Seitenwind Woche 3: Dufte

Willkommen zur dritten Perspektive von Seitenwind.

Deine Perspektive

Du bist ein Duft, ein Aroma, das durch die Luft schwebt. Wo immer du hinziehst, weckst du Emotionen und vielleicht sogar Erinnerungen.

Deine Aufgabe

Dringe in den Tag eines oder mehrerer Menschen ein. Du hast die Macht, intensive Gefühle auszulösen. Transportierst du jemanden in eine vergangene Zeit? Waberst du unappetitlich unter einem Türschlitz hervor? Entfessele eine heftige Reaktion mit deinem Kontakt.

Teilnahme
• Poste deinen Beitrag hier in diesen Thread bis Freitag, den 03.11.2023, 15:00 Uhr.

• Bitte gib nur einen Beitrag pro Wochenthema ab und verfasse ihn neu für die Perspektive. Falls du deine Geschichte lieber aus erzählerischer Perspektive schreiben möchtest, ist das auch OK. :wink:

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• Details zur Schreibsaison: Seitenwind: Perspektiven. Deine Schreibsaison 2023

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Das Parfüm der Liebe

" Hallo ich bin es ,mein Liebster, erkennst du mich noch?!" denke ich mit einem Grinsen auf den Lippen. Das heißt wenn ich so etwas wie Lippen hätte würde ich grinsen.
Ich bin der Duft der Liebe, so betörend und einzigartig wie alles was auf dieser Welt einen Geruch hat.
Jedes Lebewesen auf dieser Welt kennt mich und doch rieche ich für jede Nase anders.
Für meinen heutigen Empfänger rieche ich nach einem süßlich saurem Duft. So betörend ,dass die Erinnerungen gerade zu in seinen Kopf schießen.
Die Frau ,auf deren Haut ich mich breit gemacht habe ,räkelt sich mit ihrem schönen Körper in dem mit Baumwollstoff bezogenen Bett… Der Mann neben ihr , mein heutiges „Opfer“ hat mich schon wahrgenommen. Ich bin mir sicher er wird mich nie mehr in seinem ganzen Leben vergessen. Die Sehnsucht nach mir wird bleiben und Ihn vielleicht auch immer wieder finden… wer weiß…

Neuwagengeruch

Es ist immer wieder begeisternd meine Wirkung auf allerlei Lebewesen zu beobachten. Menschen mögen mich in aller Regel und geben mir mit an. Gut, nicht mit mir direkt, das ist schon klar, aber mit meinem Habitat. Sie führen wirklich jedem den sie kennen ihren Neuwagen vor und genau dort lauere ich, zumindest bis es mir zu langweilig wird und ich mich verziehe. Oft versuchen sie mich mit Duftbäumchen oder derlei Spielereien wieder zurückzuholen, denn eigentlich vermissen sie mich. Nur mein neuester Besitzer hat wirklich keinen Spaß an mir. “Och nicht schon wieder”, höre ich ihn schimpfen. Oh doch, lache ich in mich hinein, ich habe erneut seinem Hund so sein Riechorgan verärgert, dass dieser prompt den niegelnagelneuen Kofferraum mit seinem Mageninhalt begossen hat. Nicht aus Bosheit, aber hallo ich hab auch einmal Feierabend. Jetzt viel Spaß mit der Urlaubsvertretung der Duft “Erbrochenes” wird mich sicher würdig vertreten.

Wie jeden Morgen

Ich stehe am Bahnsteig und blicke ungeduldig auf die Uhr. Ein Windstoß erfasst mich. Endlich, denke ich mir, während mir die kühle Luft entgegen wirbelt. Die U-Bahn fährt quietschend ein. Ein metallischer Geruch mit einer Note Maschinenöl umgibt mich. Ich steige ein. Die anderen tun es mir gleich. Manche Menschen haben es offenbar eiliger, stoßen und drängen sich mit aller Kraft in den bereits überfüllten Zug. Morgen mache ich es anders, denke ich mir und weiß genau, dass ich es nicht anders machen werde.

Biep, Biep, Biep, Tusch!

