Seitenwind Woche 1: Gäste im Geisterhaus

Willkommen zur ersten Perspektive von Seitenwind 2023!

Deine Perspektive: Du bist das verlassene Anwesen am Ende des Rabenwegs. Das Gewicht von zwei Jahrhunderten tragischer Geschichten lastet auf deinen Ziegeln und Dielen. Wind raschelt durch die Bäume, und dich überkommt ein so wohliger Schauer, dass die Fensterläden klappern: Zeit, gruselig zu werden.

Deine Aufgabe: Mit Einbruch der Nacht bestimmen deine Worte ihr Schicksal: Eine Gruppe Abenteurer betritt das Anwesen, angezogen von Gerüchten und alten Erzählungen. Als das Haus selbst entscheidest du: Bestrafst du ihre Neugierde mit dunklen Spielchen? Oder spürst du ihre Absichten und enthüllst ihnen Geheimnisse, die deinen rastlosen Geistern Frieden bringen könnten? Die Nacht birgt Entscheidungen: Unheil oder Gnade, Finsternis oder Hoffnung. Welches Kapitel fügst du heute deiner Geschichte hinzu?

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Gruselig! :spider_web:

Das Horrorhaus vom alten Frank

vier Teenager versuchen das Rätsel hinter dem Horrorhaus vom alten Frank zu lösen. Es gibt unzählige Gerüchte und diesen wollen sie auf den Grund gehen…

Zimmer frei

Müde öffne ich meine Fensterläden. Die Nacht bricht gerade herein. Wie jeden Abend schüttel ich die Blätter des Herbstes von meinen Dachziegeln. Ein paar Fledermäuse flattern aufgeschreckt Richtung Horizont. Dort sehe ich sie zum ersten Mal. Zunächst halte ich sie für ein paar Dachse, die sich am Waldrand herumtreiben, aber nachdem sie näher gekommen sind, besteht kein Zweifel. Menschen. Drei Stück. Es muss eine Dekade her sein, dass ich zuletzt welche gesehen habe. Ein verschmitztes Grinsen huscht über mein Mauerwerk. Wollen wir doch einmal sehen, ob sie sich wirklich herwagen.
Dass ich ihr Ziel bin, steht ohnehin fest. Der zugewucherte Kiesweg führt nur zu mir. Auch ihre Ausrüstung lässt erkennen, wofür sie sich vermeintlich halten - Taschenlampen, merkwürdige Messgeräte und reflektierende Kleidung: Geisterjäger. Ich kichere lautlos in mich hinein, was dazu führt, dass die Grabsteine entlang des Weges kaum merklich zittern. Es entgeht ihnen nicht. Sie halten inne. Diskutieren aufgeregt miteinander. Ich höre Wörter wie: Erdbeben, Einbildung und Maulwurftunnel. Merkwürdig sind sie, diese Menschen. Immer auf der Suche nach dem Paranormalen, doch kaum klopft es an ihren engstirnigen Kopf, sind sie die Ersten, die sich verzweifelt an irgendeine irdische Erklärung klammern.
Ich kann es kaum erwarten, sie wirklich in Empfang zu nehmen. Das kleine Zimmer im Speicher steht schon viel zu lange leer.

Ich weiß, dass ich bald abgerissen werden soll. Zur Zeit wohnt nur noch die alte Frau in mir. Heute kommen ihre missratenen Kinder mit ihren finsteren Zukunftsplänen zu Besuch…

Die Risse im Putz schmerzen. Der alte Kastanienbaum kennt mein Leiden nur zu gut. Bei ihm sind es die Wurzeln, an denen mit jedem neuen Jahr weitere, faulige Stellen auftauchen. Der Geruch von Moder übertüncht unsere einstige Schönheit. Schweigsam ist er, mein Baumfreund. Die meiste Zeit jedenfalls. Wenn jedoch der Wind seine Blätter sprechen lässt, hält mich kaum etwas zurück. Dann nehme ich all meine Kraft zusammen und lasse die Holzdielen in sein Lied mit einstimmen.
Da sind sie wieder! Diese elenden Ruhestörer, die keinen Respekt vor dem Alter haben. Sie schleichen durch die Nacht, glauben, etwas über damals zu erfahren. Sie nähern sich der Treppe, blenden mich mit ihren Taschenlampen. Zeit zu handeln. Sie dürfen nicht hinein, doch die Eingangstür ist längst verstorben. Mir bleibt nur eins. Ich warte. Noch einen winzigen Moment. Der Kastanienbaum hilft mir. Er wirft morsche Äste ab, die Gruppe fährt herum. Jetzt! Mit einem Schlag lasse ich die Fensterläden zuknallen. Verdammt. Diese Schmerzen. Einer der Läden ist abgefallen. Geschrei. Schrill. Unerträglich. Ein Mensch stolpert, will sich aufraffen, mit den anderen flüchten, scheitert. Das ist sie. Meine Chance. Gezielt lasse ich einen Dachziegel fallen.
Es war nur ein Unfall. Wie bei allen Besuchern seit damals. Ich schwöre.

