Der Letzte meiner Art
Ok, der Jüngste bin ich nicht mehr, aber einheizen kann ich den flaumweichen Dingern immer noch ganz schön. Nur zum Schluss, wenn sie fast genug haben, bring’ ich’s dann leider nicht mehr. Da muss er dann einspringen …
Nicht genug damit, dass aus „Zuviel des Guten“ bei mir ganz schnell mal „Schwarz wie die Nacht“ wird - letztens musste er eine Viertelstunde lang lüften, um den Gestank aus der Wohnung zu kriegen. In die Gardinen hat er sogar Essigwasser gesprüht - und dann noch die Entsorgung der beiden Verkokelten … Mannomann, hat er da geflucht.
Zum Glück, pflegt er zu sagen, zum Glück haben Rauchwarnmelder nichts in Küchen zu suchen.
Das hat ja inzwischen sogar die Feuerwehr kapiert - bei den vielen Fehlalarmen, ich mein’, Crèpes Suzettes, original normannischer Apfelflammkuchen mit Calvados und so, aber das ist halt mehr was für Festgelage. Ich bin mehr der Typ für’s Tägliche.
Früher, da ging das alles noch irgendwie automatisch, prospektmäßig sozusagen. Ich bin sogar noch einer von denen ohne Elektronik, muss man sich mal vorstellen, nicht nur Prä-Smarthome, nicht mal infrafrotferngesteuert, ich bin echt noch Prä-prä-prä… naja.
Also nix Computerkontrolle. „Mechanisch“ nannte man das damals, als ich vom Band lief. Ist zwar noch gar nicht so lange her, aber wer kann sich das heute noch vorstellen, einfach mit einer manuell verstellbaren Distanzschraube am Bimetallstreifen den gewünschten Bräunungsgrad einstellen, dann Stromtaste drücken, manuell natürlich, Hitzeeinwirkung, warten, Kontakt, und aus. Trotzdem: Die Dinger waren bei mir immer auf den Punkt, rösch, knusprig, genießbar …
Aber wenn mann in die Jahre kommt …
Bei Menschen werden irgendwann die Gelenke steif, bei mir ist’s der Bimetallstreifen. Und die meisten aus meinem Produktionsjahr … na, lieber nicht beschreien, aber manchmal glaube ich, ich bin der Letzte meiner Art.
Doch, Hand auf’s Herz, werden Menschen entsorgt, wenn ihre Gelenke steif werden? Hm?
Hat er sich wohl auch überlegt, und da bin ich ihm voll dankbar für. „Loyalität“ nennen die Menschen das, hab’ ich mir sagen lassen.
Ich meine, was heißt denn auch schon „defekt“? Der Mann ist schließlich IT-Experte, ein Vollprofi, der weiß um den praktischen Nutzen von Work-Arounds. Ich hör’ ihn soo oft schimpfen über die Undurchschaubarkeit dieser „Apps“ heutzutage, und von der Servicebegeisterung von „Infrastruktur“-„Providern“ bei „Fehlern“ wollen wir lieber gar nicht erst anfangen …
Nach diesem Gardinenfiasko hat er dann auch gleich Nägel mit Köppen gemacht und eine Eieruhr gekauft. Extra für mich, muss man sich mal vorstellen. „ACW“ nennen sie das heutzutage, sagt er, „Agile-Co-Working“, ist ja fast alles „english“ inzwischen. Naja.
Klar, das ist Zusatzaufwand für ihn, jeden Morgen die Eieruhr aufzieh’n - die ist ebenfalls mechanisch, wie ich, Verwandschaft sozusagen, fand ich doppelt nett von ihm. Dann haben wir beide eine Versuchsreihe gemacht, und seither stellt er sie jeden Morgen auf zwei Minuten.
Manchmal hört er’s nicht. Das Klingeln, meine ich - wenn ihm zum Beispiel beim Kaffee eingießen eine Idee für eine neue Geschichte kommt, dann vergisst er die Welt. Aber sein Geruchssinn funktioniert, alles was dran ist.
Meistens sind sie dann zwar schon „überrösch“, und ab und zu auch, äh, eher „tiefschwarz“. Naja, wozu hat er schließlich einen Komposthaufen für seine Balkonpetersilie? Angeblich enthält Asche ja wertvolle Mineralstoffe.
Trotzdem hält er mir die Treue und das rechne ich ihm hoch an. Wie ich ihn kenne, brächte ihn nicht mal eine staatliche Toaster-Abwrack-Prämie in Versuchung … obwohl - Menschen - lieber nicht beschreien - better knock on toast … Heee, es klingelt!!!