Die Türen sind zu. Die Gerüche, welche die Passagiere mit sich gebracht haben, sind nun in dem Zug gefangen. Ich rieche die Extrawurst noch bevor ich es neben mir rascheln höre. Ein besonders hungriger Fahrgast, denke ich mir und frage mich, wieso man nicht die fünf Minuten warten kann, bis man wieder ausgestiegen ist? Dann plötzlich wird der Geruch der Wurst von einer Blumenwiese abgelöst.

Nanu? Wo bin ich jetzt gelandet?

Eine junge Frau drängt sich neben mir in Richtung der Türe. Sie hat einen Spritzer blumiges Parfum zu viel aufgetragen. Kaum fährt die U-Bahn in der nächsten Station ein, schieben sich die einen hinaus und zwängen sich die anderen hinein. Der blumige Duft verschwindet genauso wie der Geruch nach Wurst. Er wird abgelöst von Hundekot. Offensichtlich war wohl jemand ins „Glück“ gestiegen. Morgen möchte ich früher außer Haus. Morgen mache ich es anders, denke ich mir und weiß genau, dass ich es ja doch nicht anders machen werde.

Der Duft

Ich nähere mich sanft und vorsichtig. So wie Sie es auch immer tut. Immer wenn ich mich dann zart und behutsam um Sie lege, von ihr eingeatmet werde, sehe ich ihr Lächeln. Ihre Zufriedenheit. Ihre Befriedigung. Aber plötzlich nicht mehr. Es kommen Männer. Sie reißen sie von mir los. Knüppel, Handschellen. Ich versuche bei ihr zu bleiben. Bahn mir meinen Weg. Die Männer halten sich ihre Hände vors Gesicht. Ich muss wieder zu ihr finden. So oft hat sie mich befreit. Ich will ihr hinterher aber kann Sie nicht erreichen. Ich mach mich groß, ich erfülle den ganzen Raum. Keiner will es mit mir aushalten. Alle fliehen. Sie nie. Ich bin ihre Lust. Ich bin ihre Erfüllung. Jetzt ist Sie weg.

Und ich bin allein. Mit ihm. In einem schwarzen Sack.

Die Essenz vergangener Zeiten

Die Welt kennt meine Herkunft als raues, bernsteinfarbenes Getränk, aber ich bin weit mehr als das. Ich bin eine Symphonie aus gemälzter Gerste, Eiche und Zeit. Ich bin Schottland, Torf, und Rauch. Ich bin der Duft von Whisky.

Lange, zu lange, stand ich in einer vergessenen Flasche ich auf einem alten Eichenregal in einem abgedunkelten Raum. Von meinem Platz aus konnte ich das gedämpfte Licht des Kaminfeuers sehen, das durch mein Glas schimmerte und mich in seinen warmen Farbtönen tanzend widerspiegelte. Ich wartete. Ich reifte.

Gestern Abend kam mein Moment. Während draußen ein Gewitter tobte, betrat ein alter Mann den Raum. Seine Schritte waren bedächtig, sein Gesicht von Falten durchzogen, Zeugnisse der vielen Jahre und Geschichten, die er erlebt hatte. Er sah sich um, bemerkte die Flasche, stutze. Dann seufzte er und griff zu. Kühl lag mein Glas in seiner Hand, als er mich mit in den Ledersessel nahm, ein wenig von meiner Flüssigkeit in ein Glas goss und es an seine Nase hob. Mein Moment!

Ich hüllte ihn sanft ein und entführte ihn in die Vergangenheit. Er sah sich selbst als jungen Mann, lachend mit Freunden in einer Bar, die gleiche goldene Flüssigkeit in der Hand. Er erinnerte sich an die Nächte voller Musik, Tanz und unbeschwerter Freude. Dann wechselte die Szene, und er war an einem kühlen Abend an einem Lagerfeuer, teilte eine Flasche Scotch mit einem Kameraden im Krieg, suchte nach Trost inmitten des Chaos. Mehr Erinnerungen überfluteten ihn: Das Lächeln seiner verstorbenen Frau, als sie an ihrem Hochzeitstag auf ihn zukam, ein Glas Whisky in der Hand. Die stolzen Augen seines Vaters, als er ihm seine erste Flasche schenkte, sie mit ihm zusammen verkostete und ihm beibrachte, den Wert eines guten Tropfens zu schätzen.