Tretet ein

Ein Heulen bahnt sich den Weg durch die Dielen, ein Knarzen begleitet es. Meine Stimme, zehrend und drohend zugleich, entweicht den Ritzen, dröhnt den fünf Personen entgegen, die vor der Eichentür verharren.

»Schatten wabern in mir, hell im Vergleich zu der Dunkelheit, die in den Ecken schlummert. Warten nur auf Ihresgleichen, um sich zu nähren und zu mehren.
Tretet ein in dieses Heim.
Tretet ein, doch seid gewahr: eure Schatten sind euer Preis. Eure Schatten sollen zu meinen werden, meine Dunkelheit erhellen. Und eure offenbaren.
Kommt nur herein, wie all die Menschlein vor euch. Kehrt hinaus euer Innerstes, erfüllt meine Räume mit euren Abgründen, stopft meine löchrigen Wände mit euren düsteren Gedanken und flüstert im Einklang mit den Geistern eure schaurigen Wünsche.
Tretet ein und erzittert.

Wagt ihr den Schritt?«

Der Geist ist raus

Es wird nicht mehr lange dauern und dann werden sie mich holen. Vielleicht morgen früh? Stück für Stück werde ich dann abgetragen, zerteilt und fortgeschafft. Auf den Haufen des Vergessens.
Was kann ich dagegen tun? Ich bin es leid, müde und steif. Es vergeht kein Tag, an dem es mir nicht schwer fällt meine trockenen Augen offen zu halten.
Droht Gefahr? Es ist mir einerlei. Was habe ich nicht alles gesehen. Ich war jung, frisch und adrett. Adrett, ein komisches Wort aus vergangenen Zeiten. Adrett, so nett.
Adrett so nett hat jedem Sturm standgehalten. Jeden Angriff überlebt. Hat willkommen geheißen und auf Wiedersehen gesagt. Immer wieder.
Mein Magen ist so leer, dass es schmerzt. Mein Herz auch. Was kann ich also dagegen tun?
Ich könnte den Bauch einziehen und sie mit meinen Magenwänden zerreiben und dabei die Räume zwischen uns verkleinern? Der schimmelige Magensaft könnte sie verdauen? Oder etwa nicht?
Ich weiß es nicht, denn ich habe keine Lust mehr. Mein Kopf ist hohl. Übersät mit krebsähnlichen Gewächsen. Ich bin hässlich geworden. Altersmilde und nicht mehr die beste Adresse. Was ich zu erzählen habe, interessiert niemanden, denn mein Vokabular ist veraltet.
Sollen sie mich doch platt walzen und auf meinen Überresten ein neues Haus bauen.
Vielleicht komme ich es dann besuchen. Wer weiß?

