Wenn ich eingebaut bin, dann…
Wir hatten immer dieses Spiel angefangen, wenn uns langweilig wurde. Es hieß, wenn ich eingebaut bin, dann… Ist eigentlich ganz lustig. Wir überlegten uns, welche großartigen Geräte oder Maschinen wir werden würden, wenn wir denn mal komplettiert wären. Wie wir unsere Besitzer glücklich machen würden. Ach so, ja, „wir“ sind so kleine Vibrationsmotoren, die in einer Kiste im achten Stock des Hochregallagers herumliegen. Gang 17, Fach 28, falls sie uns mal besuchen kommen wollen. Wir liegen da schon ziemlich lange, deshalb hatten wir viel Zeit zu fantasieren.
X16 träumt davon in einem Auto eingebaut zu werden. Er würde die Menschen warnen, wenn sie einen Fehler machen würden und so ganz viele Menschenleben retten. Ist ein bisschen ein Idealist, der Junge. Aber ich bringe es nicht über meine Wicklung ihm zu sagen, dass er vermutlich nie ein Menschenleben retten wird. Die Chancen sind viel höher, dass er sich zu Tode vibriert, während er in einer Rüttelplatte Nüsse nach ihrer Größe sortiert.
X23 ist da ein ganz anderes Kaliber, der alte Perversling. Wir können schon gar nicht mehr zuhören, wenn er den neusten, größten, affengeilsten Dildo beschreibt, in dem er eingebaut sein wird. Oder wie er diese heiße Tussi zum Wahnsinn treiben wird, bis sie nur noch laut stöhnen wird, dass er es ihr noch härter geben soll. Einfach nur widerlich, der Kerl.
Meine eigenen Träume sind da viel harmloser. Ich wäre gerne in einem Rasierer verbaut. Ja, ich weiß, das ist eine dreckige Arbeit. Und sie kann ganz schön hart und mühsam sein. Aber ich sehe die positiven Seiten. Ich werde gebraucht, praktisch täglich. Mit etwas Glück kann ich die Welt sehen, falls mein Besitzer viel reisen wird. Ja, ja, natürlich nur die Hotelbadezimmer. Aber immerhin. X16 wird vermutlich nur Millionen von Nüssen sehen, während seine Lötstellen mürbe werden. Wenn ich meine Arbeit gut mache, werde ich viel Anerkennung bekommen. Und das Beste: Ich werde nur kurze Arbeitszeiten haben. Also kann ich weiterhin viel auf der faulen Verkleidung herumliegen und in Traumwelten verschwinden.
„Hey, verdammt! Passt doch auf! Fasst mich nicht so grob an! Ich bin sensibel!“
Grrr! Diese Menschen! Es ist zum davonvibrieren. Zum Glück habe ich nur kurz mit diesen Grobianen zu tun. Sie haben uns aus dem Fach genommen und jetzt sind wir in so einer lauten Halle. Nun also werden wir…
„Mann! Kannst du nicht aufpassen? Jetzt hast du mein Anschlusskabel geknickt, du Rindvieh! Hey! Stopp! Was willst du mit dieser komischen Zange? Autsch, das tut doch weh!“
Warum machen sie erst so ein langes Kabel ran, wenn sie es nachher abzwicken? Und was will er nun mit diesem länglichen Teil?
„Ahhhhhhhh! Verdammt war das heiß! Lötkolben? Eher ein Blödkolben!“
Oh, sieht so aus, als wären sie fertig. Habe jetzt jede Menge neue Nachbarn. Vielleicht sollte ich mich mal mit denen unterhalten.
„Hallo, ich bin X35, der Vibrationsmotor. Und wer bist du?“
„什么,我不明白你…“
Ach du lieber Himmel! Wo bin ich denn hier gelandet? Versteht mich hier überhaupt jemand? Gott, wird das langweilig werden. Ah, Moment. Ich spüre Spannung und ein paar Elektronen hüpfen schon ganz aufgeregt im Kabel herum. Vermutlich werden sie uns testen.
„It’s showtime, Baby!“
Tut das gut! Die Verspannungen in der Bodenplatte sind schlagartig verschwunden. Ich fühle mich so beschwingt, so voller Energie. Und so dynamisch. Es ist so wunderschö…"
Oh, Gott! Das ist nicht wahr!
„Nein! Das könnt ihr nicht machen! Ihr könnt mich nicht in einen Wecker verbauen! Ich will nicht jeden Morgen einen Schlag auf den Kopf bekommen und böse angestarrt werden. Nein! Baut mich wieder aus! Bitte!“