Tränen bildeten sich in den Augen des alten Mannes. Nicht aus Traurigkeit, sondern aus einer tiefen Melancholie, einem süßen Schmerz, der Erinnerungen und Dankbarkeit vermischte.

Es war ein Geschenk, das nur ich ihm geben konnte.

Er legte das Glas nieder, schloss die Augen und ließ das Feuer ihn wärmen. Ich war wie ein alter Freund, der ihm zeigte, was für ein wunderbares Geschenk das Leben war. Mit all seinen Höhen und Tiefen.

Der Tag als Hiltrud Halloween starb

(Spoiler: Der Gärtner wars nicht)

Es war ein Sonntag. Oder ein Montag. Oder doch ein Freitag. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Schließlich bin ich ein miefiger Hauch verwesender Organismen, kein langweiliger Jahreskalender.

Und ich muss sagen, mir stinkt es langsam. Aber gewaltig!
Kann nicht mal jemand die Hiltrud wegräumen? An einen Platz, wo man meine dufte Präsenz auch wahrnimmt? Es ist wirklich langweilig, hier in diesem eingestaubten Zimmer. Keiner da, dem ich in den wohlgeformten Zinken ziehen kann, keiner da, der sein Gesicht angesichts meiner Anwesenheit verzieht oder gar einen netten kleinen Auswurf produziert.

Ich sage euch… mein Leben wollt ihr wirklich nicht haben… Jemand muss doch endlich mal etwas unternehmen!

Ah, da kommt jemand. Und ooooohh was er für eine Grimasse schneidet – einfach herrlich! Komm nur näher! Viiiiel näher!

Aber halt…
Was hat er denn da in der Hand? Einen Sack?
Moment! So geht das nicht! Der kann doch nicht… Oh nein… Der wird doch meine geliebte Hiltrud nicht einfach in diese Ausgeburt geruchsbindender Impertinenz stecken wollen? Haaaalt!!!

Und so kam es, lieber Leser, liebe Leserin, dass unser zutiefst beleidigter Geruch organischen Zerfalls mitsamt seiner Verursacherin, der einst heiß und innig geliebten Kürbisfratze Hiltrud Halloween in einem Müllbeutel entsorgt und seine letzte Ruhestätte auf der örtlichen Mülldeponie fand.

Aroma‘s Reise

Die Sonne stand hoch am Himmel, als ich einen verführerischen Hauch von frischem Kaffee annahm, durch die offene Tür des gemütlichen Cafés schwebte. Mit einem anregenden Lächeln machte ich mich auf den Weg zu meiner ersten Zielperson, Sarah, einer leidenschaftlichen Kaffeeliebhaberin. Als ich ihren Tisch erreichte, umhüllte ich sie in meinem aromatischen Zauber.

Sofort durchströmte ein Gefühl von Wärme und Behaglichkeit ihren Körper. Sarah schloss die Augen und lächelte selig, während Erinnerungen an lange, verregnete Nachmittage mit ihren Großeltern in der Küche auftauchten. Der Duft von frischem Kaffee hatte stets eine besondere Bedeutung für sie gehabt. Sie konnte förmlich die alten Geschichten und Lieder ihrer Großmutter wieder hören.

Doch während Sarah in ihren Erinnerungen schwelgte, beschloss ich, meine Abenteuerlust zu stillen und schwebte in den angrenzenden Raum, wo ich auf Vincent traf, einen jungen Studenten. Als ich mich ihm näherte, ergriff ihn eine unerwartete Aufregung. Sein Gesichtsausdruck wurde von Verwunderung und Freude erfüllt. Vincent warf einen Blick auf sein Sandwich und fragte den Barista, wie er es gewürzt hatte. Die Antwort war simpel: ein Hauch von exotischen Gewürzen, um dem Gericht eine besondere Note zu verleihen. Dieser versteckte, geheimnisvolle Geschmack erinnerte Vincent an das erste Mal, als er sich in einem fernen Land verirrt und die kulinarische Reise seines Lebens unternommen hatte.

