Die Windfee
Oh, Ihr Menschen! Früher habt ihr noch an allerlei geglaubt. An Kobolde und Hexen. Daran das jedem Element ein Geist inne wohnt und euch wohlgesonnen sein kann… Jemanden den man nicht verärgern sollte. Heute glaubt ihr dergleichen nicht mehr. Stattdessen vergiftet ihr die Luft, die ihr atmet. MEINE LUFT.
Ich habe kaum ein Auge zugemacht. Keine 200 Jahre. Und schon lasst ihr alles vor die Hunde gehen. Es wird Zeit es euch heimzuzahlen.
Ich suche mir mein erstes Opfer. Da! Ein Bauarbeiter. Er fällt gerade einen der letzten Bäume in dieser Betonwüste, die ihr Städte nennt. Ich werde es ihm gehörig geben.
ORKAN!
Ehem… Ich sagte: ORKAN!
Warum tut sich nichts? Bin ich so eingerostet?
Viel…Vielleicht sollte ich kleiner anfangen. Ein starker Windstoß vielleicht? Nichts. Ein Lufthauch? Doch da! Seine Haare bewegen sich.
Das geht so nicht! Wie soll ich die Menschheit strafen, wenn ich kaum einen Luftzug zustande bringe?
Der Bauarbeiter niest wegen all der herumfliegenden Späne des malträtierten Baumes. Das ist es! Seine Nase ist empfindlich genug… und mir Schutzlos ausgeliefert. HINEIN!
„Igitt, was stinkt hier den so? Hans, riechst du das auch?“
„Äh?“
„Es stinkt, wie in der Kloake.“
„Wir sind in der Hauptstadt. Hier riecht’s immer so.“
„Ja, aber… stimmt wahrscheinlich. Na, ist ja nicht mehr lang, dann sind wir hier fertig. Nur noch die Straße dahinten.“
Ich habe ihm die schlimmsten Pestilenzen gezeigt, die es nur gibt. Und sie tun so, als wäre es Alltag. Die Menschen haben sich von allem abgewandt, was gut ist und schön. Ich hätte direkt Mitleid mit ihnen… wären sie gerade nicht im Begriff die letzte Natur auch noch zu zerstören!
Vielleicht brauche ich eine andere Taktik. Wenn ich sie nicht mit Gewalt aufhalten kann, dann vielleicht indem ich ihnen zeige, was sie verloren haben.
Der liebliche Duft von Rosen. Warme Erde die an einem Sommertag vom Regen benetzt wird. Frisch gebackenes Brot, dass im Fenster steht und die gesamte Nachbarschaft anlockt. Ein harziger Baum im Wald, der auch im Winter nicht aufgibt. Ein Duft frei von gift, von Schmutz, von der grauen Monotonie von Hochhäusern, verunreinigten Parkhäusern und betrunkener Menschen im Rinnstein. Der Duft von Freiheit.
„Ey! Warum heulst du denn.“
„Ich weiß auch nicht. Ich… auf einmal sind da so Erinnerungen. Früher als ich mit meiner Nana noch draußen auf dem Land gelebt hab. Ich hab sie am Ende ins Heim abgeschoben. Sie ist gestorben und ich hab’s erst eine Woche später erfahren. Ich bin nicht mal zur Beerdigung gegangen.“
„Mann, Ich will Feierabend. Ich hab keine Lust… sag mal, riecht’s du das auch?“
Mein Duft breitet sich aus. Und bald schon habe ich die ganze Stadt in meiner Gewalt. Die schlimmste Strafe, stellt sich heraus, war es den Menschen bewusst zu machen, was sie getan hatten.