Seitenwind Woche 1: Gäste im Geisterhaus

Willkommen zur ersten Perspektive von Seitenwind 2023!

Deine Perspektive: Du bist das verlassene Anwesen am Ende des Rabenwegs. Das Gewicht von zwei Jahrhunderten tragischer Geschichten lastet auf deinen Ziegeln und Dielen. Wind raschelt durch die Bäume, und dich überkommt ein so wohliger Schauer, dass die Fensterläden klappern: Zeit, gruselig zu werden.

Deine Aufgabe: Mit Einbruch der Nacht bestimmen deine Worte ihr Schicksal: Eine Gruppe Abenteurer betritt das Anwesen, angezogen von Gerüchten und alten Erzählungen. Als das Haus selbst entscheidest du: Bestrafst du ihre Neugierde mit dunklen Spielchen? Oder spürst du ihre Absichten und enthüllst ihnen Geheimnisse, die deinen rastlosen Geistern Frieden bringen könnten? Die Nacht birgt Entscheidungen: Unheil oder Gnade, Finsternis oder Hoffnung. Welches Kapitel fügst du heute deiner Geschichte hinzu?

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• Falls du deine Geschichte lieber aus erzählerischer Perspektive schreiben möchtest, auch OK. :wink:
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Gruselig! :spider_web:

Die Risse im Putz schmerzen. Der alte Kastanienbaum kennt mein Leiden nur zu gut. Bei ihm sind es die Wurzeln, an denen mit jedem neuen Jahr weitere, faulige Stellen auftauchen. Der Geruch von Moder übertüncht unsere einstige Schönheit. Schweigsam ist er, mein Baumfreund. Die meiste Zeit jedenfalls. Wenn jedoch der Wind seine Blätter sprechen lässt, hält mich kaum etwas zurück. Dann nehme ich all meine Kraft zusammen und lasse die Holzdielen in sein Lied mit einstimmen.
Da sind sie wieder! Diese elenden Ruhestörer, die keinen Respekt vor dem Alter haben. Sie schleichen durch die Nacht, glauben, etwas über damals zu erfahren. Sie nähern sich der Treppe, blenden mich mit ihren Taschenlampen. Zeit zu handeln. Sie dürfen nicht hinein, doch die Eingangstür ist längst verstorben. Mir bleibt nur eins. Ich warte. Noch einen winzigen Moment. Der Kastanienbaum hilft mir. Er wirft morsche Äste ab, die Gruppe fährt herum. Jetzt! Mit einem Schlag lasse ich die Fensterläden zuknallen. Verdammt. Diese Schmerzen. Einer der Läden ist abgefallen. Geschrei. Schrill. Unerträglich. Ein Mensch stolpert, will sich aufraffen, mit den anderen flüchten, scheitert. Das ist sie. Meine Chance. Gezielt lasse ich einen Dachziegel fallen.
Es war nur ein Unfall. Wie bei allen Besuchern seit damals. Ich schwöre.

Gruselhaus allein zu Haus

Was war das?

Da war doch ein Geräusch, oder? Ziemlich sicher war da ein Geräusch.

Der Herd in der alten Küche? Ausgeschaltet.

Die Marder im staubigen Dachboden? Seit letzter Woche im Urlaub.

Vielleicht der Wind in meinem Gebälk? Das wäre aber peinlich.

Ich lausche der Dunkelheit. Könnte natürlich auch nur Einbildung gewesen sein. Andererseits…

Ich sollte dem vielleicht trotzdem nachgehen. Ich werde einfach…einfach…auf mich aufmerksam machen. Genau. Ganz einfach.

Ach, das war bestimmt nich – Sei mutig, verdammt noch mal!

Also auf drei:

Eins…

…Zwei…

… Drei …

…Vier…

JETZT MACH ENDLICH!

„Hallo?“

Keine Antwort.

Natürlich keine Antwort. Warum sollte da auch eine Antwort kommen, wenn doch ganz offensichtlich nichts da drau – HEILIGE SCHEISSE, WAS IST DAS?!

Ein Lichtstrahl! Er blendet meine Fenster, aber ich sehe…hässliche Fratzen. Kreaturen in der Dunkelheit. Vier oder fünf. Ein ganzes Rudel. Der Lichtstrahl kommt direkt aus der Hand einer dieser Kreaturen.

Ich schreie. Sie schreien. Ihre kleinen Gesichter verziehen sich dabei…wie ekelerregend. Ich schreie lauter. In meinem Keller platzt eine Wasserleitung…das ist jetzt wirklich peinlich.

Bitte, lass es nur einfach vorbei sein! Bitte, bitte, bitte!

Ich öffne vorsichtig meine Fensterläden. Niemand zu sehen. Ich lausche wieder der Nacht. Kein Mucks da draußen.

Puh…

Jetzt muss ich erst einmal ein frisches Fundament beziehen, aber ich bitte euch: Erzählt das auf gar keinen Fall weiter, versprochen?

Nenn mich Frank

WAS ZUR HÖLLE! Wer ist da? War vielleicht nur mein alter Freund der Wind, als er schräg von der Seite kam. Halt! Da ist noch etwas. Oder war es gestern? Kann auch ein Jahrzehnt her sein, seit …? Zeit hat keine Bedeutung. Kein Ziel. Kein Ende. Nein, da sind Stimmen.

»Sind wir bald da?«, fragt eine kleine Frau mit kurzen schwarzen Haaren. »Meine Füße bringen mich gleich um.«

»Wir sind gleich da. Nur die Ruhe«, antwortet ein junger, bärtiger Mann genervt. Er stampft schwer keuchend voran und scheint der Anführer der Gruppe zu sein. Sein Blick wandert immer wieder angestrengt auf einen kleinen schwarzen Kasten in seiner Hand.

»Google Maps kann die Route nicht finden, aber laut GummiUlli37 aus dem Forum soll das Haus genau hier sein.«

»Er hat dich bestimmt verarscht«, sagt der große Blonde mit dem riesigen Rucksack auf dem Rücken.