Weiterziehend erreichte ich die Theke, wo ein kleiner Junge namens Max gerade eine Kugel Eis bestellte. Ich umhüllte Max mit der eisigen Süße, und er begann, so schnell zu schlecken, dass man hätte meinen können, er sei auf einer Mission, das Eis vor dem Schmelzen zu retten. Seine Mutter, Lisa, schüttelte den Kopf und meinte: „Max, langsam, du isst wie ein Wirbelwind.“ Max sah sie mit schokoverschmiertem Gesicht an und antwortete: „Mama, das ist ein Wettrennen gegen die Sonne!“ Sein ungestümer Appetit brachte nicht nur mich, sondern auch alle anderen in der Eisdiele zum Schmunzeln.

Ich konnte nicht anders, als mir vorzustellen, wie Max sich als zukünftiger „Eis-Detektiv“ sah, der die Welt vor schmelzenden Eiscreme-Haufen rettete. Manchmal sind es die kleinen Momente des Chaos und der kindlichen Freude, die das Leben so köstlich machen, und ich genoss es, Teil dieses Abenteuers zu sein.

Vanilla Kisses

Ich muss fast sechs Stunden darauf warten, bis sie endlich auf den Sprühkopf drückt. Umhüllt von einer Wolke aus Treibgas werde ich aus der elfenbeinfarbenen Metalldose katapultiert, hinein in den Umkleideraum. Um mich herum sehe ich Teenager-Mädchen, die sich gerade auf den Bänken umziehen. Ein paar von ihnen werfen meiner Besitzerin böse Blicke zu, doch unsere Nachbarin grinst und hält ihre Hand auf: »Kann ich auch mal?«
»Klar«
Ich komme mir vor wie ein Flaschengeist, der sein Zuhause verlässt, um Wünsche zu erfüllen. Ich vertreibe den Schweißgeruch von der Sportstunde und erfülle jeden Kubikmillimeter Luft mit meinem einzigartigen Vanillearoma. Meine Flasche wird weitergereicht und ich höre das Kichern, als eine andere Schülerin ihre Buffalo-Schuhe einsprüht.
»Mann, ey!«, ein anderes Mädchen, das gerade den Sitz ihres Tattoo-Chokers am Hals prüft, klappt plötzlich ihren Schminkspiegel zu und greift unwirsch nach meiner Flasche. Drohend wedelt sie mit ihr über dem Kopf. »Wenn ich dieses eklige Zeug noch einmal riechen muss, raste ich aus!«
Zu meinem Entsetzen gibt sie die Flasche allerdings nicht zurück, sondern lässt sie im großen Fach von ihrem Eastpak verschwinden. Wie es aussieht, werde ich sehr lange nicht mehr freigelassen werden. Ich genieße die letzten Momente, bis die Teenager die Umkleide verlassen und ich einsam spüre, wie meine Konzentration durch die Luftmoleküle auseinandergerissen wird.

Was riechst du eigentlich?

Die Luft ist heute besonders beladen. Die Feuchtigkeit nimmt mir den Platz weg, weshalb es mir schwerer fällt, mich auszubreiten. Da mir schon der Platz fehlt, muss ich mich eben intensivieren und stärkere Aromen aussondern.

Ich spüre eine Anwesenheit von drei Männern, sie scheinen sich mir zu nähern. Vielleicht erlaube ich mir heute mal wieder einen Spass. Zuerst schwebe ich um den einen der Männern herum und lasse ihn den Duft eines verfaulten Eis riechen.

„Wer von euch hat gerade geschissen?“ fragte er mit gerümpfter Nase.

Während die Drei sich nun darüber streiten, krieche ich ihm noch tiefer in Nase hoch und lasse mich mit der Luftfeuchtigkeit auf seiner Schleimhaut nieder. Schliesslich kann man die Wassermoleküle in der Luft ja für etwas nutzen. Jetzt hält er sich die Nase zu und zerdrückt mich komplett.

Um sie noch etwas mehr zu verwirren, lass ich meinen flüchtigsten Duft in Richtung der anderen beiden Typen los. Viele meinten es rieche nach Zwiebeln, doch eigentlich sollte das den Duft von Schweiss nachahmen. Habe ich die Nuancen falsch getroffen, oder liegt es an den Riechorganen der Menschen?

