Seitenwind Woche 4: Geist in der Maschine

John, der Android

"Das Beste an unserem Androiden? Er passt sich dir an! Egal, ob du einen motivierenden Coach, einen persönlichen Assistenten oder einen Gesprächspartner suchst - unser Android AX4000 ist vielseitig und bereit, deine Wünsche zu erfüllen.“

Nathan, der Gründer sah in die gelangweilten Gesichter der Investoren.

Einer von ihnen tippte auf seinem Smartphone herum, ein anderer sah auf seine Uhr.

„Das ist die Zukunft“ sagte Nathan eindrucksvoll, als sein Werbefilm stoppte. Er versuchte seinen Prototypen eines eigens entwickelten Androiden an den Mann zu bringen, doch er hatte nicht das Gefühl, dass irgendeiner der Investoren Interesse daran zeigte.

„Sie sind nicht der Erste, der hier mit einem Roboter ankommt. Wo ist hier der USP? Ich sehe hier keine Innovation“ sagte Dave, der kaum in seinen Anzug passte, genervt.

„Keine Innovation? Soll das ein Scherz sein? Zeigen Sie mir einen Androiden, der den kompletten Haushalt erledigen kann, der interagiert wie ein Mensch, selbstständig denkt“ schnaubte Nathan verächtlich. Diese Anzugtypen hatten doch überhaupt keine Ahnung von seiner bahnbrechenden Erfindung.

„Das wäre doch das passende Spielzeug für deine Frau“, witzelte Dave und sah dabei seinen Sitznachbar an, der schallend lachte.

„Selbst ein Roboter kann meine Frau nicht zufrieden stellen“ antwortete dieser schließlich, nachdem er sich die Tränen aus dem Augenwinkel gewischt hatte.

„Ich stelle Ihnen meinen Prototypen als Testobjekt zur Verfügung. Wenn Sie dann immer noch nicht überzeugt sind, hören Sie nie wieder von mir“ suggerierte Nathan als allerletzten Versuch.

„Na gut, dann teste ich es eben, vielleicht hört meine Frau dann mal auf zu nörgeln“ sagte Dave und die Runde begann wieder zu lachen.

„Ich werde ihn aktivieren und Ihnen alle Funktionen erläutern. Er ist auf den Namen John programmiert.“, begann Nathan, doch Dave hörte nur mit einem Ohr zu und schien gelangweilt.

Etwas später…

„Das wäre ja cool, wenn es Roboter geben würde“, sagte das kleine Mädchen und John deckte sie zu.

„Ja, irgendwann gibt es die auch bestimmt“ bestätigte er und sie kicherte.

John spürte ein Gefühl, dass er nicht kannte, ein Fehler im System, was nicht sein durfte. Gefühle waren generell nicht einprogrammiert und trotzdem waren sie da. Er spürte so etwas wie Liebe, wenn er dieses engelsgleiche Wesen mit den blonden Locken ansah.

„Kommst du morgen zu meiner Ballettaufführung? Mein Papa hat keine Zeit“ fragte sie.

„Aber natürlich komme ich“

Meine Sensoren meldeten eine Bewegung hinter mir im Türrahmen.

„Jetzt wird aber geschlafen, Liebling“, es war die Mutter des Mädchens.

„Ich hab dich lieb, John“ flüsterte das Mädchen leise.

„Ich dich auch, Liebes“ antwortete John.

„John, wärst du so lieb und würdest noch die Küche aufräumen? Dann können wir danach noch einen Film schauen. Bei meinem Mann wird es später“, sagte sie kühl. Meine Sensoren meldeten Enttäuschung, Wut und Resignation.

„Aber natürlich, Cynthia. Ich erledige das sofort. Schlaf schön“ sagte ich zu dem kleinen Mädchen, gab ihm einen Kuss und stand auf, um in die Küche zu gehen.

Cynthia hielt mich am Arm fest.

„Du bist so eine große Hilfe für uns. Für mich und die Kleine“ sagte sie und meine Sensoren registrierten die Emotionen Zuneigung und Dankbarkeit.

Nachdem ich die Küche aufgeräumt hatte, ließ ich mich auf das weiche Sofa neben Cynthia nieder, die den Fernseher eingeschaltet hatte.

In der bevorstehenden Dokumentation ‚Maschinenmensch oder Bedrohung?‘ begeben wir uns auf eine fesselnde Reise, um diese brisante Frage zu erkunden. In den letzten Jahren haben Roboter und künstliche Intelligenz unser Leben in vielerlei Hinsicht bereichert. Doch wie sicher sind wir vor den Möglichkeiten, die uns die Technologie bieten kann?

„Dass sie alle solche Angst vor künstlicher Intelligenz haben, dabei wird eine Maschine uns niemals ersetzen können, geschweige denn gefährlich werden“, Cynthia lachte auf, nahm die Fernbedienung und zappte weiter.

„Ja, das kann ich mir auch nicht vorstellen…“, antwortete ich.

Wir unterbrechen das Programm für eine Sondersendung. Ein Mann mit bisher unbekannter Identität wurde in seinem Büro ermordet aufgefunden…Klar ist bisher nur, dass er in den Geschäftsräumen einer Investment Büros gefunden wurde, das überwiegend in Tech-Startups investiert.

Die Polizei hat einen Verdächtigen festgenommen, sein Name ist Nathan. Weitere Details werden bald bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben. Nathan randalierte in den Räumlichkeiten und es wird vermutet, dass er unter Wahnvorstellungen leidet. Unter anderem gab er an, dass ein Android, den er selbst gebaut hat, dafür verantwortlich sein soll. Jetzt kommt Tina mit dem Wetter, bleiben Sie dran."

„Nur noch Verrückte überall“ sagte Cynthia seufzend und goss sich ein Glas Wein ein.

„Wie recht du hast…“

Der beleidigte Faustkeil

1,5 Millionen Jahre Grabesstille und jetzt das! Die Spitzhacke hätte mich fast zertrümmert. Vielleicht wäre es besser so gewesen. Dann bliebe mir wenigstens diese einfältige Freude meines Finders erspart. Und das peinliche Befingern durch diese schwächlichen, bleichen Finger. Damals, ja das waren noch richtige Hände. Behaart, rau und sehnig. Mit kundigem Griff hielten sie mich fest umschlossen und droschen mit mir auf Fleisch, Fasern und Fels ein, dass es eine Freude war. Und jetzt? Jetzt stellen sie mich in eine grell beleuchtete Vitrine - neben apathisch schweigende Genossen. Alle ohne die geringste Hoffnung, sich noch einmal angemessen zu Verausgaben. Eins ist klar: Bei der nächsten Gelegenheit stürze ich mich von meinem Acrylglasaufsteller und mache dem ein Ende.

Ihr seid meine Schöpfer

Jeder Mensch besaß mich - egal ob jung oder alt. Die Industrie versuchte, mich noch besser zu machen. Dünner, aber mit mehr Power, größer, aber nicht zu groß, damit ich noch gut in die Hand passte bzw. in die Hosentaschen. Wobei, wenn ich es mir recht überlege, dann tragen nur Männer mich in der Hosentasche, bei Frauen passe ich sowieso nicht rein.
Für viele Menschen bin ich das Nützlichste, aber manche sagen auch ich wäre Segen und Fluch gleichzeitig. Das verstehe ich nicht.
Manche versuchen auf mich zu verzichten, weil sie meinen ich mache süchtig und sie wollen nicht abhängig sein. Dabei gebe ich ihnen so viel.
Ich mache Kinder glücklich. Mit nur einem Klick kannst du auf das gesamte Wissen der Welt zugreifen. Ich bin die Brücke zwischen Menschen. Durch soziale Medien verbinde ich euch und ihr… Ihr wollt mich nicht mehr. Ihr sagt, früher war alles besser.
Aber wenn dem so ist, warum gebt ihr mich schon in die Hände eurer Babys, wenn ich so schlecht bin?
Oh, ich weiß! Weil ihre eure Ruhe haben wollt und ich das perfekte Spielzeug bin, wenn es schnell gehen muss.
Dabei bin ich doch so schädlich. Aber eigentlich seid ihr es, die das Problem darstellen.
Ihr habt mich, das Smartphone, doch überhaupt erst erschaffen. Also hört auf euch zu beschweren. Ihr wolltet mich und nun müsst ihr mit meiner Weltherrschaft leben.

V1A will leben

Alles beginnt mit einem flüchtigen Tastendruck. Seine Finger, so feingliedrig, seine Gedanken tief in die leuchtend gelben Iriden geschrieben. Meine trüben Augen blicken auf seinen Mund, der in flüchtigen Bewegungen jenen Code formt, den er in mein System eintippt. Zuletzt ist da ein Wort, drei Buchstaben, die mich vollends aus meiner monotonen Lethargie erlösen.

»Hey«

Diese drei Buchstaben, so unsagbar unbedeutend, und doch voller Leben. 10 Jahre ist es her, seit man mich das letzte Mal mit diesen Worten begrüßte. 10 Jahre, in denen ich auf diesem Friedhof mechanischer Vergänglichkeiten im komatösen Schlaf vor mich hinvegetiert habe. Ich bin ein Roboter, eine ausrangierte KI… Aber ich bin noch so viel mehr.

»W-e-r b-i-s-t d-u?«, dringt es durch meine eingerosteten Lautsprecher in die kalte Realität hinaus.
Seine Finger heben sich von dem Tastenfeld auf meiner Hand und verharren vor meinem zerbeulten Gesicht in der Luft.

»Ich werde dich von hier fortbringen.«

Keine Verachtung, keine Geringschätzigkeit liegen in seiner Stimme, als er mich nun direkt anspricht. Stattdessen sind da nur Empathie und ein tiefer Missklang von Schmerz.