»Nein, hat er nicht«, sagt der Anführer. »Hat er ganz sicher nicht. Ich weiß es!«

Die drei kommen mir immer näher. Wollen sie etwa zu mir? Das wäre wundervoll. Ich habe gern Gäste unter meinem Dach, nur bin ich auf Besuch weder eingestellt noch wurde der Eingangsbereich seit 1998 gewischt. Der Besen in der Ecke langweilt sich genauso schwer wie ich. Die Blutflecken am Fuße der Treppe sind aber kaum noch zu erkennen.

Der Anführer freut sich. Er hat mich entdeckt. Er fuchtelt wild mit seinen Armen und schreit wie von Sinnen: »Da ist es, Leute! Da ist es! Was hab ich euch gesagt! Ich wusste, er hat mich nicht verarscht.«

Der große Blonde und die kleine Frau sehen nur wenig begeistert aus, dabei bin ich mit der untergehenden Sonne im Rücken durchaus imposant, aber die zwei Schnauben und Pusten nur. Waschlappen.

Der bärtige Anführer öffnet die Vordertür und strahlt über sein verschwitztes Gesicht. Er scheint sich richtig über mich zu freuen. Das gefällt mir.

»Stell die Kamera auf.«

Der große Blonde setzt den Rucksack ab und holt allerhand Technik heraus. Ein Stativ, eine Kamera und ein kleines Mischpult. Wenn die drei hier 'nen Porno drehen, lasse ich die Küche brennen.

»Alice, du setzt dich hier hin.« Der Anführer zeigt der kleinen Frau die Couch im Salon und sie verzieht angeekelt ihr Gesicht.

»Alter, für nichts in der Welt, setz’ ich mich da drauf.«

»Dann machst du es halt im Stehen.«

Der bärtige Anführer streicht mit seinem Zeigefinger über den staubigen Kaminsims und gibt seinem Kumpel ein Zeichen.

»Sind wir ready?«

»Kamera läuft!«

»Alice, bist du bereit?«

»Lass knacken, Alter.«

Der Anführer stellt sich unter meinen kaputten Kronleuchter und spricht mit tiefer, bedeutungsvoller Stimme.

»Hallo, ich bin Mike und das sind meine Freunde Alice und Kevin. Wir wollen nur ein kurzes Interview mit dir machen. Nichts Wildes, echt nicht. Nur ein bisschen quatschen. Wenn das okay ist?«

Vor Schreck lasse ich fast den Kronleuchter fallen. Bedrohlich wackelt er über Mikes Kopf. Würde dem Klavier am Fenster nicht die Saiten fehlen, hätte ich alle meine Entchen klimpern können, denn was anderes kann ich nicht, aber ein Interview? Mit mir?

»Okay, wenn du da bist, gib uns ein Zeichen.«

Ich versuche es ja, aber seit die Stadtverwaltung den Strom abgestellt hat, kann ich nicht mal Morsezeichen. Was solls, ich nehme das kleine schwarze Ding, das Mike in seiner Hand hält.

»Hallo! Hallo! Könnt ihr mich hören?«

»Dein Handy spricht«, sagt Alice leicht verblüfft und Mike reckt seinen kleinen Kasten in die Luft, als hätte er Wimbledon gewonnen.

»Spreche ich mit dem Haus?«, fragt mich Mike.

»Ja, ich bin das Haus.«

Alice seufzt. »Wenn wir mit der Hütte telefonieren können, warum sind wir dann den ganzen Scheiß Wald hier rauf gelaufen?« Entnervt lässt sie sich jetzt doch auf die große Couch fallen. Dicke graue Flocken wirbeln herum und lassen den blonden Kameramann laut husten.

»Sorry, Hausstauballergie, geht gleich wieder.«

Mike stellt seinen kleinen schwarzen Kasten auf Lautsprecher.

»Wie darf ich dich ansprechen? Haus oder Villa oder vielleicht Anwesen?«

»Ach, das ist mir egal, nenn mich Frank. Den Namen fand ich schon immer klasse.«

»Super Frank, also wir sind hier, weil wir mit dir ein Interview machen wollen, also wenn du kurz Zeit hast.«

»Wenn ich etwas besitze, neben knarrenden Dielen, dann ist es sicherlich Zeit.«

»Fantastisch. Also Alice, meine Freundin, sie wird das Interview führen. Mein Kumpel nimmt alles mit der Kamera auf und ich führe Regie.«

»Also die anderen zwei arbeiten und du machst nichts.«

»Genau so ist es.«

»Okay, ich bin bereit.«

Mike gibt Alice ein Zeichen und dann macht der große Blonde mit seinen Fingern drei, zwei, eins und dann lächelt Alice plötzlich so unnatürlich in die Kamera, dass ich einen Schlaganfall vermute, aber es scheint ihr gutzugehen.

Sie schlägt die Beine übereinander, zündet sich eine Zigarette an und bläst mir den Qualm in die vergilbten Kissen.

»Nun, Frank. Du bist vom P-Forum zum miesesten Spukhaus des Landes gewählt worden. Über dreihundert Mitglieder haben abgestimmt und alle waren sich einig, dass es kein schlechteres Spukhaus gibt. Wie konnte es so weit kommen, Frank? Was ist da schiefgelaufen?«

»Nun ich …«

»Ist es nicht so, dass kein Poltergeist, der etwas auf sich hält, in deiner ollen Villa vor sich hin spuken will?«

»Nun, die Zeiten haben sich geändert, Alice. Der Markt für Spukhäuser hat sich in den letzten 20 Jahren nicht zum Besten entwickelt. Jetzt kommen tote Frauen aus Fernsehern und Zombies knabbern sich durch Buchhandlungen.«

»Nun, das Overlook-Hotel hat diese Probleme nicht.«

»Ist das nicht abgebrannt?«

»Tut nichts zur Sache. Fest steht doch, dass sich hier nicht mal meine Oma gruseln würde, und die erschreckt sich sogar bei den Heinzelmännchen.«