Wie früher

Ich kenne meine Wirkung. Nie verfehle ich sie. Nur wahrnehmbar für jene, die mich kennen. Ich liege in der Luft, ohne Herkunft. Keiner weiß woher ich komme, stecke ich in dem grauen Linoleumboden? In den von Kinderhänden abgegriffenen Tapeten? Hinter der Tafel? Komme ich aus der Küche des Pausenverkaufs oder aus den offen stehenden Kindertoiletten? Vielleicht wehe ich vom Hof hinein oder krieche die Stufen vom Keller hinauf, in den sich nur die Mutigsten hinuntertrauten? Woher ich komme weiß niemand.

Aber wenn sie nach 10 Jahren, nach 20 Jahren, nach 30 Jahren, das Schulhaus betreten, in Gruppen, schick gemacht, denn die anderen sollen ja denken, dass etwas aus ihnen geworden ist, dann sagen sie: „Es riecht hier noch genau wie früher! Riechst du das? Wie damals!“ Und alle nicken und schwelgen in Erinnerungen an den Wasserkessel des Hausmeisters, aus dem er die Wiener Würstchen fischte. An heimliche Zusammenkünfte hinter der großen Linde, die da immer noch steht. An Angstschweiß, wenn die Jahreszeugnisse verteilt wurden. An gehäkelte Topflappen und mit Ölfarbe gemalte Zukunftsträume. Die Zukunftsträume, die sie immer noch haben, nur das die Zukunft nun schon da ist und ihr Leben ganz anders aussieht. Sie schleichen durch die Gänge. Flüstern, als müssten sie noch immer leise sein. Schielen verstohlen ins Lehrerzimmer, den Ort, der auch jetzt noch wie ein unergründliches Geheimnis auf sie wirkt. Ob der Gong noch genauso klingt wie früher?, fragen sie. Und ich begleite sie, begleite sie die Stufen hinauf und hinunter, helfe ihren Erinnerungen auf die Sprünge. Und wenn sie sagen: Jetzt gehen wir aber noch was trinken, nach all den Jahren!, dann begleite ich sie noch bis zu der doppelten Schwingtür. Und wie diese hinter ihnen zufällt, bin ich verschwunden.

Und niemand kann mich mehr ins Gedächtnis rufen, keiner könnte mich beschreiben, so besonders bin ich, so einzigartig.

Doch ich bleibe, keine Sorge, kommt nur wieder. Ich geh nicht fort.

So unscheinbar,
fang ich dich ein.
Kaum wahrnehmbar!
Wie das Netz einer Spinne.
Deine Augen, deine Füße,
führen dich immer wieder zu mir.
Dann, deine greifenden Hände!
Ein Abwägen.
Ein zögerndes Zurücklegen.
Und dann,
die eine kurze hastige Bewegung,
die mich entschlossen,
in den Einkaufswagen packt.

Ich hab dich!

Lautlose Gefahr & Rettung in letzter Sekunde

Ihre Nase zuckt im Schlaf, als ich sie erst nur vorsichtig kitzle. Sie zieht die Bettdecke näher an ihr Gesicht – fast, als wolle sie sich unbewusst vor mir verstecken. Dabei will ich ihr gar nichts Böses! Im Gegenteil: Ich will sie warnen! Denn es lauert Gefahr. Es wird Zeit, dass sie aufwacht.

Erneut kitzle ich sie an der Nasenspitze und ein leises, fast lautloses Husten entfleucht ihrem Mund. Nun werde doch endlich wach! Wieso gibt es hier denn keine Geräusche, die mich unterstützen könnten? Ich sehe, wie sich ihre Stirn kräuselt, dennoch schläft sie einfach weiter.

Frustriert, aber mit einem kraftvollen Schwung dringe ich in ihre Nase ein. Es kommt mir fast vor wie eine Achterbahnfahrt: An den kleinen Härchen am Eingang vorbei, da ist auch schon der Kehlkopf, die Luftröhre hinab und durch die Bronchien mitten in ihre Lungenflügel. Jetzt hustet sie richtig und bevor ich einen weiteren Gedanken fassen kann, hat sie mich in hohem Bogen aus ihren Bronchiolen und Lungenbläschen hinausbefördert. Endlich! Sie ist wach!