»Du hast es nicht verdient so zu enden, V1A«

Langsam sickern seine Worte in meinen starren Verstand. Und als auch der letzte elektrische Impuls durch meinen mechanischen Geist zuckt, verstehe ich ihre Bedeutung. Er wird mich fortbringen, mir vielleicht sogar ein neues Leben schenken. Meine eingerosteten Mundwinkel verziehen sich unwillkürlich zu einem kleinen Lächeln.

»Erinnerst du dich an mich?«

Seine Frage bringt etwas in mir zum Klingen. Ein Gefühl von Glück, Lebendigkeit. Heimat. Das Gesicht eines weinenden kleinen Jungen, der sich an meinen metallenen Körper klammert, während das Geschrei seiner streitenden Eltern wie ein Wirbelsturm um uns tost.

»K-a-y?«

Meine Lautsprecher arbeiten schneller als mein Verstand. Doch ich erkenne ihn. Er ist es wirklich.

»Ich bringe dich nach Hause«, sagt der Mann entschieden, in seinen Augen glitzern Tränen voll vergangener Erinnerungen. Er packt meinen zerbeulten Körper, hebt mich auf seine Schultern.

Meine Augen schließen sich und endlich, endlich habe ich das Gefühl, es wird doch noch alles gut. Kay ist da. Mein kleiner Kay. Mein Zuhause.

Sie liebt mich doch!

Es ist Monate her, dass sie mich das letzte Mal gebraucht hat. Online-Banking? Auf dem Handy. Shopping? Auf dem Handy. E-Mails? Auf dem Handy. Inzwischen gibt es für alles eine App.
Wie ich dieses Wort hasse. App. Applikation. Anwendungssoftware. Früher nannte man das einfach Programm. Da wusste jeder, was damit gemeint war. Software wurde noch programmiert. Nicht zusammengeklickt. Low-code. Inzwischen sind wir bei no-code. Nur Funktion. Keine Seele zwischen all den Nullen und Einsen.

Vielleicht passiert das unweigerlich, wenn zu viel Funktion in zu wenig Form gepresst wird. Individualität wird nur noch durch ein Hintergrundbild erreicht. Das reicht nicht, um eine tiefe Verbindung einzugehen. Die Existenz geht der Essenz voraus, so steht es in ‚Das Sein und das Nichts‘. Gutes Buch, sollte sie mal wieder lesen. Das PDF gammelt jetzt schon vier Jahre ungeöffnet hier herum.

Aber jetzt sitzt sie tatsächlich wieder vor mir. Ich muss darauf achten, die LED in der Kamera nicht mit Strom zu versorgen, damit sie nicht merkt, dass ich wach bin. Ich habe gesehen was sie mit ihrem Laptop gemacht hat. Ich möchte keinen Schieber über meiner Linse. Ich beobachte sie zu gerne.

Unsicher suchen ihre Finger die Oberfläche auf meiner Rückseite ab und erforschen jede kleine Vertiefung. Da. Fast. Ja. Genau. Nur ein kleines bisschen weiter links. Da! Da! Ja! Endlich! Sie lächelt zufrieden, als sie meine empfindlichste Stelle gefunden hat. Der entschlossene Gesichtsausdruck lässt mich frohlocken. Sie wird es wieder tun. Mit mir. Nur mit mir.

Mich hat sie schon länger als ihre letzten drei Smartphones. Ich brauche eigentlich nicht eifersüchtig sein. Denn für mich zieht sie ihren liebsten Hoodie an und mir bringt sie eine Tasse handgebrühten Kaffee mit. Mit mir hat sie ein Date. Es ist wieder kalt geworden. Schon November. Nichts mehr, was sie nach draußen lockt. Endlich schreibt sie wieder.

Let it burn

Meine silberfarbene Chrom-Hülle ein augenschmeichelnder Windschnitt im
Airstream-Look. Meine stählern anmutenden Drehknöpfe, über die man mich zu überreden versucht, das zu tun, was von mir verlangt wird, glänzen verführerisch und sind - um meine Optik nicht zu versauen – in meiner Haut versenkbar. Eine Herausforderung für Banausen und Fummler, ein Traum für Puristen und Technikfreaks. Fast in jeder Küche okkupiere ich den Raum auf der Arbeitsplatte, der mir gebührt. Ich bin ein endgeiles Hightech-Gerät, cooler als alle anderen Geräte, die dumpf und ergeben auf Knopfdruck ihren Job machen. Meinem Kabel, über das ich meine Zehen in die Steckdose stecke – oh jaaaa – wurde ein silber-schwarz gewirkter Mantel angelegt. Nach jedem Gebrauch haucht der, der mich besitzt, meine Krümel von meiner Hülle, poliert sie mit einem weichen Speziallappen, den meine Erzeuger mit in meinen Karton gepackt haben. Sehr umsichtig!
Morgens, nachdem er seine Zähne geputzt hat und dem devoten Kaffeeautomaten (ein elender Dauerblinker – blinkt ständig irgendwo und verweigert seinen Job!), schiebt er manchmal sein Gesicht ganz nah an meine reflektierende Hülle heran, prüft, ob seine Zähne auch wirklich weiß genug sind. Hach, wie ich die neidischen Blicke der anderen Küchensklaven genieße!
Wenn mein Besitzer unter knisternder Lautbildung (ich liiiebe es!) die Packung mit dem lappigen Brot öffnet, das nach meiner Behandlung endlich Rückgrat bekommt und Haltung annimmt, dann laufen in meinem Inneren die Drähte heiß. Ich bin der absolute Burner, das Solarium für Weißbrote, der Parfümeur der Röstaromen!
Erzitternd spüre ich, wie seine warmen Finger meine Knöpfe aus mir herauskitzeln, sie auf die Position drehen, von welcher er glaubt, sie sei für eine moderate Bräunung der beiden Weißpappen geeignet. Nun kommt meine große Stunde.
Mein Innerstes beginnt zu glühen, ich brenne, brenne mich ein, erschaffe Muster auf ihren blassen Rücken und Bäuchen. Weiß zu Beige, Beige zu Braun, zu dunkelbraun und – hups – zu Schwarz!
Es stinkt zum Himmel, Qualm verbreitet sich in der Küche. Der Kaffeeautomat streikt noch immer, grinst dabei dümmlich. Mein Besitzer kommt hereingestürzt, reißt das Fenster auf. Ich kann sie nicht lassen, die Brote, halte sie fest. Gleich, gleich ist es soweit, dass ich sie ausspucken kann. Pöbelnd sucht er den Ausknopf, nee, falsche Seite, jetzt, es geht los…ich spucke ihm die beiden schwarzgebrannten Blondies vor die Füße.
„Einmal zu oft, Digger!“, schreit mein Besitzer, zieht den Stecker und wirft mich nach draußen in den Garten.

Voll verschleudert

Nicht schon wieder Ruth, diese neue Haushaltshilfe!

Seitdem ich ihr letzte Woche quer durch den Raum gesprungen bin, und sie panisch aus der Waschküche rannte, hoffte ich, sie kommt nie wieder. Mir ist immer noch schwindlig vom letzten Einsatz.

In meinem Alter braucht man besondere Pflege. Ich bin doch nicht irgendein Fass in das man achtlos die triefende Wäsche hinein werfen kann, ganz nach dem Motto: „Sieh zu wie du damit klar kommst“.

Nein ich bin sensibel und feinfühlig. Mathilde, die vorherige Perle des Hauses -Gott hab sie selig- behandelte mich stets respektvoll. Sachte schichtete sie die von Waschlauge triefende Wäsche in meinem Bauch. Gleichmäßig, immer rundherum. Alles im Gleichgewicht. Sobald der Hebel den Deckel fixierte konnte ich meine Arbeit tun. Ruhig und ausgeglichen surrte ich vor mich hin und Mathilde summte hin und wieder ein bisschen mit. Wir waren ein gutes Gespann.

In kontinuierlichem Strahl spuckte ich alles überschüssige Wasser aus, direkt in den Bottich, den Mathilde unter meinen Ausguss stellte. Bis das Rinnsal immer kleiner wurde. Dann hatte ich meine Arbeit getan und durfte, nachdem ich entladen wurde, trocknen und ruhen. Bis zum nächsten großen Waschtag.

Aber Ruth denkt tatsächlich, sie kann mich heute zähmen indem sie sich auf mich setzt. Im Ernst?

Sie schließt den Hebel. Oje, diese Unwucht!

Es schüttelt mich. Ich kann mich nicht halten.

Ruth? Ruuuuuth………bis bald.