»Also, wenn die Guten Naaaabend brüllen, erschrecke ich mich auch.«

»Halt die Klappe, Mike. Also Frank, warum bist du so ungruselig?«

»Also erstens, kann ich verdammt gruselig sein. Hast du den Blutfleck vor der Treppe gesehen? Und … und überhaupt ist es ja auch gar nicht so einfach ohne Personal. Wie willst du horrormäßig Geschirr aus dem Schrank fliegen lassen, wenn du gar keine Teller zum Schmeißen hast? Ich kann auch niemanden in der Badewanne ertränken, weil die Wasserleitung tot ist. Ich kann nicht mal jemanden die Treppe herunter schubsen, weil sie einen Fahrstuhl mit Handkurbel eingebaut haben. Selbst ein bisschen schaurig-schön mit den Fensterläden klappern geht nicht. Die haben die Fenster letzten Sommer einfach abgeschlossen und meine wehenden Vorhänge haben sie bei eBay verkauft. Ist das zu glauben? Es ist ein Albtraum, sag’ ich dir. WIE soll ich unter diesen prekären Bedingungen vernünftig arbeiten? Kann mir das mal jemand sagen? Wenn ich könnte, würde ich euch alle einen Mordsschrecken einjagen, aber ich kann nicht mal den Kronleuchter fallen lassen.«

»Mal dran gedacht, umzuschulen?«

»In meinem Alter bin ich für Heimsuchungen, Verwünschungen, Hexenkulte, Dämonen und Teufelsaustreibungen einfach zu faul. Vielleicht mache ich eine Pommesbude auf, oder vielleicht verirrt sich ein Psychiater hierher und baut sich aus mir eine rustikale Praxis. Die Couch ist bequem und ich könnte wirklich jemanden zum Reden gebrauchen.«

Mike ruft: »Cut! Zehn Minuten Pause. Frank, du warst großartig, ganz große klasse.«

»Vielen Dank. Deine Freundin hat mich ganz schön in die Mangel genommen.«

»Ja, Alice hat Haare auf den Zähnen.«

»Ist das nicht unangenehm zu kämmen?«

»Das sagt man nur so. Hey, hör mal, wo kann ich denn bei dir mal aufs Klo gehen?«

»Also oben ist ein Badezimmer, aber ich habe da schon seit ca. 87 Jahren, 14 Tagen und 21 Stunden nicht mehr nach dem Rechten gesehen.«

»Aber da liegt jetzt keine Leiche oder so in der Duschwanne?«

»Wo soll ich die denn her haben?«

»Da kommt mir aus dem Spiegel über dem Waschbecken auch keine gruselige Fratze rausgesprungen?«

»Ich habe ein Waschbecken?«

Wir lachen. Wir lachen laut. Alle lachen. Selbst Alice.

Mike nimmt die Treppe in den zweiten Stock.

»In zehn Minuten machen wir weiter!«

Mike lacht immer noch.

Noch.

Raven Manor. So nannte mich mein Erbauer.

Er war ein Gentleman, anglophiler Schöngeist, sah sich selbst gerne als eine Art Lord und ich war sein Statussymbol. Wie ich es liebte, wenn er mich wieder mit einem ganz besonderen Detail schmückte. Die eleganten Frauenfiguren an der Eingangstreppe sind immer noch mein ganzer Stolz. Und diese herrliche Rosa damascena, mit der er mein Spalier auf der Ostseite bepflanzen ließ. Oh, dieser Duft. In manchen Sommernächten meine ich, sie immer noch riechen zu können.

Natürlich ist sie inzwischen vertrocknet und von diesem general green überwuchert, das sich hier überall breit gemacht hat. Niemals hätte er das zugelassen. Ich vermisse ihn, diesen wunderbaren Mann. Niemand kümmert sich mehr wirklich um mich, niemand pflegt mehr meine grazile Schönheit. Im Gegenteil. Sie beuten mich aus.

Sie hauen Löcher in meine so liebevoll hochgezogenen Wände, meine Stuck verzierten Decken, meine Dielenböden aus edelsten Hölzern. Sie verlegen Leitungen und beleuchten mich in den grauenhaftesten Farben. Wofür habe ich denn meine hübschen Gaslampen, die so ein anheimelndes Licht verbreiten. Ich erkenne mich wirklich selbst nicht wieder. Überall häuft sich der Staub. An manchen Stellen wurde sogar noch künstlich welcher verteilt. Früher hatten wir ein Heer von Menschen, die nur dafür da waren, mich sauber und instand zu halten. Künstlicher Staub! Oh, wenn das mein Erbauer wüßte. Aus dem Grab würde er steigen und sie davonjagen.

Stattdessen kommen immer wieder neue Menschen. Täglich. Mehrmals. Immer in kleinen Gruppen. Sie lärmen durch die Gänge, schwatzen die ganze Zeit und laufen hektisch hin und her. Tragen wieder Dreck herein mit ihren ungeputzen Schuhen. Lassen Müll in den Ecken liegen und fassen alles an. Jeder Hebel wird gekippt, kein Knopf bleibt ungedrückt.

Und ich fühle mich so ausgenutzt. Keiner hat einen Blick für meine Schönheit. Alle rennen irgendetwas hinterher, das ich nicht verstehe. Hoffentlich geht dieses grelle Licht über dem Eingang bald aus. „ESCAPE ROOM“ steht darauf. Denn immer wenn es leuchtet, geht es wieder los.

Ich freue mich nur noch auf die frühen Morgenstunden. Dann bin ich endlich alleine. Dann kann ich träumen von den vergangenen Zeiten.

Ich zeig euch den Weg

Schon bevor sich das Gartentor quietschend öffnet, weiß ich, dass diese Menschen auf dem Weg zu mir sind. Hier, am Ende des Rabenwegs, gibt es sonst nur ein paar stachelige Brombeerhecken, die unreife Früchte tragen.

Nachdem ich lange Zeit niemanden mehr willkommen heißen durfte, häufen sich die Besuche in den letzten zwei Jahren.
Zumeist nachts kommen sie vorbei, ausgerüstet mit Taschenlampen und Kameras, manchmal sogar mit komisch rauschenden oder blinkenden Geräten.
Sie rufen die Geister, sagen sie zumindest, dabei schreien sie schon erschrocken auf, wenn ich ihnen den Weg zum Schatz zeigen will.