„Fuck!“, entfährt es ihr in lauter Panik, als sie mich schließlich bewusst wahrnimmt. Dann springt sie auf, rennt quer durch das Zimmer und greift zum Feuerlöscher.

Dior Sauvage

Die Augen der brünetten Frau, Rory, vor mir weiteten sich kaum merklich als ich zu ihr hinüberwehte. Anscheinend gefiel ich ihr, denn sie beugte sich sofort ein Stück weiter zu meinem Träger, Kyle. Er war sonst nicht besonders selbstbewusst, aber wenn er mich trug, dann zog er die Blicke von vielen Frauen auf sich.
Sie mochten meinen unwiderstehlichen Mix aus holziger Bergamotte, Patchouli und frischem Lavendel.
Dior hatte ein Meisterwerk mit mir geschaffen.
Ich ließ Männer ihr Selbstbewusstsein und ihre Authentizität erforschen.
Ich war einfach perfekt für den Alltag, aber auch für ein schönes Date mit noch schöneren Frauen, die mich am liebsten inhalieren wollten.
„Du riechst soooo gut“, flüsterte Rory in Kyles Ohr und vergrub die Nase in seiner Halsbeuge. Sie atmete tief ein. Kyles Puls erhöhte sich. Du darfst es nicht vermasseln. Also gab ich nochmal alles und umhüllte die brünette Schönheit. Ein leises Stöhnen entwich ihr und sie kuschelte sich noch mehr an ihn heran. Kyle l
Mittlerweile hatte auch Kyle verstanden, in welche Richtung dieses Date gehen sollte. Er vergrub seine Nase in Rorys Haaren.
Plötzlich fühlte ich mich, als würde ich auf Wolke 7 schweben. Blumige Noten trafen auf meine holzigen und verschmolzen zu einem unwiderstehlichen Duett. „Divine“, schoss es durch mich hindurch.
Göttlich.
Eine Mischung aus Lilien, Ylang-Ylang und Moschus.
Ich hatte mich verliebt. In Rorys gottgleichen Duft. Wir harmonierten perfekt miteinander. Wir waren das perfekte Duft-Duo.
Rory und Kyle gingen zusammen nach Hause und verloren sich ineinander, während wir miteinander verschmolzen.

Die Windfee

Oh, Ihr Menschen! Früher habt ihr noch an allerlei geglaubt. An Kobolde und Hexen. Daran das jedem Element ein Geist inne wohnt und euch wohlgesonnen sein kann… Jemanden den man nicht verärgern sollte. Heute glaubt ihr dergleichen nicht mehr. Stattdessen vergiftet ihr die Luft, die ihr atmet. MEINE LUFT.

Ich habe kaum ein Auge zugemacht. Keine 200 Jahre. Und schon lasst ihr alles vor die Hunde gehen. Es wird Zeit es euch heimzuzahlen.

Ich suche mir mein erstes Opfer. Da! Ein Bauarbeiter. Er fällt gerade einen der letzten Bäume in dieser Betonwüste, die ihr Städte nennt. Ich werde es ihm gehörig geben.

ORKAN!

Ehem… Ich sagte: ORKAN!

Warum tut sich nichts? Bin ich so eingerostet?

Viel…Vielleicht sollte ich kleiner anfangen. Ein starker Windstoß vielleicht? Nichts. Ein Lufthauch? Doch da! Seine Haare bewegen sich.

Das geht so nicht! Wie soll ich die Menschheit strafen, wenn ich kaum einen Luftzug zustande bringe?

Der Bauarbeiter niest wegen all der herumfliegenden Späne des malträtierten Baumes. Das ist es! Seine Nase ist empfindlich genug… und mir Schutzlos ausgeliefert. HINEIN!