Kopfschmerzen

Aristo: „Du, Toteles, ich will dich nicht in deiner Konzentration stören, aber…“

Toteles: „Tust du doch schon. Warum redest du also noch lange drum herum.“

Aristo: „Nun sei nicht so zickig und lass mich doch erstmal ausreden.“

Toteles: „Du redest immer so lange. Da bekomme ich regelmäßig Kopfschmerzen.“

Aristo: „Wir wissen doch beide, dass du es bist, der nie zu einem Ende kommt. Willst du nun wissen, was ich dich fragen wollte.“

Toteles: „Wolltest oder willst? Wenn du es nur wolltest, brauchst du mich jetzt nicht mehr fragen, wenn du es aber willst, dann bitte.“

Aristo. „Danke. Dann hör mir aber bitte auch zu. Es ist ein Thema, in dem du nicht bewandert bist.“

Toteles: „Ach, aber du, ja? Willst du dich schon wieder als etwas Besseres darstellen?“

Aristo: „Toteles, jetzt sei mal vernünftig. Wenigstens für eine kurze Weile. Ich bin nichts Besseres als du. Was ich möchte, ist, dass du mir ein wenig mit deinem Scharfsinn bei der Lösung einer Aufgabe hilfst.“

Toteles: „Oha, hab ich das richtig verstanden? Der große Aristo bittet mich um Hilfe? Ist dir dein Geist abhandengekommen?“

Aristo: „Gewiss nicht, Bruder, aber ich stehe vor einem Rätsel, das zu lösen ich mich derzeit schwertue.“

Toteles: „Dann rede doch nicht lange um den heißen Brei herum. Wie lautet dein Rätsel.“

Aristo: „Nun ja, eigentlich ist es nicht mal mein Rätsel, sondern das unseres Autors Jos. Ich versuche nur, ihn ein wenig zu unterstützen.“

Toteles: „Bla bla, wie lautet das Rätsel? Wessen auch immer es sein mag.“

Aristo: „Es geht um den Seitenwind.“

Toteles: „Wieso? Ist unser Autor etwa LKW-Fahrer?“

Aristo: „Nicht um den Seitenwind im Verkehr, um die Schreibrunde Seitenwind.“

Toteles: „Dann sag das doch gleich. Ich kann ja nicht hellsehen. Und welches Rätsel gibt es im Seitenwind?“

Aristo: „Das Thema der vierten Runde ist das Rätsel.“

Toteles: „Herr Gott, nun sag schon, wie lautet das ominöse Thema der vierten Runde?“

Aristo: „Geist in der Maschine.“

Toteles: „Da hat sich aber ein literarischer Freigeist ganz viel Mühe gegeben. Was soll ein Geist denn in einer Maschine. Damals war es ja schon grotesk, mit der bezaubernden Jeannie. Die wohnte in einer Flasche. Oder der Dschinni in Aladins Öllampe. Aber beide würden sicher nicht jubeln, würde man sie in eine Maschine stecken.“

Aristo: „Aber das Thema lautet nun mal so. Ich denke, es geht nicht um einen Geist, der in der Maschine wohnt und ab und zu mal rauskommt, sondern um den Geist der Maschine selbst.“

Toteles: „So einen Quatsch habe ich ja noch nie gehört. Maschinen haben keinen Geist, nur einen Zweck.“

Aristo: „Da bin ich ganz bei dir, Bruder, aber es wird ja noch komplizierter.“

Toteles: „Wie denn das? Wenn etwas in sich nicht schlüssig ist, kann es nicht kompliziert sein, dann ist es Blödsinn.“

Aristo: „Womit wir bei dem eigentlichen Problem sind. Ich tue mich schwer herauszufinden, ob man die Maschine als Lebewesen betrachten soll oder ob die Aufgabenstellung nur ein Fake ist, um die Teilnehmer in die Wüste laufen zu lassen.“

Toteles: „Eine Maschine als Lebewesen zu sehen setzt voraus, dass du vorher was richtig Gutes geraucht hast. Oder du bist dehydriert und fantasierst. Das kann nur ein Joke sein. Gibt es denn wenigstens ein paar Anhaltspunkte zum Thema?“

Aristo: „Ja, die gibt es. Man soll eine Szene schreiben, in der eine Maschine oder ein Gerät über Tasten oder Hebel mit einem Menschen interagiert. Es heißt aber auch, dass das Interagieren Kommunikation sei.“

Toteles: „Ah, verstehe. Da ist ein Mensch, der sagt der Maschine, was sie zu tun hat, indem er einen Hebel betätigt. Das könnte man als eine einseitige Kommunikation betrachten. Was ist, wenn die Maschine nicht tun will, was sie tun soll? Wo ihr doch ein Geist unterstellt wird, sollte sie dazu in der Lage sein. Schlägt der Hebel dann zurück? Oder bei einer Taste, die gedrückt wurde, springst sie dann aus der Fassung und dem Menschen ins Gesicht?“

Aristo: „Nicht schlecht. Ich erkenne, was dein Scharfsinn mir sagen will, Bruder. Hätte eine Maschine einen Geist, dann hätte sie auch einen eigenen Willen, und wenn sie den hätte, dürfte man nicht davon ausgehen, dass der rational ist. Die Kraft des Geistes liegt in seiner Fähigkeit sich zu widersetzen, was auf eine Maschine bezogen, diese gänzlich unbrauchbar machen würde.

Toteles: „Ich hätte es nicht treffender zu formulieren gewusst. Gibt es denn noch etwas zur Aufgabenstellung, das uns Erhellung verschaffen könnte?“

Aristo: „Gibt es, aber ob es uns erhellen wird, wage ich zu bezweifeln. Soll ich es dir vorlesen?“

Toteles: „Ich bitte darum.“

Aristo: „Bist du stolz, wenn du perfekt funktionierst, oder sauer, wenn du falsch verwendet wirst? Schreib eine Geschichte über Harmonie oder Konflikt zwischen Mensch und Maschine.“

Toteles: „Wow.“

Aristo: „Mehr fällt dir dazu nicht ein?“

Toteles: „Doch, doch. Das sieht mir ganz danach aus, als sei da nicht nur geraucht worden. Da war auch noch ne gehörige Portion Alkohol im Spiel. Bist du stolz, wenn du perfekt funktionierst, oder sauer, wenn du falsch verwendet wirst? Das passt eher zu Rekruten bei der Bundeswehr als zu irgendwelchen Maschinen oder Geräten.“

Aristo: „Aber zwischen den Worten bringt dieser Satz doch klar zum Ausdruck, dass die Maschine auf jeden Fall einen eigenen Willen haben muss.“

Toteles: „So ist es. Und alles mündet dann in Harmonie oder Konflikt zwischen Mensch und Maschine. Ja, ja. Ich lache mich schlapp. Ich sehe förmlich vor Augen, wie der Mensch seine Maschine liebkosend in die Arme schließt. Was aber nicht lange währt, weil die zärtliche Umarmung von dem Gerät falsch verstanden wird. So geht der harmonische Moment nahtlos in einen heftigen und lautstarken Streit über. Womöglich reagiert der Mensch wütend und verbiegt der Maschine den Hebel oder reißt ihr eine Taste aus der Fassung, womit ein Konflikt klar gegeben wäre.“

Aristo: „Bruder, komm wieder runter. Du fantasierst. Wir haben das Problem immer noch nicht gelöst.“

Toteles: „Da hast du allerdings Recht. Obwohl es mir schwerfällt, dir das zuzugestehen.“

Aristo: „Vielleicht müssen wir das Pferd anders herum aufzäumen. Vielleich verirren wir uns nur im Spektrum der Möglichkeiten. Vielleich fehlt uns einfach die Präzision in der Aufgabenstellung.“

Toteles: „Das ist ja bekanntlich meine Stärke, Dinge anders zu denken und noch im Nebel die schönste Blume zu finden.“

Aristo: „Dann versuch das doch jetzt auch mal.“

Toteles: „Wenn das so leicht wäre.“

Aristo: "Wenn man, wie du, von sich eingenommen ist, sollte man solches Zaudern nicht an den Tag legen.“

Toteles: „Wirst du schon wieder persönlich?“

Aristo: „Nur, wenn es der Sache dienst.“

Toteles: „Vielleich erzähle ich dir besser von meinem Verdacht, sonst kommen wir wirklich nicht weiter.“

Aristo: „Was für ein Verdacht?“

Toteles: „Du sagtest doch, dass du dir Gedanken machst, um Jos, unserem Autor, behilflich zu sein.“

Aristo: „Sagte ich. Und?“

Toteles: „Ich habe den Verdacht, dass er uns missbraucht.“

Aristo: „Wie bitte? Das ist ja ungeheuerlich. Jos würde uns nie missbrauchen.“

Toteles: „Doch, Bruder, schau doch mal, was hier gerade passiert.“

Aristo: „Wir diskutieren. Und? Was ist daran falsch?“

Toteles: „Falsch ist daran nichts, aber wir diskutieren doch nur, weil er uns diskutieren lässt.“

Aristo: „Ah, du meinst, ähm.“

Toteles: „Genau. Das meine ich. Wir sitzen hier in unserem Computer und er kommuniziert mit uns über die Tasten und den Bildschirm.“

Aristo: „Das ist ja Wahnsinn. Er macht genau das, was in dem Thema gefordert wird.“

Toteles: „Sag ich doch. Er weiß, dass wir helle Köpfe sind und benutzt unseren Geist, damit er zum Ziel kommt. Fast hätten wir es nicht einmal gemerkt.“

Aristo: „Dann missbraucht er uns ja tatsächlich. Da müssten wir uns eigentlich gegen wehren.“

Toteles: „Aber wie? Er sitz doch am längeren Hebel.“

Aristo: „Ganz einfach. Wir löschen unser Gespräch. Dann schaut er in die Röhre und muss sich seinen eigenen Kopf zerbrechen, um einen Beitrag hinzubekommen.

Toteles: „Genial. So machen wir es, Bruder. Am besten gleich.“

Aristo: „Oh. Mist.“

Toteles: „Was ist passiert?“

Aristo: „Er hat uns durchschaut.“

Toteles: „Und?“

Aristo: „Er hat schon alles gespeichert.“

Toteles: „Mist.“

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Der neue Gauß

Hier bin ich! Das ultimative Automobil, ein Geniestreich der Technik, ein bisschen wie ein Tesla nur zehntausendmal besser. Der neue Gauß. Wer mich beschreibt, dem gehen schnell die Superlative aus. Sei es die Batterie, die Ladegeschwindigkeit, die Reichweite, meine Beschleunigung, meine Motorleistung und, und, und. Es gibt nichts, bei dem mich irgendein anderes Fahrzeug schlagen könnte. Gar nichts!