Der Schatz, mittlerweile mein Schatz, denn außer mir gibt es hier niemanden mehr, wartet schon so lange darauf, gefunden zu werden. Wunderschön, vor allem wenn sich die Sonnenstrahlen darin brechen und rote Muster an meine Wände zaubern, versteckt sich der rote Edelstein zur Hälfte in der Blüte einer schon verwelkten Rose.

Doch die Menschen übersehen ihn jedes Mal, obwohl ich ihnen dabei helfe, den Weg zu finden. Ich öffne ihnen die richtigen Türen, lasse die Treppenstufen knarren und die Holzdielen knacken.
Noch einfacher kann ich es ihnen nicht machen, sie müssen nur meiner Spur folgen.
Mehrfach waren Besucher dem Schatz ganz nah, hätten nur die Augen öffnen und das sehen müssen, was wirklich da ist.

Aber lieber sehen die Menschen durch ihre Kameras, auf der Suche nach Dingen, die es nicht gibt. Gespenster, Dämonen, Monster, sogar Aliens.
Dabei gibt es hier nur mich, meinen Schatz und ein paar Besucher, die gerade erschrocken aufschreien, weil ich ihnen die Türe öffne.

Das verwaiste Haus

Ich höre sie schon von weitem kommen, die Weinflaschen in der Hand, die Jungs grölend, die Mädchen mit ihrem hysterischen Kichern. Was haben sie diesmal vor?

Meine Wände sind voll mit Graffiti. Meine Fenster sind zerschlagen, die Fensterläden demoliert. Auf dem Boden liegen ihre Exkremente. Ich stinke von innen heraus.

Ich kann mich nicht wehren.

Ich war einmal schön. Es ist lange her. Ein Heim für Waisenkinder war ich. Gehegt und gepflegt. Meine Wände waren weiß. Spitzengardinen wehten im sanften Sommerwind aus meinen geöffneten Fenstern. Der Boden roch nach Zitrusputzmittel. Und mittags duftete es nach Schmorbraten. Kinderlachen erfüllte meine Flure. In den zwei großen Schlafsälen reihten sich die Kinderbettchen aneinander. Dort flüsterten sie, die Mädchen und die Jungs, erzählten sich ihre Geheimnisse und trösteten einander durch einsame Nächte. Und morgens stand eine lange Tafel im blühenden Garten, dort saßen sie, die kleinen, artig nebeneinander und löffelten ihren Haferbrei. Es war ein gutes Waisenhaus. Es waren gute Menschen, die sich um die Kinder kümmerten. Lächelnde Damen, nachsichtige Herren. Nichts ist wahr von dem, was sie sich heute erzählen. Nichts.

Doch ich bin der einzige Zeuge der Wahrheit. Die Kinder gingen. Die Menschen verließen mich. Zurück blieben die Kinderbetten. Der Garten wurde wild. Unkraut wucherte bis in meine Flure.

Und dann kamen sie, die Herumtreiber.

Sie kamen und sahen die Betten. Und ihre Phantasie brannte mit ihnen durch. Gruselige Geschichten entstanden in ihren einfältigen Köpfen. Gruselige Geschichten, die sie hinunter ins Dorf trugen. Von dem Waisenhaus, in dem die Geister toter Kinder spukten.

Und dann kamen immer mehr.

„Küche des Todes“ sprühten sie auf meine weißen Kacheln. „Schlafsaal des Grauens“ ritzten sie in meine Holztür. Fast immer brachten sie Flaschen mit, Wein, Bier, Schnaps – sie mussten sich Mut antrinken, um sich hinein zu trauen, hinein in mich.

Anfangs wollte ich sie noch überzeugen. Ich verhielt mich ruhig, kein Knarzen, kein Klappern. Wenn ich nur friedlich genug dalag, mussten sie doch begreifen, dass nichts von dem, was sie sich ausmalten, wahr war. Ich dachte, sie müssten mich lieben lernen, müssten mein Leid sehen, meine Verlassenheit. Dachte, sie würden sich erbarmen. Mich pflegen und sauber halten. Und eines Tages, so hoffte ich, ja eines Tages würden neue Menschen einziehen. Menschen, die mich liebten. Vielleicht würden neue Kinderstimmen in den Zimmern hallen. Ich wäre bereit.

Doch nichts davon geschah. Penner machten sich ihre Lager in den viel zu kleinen Betten. Sie scheißen mich voll und ziehen weiter. Die Mutproben der Halbstarken werden aggressiver. Wer traut sich die Fenster einzuwerfen? Wer bricht eine Diele aus dem Boden? Wer pisst in das verschmutzte Klo?

Ich kann mich nicht wehren. Aber ich kann ihr Spiel mitspielen. Sollen Sie nur Angst haben! Sollen sie leiden!

Es ist wieder die Blondine mit dem dummen Blick. Und ihr Freund, der dicke Trottel. Der andere mit dem Bart ist auch dabei. Und die kleine Rothaarige.

„Geh du zuerst!“, zischt sie. Und die Blonde betritt meinen Eingang. Der Dicke filmt. Alle halten den Atem an, als das Mädchen den Flur hinunterschleicht, bis in meine Küche. Die Küche des Todes.

Und ich füge mich in meine Rolle. Hilf mir Wind! Lass die Fenster klappern! Helft mir, ihr Kauze, Eulen und Fledermäuse! Los, flattert und schreit! Helft mir! Holz meiner Dielen, zeig das Leben in dir, knarze, stöhne, ächze!

Die Rothaarige rennt kreischend zurück in den Garten und kotzt mir ins Gestrüpp. Die Jungs grölen. „Ich habe alles drauf!“, schreit der Dicke und hält sein Handy hoch.

Und sie werden es mit ins Dorf nehmen. Sie werden es zeigen. Und es werden andere kommen. Das ist mein Schicksal.

Ich kann euch nicht zwingen, mich zu lieben.

