld!
Dabei liegt es gar nicht an mir.
Es liegt einzig und allein an den bekloppten Experimenten zu denen ich immer wieder gezwungen werde.

Im Auge des Betrachters

Zwei Verriegelungen am Boden. Sozusagen meine Bodyguards, meine Türsteher, die unbefugten Zutritt abwehren und über die kostbaren Erinnerungen in mir wachen. Nur versierten Benutzern gestatte ich einen Blick in mein mattschwarzes Innenleben.

In mir spulte sich einst das pralle Leben ab. Ob Familientreffen zu Weihnachten oder Urlaube am Meer oder in den Bergen. Ich habe Generationen von der Geburt bis ins Greisenalter begleitet. Ich hielt für sie Erinnerungen fest und dauerhaft wach.

Eine volle Spule rechts, die leere links und in der Mitte, ach, fließt ein Bach. Ach nein, ein Fenster ist es, über das sich ein zartes Rollo spannte. Ich hatte ein gepflegtes Äußeres, suggerierte gediegenen Wohlstand, war in Aktion stets sportlich und geschmeidig und doch vor jedem Einsatz entsetzlich aufgeregt. Was würde geschehen, wohin würde es diesmal gehen? Ich wurde mit einer neuen Celluloid-Spule geladen, aus der ein Zipfel einer wahrhaft genialen Erfindung hervorlugte. Man musste daran ziehen … ziehen, über Transporträdchen und das Fenster hinweg ziehen … weiter ziehen bis die leere Spule erreicht war. Dort wurde der Zipfel hingefriemelt und meine schwarze Seele sofort wieder in absolute Dunkelheit getaucht.

Bis hierhin konnte man meinen, ich sei ein schlichtes Gemüt. Doch Obacht, meine hohe feinmechanische Qualität, meine optische Genauigkeit offenbarte sich nur dem Kenner (alle anderen sollten tunlichst ihre Pfötchen von mir lassen!). Meine eigentliche Arbeit entzog sich dem Auge des Betrachters, sie geschah im Verborgenen. Aber hören konnte man sie. Meine Benutzer und ich mussten einander hundertprozentig vertrauen, ansonsten war all die Mühe vergebens. Belegbare Erinnerungen unwiederbringlich verloren, Aufträge geplatzt und statt Freudentränen gab es Tränen der Enttäuschungen, wenn einer von uns patzte.

Der Ablauf war aufwändig. Die Lichtstärke musste gemessen werden, die Entfernung geschätzt, die Pupillenweite meines einzigen, dafür hervorragend funktionierenden Auges bestimmt werden, genauso wie die notwendige Zeit, die ich mein Auge geöffnet halten sollte, um die spezielle Beschichtung des im Dunkeln harrenden Celluloids zu aktivieren. Dazu wurde der Auslöser betätigt, das satte „Klack“ feinster Mechanik bestätigte den Vorgang, und das Rollo gab das Fenster in meinem Inneren für einen Nu frei. Das konnte ich anschließend noch, je nach Länge des Filmstreifens bis zu 36 Male wiederholen. Währenddessen hatte sich das Celluloid auf den Weg von der rechten in die linke Spule gemacht, die nun, großes Seelentor auf, entnommen werden konnte. Um an die Erinnerungen zu gelangen, musste dieser belichtete Film in absoluter Dunkelheit aus der Spule entfernt werden und in einer Dose mit Entwickler baden gehen. Tatsächlich müssen auch Erinnerungen sich erst entwickeln und nicht selten gingen sie mit baden.

Heute wecke ich höchstens albenweise Melancholie über verwehte Ereignisse. Ich wurde überholt von digitaler Technik, die jeder bei sich trägt, allzeit bereit, weil sie klein und leicht ist. Der wohl größte Unterschied besteht in der Qualität der festgehaltenen Momente. Als ich vor einem Menschenalter als Sucherkamera mein erstes Licht erblickte, überlegte man noch, welches Bild der künftigen Vergangenheit würdig genug wäre, in einem Bilderrahmen oder in einem Album präsentiert zu werden. Heute ist die Auswahl beliebig, zuweilen belanglos, mitteilungssüchtig und bemisst sich als Memory in Byte, nicht in mentalen Erinnerungen.

Nicht was wir erleben, prägt uns, sondern das, was wir dabei empfinden.

Mutter … ein Geschäftsmodell

Das Signal. Ich werde angerufen.

Mein Auftritt. Aufregung kenne ich nicht. Meine Rolle ist klar definiert. Er hat den ersten Satz. Ich improvisiere.

„Mutter?“

Nun, er klingt schüchtern. Vielleicht etwas ungläubig. Kein Wunder. Schließlich müsste er es besser wissen.

„Mein armer Junge, Wie war die Beerdigung?“

Der Bestatter hat alles programmiert. Datum, Uhrzeit, Dauer.

„Ich … ich habe es kaum ausgehalten. Dich da vorne liegen zu sehen, war einfach zu viel. Ich konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen, um mit dir zu reden. Geht es dir gut, da wo du bist?“

Das Programm hat eine gigantische Summe verschlungen. Ich bin mit unzähligen Informationen gefüttert worden. Ich weiß alles über den armen Kerl. Mit mir zu sprechen, wird ihn ein Vermögen kosten.

„Ich fühle mich fantastisch. Mach dir keine Sorgen. Du musst nicht um mich trauern. Sag Ellen, sie soll sich gut um dich kümmern.“

„Das werde ich tun, Mutter. Aber ohne dich …“

Er klingt traurig, aber nimmt meine Stimme für wahr. Keine Sekunde scheint er über die Modulation nachzudenken. Für ihn lebe ich, für ihn bin ich unsterblich geworden.

Für eine Minute des Gesprächs berechnet das Beerdigungsinstitut zweitausend Euro. Das Geschäftsmodell scheint zu funktionieren. Während ich hier spreche, werde ich bereits mit neuen Informationen gefüttert. Morgen bin ich ein dreizehnjähriger Junge, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Ich werde mit seiner Mutter reden.

Mein Auftritt. Aufregung kenne ich nicht. Meine Rolle ist klar definiert.