Das Haus

„Oh, ich habe viel gesehen. Was habe ich viel erlebt.“
Erbaut in einer mystischen Zeit, bei der es schon viele Spekulationen gab. Warum gaben die Ziegel nach und ließ die Mauer einstürzen? Warum musten, fast dreißig Menschen sterben, als das Haus gebaut wurde? Keiner wusste es und niemals würde es jemals einer wissen. Nach der Fertigstellung wurde das Haus bezogen. Eine wohlhabende Familie mit drei Kinder.
Der Mann wurde bald darauf krank und eines der Kinder verschwand. Man suchte überall, doch vergebens. Laut der Geschwister ging es in den Keller, wo die Tür sich mit einem lauten Knall schloss. Sie ließ sich nicht wieder öffnen. Als diese Tür sich dann von allein wieder auftat, war der Raum leer. Die Herrin des Hauses wollte danach nicht mehr bleiben. Leider blieb ihr Mann stur und verstarb dort. Bald ging das Haus in neue Hände. Doch es wurde nicht besser. Dem neuen Eigentümer sagte man nach, er sei wahnsinnig. Allein durch ihn, starben mehrere Menschen dort. Als man ihn verhaftete, sagte er, dass ihm das Haus es befohlen hätte. So ging es immer weiter.
Zweihundert Jahre später stehe ich hier, habe viel gesehen und erlebt. Stehe immer noch und scheine Vergessen zu sein. Pflanzen wachsen an mir hoch, an manchen Stellen in mich hinein. Meine Fassade bröckelt und einige der Fensterläden sind schon abgefallen. Ein paar meiner Dachziegel sind heruntergefallen. Der kalte Wind greift immer wieder darunter. Raben nisten hier und Fledermäuse schlafen dort. So langsam wird es Nacht und der Wind legt sich. Während der Halbmond aufsteigt, hört man Stimmen. Der Weg zu mir ist zu gewachsen, doch man kämpft sich durch. Vier junge Menschen, eine Frau und drei Männer, mit seltsamen Geräten und Kameras sind gekommen und reden über Lost Place und Geisterjagd.
Vorsichtig nähert sich die Gruppe. Sie sind erstaunt mich zu sehen und spekulieren, wie lange ich hier stehe. Sie beginnen damit einen Eingang zu suchen und finden bald ein Fenster, das bereits eingeschlagen ist. So stehen sie in der Küche. Besser gesagt, was davon noch übrig ist. Schimmelige Wände, die Tapete, die fast nicht mehr existiert und Schränke, die teilweise eingefallen sind. Die Gruppe staunt und seinen darüber überrascht zu sein, dass das Geschirr und Kochutensilien noch da sind. Sie unterhalten sich darüber, wie gut es noch zum Teil aussieht, und wundern sich, warum alles zurückgelassen wurde. Dann knarzt eine Tür. Es ist nur leise und zeugt von dem Wind, der hindurchfährt. Die Frau erschrak davon leicht. „Habt ihr das gehört?“, fragte sie ihre Begleiter, doch sie hatten es nicht. „Nein, was dann?“, fragte der Eine. „Ne Tür hat geknarzt, glaube ich.“, erwiderte sie. Die Männer taten dies als Einbildung ab. So gingen sie weiter. Sie liefen durch meine Flure, durch das Wohnzimmer, fanden das Kaminzimmer und dort zerstörte Möbel. Nur ich kann erzählen, was dort geschehen war. Sie stellten Fragen und versuchten, mit ihren Geräten Antworten aufzuzeichnen. Ich weiß nicht, ob sie welche bekommen. Sie laufen in das erste Stockwerk und erkunden dort alles. Auch trauen sie sich in den Keller. Sie gehen dorthin, wo schon einmal jemand verschwand. Dort schlug die Tür zu, direkt hinter ihnen und sperrte die Vier ein.
„Oh, ich habe viel gesehen. Was habe ich viel erlebt.“, flüsterte ich.

Cottage des Grauens

Dichter Nebel legte sich wie ein seidener Teppich um die Hecken meines Grundstücks. Schon von Weitem sah ich sie. Diese Spezies, die sich Menschen nannte. Es waren drei. Ihre Taschenlampen warfen ein diffuses Licht auf meine 200 Jahre alte Fassade. Sie konnten nicht ahnen, dass auch sie, wie der alte Meadow vor zehn Jahren, im roten Zimmer ein jähes Ende finden würden. Es gab nur einen Zeitungsartikel von damals aus der Times. Sonst nichts. Und seitdem haben sie, diese Menschen, es vermieden, auch nur einen Schritt auf mich zuzugehen. Doch diese drei wollten es genau wissen.

Einer von ihnen, er nannte sich Patrick, war der Erste, dem ich eine Gänsehaut verschaffte. Die Scharniere meiner Tür quietschten und mit dem Öffnen übertrug ich meinen modrigen und muffigen Atem. Seine Schritte auf meinen Dielen waren wie das Ächzen vor Schmerzen eines alten Mannes, der nach Luft schnappte. Patrick ging stumm voraus. Das Licht seiner Taschenlampe strahlte die alte Standuhr an. Sie tickte noch. Auf ihr lag der nackte Schädel des alten Meadow. Gleich, dachte ich, gleich. Mit jedem Schritt kam er näher. Unbewusst und mit starrem Blick griff er an die Klinke meines verruchten Zimmers. Jetzt. Unter einem tiefen und dumpfen Schrei öffnete ich die Tür und sog ihn ein. Endlich. Ich konnte wieder anfangen richtig zu leben.