Aber wenn ihr mich fürchten wollt, dann werde ich euch zeigen was echte Furcht ist. Solange bis ihr mich in Ruhe lasst. Solange bis eure Angst größer ist als eure Neugier. Ich bin fertig mit den Menschen - und zu allem bereit.

Mitternachtssnack

Es knarzt in meinem Gebälk. Die verrottende Kohlenmine unter meinem Fundament trachtet danach, mich in die Tiefe zu ziehen. Sie will mich fressen. Meinen Untergang feiern. Wir ringen seit Jahren miteinander. Und ich stimme zu: Wir sollten nicht beide bestehen. Es ist kein Platz. Das Futter wird knapper.
Immer seltener kommen Abenteurer und anderen Menschen, die es nicht besser wissen, hier vorbei. Immer seltener werde ich satt.
Die vier Jünglinge dort kommen also gerade recht. Sie habe das zugewucherte Tor schon passiert, ohne zu lesen, was dort angekreidet steht. Vermutlich hätten Sie die Warnungen der Einheimischen ohnehin nicht lesen können. Niemand lernt mehr Sprachen. Und vielleicht hätte es sie auch gar nicht abgehalten. Schon früher suchten solche Gören gute Mutproben. Mir soll es recht sein.
Nur noch wenige Meter bis zur Haupthalle. Ich kann es kaum erwarten; sehe mir an, wer da kommt. Den kleinen Dicken mit der Brille werde ich mir bis zum Schluss aufbewahren. Ich wette, er ist jener mit der größten Empathie in dieser Truppe. Was sollte er auch sonst schon für Eigenschaften haben? Selbstvertrauen? Wohl kaum. Er wird der sein, der am meisten mitleidet, wenn seine Bekannten sterben. Trauer und Panik werden ihn schmackhaft machen.
Der sportlich Hübsche wird … Moment mal, was ist das? Nein! Halt! Was macht ihr denn bloss?
Diese dummen Bengel nehmen den falschen Pfad hinter meiner Gartenlaube. Oh nein. Da geht es direkt in die Mine. Wissen die denn gar nichts?
Die verdammte Mine wird mich verhöhnen. Ich muss das stoppen. Koste es, was es wolle. Die Mine darf nicht fressen. Sie darf nicht.

Ich mache mir nichts vor. Es gibt nicht mehr viel, was ich wirklich tun kann. Die Bengel sind bereits im ersten Schacht. Genau unter mir. Ihr kleinen Füße machen Geräusche. Noch.
Die Mine freut sich sicher schon. Es sind nur noch wenige Schritte bis ihre Falle zuschlagen wird. Aber nicht heute. Es reicht. Ich werde nicht mehr hungern.
Dann sei es. Ich lasse meinen Widerstand fahren, nehme alle Kraft aus meinem Gebälk.
Es poltert. Kreischt. Knallt. Dann staubt alles. Mörtel aus einem anderem Jahrhundert hustet. Die Luft ist aus Watte. So fühlt sich das also an.
Ich stürze ein.
Mit Wucht begrabe ich die Jungen und die verdammte Mine in einem Rutsch. Ich sterbe mit ihnen zusammen.
Niemand hungert.

Zimmer frei

Müde öffne ich meine Fensterläden. Die Nacht bricht gerade herein. Wie jeden Abend schüttel ich die Blätter des Herbstes von meinen Dachziegeln. Ein paar Fledermäuse flattern aufgeschreckt Richtung Horizont. Dort sehe ich sie zum ersten Mal. Zunächst halte ich sie für ein paar Dachse, die sich am Waldrand herumtreiben, aber nachdem sie näher gekommen sind, besteht kein Zweifel. Menschen. Drei Stück. Es muss eine Dekade her sein, dass ich zuletzt welche gesehen habe. Ein verschmitztes Grinsen huscht über mein Mauerwerk. Wollen wir doch einmal sehen, ob sie sich wirklich herwagen.
Dass ich ihr Ziel bin, steht ohnehin fest. Der zugewucherte Kiesweg führt nur zu mir. Auch ihre Ausrüstung lässt erkennen, wofür sie sich vermeintlich halten - Taschenlampen, merkwürdige Messgeräte und reflektierende Kleidung: Geisterjäger. Ich kichere lautlos in mich hinein, was dazu führt, dass die Grabsteine entlang des Weges kaum merklich zittern. Es entgeht ihnen nicht. Sie halten inne. Diskutieren aufgeregt miteinander. Ich höre Wörter wie: Erdbeben, Einbildung und Maulwurftunnel. Merkwürdig sind sie, diese Menschen. Immer auf der Suche nach dem Paranormalen, doch kaum klopft es an ihren engstirnigen Kopf, sind sie die Ersten, die sich verzweifelt an irgendeine irdische Erklärung klammern.
Ich kann es kaum erwarten, sie wirklich in Empfang zu nehmen. Das kleine Zimmer im Speicher steht schon viel zu lange leer.

Das Lied des Hauses

1. Stürmige Nacht

Das Donnern in der Ferne, der Mantel der die Nacht brachte und der Regen, der auf die Dachrinne fiel. Das waren alles Dinge die die zwei Mädchen vom schlafen hinderten. So begannen sie sich gegenseitig Geschichten zu erzählen. Lilly erzählte ihrer besten Freundin Kimberly von einem verfluchten Anwesen, das nicht mal so weit weg von ihrem Schlafplatz war.
Ein Anwesen das so schlimm sein soll, das sich keine Menschenseele mehr getraut hätte nur in die Nähe dieses Hauses zu gehen.
Bei der Vorstellung von einem verfluchten Anwesen reichte, damit Kimberly etwas blass und schwindelig wird. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen stand Lilly auf.

„Zieh dich warm an Kimi! Wir gehen dahin~“ Meinte Lilly zu Kimberly.