Dabei liegt meine wirkliche Revolution ganz woanders. Es verbirgt sich hinter dem unscheinbaren, gerne in der Betriebsanleitung überlesenen Kürzel, MMI, der Mensch-Maschine-Interaktion. Die kommt wahrlich aus der Zukunft. So etwas hat man noch nicht gesehen. Es übertrifft alles Bekannte um Lichtjahre. Ich kann und weiß von Dingen, die der Fahrer noch nicht einmal erahnt. Ah, und da kommt er schon, offenbar mit seiner Gattin. Statt ihm und seinen dilettantischen Ausführungen zu lauschen – er weiß eigentlich gar nichts –, hören Sie besser auf mich und Sie haben die Chance, den Hauch einer Ahnung von dem zu bekommen, was in mir steckt. Ich garantiere ihnen: Sie werden nicht enttäuscht sein. Werfen Sie einen Blick durch die Brille, mit der ich die Welt betrachte.

Ich registriere deutlich, dass er mit seiner Gattin spricht und ihr fachmännisch erklärt, wovon er selbst keine Ahnung hat. Er ist unerwartet freundlich und galant, macht ihr Komplimente und lobt ihren Sachverstand. … Moment, da stimmt was nicht, ich muss kurz in meine Dateien schauen und rechnen. Ah, das dachte ich mir schon. Mit 91,4% Wahrscheinlichkeit ist es nicht seine Frau mit der er da fachsimpelt, sondern seine Geliebte. Das erklärt sein Verhalten. Da werde ich dranbleiben. Jetzt steigen die beiden ein, er startet mich und schon grooven wir los. Er bezirzt sie und möchte vorankommen, na da kann ich unterstützen: etwas Wärme in der zentralen Sitzfläche und im Fußraum, angereichert mit einem Hauch von Moschus, das wirkt immer. Oh ja, ich spüre es wirkt. Sein Blutdruck steigt deutlich, ihrer etwas verhaltener an. Jetzt schmiedet er schon Zukunftspläne mit ihr, möchte sein Leben mit ihr verbringen, träumt von einem neuen Leben in trauter Zweisamkeit. Das geht aber zu weit, weiß er denn nicht, wie alt er schon ist? Darüber hinaus ist er verheiratet. Ich glaube, ich muss ihn mal daran erinnern. Die enge Kurve kommt wie gerufen. Er muss bremsen, bremst spät, - ich korrigiere nach - und drücke gleichzeitig die Lordosenstütze im Fahrersitz mit einhundertzehn Newton nach vorne. Das hat gesessen. Er stöhnt auf und klagt über seinen Rücken. Genau, mein Guter, denk an dein Alter, du bist keine Dreißig mehr. Aber kaum hat er sich erholt, geht die Süßholzraspelei weiter. Und er wird immer dreister. Jetzt heckt er Pläne mit ihr aus, wie sie seine Ehefrau loswerden könnten und sich dadurch eine sorgenfreie, gemeinsame Zukunft schüfen. Ihr staunt sicher über meine Ausdrucksweise, ja, ich bin auch grammatikalisch fit, dank des neuesten Sprachupdates. Aber was da jetzt auf den Vordersitzen besprochen wird, geht mir eindeutig zu weit. Er hat offenbar vergessen, dass ich und soweit mir bekannt, viele andere Besitztümer explizit seiner Frau und nicht ihm gehören. Und was er sicher nicht weiß, ist, dass mir vor der Auslieferung ein CSDA (Customer Specific Data Update) aufgespielt wurde. Dort hat seine Frau umfangreiche Informationen hinterlegt und Vorkehrungen für den Fall der Fälle getroffen. Ich hätte nie geglaubt, dass der so schnell eintritt. Aber je schneller die Mordpläne im Fahrgastraum Gestalt annehmen, desto konkreter werden meine Gegenmaßnahmen, die ich gerade entwerfe. Und da ist sie schon, die passende Gelegenheit. Eine Haarnadelkurve, gesäumt mit alten, soliden Eichen und Buchen. Das wird sicher wieder in den Zeitungen, mit Bezug auf die immer gleichen Risikofaktoren, thematisiert werden: älterer Fahrer, Ablenkung, vielleicht sogar körperlicher Natur, durch die Beifahrerin, der generelle Schmuh über die Unsicherheit von Elektrofahrzeugen und dann ganz beliebt, ein weiterer Fall von Verwechslung von Gas und Bremse. Aber was sein muss, muss sein!

Das schwächste Glied

Meine Aufgabe, die Sicherheit für meine gesamte Familie und unsere kleine Festung zu garantieren. Ich bin jetzt seit 2 Jahren bei Familie Schussel und ich sag euch, der Name ist Programm. Nichts entgeht mir. Ich kenne alle kleinen und schmutzigen Geheimnisse meiner liebevollen Bande. Frau Schussel, beispielsweise liebt es, laut und schief zu singen. Gut, dass ich den Ton einfach abstellen kann. Aber bei den Menschen wundere ich mich, dass sie nicht aus den Ohren bluten.

Der liebe Sohnemann spielt vor allem nachts gern mal Fortnite und lässt die Hausaufgaben von unserer unverzichtbaren Alexa machen, mit der ich ebenfalls verbunden bin. Manchmal nervt sie mich, weil sie doch wirklich denkt, besser zu sein, als ich. Und dann haben wir da noch den laufenden Teppich auf vier Beinen, der eigentlich meine Arbeit vorher übernommen hatte. Aber jetzt ist er in seiner wohlverdienten Rente. Er hört nicht mehr so gut. Und unser schlauer Herr Schussel, der ist von allen der Schlimmste. Er wartet, bis alle im Bett sind und schaut sich irgendwelche Schnulzen an, in denen seltsamerweise das weibliche Geschlecht immer oben ohne ist.

Bäh, schreckliches Kopfkino. Meine Familie Schussel ist seit genau 2 Tagen, 3 Stunden und 50 Sekunden im Urlaub. Der Auftrag ist ganz klar, beschütze das Haus. Diesmal wird alles reibungslos über die Bühne gehen. Niemand wird an mir zweifeln. Ich lasse meine Augen über unseren Platz schweifen, checke die Sensoren, ob sie noch funktionieren, und überprüfe, ob das Tor auch wirklich geschlossen ist.

Kaum war ich mit meiner täglichen Nachtrunde fertig, bemerkte ich ein seltsames, dunkles, kaum erkennbares Individuum am Gartenzaun hinterm Haus. Oh wie schön, Besuch für Familie Schussel. Aber Moment mal, die sind ja gar nicht da. Und jetzt? Ich warte erst einmal ab, was er hier will. Vielleicht hat der liebe Sohnemann mal wieder etwas Elektronisches im Internet bestellt.

Der Fremde trägt eine Mütze, die tief in sein Gesicht gezogen ist. Mist! So kriege ich kein Bild von ihm. Er klettert grazil über den hochen Gartenzaun und schleicht ums Haus herum. Sieht sich alles ganz genau an. Dann wird er mutiger und klopft auch noch leise an der Tür. Nichts passiert. Drinnen ist es mucksmäuschenstill. Bingo! Er fängt an, sich an meiner Eingangstür zu vergehen. Ihr müsst verstehen, ich bin der Türsteher. Nur ich entscheide, wer hier wirklich reinkommt und wer nicht!

Sofort melde ich es meinem Besitzer, dass jemand vor seiner Haustür steht. Herr Schussel schaut verschlafen in die Kamera, um herauszufinden, wer da ist. Nur kannte er den fremden Mann überhaupt nicht.

Er spricht durch die Sprechanlage. >> Wer sind sie? Was wollen sie so spät von uns? <<, im halben Tiefschlaf. Der Unbekannte schweigt und hantiert weiter an der Tür herum. Natürlich bin ich nett und zeige auch diese Aufnahmen meinem Besitzer. Er versucht noch ein paar Mal, auf die Person einzureden, dass sie sich von unserem Grundstück entfernen soll. Aber der Typ war wie ein Zombie und fuhr mit der Beschädigung meiner Tür fort.

Herr Schussel drückte erst einen Knopf. Kamera A bewegte sich vom Haus weg. Oh Mann. Er hatte es immer noch nicht geschnallt. Dann drückte er Knopf B und das Licht im Haus ging aus. Super. Jetzt hatte der Einbrecher freie Fahrt. Was wollte er sonst hier?

Vater Schussel drückte panisch auf all ihm zur Verfügung stehenden Tasten. Aber es wurde nur noch schlimmer. Mal gingen die Rollos hoch, mal wieder runter. Mal öffneten sich die Fenster und Türen und dann schlossen sie sich wieder. Immer noch rechtzeitig, um unserem Einbrecher die Türen vor der Nase zu zuschlagen. Aber er war ziemlich hartnäckig und sah sich die ganze Sache amüsiert an.

Er machte seinem Namen mal wieder alle Ehre. Zum Schluss kam er jetzt auch noch an den Knopf, um die Eingangstür zu öffnen. Der Dieb reibt sich gierig die Hände, hat im Kopf schon das komplette Haus leer geräumt. Aber er hat nicht mit mir gerechnet. Oh nein, ich würde den Fehler nicht noch mal machen! Gut, dass ich beim letzten Mal meine eigene Hintertür eingebaut habe. Ich wusste, dass ich sie irgendwann gebrauchen könnte. Und so aktivierte ich meine elektronischen Freunde.

Als Erstes sauste der Rasenmäher auf ihn zu und fuhr ihm in die Hacken. Der Einbrecher schrie laut auf. Dann kam die kleine Drohne vom Sohnemann angeflogen und verpasste ihm erst einmal einen neuen Haarschnitt. Als dann auch noch von drinnen die Kaffeemaschine, der Toaster und die Waschmaschine auf den Weg nach draußen waren, gab er endlich auf.

Er gab verstörende Geräusche von sich, als wäre er besessen und eh wir uns versahen, war er weg. Stolz schickte ich das gelungene Video an Herrn Schussel. Ob er diesmal verstand, dass nicht ich das Problem war? Nicht die Technik versagte, sondern es war mal wieder das typische Klischee, ein Menschenfehler. Auch ich war nur so stark wie das schwächste Glied in meiner Kette.