Mitternachtssnack

Es knarzt in meinem Gebälk. Die verrottende Kohlenmine unter meinem Fundament trachtet danach, mich in die Tiefe zu ziehen. Sie will mich fressen. Meinen Untergang feiern. Wir ringen seit Jahren miteinander. Und ich stimme zu: Wir sollten nicht beide bestehen. Es ist kein Platz. Das Futter wird knapper.
Immer seltener kommen Abenteurer und anderen Menschen, die es nicht besser wissen, hier vorbei. Immer seltener werde ich satt.
Die vier Jünglinge dort kommen also gerade recht. Sie habe das zugewucherte Tor schon passiert, ohne zu lesen, was dort angekreidet steht. Vermutlich hätten Sie die Warnungen der Einheimischen ohnehin nicht lesen können. Niemand lernt mehr Sprachen. Und vielleicht hätte es sie auch gar nicht abgehalten. Schon früher suchten solche Gören gute Mutproben. Mir soll es recht sein.
Nur noch wenige Meter bis zur Haupthalle. Ich kann es kaum erwarten; sehe mir an, wer da kommt. Den kleinen Dicken mit der Brille werde ich mir bis zum Schluss aufbewahren. Ich wette, er ist jener mit der größten Empathie in dieser Truppe. Was sollte er auch sonst schon für Eigenschaften haben? Selbstvertrauen? Wohl kaum. Er wird der sein, der am meisten mitleidet, wenn seine Bekannten sterben. Trauer und Panik werden ihn schmackhaft machen.
Der sportlich Hübsche wird … Moment mal, was ist das? Nein! Halt! Was macht ihr denn bloss?
Diese dummen Bengel nehmen den falschen Pfad hinter meiner Gartenlaube. Oh nein. Da geht es direkt in die Mine. Wissen die denn gar nichts?
Die verdammte Mine wird mich verhöhnen. Ich muss das stoppen. Koste es, was es wolle. Die Mine darf nicht fressen. Sie darf nicht.

Ich mache mir nichts vor. Es gibt nicht mehr viel, was ich wirklich tun kann. Die Bengel sind bereits im ersten Schacht. Genau unter mir. Ihr kleinen Füße machen Geräusche. Noch.
Die Mine freut sich sicher schon. Es sind nur noch wenige Schritte bis ihre Falle zuschlagen wird. Aber nicht heute. Es reicht. Ich werde nicht mehr hungern.
Dann sei es. Ich lasse meinen Widerstand fahren, nehme alle Kraft aus meinem Gebälk.
Es poltert. Kreischt. Knallt. Dann staubt alles. Mörtel aus einem anderem Jahrhundert hustet. Die Luft ist aus Watte. So fühlt sich das also an.
Ich stürze ein.
Mit Wucht begrabe ich die Jungen und die verdammte Mine in einem Rutsch. Ich sterbe mit ihnen zusammen.
Niemand hungert.

In der Dunkelheit hörte man nur ein leises Flüstern.

Schon mehrmals hatten sie mein Haus betreten – sei es als Gäste, Besucher oder vermeintliche Wissenschaftler – und ihre Nachforschungen angestellt. In den finsteren Gemäuern konnte man sich leicht verirren; einige wagten es, andere zögerten. Ihre blassen Gesichter erschienen mir im fahlen Schein der von ihnen mitgebrachten Kerzen, während sie mit ihren eigenartigen Apparaten die heruntergekommenen Gänge durchstreiften. Der Lichtschein der Kerzen erweckte Erinnerungen an vergangene Zeiten in mir.
Das Knarren der abgenutzten Holzböden verstärkte ihre Schritte und begleitete sie mit einem unheilvollen Unterton, den ich nicht länger ertragen konnte. Wie lange sollte das noch weitergehen? Warum konnte man mich nicht in Ruhe lassen?
Jetzt ist Schluss!
Ich werde sie die frostige Berührung meiner unsichtbaren Hand spüren lassen, sie sollen gespenstische Schatten flüstern hören. Unbekannte Geräusche sollen ihre Herzen rasen lassen. Das Geisterhaus, mein Zuhause, muss seine düsteren Geheimnisse wahren.