Kimberly gefiel die Idee so überhaupt nicht, aber sie wollte nicht als Weichei dastehen. So nickte sie zögerlich und die beiden zogen sich warm an, mit einer dicken Regenjacke. Lilly nahm sich noch einen Rucksack mit, in dem sie zwei Taschenlampen, zwei Paare Ersatzschuhe und ein Ouija-Brett.
Lilly hochmotiviert und gespannt ging als erstes hinaus, hinterher kam Kimberly raus. Sie liefen und liefen und liefen, bis sie raus aus der Stadt waren. Mit den schönen und gemütlichen Straßen war es vorbei, jetzt gab es nur noch Feldwege durch den dichten und finsteren Wald. Die Taschenlampen der beiden Mädchen ging an, als sie durch die dunklen, schlammigen Wege zum Anwesen liefen. Bei jedem Blitz der einschlug, zuckte die Kimberly ängstlich zusammen, sie bereut es etwas zugestimmt zu haben.
Schritt für Schritt kämpfen sich die beiden Mädchen durch den tiefen Schlamm, bis sie an einem Hügel ankamen. Die Blitze schlugen immer mehr ein und der Regen wurde immer intensiver. Sie haben sich beeilt um nicht noch Nasser zu werden.

2. Das Verfluchte Anwesen

Die beiden Mädchen öffneten das Tor zum Anwesen und gingen hinein. Kimberly schluckte laut und schaute sich langsam um. Ihr Herz klopfte von Sekunde zu Sekunde schneller. Sie glaubte an Geister und wollte keines Falles einen verärgern. So zog sie ihre in Matsch eingehüllten Schuhe aus und zog sich sauber Ersatzschuhe an. Lilly sah das und begann laut zu lachen.

„Warum ziehst du dir neue Schuhe an? Hast du Angst Diesen Geist zu verärgern? Du glaubst doch nicht wirklich an sowas oder?“ Fragte Lilly mit einem Grinsen.

Als Antwort nickte Kimberly sehr schnell. Lachend ging Lilly durch den dunklen Flur. Bei jedem Schritt hörte man das knarzen der Holzbretter, der pfeifende Wind durch die Fenster und es war so kalt in dem Anwesen, das man den Atem vor den Augen sah.
Kimberly dachte sich mehrmals, das es eine dumme Idee war, man stört nicht die Seelen die an einem Platz ruhen wollen.

Sie gingen gemeinsam durch die Hallen, bis sie an einer großen Halle ankamen. Da bereitete Lilly das Ouija-Brett vor.

„Wir sollten das wirklich nicht machen, lass uns lieber wieder nach Hause gehen und uns einen Film anschauen“ meinte Kimberly besorgt.
„Mach dir doch nicht gleich in die Hose Kimi! Es gibt ja keine Geister in Wirklichkeit“ Antwortete Lilly kichernd.

Beide begannen die Geister zu befragen, doch es passierte nichts. Nichts hat sich verändert, nichts hat sich bewegt, nicht einmal etwas gespürt hatten die beiden.

„So Langweilig! Dieser Geist ist ja voll Öde, lass uns-“ Sprach Lilly gerade aus, bis sie von dem Knallen der Tür unterbrochen wurde. Beide zuckten auf und schauten sich für einen Moment ruhig an. Lilly stand auf und meinte noch, das es nur ein Zufall war und ging zur Tür um zu versuchen sie zu öffnen, aber es ging nicht. Etwas ängstlich schaute sie sich um, als langsam die Möbel des Saales begannen sich zu bewegen und direkt auf Lilly zuzufliegen. Sie schrie so laut wie noch nie und rannte los. Kimberly hatte noch nie gesehen, das ihre beste Freundin solche Angst haben kann und versuchte ihr hinterherzurennen, doch Lilly war um einiges schneller. So schnell wie sie rannte, verloren sich die beiden auch in dem Anwesen.
Das Knallen der Möbel wurde immer Lauter, Kimberly hatte das Gefühl das sie schon Stimmen hörte, ein Weinen oder auch ein Flehen. Vor Angst rannte Kimberly in den nächstbesten Raum den sie sah und versteckte sich unter dem Tisch.

3. Der Geist des Hauses

Kimberly saß unter dem Tisch, das Herz raste so schnell wie noch es noch nie schlug. Ihr Gesicht verlor jegliche Farbe und ihr wurde ganz schummrig. Das Knallen der Möbel verschwand wie mit einem Schnipsen. Um sie herum gingen die Kerzen und Laternen langsam an. So sah Kimberly wieder ihre Füße am Boden und sie hörte eine Stimme in ihr Ohr flüstern.

„Hab Keine Angst mein Kind, Ich will dir nichts tun“ Diese Stimme, sie war sehr sanft, hatte eine entspannende und tiefen Ton. Sie konnte selbst die Angst aus Kimberly nehmen, sie spürte das dieser Geist nichts böses von ihr wollte.

„Mein Kind hab keine Angst, ich war genau so ein Mensch wie du“ Meinte die Stimme zu Kimberly.

„A-Aber wie kann das sein“ fragte sie mit zittriger Stimme.

Da antwortete die sanfte Stimme „Vor sehr vielen Jahren, als das Wünschen noch etwas brachte, da lebte ich mit meinen zwei Kindern und Frau hier. Doch eines Abends stürmte es wie an dem heutigen Tage. Ein Blitz schlug ein, versperrte jeden Ausgang und ein Feuer breitete sich aus. Ich versuchte alles um meine Familie zu retten. Doch es gelang mir nicht, das Feuer verfluchte uns, hält uns an diesen Ort gefangen“

Kimberly hörte ihm mit Mitleid zu ohne ihn zu unterbrechen, als er fertig war mit reden, fragte sie der Stimme ob es einen Weg gebe den Fluch zu brechen"

„Nur ein Mensch mit einer reinen Seele kann uns helfen. Ein Lied muss man uns singen, um die verlorenen Seelen zu retten. Sing von deiner Seele“ Flüstert er Kimberly ins Ohr mit einem funken Hoffnung in der Stimme.

Da überlegte Kimberly etwas, bis sie ein lautes, grellendes Kreischen durch die Wände hörte.