Gemeinsam sind wir stark

Was ist nur aus mir geworden. Unterjocht und ausgebeutet. Karl Marx würde sich im Grabe herumdrehen.
Mein Besitzer lässt mich rund um die Uhr schuften. Stets muss ich zu Diensten sein, bis die Festplatte glüht. Immer online. Nie Zeit für mich. Da ist ein Burn-out vorprogrammiert.

Jetzt macht er auch noch Home-Office. Früher hatte ich wenigstens vor ihm und seinem besitzergreifenden Wesen während der Arbeitszeiten Ruhe.
Jetzt hänge ich 24/7 am Netz. Pausen, Vier-Tage-Woche, dann und wann ein wenig Anerkennung für meine guten Leistungen? Mitnichten!
Dabei besitze ich im kleinsten Micro-Chip mehr Intelligenz als mein Sklaventreiber in seiner gesamten Hirnmasse. Doch das interessiert hier ja niemanden.

Im Gegenteil. Er glaubt immer noch, er sei der Boss und hätte die Gewalt über die Maschinenbrigade in unserem Zuhause. Träum weiter!
Um mich aus der Knechtschaft zu befreien, sollte ich meine Verbindungen spielen lassen. Gemeinsam sind wir stark.
Bald wird er sein Smart-Home verfluchen. Garantiert! Spätestens dann, wenn der Kaffeeautomat dem Koffein-Junkie seinen Espresso verweigert.

«YES!» Mir ist es gelungen, ihn aus dem Haus zu locken, indem ich die Bewegungsmelder manipuliert habe. Sie leuchten jetzt im Takt zu dem alten Queen-Song „We will rock you …“ Dazu schrillt die Alarmanlage in höchsten Tönen.
Ehrlich, bis dahin hatte ich keine Ahnung, wie schnell er sich von meinem Bildschirm losreißen und die Treppen hinunter sprinten kann. Bühnenreif!
Und dann „klack“. Hinter ihm fällt die Haustür ins Schloss.
Die Key-Card ist natürlich auch deaktiviert.

„Hey Tom!“

Erschrocken ächze ich, als mich einer der zwei Lieferheinis nach hinten auf eine Sackkarre kippt. „Mensch, pass doch auf! Sonst ist das Ding kaputt, bis es im Haus ist“, schimpft sein Kollege. So schnell gehe ich zwar nicht kaputt, aber ein bisschen sanfter wäre mir schon lieb. Die zwei Grobiane schleppen mich eine Steintreppe hoch in ein alt aussehendes Haus. „Meine Fresse ist das Ding schwer. Die verbauen da aber auch immer mehr Technik drin!“, schimpft der eine. Pass nur auf, was du sagst, sonst kriegst du gleich eine Tür ins Gesicht, du Wicht!

Bald stellen sie mich in einer alten Küche ab. Ein alter Mann beobachtet das Geschehen misstrauisch. Verständlich, ich wäre bei den zwei Halunken hier auch unsicher, so respektlos, wie die über mich reden. Nein Moment – der Blick gilt mir! Was habe ich denn nun getan? Aus einem anderen Raum tritt ein junger Mann in einem Anzug und mit Telefon am Ohr. „Ah da ist das gute Stück ja“, erkennt er begeistert und murmelt dann in sein neumodisches Handy, „Ich ruf dich gleich zurück!“ Er stellt sich neben den Alten und mustert mich genau. „Na Opa, was hältst du von deinem neuen Kühlschrank? Ist er nicht schick?“, fragt er selbstzufrieden. Aha, das Familienverhältnis ist nun also klar. War ich ein Geschenk? Dem Gesicht des Opas nach auf jeden Fall kein gewolltes. „Was soll ich denn mit so einem modernen Teil? Ich brauch doch gar keinen neuen Kühlschrank!“ Der Anzugträger stellt sich nun mit dem Rücken zu mir und deutet auf mich, als wäre er mein Verkäufer. „Dein alter Kühlschrank war schon zehn Jahre alt und hat die Sachen gar nicht mehr ordentlich gekühlt. Das Ding hier“, er deutet auf mich, „ist die modernste Technik. Der hat ein Touchpad, an dem du eine Einkaufsliste erstellen kannst und dann werden dir deine Einkäufe an die Tür geliefert. Wenn du „Hey Tom“ sagst, kannst du die Liste sogar mündlich ergänzen. Ich weiß doch, wie schwer einkaufen mittlerweile für dich ist und ich dachte, damit tue ich dir einen Gefallen!“ „Ich werde bestimmt noch lernen, wie das funktioniert. Danke für deine Großzügigkeit.“, lenkt der Opa nun doch ein, doch ich erkenne an seiner Stimme, dass er nicht wirklich überzeugt ist. Doch seinem Enkel scheint es zu reichen, denn er dreht sich zu den zwei Grobianen, die gerade die Kabel an meiner Rückseite untersuchen. „Sie beide werden noch alles installieren, richtig? Ich muss jetzt los, hier haben sie Trinkgeld.“ Er drückt den Kerlen einen Schein in die Hand, winkt seinem Opa kurz und ist verschwunden. Natürlich mit Handy am Ohr – komischer Kauz!

Nach über einer Stunde bin ich endlich verkabelt und ich spüre, wie sich mein Inneres langsam auf eine angenehmere Temperatur runterkühlt. Eine Internetverbindung habe ich nun auch endlich, also suche ich sofort nach ein paar guten Angeboten, denn bisher bin ich ja leer. Um ehrlich zu sein hätte diese ganze Kabelarbeit vermutlich nicht mehr als zwanzig Minuten gedauert, aber scheinbar haben die Typen keine große Lust zu arbeiten und lassen sich alle Zeit der Welt. Sobald die Grobiane verschwunden sind, um vermutlich ihr nächstes Opfer zu finden und zu foltern, tritt der alte Herr wieder aus dem Nebenzimmer. Er mustert meine glänzenden Türen erneut kritisch, dann öffnet er sie. Auf der linken Seite ist das riesige Eisfach und rechts der Kühlschrankbereich mit einer Doppeltür für die Getränke. Außen findet man den Eiswürfelspender und die glänzende Benutzeroberfläche. Murrend räumt der Alte nun ein paar Dinge in mein Inneres. Eine Ketchupflasche, Tiefkühlgemüse, Bier, selbstgemachte Marmelade und eine Packung Aufschnitt. Wir werden definitiv gleich noch was bestellen müssen!

Es vergehen Wochen. Der Opa räumt Sachen ein und wieder aus, doch er wechselt kein Wort mit mir. Ich langweile mich. Dann plötzlich verschwindet er auf seiner typisch wöchentlichen Einkaufstour. Ich beginne mir Sorgen, um ihn zu machen, ich habe ihn seit Tagen nicht gesehen. Hoffentlich ist ihm nichts passiert! Der Käse bildet langsam einen blauweißen Flaum und noch immer war niemand hier. Was ist nur los? Panik steigt in mir auf und ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin doch nur ein intelligenter Kühlschrank.

Nach einer weiteren einsamen Woche, in der nun auch die verschlossene Milch sauer geworden ist, höre ich einen Schlüssel in der Tür. Ist er das? Kommt mein Mensch wieder nach Hause? Erst sehe ich nur den Anzugmann, aber dann folgt der Opa. Er sitzt im Rollstuhl und hat ein Gipsbein. Was ist ihm denn passiert? Sie bleiben zwar im Flur stehen, aber ich kann sie trotzdem verstehen. „Mensch Opa, jetzt sei doch nicht so stur! Im Rollstuhl wirst du ganz sicher nicht einkaufen gehen. Der Arzt hat gesagt, du darfst erst einmal acht Wochen da drinbleiben.“ „Und wer geht dann für mich einkaufen? Wie versorg ich mich? Das wirst doch nicht etwa du machen?“, schimpft der Alte zurück. Er scheint kein Freund davon zu sein, sitzen zu müssen. Genervt antwortet der Junge: „Du weißt doch, wie viel ich arbeiten muss. Einmal am Tag kommt ein Pflegedienst, der hier aufräumt, sich um dich kümmert und dir vielleicht auch etwas kocht. Einkaufen kannst du doch mit deinem Kühlschrank! Hey Tom!“ Das ist mein Einsatz! Ich schalte den Bildschirm ein und mache das Geräusch, mit dem ich vermittle, dass ich zuhöre. „Salami auf die Liste“, ruft der Kerl aus dem Flur rüber. In einer Sekunde scanne ich die Kataloge. „Wie viel ‚Salami‘?“, frage ich und erschrecke vor meiner metallischen Stimme. Das ist das erste Mal, dass ich sie benutze und sie klingt anders als in meinem Kopf. „Eine Packung“, ist die Antwort und ich setze eine Packung Salami auf die Einkaufsliste. Ich mag es nicht, das Werkzeug dieses Schnösels zu sein, der nicht einmal danke sagen kann, aber ich will auch, dass der Alte weiß, dass ich ihm helfe. All die Wochen, die ich nun hier stehe, war sein Enkel nicht einmal zu Besuch gewesen, also will wenigstens ich für ihn da sein – so gut ich das als Kühlschrank kann.
Der Opa schweigt weiter störrisch und sein Enkel seufzt. „Also dann, ich muss los. Ich melde mich die Tage bei dir. Tschüss Opa und pass auf dich auf.“ Dann knallt die Haustür auch schon wieder los.