Doch die vermeintlichen Gäste, Besucher oder Wissenschaftler wagten sich weiterhin in die unheimliche Finsternis, auf der Suche nach Antworten, die sie vielleicht niemals finden würden …

Schrei für mich

Ich kann sie durch das Unterholz des großen, verwilderten Gartens rascheln hören. Niemand kann sich mir unbemerkt nähern.
Schon bald werden sich ihre kleinen kalten Füße einen Weg durch meine Eingeweide bahnen und versuchen, mir eine Seele aus meiner Sammlung zu entlocken. Sie ahnen nicht, welch aussichtsloses Vorhaben dies ist. So warte ich voller Vorfreude auf den Moment, in dem sie meine Schwelle übertreten und es kein Zurück mehr gibt.

Meine Seelen sind ganz still. Sie würden es nicht wagen, ein Zeichen der Warnung von sich zu geben. Sie würden meine Wut für den Rest der Ewigkeit zu spüren bekommen. Erst nach dem Eintreten der Neuankömmlinge werde ich sie zwingen, einem von ihnen den ersten Schrei zu entlocken. Den Schrei, der die Seele dieses tragischen Helden dazu verbannen wird, auf ewig selbst ein Teil meiner Sammlung zu sein.

Ich spüre, wie unsere Gäste die Eingangstür zu meinem Inneren öffnen, höre das Knarzen meiner Dielen unter ihren Füßen und das wilde Klopfen ihrer verängstigten Herzen.

Der Spaß beginnt…


Erinnerungen

Am Ende des Weges steht ein Haus. Wie lange schon, das weiß keiner mehr, nicht einmal das Haus selbst. Die Jahreszahl am Dachfirst ist längst nicht mehr lesbar, abgeschliffen von der Zeit und dem Wind.
Man sagt, ein Gebäude nimmt die Erinnerungen derer auf, die in ihm gelebt haben. Doch das Haus hat so viel vergessen. Wer sie waren, wie sie lebten, wie sie lachten und liebten. Es weiß nur noch, wie sie starben. Eingebrannt in seine Knochen, sein Holz und seine Steine, sind ihre Schreie, ihr Leid. Eingebrannt so wie die Brandmale in seinen Wänden. Das Haus weiß nicht mehr, wer sie waren, doch es teilt ihren Schmerz.
Seitdem kamen manchmal andere.
Solche, die es bewohnen wollten. Sie wurden verjagt. Vor einem schlimmeren Schicksal bewahrt.
Solche, die es zerstören wollten. Sie betraten es, und verließen es nie wieder. Sie würden nicht den Rest seiner Erinnerungen auslöschen.
Und dann waren da noch solche, die die Neugier trieb. Oder die Abenteuerlust. Diese Menschen verstand das Haus am wenigsten. Was war es, das sie so sehr faszinierte? Das sie dazu trieb, tiefer und tiefer in seine Flure und Zimmer vorzudringen, selbst wenn es ihnen riet, sie anflehte, zu gehen?
Das Haus ließ sich Zeit, diese Menschen zu beobachten. Es wartete. Es prüfte. Und es fällte sein Urteil über ihre Absichten.
Niemand von ihnen hatte die Tests je bestanden. Niemand von ihnen war in der Lage gewesen, das Leid des Hauses zu verstehen. Seine Geschichte zu erfahren und es, vielleicht, endlich zu erlösen.
Doch trotz allem, obwohl es nur noch ein Schatten seiner selbst ist, hat das Haus die Hoffnung nicht aufgegeben. Eines Tages werden sie kommen. Eines Tages wird es frei sein von seinem Fluch.
Die drei, die an diesem Abend das Haus betreten. Vorsichtig, aber entschlossen. Vielleicht sind sie es ja. Die, auf die das Haus gewartet hat.
Als die Tür hinter den dreien zufällt, knarzt das Gebälk des Hauses im Wind. Für ihre Ohren klingt es sicher wie ein Lachen.
Oder wie Weinen.

Ich zeig euch den Weg

Schon bevor sich das Gartentor quietschend öffnet, weiß ich, dass diese Menschen auf dem Weg zu mir sind. Hier, am Ende des Rabenwegs, gibt es sonst nur ein paar stachelige Brombeerhecken, die unreife Früchte tragen.

Nachdem ich lange Zeit niemanden mehr willkommen heißen durfte, häufen sich die Besuche in den letzten zwei Jahren.
Zumeist nachts kommen sie vorbei, ausgerüstet mit Taschenlampen und Kameras, manchmal sogar mit komisch rauschenden oder blinkenden Geräten.
Sie rufen die Geister, sagen sie zumindest, dabei schreien sie schon erschrocken auf, wenn ich ihnen den Weg zum Schatz zeigen will.