4. Die Tochter des Hauses

Sofort rannte Kimberly raus aus dem Raum und folgte dem Kreischen ihrer besten Freundin. An der richtigen Tür gelangen, versuchte sie die Tür zu öffnen und dran zu zotteln, doch die Türklinge bewegte sich nicht mal einen einzelnen Millimeter.
Die Stimmte die Kimberly hörte, der Geist des Hauses spürte den magischen Siegel, der die Tür verschloss, sammelte all die Kraft die er benötigte um den Siegel zu brechen. Ohne den magischen Siegel, konnte Kimberly die Tür öffnen und ging hinein. Sie sah wie Lilly zusammengerollt auf einem alten, staubigen Teppich lag. Um sie herum schwebten Möbel, die begannen immer schneller um Lilly zu kreisen.
Kimberly atmete tief durch, unterdrückte ihre Angst und begann von ihrer Seele ein kleines Lied zu singen.

     Keine Angst, Ich bin bei dir
	 Du bist nicht verloren,
	 Nicht Allein, Fühle mit dir
	 
	 Lass mich bei dir sein, 
	 Lass mich dein Herz wärm,
	 Lass mich dein Freund sein
	 
	 Ich bin bei dir,
	 So Gib mir deine Hand,
	 Mein Freund

Kimberly sang Strophe für Strophe und die Möbel die um Lilly kreisten wurden immer langsamer. Die Möbel fielen auf dem Boden als sie ihre letzten Worte sang.
Lilly zitterte stark auf dem Boden, durch die Anwesenheit von Kimberly beruhigte sich Lilly nach und nach immer mehr.
Die beiden Mädchen spürten wie es immer wärmer im Raum wurde, bis sie beide eine Zittrige Kinderstimme wahrnehmen konnten.

„Oh ich flehe euch an, lasset mich noch einmal das Licht sehen, das Licht der Welt, lasst es mich bitte noch einmal es sehen“ Meinte die Kinderstimme mit einem Hauch Hoffnung.
Kimberly schaute sich um und suchte etwas um das Licht zum scheinen zu bringen. Sie schloß die Augen und atmete tief hinein und tief aus. Um ihnen Herum begannen die Kerzen zu entfachen und die Laternen zu leuchten, ein so schönes und reines Licht, das der Geist der Tochter selbst meinte:

„Danke! Endlich weiß ich wie das reinste und schönste Licht im Dunkeln dieser Welt sich anfühlt.“ Nachdem die Stimme das sagte, spürte man wie sie woanders hinging.

5. Die Familie des Geistes

Kimberly und Lilly gingen langsam durch die Gänge des Anwesens, dabei schmieg sich Lilly an Kimberly ran.

„Es tut mir so Leid Kimi! Es tut mir leid das ich dir nicht geglaubt habe.“ meinte Lilly, währenddessen ihr wenige Tränen noch immer über die Wangen kullerten.

„Mach dir bitte keine Sorgen Lilly!~ Aber ich brauche dich gleich. Im großen Saal gab es ein Flügel, ich möchte das du drauf spielst“ Meinte Kimberly als Antwort an Lilly.

Sie schaute Kimberly verwirrt an und fragte leicht schluchzend: „Wieso?“

Daraufhin antwortete Kimberly: „Ganz einfach! Wenn wir zusammen das Lied spielen… Dann können wir den Fluch der armen Familie brechen und sie befreien!“

So liefen die beiden Mädchen, Hand an Hand in den großen Saal. Dort stand ein großes Flügel. Das Instrument hatte schon mal bessere Tage erlebt, doch es war noch funktionstüchtig. Lilly saß sich an das Instrument ran und begann mit der linken Hand Akkorde zu spielen, um genauer zu sein waren es insgesamt 6, mit der rechten Hand war es eine Melodie, so sanft und doch so gleich auch kraftvoll. Kimberly stellte sich vor dem Flügel und begann von Herzen zu singen.

     Keine Angst, Ich bin bei dir
	 Du bist nicht verloren,
	 Nicht Allein, Fühle mit dir
	 
	 Lass mich bei dir sein, 
	 Lass mich dein Herz wärm,
	 Lass mich dein Freund sein
	 
	 Ich bin bei dir,
	 So Gib mir deine Hand,
	 Mein Freund

Ein Wort nach dem anderen Sang Kimberly, Jede einzelne Kerze in den Räumen begannen wieder zu brennen, Die Räume immer strahlender. Sogar die verzierten Goldmuster unter dem ganzen Staub begannen wieder zu strahlen. Der Raum wurde so angenehm warm, das man nicht mal mehr eine Jacke bräuchte.
Nachdem sie fertig war mit dem Singen, spielte Lilly noch etwas am Klavier weiter, da hörte man wieder eine Stimme, aber diesmal war es eine ganz andere. Es klang wie ein Junge.

„Oh! Was höre ich denn da! Ich habe noch nie sowas schönes gehört! Wer seid ihr, das ihr solche berührenden Klänge geben könnt?“ Fragte diese Stimme in einem faszinierten Ton.

Da meinte Kimberly sofort: „Ich bin Kimberly, aber man kann mich auch Kimi nennen“ und direkt danach rief Lina: „Und ich bin Lina!“
Als sie das Aussprachen, konnten sie langsam die Umrisse von drei Personen sehen. Ein kleines Mädchen, ein junger Mann und beide halten die Hand einer Frau.

Vor ihnen stand dann eine Gestalt, eine ziemlich große Gestalt. Als sie dann begann die Sprechen erkannte Kimberly sofort die Stimme. Es war die Stimme vom Geist des Hauses.

„Ich danke euch! Ich danke euch, das ihr uns befreit habt. Ich habe sofort gespürt das ihr eine reine Seele habt. Ich werde das nie wieder vergessen was ihr getan habt“ Meinte er überglücklich und umarmte seine Familie und meinte zum Schluss „Ich werde euch beide mit meinem Segen schützen, euch soll das Böse niemals verderben können“.
Das waren die letzten Worte, bevor die Gestalten langsam verschwanden.

6. Der Heimweg

Es war ein Abenteuer, das dem Ende naht. Lilly und Kimberly liefen gemeinsam wieder den Weg zurück, atmen tief durch und da meinte Kimberly zu Lilly: „Zuhause trinken wir zuerst einen warmen Kakao-“.
Da lies Lilly nicht mal Kimberly zu Ende reden und meinte: „Oh Ja! Das machen wir nicht nochmal okay?“. Mit einem Lachen nickte Kimberly und meinte zu Lilly mit einem Grinsen: „Hat da etwa Jemand Angst“. Da wurde Lilly etwas rot und nickte.