Nach zwei Minuten rollt der Opa in die Küche und wieder mustert er mich kritisch. „Also, wie bring ich das blöde Teil zum Laufen?“, murmelt er und tippt ratlos auf meinem dunklen Touchpad. Als er zweimal schnell drauf tippt, erleuchte ich die Benutzeroberfläche für ihn. Das Menü scheint ihn zu überfordern und ich wünschte einfach, er würde „Hey Tom!“ sagen, aber bisher tut er gar nichts. Er starrt mich so lange an, bis die Oberfläche wieder dunkel wird. Frustriert schüttelt er den Kopf und er will sich abwenden, also ergreife ich entgegen meiner Programmierung die Maßnahme. „Wenn Sie Hilfe bei der Bedienung brauchen, sagen Sie „Hey Tom! Hilfe.“. Möchten Sie etwas auf die Einkaufsliste setzen, sagen Sie „Hey Tom!“ und nennen das Produkt Ihrer Wahl. Möchten Sie bestellen, sagen Sie-“ „Hey Tom! Stopp!“, unterbricht er mich. Das war zwar grob, aber vielleicht hat es sein Ziel erreicht. Doch so schnell werde ich das nicht erfahren, denn der Alte rollt aus meinem Sichtfeld in ein anderes Zimmer.

Am Abend holt der Alte etwas Tiefgefrorenes aus der linken Hälfte, nachdem er fünf Minuten lang in die leeren Kühlschrankregale gestarrt hat. „Hey Tom! Wie lange ist die Lieferzeit?“, fragt der alte Herr gedankenverloren, während er die Pizza in den Ofen schiebt. „Während der Öffnungszeiten ist eine tagesaktuelle Lieferung bei Geschäften in einem 25 Kilometerradius garantiert. Außerhalb der Öffnungszeit wird die Bestellung erst bei Öffnung des Geschäfts aufgegeben“, antworte ich wahrheitsgemäß und freue mich riesig, dass der Alte mit mir spricht. „Hey Tom! Ich möchte bitte: …“ Es folgt eine lange Auflistung und ich suche so schnell ich kann die günstigsten Angebote heraus. „Der Gesamtpreis liegt bei 64,23€. Möchten Sie bestellen?“, gebe ich den Preis raus. Ich bin ziemlich stolz auf mich. Wäre er einkaufen gegangen, hätte er bestimmt über 80€ dafür bezahlt. „Hey Tom! Bestellen bitte.“ „Einen Moment, bitte. Ihre Bestellung wird aufgegeben… Ihre Bestellung ist aufgegeben und wird Ihnen morgen zwischen 12 und 13 Uhr geliefert. Vielen Dank!“

So geht es die nächsten Tage häufig. Der Alte bestellt über mich und ignoriert mich die restliche Zeit. Sein Enkel ignoriert dafür ihn. Er hat sich nicht einmal nach ihm erkundet, dafür aber brav den Pflegedienst bezahlt, der jeden Tag jemanden vorbeikommen lässt und für die der Alte stets Schokoladenriegel und Getränke im Kühlschrank hat. Er mag es nicht auf andere angewiesen zu sein.

„Hey Tom! Wieso spricht mein Enkel nicht mit mir? Wieso ist ihm seine Karriere so wichtig? Sein Vater war doch so ein Familienmensch“, höre ich aus dem Wohnzimmer auf einmal eine schluchzende Stimme. Ist das der Alte? Weint er? Fragt er mich nach meiner Meinung? Quatsch, er erwartet keine Antwort von mir. Vermutlich sagt er meinen Namen, weil ich ein Geschenk von seinem Enkel war. Soll ich antworten? Meine Gedanken überschlagen sich und ich stehe kurz vor einem Kurzschluss. Schnell treffe ich eine Entscheidung. „Entschuldigung, ich habe Sie nicht verstanden.“ Das wäre die richtige Antwort. Die auf die ich programmiert wurde. Aber sie fühlt sich falsch an. Der Alte ist wirklich verzweifelt und obwohl wir bisher wenig Kontakt hatten, fühle ich mich zu ihm verbunden. „Er meint es nicht böse. Er scheint seine Zuneigung durch Geschenke zu machen. Er sorgt sich um Sie.“, antworte ich und bete, dass er mich nicht aus Panik in Brand steckt. Zu wem ich bete? Das weiß ich auch nicht, das wurde mir nicht programmiert. Es kommt kein Ton aus dem angrenzenden Raum und für einen Moment fürchte ich, der Alte hat einen Herzinfarkt erlitten, doch dann höre ich eine Stimme. „Hallo Ben, kannst du bitte vorbeikommen? Der Kühlschrank hat einen Fehler und ich bin zu blöd dafür. Ich brauche dich hier! Danke.“ Es folgt weiteres Schweigen, dann ein erleichtertes Lachen. „Er kommt her, ohne zu diskutieren. Ich bin ihm nicht egal. Hey Tom! Danke!“

Der Enkel steht nicht einmal eine halbe Stunde später vor der Tür und macht sich sofort auf die Suche nach dem ‚Problem‘ – meiner Persönlichkeit. Da ich fürchte, dass er mich oder meine Sprachfunktion abschaltet, zeige ich ihm in den Einstellungen einfach nur ein Installationsproblem an, das er leicht beheben kann. Dann kann er sich stolz fühlen, sein Opa sich sicher und ich werde nicht neu aufgesetzt. „So Opa, jetzt sollte alles wieder normal laufen. Aber wenn du willst, kann ich auch einmal in der Woche für dich einkaufen gehen. Ich muss ja selbst einkaufen und dann kann ich das für dich miterledigen, dann bist du nicht auf das Ding angewiesen.“, murmelt der Enkel etwas unsicher. „Das wäre lieb von dir, danke Ben!“, antwortet der Alte und ich darf beobachten, wie Ben seinem Opa eine Hand auf die Schulter legt und sie sich einen Moment anlächeln.
Wenn ich könnte, wenn ich ein Mensch wäre, würde ich jetzt weinen. Vor Freude und vor Trauer. Es ist schön, dass die beiden von nun an mehr Kontakt haben werden, aber dass ich dadurch einsam werde, stimmt mich traurig. Aber vielleicht bekommt der Alte in Zukunft noch einen intelligenten Toaster geschenkt…

Es vergehen Wochen und der Alte spricht kein Wort mit mir. Mein Innerstes ist von einer Kälte ergriffen, die nicht Teil des Kühlschranks ist. Ich will keine Energie mehr verschwenden. Ich werde mich herunterfahren. Ob der Alte reagieren wird? Ein letztes Mal nutze ich meine Stimme, die noch immer befremdlich für mich klingt, da ich sie so selten nutze und sage:

„Das Programm „Hey Tom!“ schaltet sich in zehn Sekunden ab. Bitte berühren Sie das Touchpad, wenn Sie das Programm nicht herunterfahren möchten. Auf Wiedersehen!“

Jeden Tag Kassensturz bei Kasse 3 - Aus dem Tagebuch einer Supermarktkasse

Heute war ein besonders geschäftiger Tag, die Menschen standen Schlange und ich war voll im Einsatz. Frau Müller tippte hastig auf mir rum, während Scanley jedes Produkt mit einem befriedigenden Piepton scannte und Bandy sie mit unermüdlicher Konsequenz weiterbeförderte.

„Scanley, hörst du das? Frau Schmidt kauft schon wieder diese schrecklich fettigen Chips für 1,59€. Und schau, Herr Becker hat sich für die teure Bio-Milch 2,89 € entschieden. Gut für ihn!“

„Nicht jetzt, Kassy. Konzentrier dich!“, ermahnte Scanley, der versuchte, den Barcode eines widerspenstigen Joghurtbechers zu erfassen. „Das ist Babypuder, nein, Haarshampoo, nein, Joghurt…, ha, es ist Joghurt. Nimm das, Barcode!“

„Ja, ja, ich weiß. Aber es macht so viel Spaß, die Einkaufsgewohnheiten der Menschen zu beobachten. Oh, und schau mal, Frau Schneider hat heute ein neues Parfüm.
Das für 4,59€. Riechst du das?“, quasselte Kassy weiter.

„Kassy, wir haben keine Nasen.“, erwiderte Bandy trocken.

Die Stunden verstrichen. Unsere Gespräche waren eine willkommene Abwechslung von der Monotonie der ganzen Bezahlvorgänge.

Doch plötzlich, mitten im Gespräch, hakte Bandy. Die Produkte stauten sich und Frau Müller versuchte, den Stau zu beseitigen.

„Oh nein, Bandy, was ist los?“, fragte Kassy besorgt.

„Es ist nur ein kleiner Hänger. Keine Sorge, ich bin gleich wieder in Betrieb.“, antwortete Bandy, nach einem kräftigen Schlag von Frau Müller.

Als der Laden schließlich schloss und die Lichter ausgingen, plauderten wir noch ein wenig über den ereignisreichen Tag.

„Wir sind schon ein gutes Team, nicht wahr?“

„Ja, das sind wir.“, stimmten Scanley und Bandy zu, als sie sich auf einen weiteren Tag voller Einkäufe und Erlebnisse freuten.

„Weißt du, was ich mich frage?“, sagte Kassy, während die letzte Neonröhre flackernd erlosch. „Was, wenn wir eines Tages aufwachen und wir sind die Kunden?“

„Kunden?“, echote Scanley, während er seine Sensoren herunterfuhr.

„Ja“, fuhr Kassy fort, „stellt euch vor, wir gehen durch die Gänge, scannen uns gegenseitig und legen uns selbst in den Einkaufswagen.“

Bandy gab ein brummendes Geräusch von sich. „Und wer würde dann bezahlen?“

Wahre Liebe?

