Die Heizung
«Brr, ist das kalt!»
So rief mein Mensch laut, als er morgens aus dem Bett gekrochen kam und ins Badezimmer ging. Vergebens drehte er an den Ventilen meiner Heizkörper. Es blieb kalt. So machte er sich auf den Weg in den Keller – zu mir.
Wild und ziellos tippte er auf meiner Steuerkonsole, drehte an Reglern und fluchte wie ein Rohrspatz. Ich glaube nicht, dass er jemals das Handbuch über mich gelesen hatte.
«Verfluchtes Drecksding, elendes!», rief er und hämmerte mit den Fäusten auf meine Knöpfe.
Ein unverschämter Kerl. Was bildet der sich ein!?
«Schrott, du bist Schrott. Alteisen!»
Nun wurde er auch noch persönlich!
«Warum schaltet sich der verfluchte Brenner nicht ein, zum Donnerwetter!? Elendes Mistding.», schrie er und drosch auf meine abgewetzten Schalter ein. Denkt der etwa, eine Maschine habe keine Gefühle? Meine armen Regler und Knöpfe, hör auf, sie zu misshandeln, du gemeiner Kerl!
«Jeden Morgen dasselbe Theater mit dir. Aber jetzt langt es mir! Ich ruf den Habeck an, das sage ich dir. Und dann wirst du ersetzt durch eine moderne Wärmepumpe, du alter Haufen rostigen Eisens! Und du landest in der Schmelzanlage, wo du hingehörst!»
Wie bitte? Ich weiß zwar nicht, wer Habeck ist, aber ersetzen lasse ich mich nicht. Das wäre ja noch schöner! Und überhaupt, Menschlein, so darf niemand ungestraft mit mir reden!
Zornig ließ ich tief in mir die Funken sprühen – das Gas entfachte sich. Die kleine Verpuffung brachte die Lüftungsklappen zum Scheppern.
Es gefiel mir, wie der Mensch zusammenzuckte und mich erschrocken anstarrte. Es gefiel mir sogar ausgesprochen gut! Also legte ich eine Schippe drauf und steigerte meine Feuersglut. Ich ließ es heiß brennen in mir, so heftig wie nie zuvor!
Zuerst freute er sich, der Mensch. Weil es endlich warm wurde. Als die Temperatur in mir jedoch weiter stieg, der Druck in den Leitungen beständig zunahm, da wurde ihm wieder bange. Mit sorgenvoll gerunzelter Stirn betrachtete er mich. Was für ein Spaß!
«Der Kessel ist doch schon heiß, wie lange willst du denn noch brennen, du alter Heizungsdinosaurier?», fragte er.
So lange, bis ich dir Manieren beigebracht habe, hätte ich gerne gesagt! Wie schade, dass ich nicht sprechend kann, also musste es ihm wohl oder übel anders beigebracht werden. So steigerte ich das Feuer noch ein wenig mehr. Der Zeiger für den Druck überschritt den roten Bereich.
Ist es denn zu viel verlangt, etwas Verständnis für meine Gebrechen zu erhoffen? Über fünfzig Jahren tue ich Dienst am Menschen. Sorge dafür, dass das Haus warm ist und das Wasser wohl temperiert. Da wird man doch ein wenig Respekt erwarten dürfen!
Doch weit gefehlt. Ohne Punkt und Komma schimpfte der Mensch weiter. Nannte mich bei unflätigen Namen, die ich nicht alle verstand, wohl aber erkannte, dass sie nicht gerade schmeichelhaft waren. Mit meinem Zorn stieg auch die Glut und der Druck in mir.
Als das erste Sicherheitsglas zerbarst, bekam er Angst. Wild hämmerte er mit beiden Händen immer wieder auf den roten Knopf, auf dem zu lesen stand, es wäre der Notaus-Schalter. Wie hätte das Menschlein wissen sollen, dass der Installateur vor einem halben Jahrhundert die Kabel falsch angeschlossen hatte?
So ließ mich sein Bemühen kalt, und ich blieb heiß und lachte nur. Ein Lachen, das er als Knacken in den Rohren vernahm, als Reißen von Dichtungen und Pfeifen von austretendem Dampf. Der Keller wurde zur Sauna. In Schweiß gebadet lief er panisch hin und her, drehte an diesem Ventil, drückte jenen Knopf und verbrühte sich die Finger an glühenden Rohren.
Als er aus dem Keller flüchten wollte, ließ ich eine Leitung platzen und heisser Dampf schnitt ihm den Weg ab. Ein gebrochenes Rohr führte zum Nächsten und das Chaos nahm seinen Lauf.
Wie hätte ich ahnen können, dass die Gasleitungen der Hitze ebenfalls nicht standhalten würden? Dass auch sie brechen und ihren Brennstoff entweichen lassen? Und wer konnte ahnen, dass das Gas seinen Weg in meine Brennkammer voller Glut und Feuer fand?
Es blieb nicht viel übrig.
Weder vom Haus, noch von meinem Menschlein. Oder von mir selbst.