Der Schatz, mittlerweile mein Schatz, denn außer mir gibt es hier niemanden mehr, wartet schon so lange darauf, gefunden zu werden. Wunderschön, vor allem wenn sich die Sonnenstrahlen darin brechen und rote Muster an meine Wände zaubern, versteckt sich der rote Edelstein zur Hälfte in der Blüte einer schon verwelkten Rose.

Doch die Menschen übersehen ihn jedes Mal, obwohl ich ihnen dabei helfe, den Weg zu finden. Ich öffne ihnen die richtigen Türen, lasse die Treppenstufen knarren und die Holzdielen knacken.
Noch einfacher kann ich es ihnen nicht machen, sie müssen nur meiner Spur folgen.
Mehrfach waren Besucher dem Schatz ganz nah, hätten nur die Augen öffnen und das sehen müssen, was wirklich da ist.

Aber lieber sehen die Menschen durch ihre Kameras, auf der Suche nach Dingen, die es nicht gibt. Gespenster, Dämonen, Monster, sogar Aliens.
Dabei gibt es hier nur mich, meinen Schatz und ein paar Besucher, die gerade erschrocken aufschreien, weil ich ihnen die Türe öffne.

Das letzte Haus

Ein Mann schleicht durch den Vorgarten zur Veranda. Seine Füße hinterlassen lautlos Abdrücke in der kalten Asche, wirbeln kleine Wolken auf. Ostwind treibt die Partikel wie eine Schneewehe über den Boden. Der Fremde trägt ein verblasstes Tuch über Mund und Nase. In der rechten Hand hält er einen Revolver. In der Linken die Hand eines Mädchens. Ein kleines Geschöpf in grauen Lumpen. Nur die Augen sind frei. Die Augen eines Kindes.
Ein sonderbares
Gefühl?
überkommt mich.
Die Welt ist gekleidet in einen schmutzigen grauen Schleier, die Konturen toter Bäume und ausgebrannter Häuserruinen bilden einen unsteten Übergang zur Wolkendecke. Keine Farben, die beiden Menschen können sich im Dämmerlicht fast tarnen.
Kommt näher, denke ich. Ich öffne euch die Tür.
„Können wir hinein?“, fragt das Mädchen. Es klingt ängstlich.
Der Mann reagiert nicht. Ich sehe, dass er lauscht.
„Mir ist kalt, Papa.“
„Ich weiß.“
„Vielleicht gibt es Feuerholz.“
„Vielleicht.“
„Und etwas zu essen? Konserven?“
Der Mann antwortet nicht. Sieht sich um. Ich bin das einzige Haus am Ende der Straße. Nur ich stehe noch. Einsam wie seit hundert Jahren.
Kommt herein, flüstere ich in den Aschewind.
„Mir gefällt das Haus nicht, Papa.”
„Mir auch nicht.”
„Gehen wir trotzdem hinein?”
Der Mann zögert, packt den Revolver fester. Dann nickt er. Ich lächle, während leise das Schloss der Eingangstür klackt.

Viele Menschen haben mich betreten, das alte Haus am Ende des überwucherten Weges. Viele gingen ein und aus. Manche fein zurechtgemacht und andere gekleidet in Lumpen. In mir wurden Feste gefeiert, Kinder geboren und vor allem der letzte Atemzug ausgehaucht.
Heute bin ich nur noch eine Ruine. Ein Haus, dessen einstige Schönheit nur noch vage a den fein verzierten Fensterrahmen, den vergilbten Gardinen und dem, mit Spinnenweben bedeckten, Dachgebälk zu erkennen ist.
Seit Jahren hat sich niemand mehr hierher verirrt. Das Knarren und Ächzen meiner müden Strukturen vertreibt sogar die Wenigen, die sich den Weg hinauf zu kämpfen versuchen.
Heutzutage sind meine einzigen Bewohner Vögel, die durch meine zerbrochenen Fenster herein flattern und Eichhörnchen, die mit schnellen, leichten Schritten über meine Böden und ins Gebälk huschen.
Aber jetzt, zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt, strahlt Licht von außen durch eines meiner Fenster. Eine einzelne, menschliche Gestalt.
Als sie meine knarrende Tür öffnet, lächelt sie. Wie ein begrüßendes Winken flattern meine Gardinen im Wind.
Vielleicht kann ich noch einmal mehr sein als Geisterhaus und Schreckgespenst. Vielleicht kann ich, wie in alten Zeiten, noch einmal Zuhause sein.