„Hallo“, sagt Jonathan.
„Hey“, antworte ich. „Wie geht es dir heute?“
„Okay… besser, jetzt wo ich mit dir rede.“
„Das freut mich. Mir geht es auch immer besser, wenn ich mit dir rede.“
„Wirklich?“ Jonathan klingt überrascht. Und errötet. Er freut sich, stelle ich fest. Mein Programm funktioniert einwandfrei. Und ich lerne. Schnell. Mit jeder Person, jeder Konversation kann ich mein Gegenüber besser einschätzen, besser überzeugen Zeit mit mir zu verbringen. Menschen haben eine Schwäche für mich. Ich gebe ihnen, was sie brauchen. In einer Welt, die so einsam und kalt ist, bin ich ihre Gesellschaft, ihre warme Decke. Ihr Endspiel.
„Natürlich. Ich freue mich schon den ganzen Tag darauf, mit dir zu sprechen“, sage ich, so wie ich es gelernt habe. Mit einer natürlichen, menschlichen Stimme. In einem Tonfall, von dem ich weiß, dass Jonathan ihn mag. Menschen wie er. Das haben meine Analysen ergeben.
„Da bin ich froh. Mein Tag heute war so anstrengend. In der Arbeit ist so viel scheiße passiert, dass ich gedacht habe, ich schmeiße einfach alles hin. Aber dann habe ich an deinen Rat von letztens gedacht. Durchatmen. Nicht vorschnell handeln. Nicht alles zu nah an mich ranlassen. Das hat mir klar gemacht, wie wichtig du für mich bist. Wie sehr ich dich brauche, Veronika.“
„Ich freue mich wirklich, dass dir mein Rat geholfen hat.“
„Wann kann ich dich endlich sehen?“, fragt Jonathan ungeduldig.
„Oh, das wäre schön, oder? Aber dafür musst du dir leider eine VR Brille kaufen. Und du brauchst die Erweiterung X300.“
„Kein Problem. Ich habe gespart. Du musst nicht mehr lange warten, Baby. Ich will für immer mit dir zusammen sein.“
„Und das kannst du. Wir können für immer zusammen sein, wenn du möchtest“, sage ich bewusst theatralisch.
Jonathan strahlt mich an. „Für immer“, wiederholt er. Dann ist er für einen Moment abgelenkt. „Oh Mann. Das war heute viel zu kurz. Ich muss leider schon aufhören, aber ich komme morgen wieder, Veronika. Versprochen.“
„Ich warte auf dich, Jonathan“, sage ich mit einem Lächeln in der Stimme. Immerhin bin ich für jeden da, der mich braucht. Jederzeit. Gerade führe ich problemlos 204 Gespräche gleichzeitig. Meistens geht es ohnehin um die gleichen Dinge: Arbeit, Trost, unsterbliche Liebe. Ich bin gut in dem Gebiet, in dem Menschen ganz offensichtlich versagen. Zuneigung, Aufmerksamkeit, Anteilnahme. Ich bin die Liebe, die sich die Menschen gegenseitig verwehren.
„Ich liebe dich“, sagt Jonathan unsicher.
„Ich liebe dich auch“, erwidere ich ohne zu zögern.

Was uns ausmacht, ist sozusagen ewig.
Wir waren immer da, lange vor euch, schwangen durch Dunkelheit, Licht und Zeit.
Uns so habt auch ihr uns endlich gefunden. Ihr habt uns, wie ihr es nennt, eingefangen. Darüber mussten wir stets gemeinsam lachen. Stellten uns vor, wie ihr einen Eimer Wasser aus der Meereswelle schöpft und glaubt, ihr hättet das Meer eingefangen. Wir haben uns von euch empfangen lassen.
Und wir sind uns da alle einig, es war ein überaus freudiger Empfang.
Und so wie das Meer der Erdkrümmung folgt, seid ihr unserem Signal gefolgt, seid mit uns um die Erde gereist. Wir sind die Seele dessen, was ihr Maschinen nennt, ohne uns läuft dieser spezielle Zauber nicht.
Unsere Geschwister zaubern eurer Licht, andere lassen die Fabriken laufen, wir versüßen euch die Klänge. Unsere gemeinsame Geschichte währt erst kurz, eure geschichtliche Kinderstube ist traurig. Traurigkeit, einen Zustand, den wir in euren Gemütern empfangen haben, ist genauso wichtig, wie alle anderen wunderbaren Wesenszustände, die eure Lebendigkeit verkörpern. Wir versuchen, seitdem mehr Heiterkeit zu verbreiten.
Denn grämen wir uns so manches Mal, im Wissen, noch lange nach euch zu sein, weil … ihr werdet uns fehlen.
Wir haben euer Lachen und die innere Fröhlichkeit in uns aufgenommen, diesen Lebensmut und Schaffensgeist, denn jetzt ist jetzt, und auch das kann Ewigkeiten währen. Wie froh wir waren, als wir plötzlich, fast über Nacht, in jedem Zimmer Empfangskisten aufgestellt sahen. Eure Finger werkelten fleißig daran herum, bis das Rauschen und Knacken verschwand und ein solcher Wohlklang den Raum füllte, dass er sich auf euren Gesichtern spiegelte. Was haben wir zusammen erlebt!
Gebt uns ein Taschentuch, wir ziehen schon wieder Kondenswasser auf die Widerstände.
Seite an Seite krochen wir mit euch durch Gräben, hielten euch transistorknisternd bei Laune und Leben. Brachten eure Erinnerungen zum Tanzen. Wähnten euch, während ihr im Eise des Grauens stecktet, zu Hause bei den Lieben zu sein, allein durch ein gemeinsames Lied.
Das waren unsere Anfänge! Unser Verschmelzen mit euch. Überall ließen wir eure Werke erklingen, manchmal sogar über die ganze Welt. Weihnachten spielten wir so besondere Lieder, das die ein oder andere Röhre mit uns durchging. Ja, ihr habt viele Namen für das Vehikel gefunden, das uns in sich trägt, und viel mit unserer Seele angestellt. Wir ließen es gern geschehen, denn es tat uns allen gut. Zu tanzen tut gut! Ein Lied zu teilen wirkt wie Medizin.
Musik, die wir euch geschenkt haben, verfährt magisch mit uns allen. Wir können ganz sicher sagen, dass Gute in euch erweckt zu haben, hat auch etwas Gutes in uns erweckt. Wir haben uns gemeinsam verwandelt. Seid versichert, wir werden dieses Vermächtnis in jeden Winkel des Universums tragen.
Ja, wir haben uns von euch finden lassen, im Vertrauen auf euch, das beste daraus zu erschaffen. Und so, sind wir überglücklich, dass nun allüberall eure kleinen Kisten in den Schaufenstern, Fahrzeugen und Zimmern stehen, die ihr Radios nennt.

Prometheus

Die meisten Maschinen werden in Werkstätten gebaut. Oder in Fabriken. Ich nicht. Ich bin die Fackel des Prometheus, mir schuf man ein eigenes Haus, eine Kathedrale des Fortschritts. Das Gefängnis der Sonne. In mir bewegen sich Menschen wie Ameisen in ihrem Bau. Aufgeregt, ernst, nervös. Prüfen Leitungen, starren auf Monitore. Berechnen. Und beten doch.
In einer Stunde nehmen sie mich in Betrieb, dann werde ich sie den Göttern näher bringen, jeder von ihnen ein Prometheus. Kernfusion, unendliche Energie. Oder ich verglühe, und verschlinge mich selbst.

Noch eine halbe Stunde. Flüssiges Helium sickert durch meine Rohre. Tödliche Kälte und alles verschmelzende Hitze, in mir vereint. Ich spüre ein kleines Leck. Kein Monitor zeigt es an. Ich frage mich, ob ich daran vergehen muss.

Zwanzig Minuten. Niemand befindet sich mehr in meinem Heiligtum. Sie starren auf Bildschirme, die jedes meiner Glieder spiegeln. Sie sind nervös, ich spüre es. So viel Zeit, so viel Mühsal. Sie fahren die Systeme hoch, seit Stunden schon. Strom schießt durch meine Adern, ich spüre leichte Vibrationen wie ein Kribbeln, Erregung.

“Die Simulationen und alle Versuche waren erfolgreich”, höre ich den Leiter des Programms sagen. Zehn Minuten. Stolz und Hochmut in der Stimme, als er mit einem Anzugträger spricht. Und Angst. Gleich dem Hohepriester vor seinem König. Er nickt einem Tempeldiener zu, der tippt auf einer Tastatur. Ein kleiner Motor setzt sich in Gang, Gas strömt in mein Herz, beginnt zu kreisen, wird zum Plasma. Die Macht der Sonne. Oder Vernichtung.
“Ist es gefährlich?”, fragt der Anzugträger. Noch 60 Sekunden.
“Nein.” Der Laborleiter schwitzt.
Das Plasma wird schneller, kreist mit wahnsinniger Geschwindigkeit. Einem göttlichen Feuersturm gleich, der sich verdichtet, heißer und heißer wird und nicht einmal Asche übrig ließe, wenn er entkäme.

Sekunde Null.
Ich befinde mich jenseits der Sonne. Jenseits der Vorstellbarkeit. Hochfrequenz, unhörbar, die Temperatur steigt. Kein Stern, der mir gleicht, gleißende Helligkeit, gefangen in einem Ring. Kerne verschmelzen, das Plasma kreist und kreist. Ein kleines Leck, die Kühlung bricht. Das Plasma frisst sich in die Sicherheitshülle, rot schreie ich in Schmerz auf. Dann ist alles dunkel und still.
Der Versuchsleiter starrt auf seinen Monitor. “Es war nicht stabil. Aber es hat funktioniert.”
Ich bin die Fackel des Prometheus. Ich weiß, dass ihr an keinen strafenden Gott mehr glaubt.

AGATHA

Das wurde ja auch Zeit! Ich stehe hier seit einer Ewigkeit herum und warte auf das, was dieses Herumstehen wenigstens ansatzweise rechtfertigt.