„Igitt, was stinkt hier den so? Hans, riechst du das auch?“

„Äh?“

„Es stinkt, wie in der Kloake.“

„Wir sind in der Hauptstadt. Hier riecht’s immer so.“

„Ja, aber… stimmt wahrscheinlich. Na, ist ja nicht mehr lang, dann sind wir hier fertig. Nur noch die Straße dahinten.“

Ich habe ihm die schlimmsten Pestilenzen gezeigt, die es nur gibt. Und sie tun so, als wäre es Alltag. Die Menschen haben sich von allem abgewandt, was gut ist und schön. Ich hätte direkt Mitleid mit ihnen… wären sie gerade nicht im Begriff die letzte Natur auch noch zu zerstören!

Vielleicht brauche ich eine andere Taktik. Wenn ich sie nicht mit Gewalt aufhalten kann, dann vielleicht indem ich ihnen zeige, was sie verloren haben.

Der liebliche Duft von Rosen. Warme Erde die an einem Sommertag vom Regen benetzt wird. Frisch gebackenes Brot, dass im Fenster steht und die gesamte Nachbarschaft anlockt. Ein harziger Baum im Wald, der auch im Winter nicht aufgibt. Ein Duft frei von gift, von Schmutz, von der grauen Monotonie von Hochhäusern, verunreinigten Parkhäusern und betrunkener Menschen im Rinnstein. Der Duft von Freiheit.

„Ey! Warum heulst du denn.“

„Ich weiß auch nicht. Ich… auf einmal sind da so Erinnerungen. Früher als ich mit meiner Nana noch draußen auf dem Land gelebt hab. Ich hab sie am Ende ins Heim abgeschoben. Sie ist gestorben und ich hab’s erst eine Woche später erfahren. Ich bin nicht mal zur Beerdigung gegangen.“

„Mann, Ich will Feierabend. Ich hab keine Lust… sag mal, riecht’s du das auch?“

Mein Duft breitet sich aus. Und bald schon habe ich die ganze Stadt in meiner Gewalt. Die schlimmste Strafe, stellt sich heraus, war es den Menschen bewusst zu machen, was sie getan hatten.

Sie konnte nicht sehen, dass ich da war. Sie konnte nicht hören, dass ich näher kam. Und fühlen konnte sie im Moment gar nichts. Sie weinte den ganzen Tag, die ganze Nacht. Und vergessen hatte sie mich auch. Fast. Denn langsam drang ich aus der Glasflasche hervor. Ich gehörte nicht ihr, man hatte mich vergessen. Langsam bewegte ich mich unter dem Bett hervor und zog meine Kreise durch den Raum. Sie schluchzte und wurde ganz ruhig. Sie zog kräftig Luft und wimmerte. Ich konnte nicht sagen, an wen oder was ich sie erinnerte, doch ihre Reaktion war bisher ganz entspannt. Verträumt starrte sie in den Raum, den ich bereits ganz zu benebelt hatte. Ich hatte mich ausgebreitet, waberte um sie herum. Still roch sie mich, ließ sich in ihren Erinnerungen fallen. Was verband sie mit meinem Geruch? Eine Reise? Ein Date, ein Ausflug? Den Herbst vielleicht? Ich finde, ich erinnere an Rosen, an Veilchen, an Vanille. An viele blumige Gerüche. Ich strahlte Ruhe aus, ich konnte niemanden leiden sehen. Und ich wirkte. Sie schob die Taschentücher von ihrem Bett. Sie rochen wie Altpapier, wie eine alte Zeitung. Ich hingegen roch gut. Sie lachte kurz und wischte sich die Tränen weg. Dann starrte sie aus dem Fenster, nahm noch einen kräftigen Zug, um mich zu riechen. Und sie weinte wieder. Erschüttert geriet ich in Panik. Das konnte nicht sein! Ich roch gut! Ich musste eine gute Erinnerung in ihr auslösen! Doch ich hatte das Gegenteil bewirkt. Ich erinnerte sie an jemanden, der sie verletzt hatte. Sie öffnete das Fenster. Die kalte, nasse Luft unterdrückte mich. Der Geruch nach altem Laub überdeckte mich und der Wind trug mich hinaus, verwehte mich, bis nichts mehr von mir übrig blieb.

Mama!

Erinner dich!

Mein Flehen an dich!

Erinner dich!

Langsam getraue ich mich aufzusteigen.

Ich bin warm. Ich bin farblos.

In mir steckt die Erinnerung an dich.