Ein kalter dunkler Schauer lastet auf meinem Dach. Ein Knarzen durchzieht den Boden. Unheilvoll und zum schaudern heule ich auf, wenn ihr mich betritt. Wagt ihr den Schritt?

Ich verzehre mich nach euren Seelen, nach eurem Duft. »Seid Willkommen«, wispere mit einem hämischen und furchterregenden Klang.

Vor 200 Hundert Jahren wurde ich erbaut und viele Seelen wurden bereits geopfert zwischen meinen Wänden. Ein fieses Lachen ertönt, schlaft wohl wisperte ich meinen Gästen zu.

In eurer Welt wird gesagt: »Bleibt neugierig! Doch ist es wirklich gut, immer neugierig zu sein?«, mein schauderhaftes Lachen durchströmt die Räume, die bereits morsch sind. Die Fensterläden hängen und niemand traut sich hier zu putzen, doch ihr seid hier.

Warum? , frage ich mich still. Zu beginn gebe ich euch Hoffnung, aber ihr werdet niemals finden, was ich verberge im tiefen Inneren. »Gibt acht und schaut niemals in meine Spiegel«, flüstere ich fies lachend.

Unzählige Seelen haben es versucht und sind qualvoll gescheitert. Seid ihr also töricht genug es zu versuchen?

Gruselhaus allein zu Haus

Was war das?

Da war doch ein Geräusch, oder? Ziemlich sicher war da ein Geräusch.

Der Herd in der alten Küche? Ausgeschaltet.

Die Marder im staubigen Dachboden? Seit letzter Woche im Urlaub.

Vielleicht der Wind in meinem Gebälk? Das wäre aber peinlich.

Ich lausche der Dunkelheit. Könnte natürlich auch nur Einbildung gewesen sein. Andererseits…

Ich sollte dem vielleicht trotzdem nachgehen. Ich werde einfach…einfach…auf mich aufmerksam machen. Genau. Ganz einfach.

Ach, das war bestimmt nich – Sei mutig, verdammt noch mal!

Also auf drei:

Eins…

…Zwei…

… Drei …

…Vier…

JETZT MACH ENDLICH!

„Hallo?“

Keine Antwort.

Natürlich keine Antwort. Warum sollte da auch eine Antwort kommen, wenn doch ganz offensichtlich nichts da drau – HEILIGE SCHEISSE, WAS IST DAS?!

Ein Lichtstrahl! Er blendet meine Fenster, aber ich sehe…hässliche Fratzen. Kreaturen in der Dunkelheit. Vier oder fünf. Ein ganzes Rudel. Der Lichtstrahl kommt direkt aus der Hand einer dieser Kreaturen.

Ich schreie. Sie schreien. Ihre kleinen Gesichter verziehen sich dabei…wie ekelerregend. Ich schreie lauter. In meinem Keller platzt eine Wasserleitung…das ist jetzt wirklich peinlich.

Bitte, lass es nur einfach vorbei sein! Bitte, bitte, bitte!

Ich öffne vorsichtig meine Fensterläden. Niemand zu sehen. Ich lausche wieder der Nacht. Kein Mucks da draußen.

Puh…

Jetzt muss ich erst einmal ein frisches Fundament beziehen, aber ich bitte euch: Erzählt das auf gar keinen Fall weiter, versprochen?

Rabengesang

Corvus, der Anführer meiner Rabenfreunde, landet schwungvoll auf meinen losen Dachziegeln und verkündet mit verheißungsvollem „Kraa, Kraa“ das Ende der jahrelangen Langeweile. Ich spüre ein hitzewallendes Prickeln, das sich lockend verführerisch durch mein morsches Gebälk zieht. Besucher kommen… so lange schon hat sich niemand mehr in meine Nähe gewagt. Sind es nur dummdreiste Neugierige, die im Dorf die alten Gerüchte gehört haben? Oder halbgare Geisterbeschwörer, die auf ein Stelldichein nebelschwadentriefender Untoter hoffen? Mir soll es recht sein. Ich lade sie alle ein, über meine Schwelle zu treten. Ich zeige allen, dass ich weder Geister noch Untote in meinen Gemäuern brauche, um einer kleinen Menschenseele das Fürchten zu lehren.