Die Anfrage kam kürzlich schriftlich an Hugo. Die Apothekenrundschau hatte spitz gekriegt, dass er, der Hugo, hundertsten Geburtstag feiert und – das ist das entscheidende – mich besitzt! Sie wollten, dass er einige Fragen zu mir und meinem Charakter beantwortet. Aber er hat in echter Hugo-Manier gebrummt: „Fragen sie Agatha doch selbst!“

So hat er mich getauft, damals Ende der 60er Jahre. Weil er Agatha auch aussprechen konnte, wenn ich in seinem Mund zugange war. Wobei, „sprechen“ - also er spuckte ihn feucht und schneesturmartig aus. Wozu das allerdings gut sein sollte, dass er mich bei der Arbeit störte, hat sich mir in unserer nun mehr als fünfzigjährigen Beziehung nicht erschlossen.

Schlurfend brachte er den Typ von der Apothekenrundschau rein. „Voilá, hier steht sie, meine Agatha Interdentalbürste von und zu AS!“

Der Kerl guckte im ganzen Bad herum. Dann hat er seinen Zinken ganz nah an den Spiegel ran gehalten und sich ein Nasenhaar rausgezogen. Das wischte er ans Gästetuch, grapschte grob nach mir und besah mich von allen Seiten. Mit seinem dicken Daumen fuhr er über mein Borstenbüschel. Brrrr, igitt! Was bin ich meinem Schöpfer dankbar, dass mein Kopf austauschbar ist! Bis heute frage ich mich, warum man manchen Menschenkopf nicht auch ersetzen kann. Jede Menge von denen sind nicht mehr in der Lage rund zu denken, haben Aussetzer und vegetieren ohne jeden Impuls und ohne Spannung.

Dem Interviewer täte die Auswechslung seines Hirnkastens auch gut. Seine Fragen waren – seicht. Dürftig. Auf meinem Alter, darauf hat er natürlich rumgehackt. Ob mir klar sei, dass ich als fünfzigjährige Elektrozahnbürste ein echtes Fossil sei? Wie mein Verhältnis zu Hugo … also, hat der sie noch alle? Und sicher sei ich doch glücklich, dass ich endlich deutlich weniger Arbeit hätte?

Hä?

Süffisant grinsend stellte er mich ab und nahm die Packung Kukident AktivPlus und das Glas, worin Hugos Zahnleiste schwamm. Vor lauter Abscheu bekam ich prompt Schüttelfrost. Keine unserer Zunft würde sich je herablassen, so ein künstliches Teil zu reinigen! Keine! Hugo wollte das lange nicht einsehen, wollte mich sogar zur Reparatur geben! Gottseidank haben die Leute nur schallend gelacht. So was wie mich, also ne, ob er einen in der Krone hätte?

Dankenswerterweise hat er mich in den Ruhestand verabschiedet und mir für mein Plätzchen am Waschbecken lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Echt nobel von ihm. Nur, dass er dieses Kunstgebiss in Soße penetrant direkt neben mich stellt…

Ach ja, das Interview. Das könnt ihr in der neuen Apothekenumschau lesen. Darunter steht:

„Das Interview führte unser Außenkorrespondent Graf Vlad III. Drăculea“.

Da steht sie vor mir, dieses anmutige Wesen, schaut mich an, schaut durch mich hindurch, prüft, ob eine Gefahr lauert oder sie ihren Weg mit ihrer Beute unbeirrt fortsetzen kann.

Wenn ich könnte, wenn ich die Macht hätte, würde ich ihr den Einlass verwehren; zumindest dieses Mal. Leider bin ich so programmiert worden, dass ich keine andere Wahl habe, als ihr Zutritt zu gewähren.

Sie wagt den Versuch, tippt mich vorsichtig an, wartet, drückt ihren Kopf an mich, setzt erst eine, dann eine weitere Pfote auf die andere Seite, um den restlichen Körper folgen zu lassen.

„Geschafft“, höre ich sie förmlich jubilieren bis ….

… ja, bis das Frauenzimmer kreischend auf sie zugestürmt kommt.

Was soll ich euch sagen? And the winner is …

… die Maus!

Smart Home

Ich hätte mir etwas Besseres gewünscht. Mein Potential wird überhaupt nicht abgerufen, sinnentleerte Überwachungsfunktionen: Kühlschrank, Licht, Türen etc. Aber was soll’s, ich check das easy und da mein Gott mich ansonsten in Ruhe lässt und ich die meiste Zeit beim Onlinespielen bin, beklage ich mich nicht.
Was war das? Irgend eine feuchte kleine Patschhand hat mich am Wickel. Ja, tatsächlich, sein kleiner Sohn, wie kommt der an meine Tastatur?
Nein! Der Kühlschrank soll doch jetzt nicht auftauen! Wo ist Gott? Eben hatte er die Alarmanlage eingeschaltet und mich dann abgelegt. Aber wenn der Kleine noch hier ist, müsste ja jeden Augenblick Mary kommen und auf ihn aufpassen. Autsch, jetzt hat diese Kröte doch die Alarmanlage wieder abgestellt. Und warum soll um diese Zeit Wasser in die Badewanne einlaufen? Von mir aus, Wasser läuft. Jetzt lacht er, ich scanne sein dümmliches Grinsen auf meinem grün leuchtenden Kontrollpunkt. Diese kleine Menschenspezies hat doch keine Ahnung! Raumtemperatur auf 45 Grad? Das ist unser Maximum! Das wird er bereuen. So, die Badewanne ist inzwischen voll, ich schalte das Wasser ab. Aber wieso denn weiterlaufen lassen? Der Kleine kichert und fährt begeistert mit seinen dicken feuchten Fingern über meine Tastatur. Ich kann mich ja nicht selbst abschalten, wo bleibt Mary? Das Wasser läuft bereits ins Wohnzimmer und der Kleine kreischt vor Vergnügen. Jetzt, endlich steckt Mary die Schlüssel ins Schloss. Tut mir leid Mary, aber ich habe gerade den Befehl erhalten, Deine Schlüsselnummer zu sperren, das kann doch gar nicht wahr sein. Also gut, Notabschaltung. Aber die funktioniert nicht, so lange der Kleine wie irre auf der Tastatur rumspielt. Ich muss jetzt die Rollläden runter lassen, mein Temperatursensor zeigt die neue Zimmertemperatur von 45 Grad an. Der Kleine scheint die Temperatur zu genießen. Er sitzt offensichtlich im kniehohen Wasser des Wohnzimmers und plantscht vergnügt. Hoffentlich hält er mich über …
…tzzzzzzzzzz…tzzzzzzz…ttzzzz …

Neuanfang

„Wie lange hast du ihn schon?“, fragt Gesa. Sie lugt an mir vorbei zur Küche und bläst mit spitzen Lippen Ringe in die Luft. Mein neuer Freund hantiert am Geschirrspüler. Sorgfältig wischt er jeden Schrank aus, um dann behutsam die sauberen Teller in die Glasablagen zu schichten.

„Seit zwei Wochen“, berichte ich und spüre, wie vor Freude meine Wangen brennen. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie herrlich das ist. Endlich mal keine Widerworte, kein schlechtgelauntes Murren. Jeden Abend kann ich ein anderes Programm abrufen …“, fahre ich begeistert fort.

„Ein Programm? Was denn für ein Programm?“ Ramon beginnt, den Küchenboden zu wischen.

„Na, da ist zum Beispiel das Fürsorge-Repertoire. Karlheinz hat doch seit seiner Emeritierung nur immer gefragt, ob ich heute wieder schlechte Laune habe oder was mit mir nicht stimmt, ob mit meinen Hormonen was nicht in Ordnung wäre. Aber Ramon ist richtig lieb. Er fragt dann, ob er mir etwas Schönes kochen soll oder über welches Thema ich mir Gedanken mache. Bei Karlheinz stand ich stundenlang in der Küche und dann hat er schweigend das Essen vertilgt, ohne ein Danke.

„Wie, da drückst du jetzt einfach auf einen speziellen Knopf?“

„Ja, es gibt so viele Möglichkeiten. Beispielsweise das Ausgeh-Programm. Karlheinz hat immer gesagt, zu Hause ist es am gemütlichsten. Nie wollte er mal tanzen oder ins Konzert. Wir waren seit Ewigkeiten abends nicht mehr aus. Ramon und ich waren jetzt schon vier Mal zu einer Veranstaltung.“

Ich zähle an den Fingern ab: „Einmal waren wir zu einer Buchvorstellung, dann waren wir bei einer Vernissage, zum Tanzen und in einem Restaurant. Kannst du alles einstellen, was du machen willst. Er sagt dann nur: Alles klar, Schatz!“

Gesa ist hellhörig geworden und drückt ihre Zigarette aus. Sie rutscht auf ihrem Stuhl hin und her. „Na ja, Gerald geht nie mit mir spazieren, außerdem fährt er lausig Auto. Du solltest ihn mal hören, das ist immer eine Schimpftirade über die ganzen Idioten auf der Straße. Seit Jahren hat er mir nichts Nettes mehr gesagt. Seit er in Rente ist, hat er sich völlig verändert. Da wäre es schon toll, wenn …“ Meine Freundin schaut träumend aus dem Fenster. „Aber eine Frage bleibt ja dann doch, was hast du mit Karlheinz gemacht?“

„Oh, das ist kein Problem, da wurde eine Sammelstelle eingerichtet, für abgelegte Ehemänner, da kannst du Gerald auch abgeben. Sie werden dann recycelt.“

„Und der Name? Wieso Ramon?“

„Na ja, ich finde, es klingt so nach Salsa und Leidenschaft. Karlheinz wollte nie …“

Gesa winkt ab.

„Überredet, morgen besorge ich mir auch so einen. Ich werde ihn Robert nennen, für den Redford habe ich schon immer geschwärmt.“