Du - als Kind!
Du - im Schutzraum deiner Großmutter!
Du - einfach nur Du!

Langsam nähere ich mich deiner Nase. Du atmest ein und aus. Ich schleiche mich in dich hinein.
Mein Duft!
Süß - Zimt - gebackener Apfel - Kuchen

In dir ist es feucht und dunkel.
Ich kenne den Weg, hinauf in deine alten Riechzellen.
Ich umschmeichle sie.
Sie zucken, ich dringe in sie ein.

Wer transportiert mich weiter?
Hinein in deine Gehirnzellen?
In dein löchriges Gehirn.

Ich warte!
Warte auf den passenden elektrischen Impuls.
Springe auf und katapultiere mich in deine Erinnerung.

Jetzt fülle ich dich und den gesamten Raum mit meiner Liebe zu dir.
Alles in dir und um dich herum ist die Küche deiner Großmutter, ist deine Großmutter, deine Apfelkuchen-Seelenretterin!

Du tauchst ein - kommst zur Ruhe!
Deine Augen öffnen sich!
Du siehst eine Frau, sie hält den frisch gebackenen Kuchen, sie spricht mit dir?

Mama, erinner dich!

Heimat

Den Geruch von Lavendel würde Anneliese nie vergessen.
Er haftete noch in dem Halstuch ihrer Mutter, das letzte Erinnerungsstück, welches ihr nach dem Verkauf des Hauses geblieben war.
Kurz hatte sie überlegt es selbst zu nutzen, das zu Hause ihrer Kindheit. Aber zu viel hatte sich verändert, sie war nicht mehr die Anneliese von früher.
Schweren Herzens schloss sie den Kofferraum und ließ sich energisch in den Fahrersitz fallen. Sie schaute nicht in den Rückspiegel als sie vom Grundstück fuhr.
Ihr neue Heimat war mehrere Stunden entfernt, sie hatte das Haus von Freunden gekauft. Ein neuer Anfang, ein neues Leben.
Es war Sonnenuntergang als sie ankam. Sie hatte die Autotür kaum geöffnet, da kam ihr der Geruch von Lavelendel entgegen. Sie erstarrte.
Ungläubig stieg sie aus, umrundete das Anwesen, dass sie bisher nur auf Fotos gesehen hatte und starrte auf die Landfläche dahinter.
Ein Lavendelfeld.
Anneliese brach in Lachen aus. Dann in Tränen.
„Danke, Mama“, flüsterte sie.

Widerstand ist zwecklos

Wenn ich deine Sinne streichle,
deinen Emotionen schmeichle
Weißt du nicht mal was dich treibt.
Deine Haut und deine Knospen
wollen mehr von mir erkosten,
Göttliche Versuchung bleibt.

Wenn du mir mit Haut und Haaren
dann verfällst, willst du bewahren
meinen Duft, deine Extase
Suchst ein Bild eine Ikone
Nennst sie vielleicht Pheromone
Magisch, meine Liebesgase

Die ich atme die verlocken,
die in allen Ritzen hocken
Und dich in den Abgrund ziehn
Dabei willst du in sie kriechen,
willst nichts anderes mehr riechen
nur noch ihn, nur noch ihn.

Man hat mich nie gefragt was ich eigentlich möchte. Ich wünschte ich wäre der süße verlockende Duft von frisch gebackenem Gewürzkuchen, oder der zarte Duft einer Blüte, die gerade ihre Schönheit offenbart. Mit dem verlockenden Geruch eines Aphrodisiakums, welcher Lust und Leidenschaft verspricht wäre ich ebenfalls einverstanden. Ich könnte selbst als störender Gestank in einer öffentlichen Toilette mein Dasein fristen. Aber die Wirklichkeit lässt mir keine Ruhe. Ich rieche so penetrant das mir selbst manchmal übel wird aber nicht furchtbar genug, als dass man mich riechen würde wenn man schläft. Mein Geruch ist eine Warnung - jedoch keine sehr gut. Spätestens morgen bin ich wieder verschwunden, so ist es immer, wenn man mich entdeckt. Für sie wäre es dann zu spät und alles was blieb wäre ein Zeitungsbericht.