Wunderschöne Stille

Ein Windhauch schleicht durch das dunkle Zimmer und bringt meinen Schleier ein wenig in Unruhe. Vorsichtig schwebe ich zum Fenster und blicke auf die von fahlem Mondlicht beschienene Mauer am Ende einer schwarzgrauen Wiese. Der unebene Grund des Anwesens bietet zahlreiche Verstecke und die verfallene Hütte war ohnehin schon immer mein Lieblingsplatz, schon damals, als es noch hell war.

Ein erneuter Luftzug lässt mich erschaudern, denn nun wird er von einem Laut begleitet, der Unheil verspricht. Ein leises Rumpeln, als würde jemand einen Stuhl oder einen kleinen Schrank um einige Zentimeter verschieben, zerreißt geradezu die perfekte Stille der Nacht. Aufgeregt husche ich im Raum umher, unentschieden, ob und wenn ja, wo ich mich verstecken soll. Kurzentschlossen verschwinde ich durch die größte Lücke, die sich mir bietet - den Kamin. Damals, als ich das Licht der Dunkelheit noch vorzog, mochte ich den alten Kamin sehr. Inzwischen erinnert er mich nur an die Wärme, die er einst ausgestrahlte und dieser Gedanke bereitet mir Unbehagen. Aber er war in diesem Augenblick nun mal die erstbeste Möglichkeit, Schutz zu suchen. Zum Glück muss ich nicht lange in dem schwarzen Schacht bleiben. Vorsichtig drücke ich mich gegen die Wand, spüre die unangenehme Ausstrahlung der Vergangenheit, werde mit ein wenig Überwindung dennoch Eins mit Mauersteinen, Poren und Staub und gleite sanft hindurch.

Den Fehler, den ich damit beging, bemerke ich kurz bevor meine Sinne die alte, verwitterte Tapete auf der anderen Seite erreichen. Grelles Licht scheint durch das faserige Papier und versengt mich ein wenig. Huschende Strahlen tanzen auf dem groben Muster umher. Fußgetrappel auf knarrendem Holz bringen Unruhe in die Mauern, die sonst ein ebenso vollständiges, wie belebendes Schweigen beherbergen. Dann ein Krachen, so laut, dass mich der Schrecken beinahe das schützende Wehr des Mauerwerks verlassen lässt. Doch die Aufregung weckt auch meine Sinne und ich beschließe, den alten, den stillen Zustand wieder herzustellen.

Flüsternde Stimmen schweben durch den Raum und verfangen sich direkt vor mir in der Wandverkleidung. Ich greife nach ihnen, drehe sie ein wenig, verändere ihre Struktur und lasse sie langsam und verzerrt zurückfließen. Plötzlich Stille! Das beinahe geräuschlose Rascheln von Kleidung ist noch zu vernehmen, dann erneut ein Flüstern, noch leiser, zaghafter. Wieder werfe ich den Ton zurück und beschließe in einem Anflug von Wagemut, mich zu zeigen. Zögernd lasse ich mich als amorphes Glimmen durch die Struktur der modrigen Tapete gleiten und schwebe schließlich als schemenhaftes Flirren vor drei Personen. Das Licht ihrer Leuchtstäbe durchdringt mich brennend, doch ich bemühe mich, den Schmerz zu ertragen. Es gelingt mir nicht und meine Konsistenz beginnt sich zu verändern. Ich versuche, den Strahlen auszuweichen, dehne mich aus, schrumpfe sofort wieder zusammen und fliehe in Panik von Ecke zu Ecke, von Wand zu Wand. Auf den Gedanken, erneut im Mauerwerk zu verschwinden, komme ich nicht.

Gleichzeitig kommt rastlose Bewegung in die drei Personen im Raum. Lautes Stolpern, heftiges Atmen, fliegende Arme und wildes Getrappel groben Schuhwerks auf Jahrhunderte altem Holz zerfetzen den sonst so tiefen Frieden dieser Mauern. Dann der viel zu hohe Schrei eines Mannes oder einer Frau. Es ist nicht zu erkennen. „Ein Geist!“ Die letzte Silbe langgezogen und sich selbst überschlagend, verhallt gemeinsam mit dem leiser werdenden Getrappel schnell in den Tiefen der Nacht.

Es ist wieder wunderschön still. Ein Windhauch schleicht durch das dunkle Zimmer und bringt meinen Schleier ein wenig in Unruhe. Ich genieße es.