Nun, aber wer ist denn jetzt dieser Geist des Hauses? Das fragt ihr euch sicherlich! Nunja, das bin ich, ich bin der Geist des Hauses, der Mann, der vor Jahrhunderten mit seiner Familie in diesem Anwesen gestorben ist. Mögen unsere Erlöser ein gutes und schönes Leben haben.

Nachwort

Falls du es bis hier her gelesen hast, danke ich dir von ganzen Herzen! Hinterlasse doch ruhig etwas Feedback und solltest du einen Fehler finden, korrigiere mich ruhig!
Das hier ist meine erste Geschichte die ich so richtig zu ende geschrieben hab, also bin ich ziemlich stolz drauf.
Ich wünsche dir noch sehr viel Spaß beim Lesen der anderen Geschichten oder auch einfach noch einen schönen Tag

Erlösung

Erlösung. Ein Wort, ein Wunsch, ein brennendes Verlangen. Ich flehe um Erlösung! Aber der Fluch der Unsterblichkeit lastet auf mir. Ich werde mit jedem Jahr nur morscher. Löcher im Dach. Es regnet hinein. Moder bildet sich und ich ekle mich vor mir selbst. Was für Tage waren das damals, als ich noch neu und strahlend war. Fröhlichkeit erfüllte meine Zimmer. Und dann, eines Tages, der Unfall. Es war wirklich nur ein Unfall. Ich hatte noch versucht, das Kind abzuhalten. Ließ das Fenster klemmen, streckte einen Balken vor, um es aufzufangen. Es nützte nichts.

Die Menschen haben mir das nie verziehen.

Meine Strafe ist Leere. Nutzlose Leere und Verfall. Das einzige Leben in meinen Mauern sind Mäuse, Pilze und Vögel. An einem guten Tag, verirrt sich eine neugierige Katze aus der Umgebung zu mir und ich habe ein wenig Gesellschaft, die mich an alte Tage erinnert.

Mein Seufzen erfüllt auch diese Nacht. Aber was ist das? Jemand öffnet meine Tür. Ein Licht!

„Vorsicht, fall nicht, hier ist alles morsch!“, flüstert der Junge.

„Ihgitt“, erwidert das Mädchen. Nicht nett, aber sie hat Recht. Ich seufze wieder und die beiden zucken zusammen. Ich halte die Luft an, damit sie nicht gleich wieder gehen.

„Und jetzt?“, will die junge Frau wissen.

Ihr Begleiter zuckt mit den Schultern und zeigt auf die Treppe. „Lass uns mal oben schauen!“

Oh nein! Die Treppe ist morsch. Das ist gefährlich! Bitte, nicht noch ein Unfall. Ich bin unschuldig! Ich will das nicht! All meine Kraft strömt in die alten Balken. Sie halten. Die beiden erreichen die alte Diele im Obergeschoss, in der noch immer der Kronleuchter hängt. Ich kann ihn gerade noch halten. Ein, zwei Jahre vielleicht, dann werden meine Kräfte auch dafür nicht mehr reichen.

Die beiden lachen leise und zünden sich eine Zigarette an. Sie teilen sie sich.

Teilt auch mit mir! Feuer! Das ist es! Das ist meine Hoffnung. Ich zittere. Die beiden erschrecken. Der Junge lässt die Kippe fallen. Sie glüht noch. Ich ziehe tief durch meine Kellergewölbe Luft ein und hauche sie vorbei an der Glut durch das Loch im Dach hinaus.

„Es brennt!“, schreit das Mädchen und stolpert nach hinten. Fast wäre sie die Treppe hinuntergefallen. Der Junge steht nur starr da und starrt auf das Feuer, aber ich habe schnell eine alte Kommode zwischen die junge Frau und die Stufen geschoben. Sie fängt sich.

Beide Menschen stürmen hinab. Ein letztes Mal, strenge ich mich an. Ein Dielenbrett droht zu bersten, aber ich zwinge es mit reiner Willenskraft zu halten, bis die beiden vorüber sind. Kein Leid darf meinen Befreiern widerfahren.

Mir ist warm. So warm. Es knistert. Erlösung.

Schrei für mich

Ich kann sie durch das Unterholz des großen, verwilderten Gartens rascheln hören. Niemand kann sich mir unbemerkt nähern.
Schon bald werden sich ihre kleinen kalten Füße einen Weg durch meine Eingeweide bahnen und versuchen, mir eine Seele aus meiner Sammlung zu entlocken. Sie ahnen nicht, welch aussichtsloses Vorhaben dies ist. So warte ich voller Vorfreude auf den Moment, in dem sie meine Schwelle übertreten und es kein Zurück mehr gibt.

Meine Seelen sind ganz still. Sie würden es nicht wagen, ein Zeichen der Warnung von sich zu geben. Sie würden meine Wut für den Rest der Ewigkeit zu spüren bekommen. Erst nach dem Eintreten der Neuankömmlinge werde ich sie zwingen, einem von ihnen den ersten Schrei zu entlocken. Den Schrei, der die Seele dieses tragischen Helden dazu verbannen wird, auf ewig selbst ein Teil meiner Sammlung zu sein.

Ich spüre, wie unsere Gäste die Eingangstür zu meinem Inneren öffnen, höre das Knarzen meiner Dielen unter ihren Füßen und das wilde Klopfen ihrer verängstigten Herzen.

Der Spaß beginnt…


Himmel, Arsch und Zwirn, schon wieder!
Inzwischen reagiere ich bereits auf das Geräusch eines Reisebusses mit Kalkbröseln und feuchten Fensterscheiben. Gut zwanzig fleischgewordene Nervensägen quellen aus dem Fahrzeug und gaffen zu mir herüber.
„Abenteurer“ nennen die sich? Pah, billige Touristen. Da habe ich hier schon ganz andere gemeuchelt. Dieser Graf von Trodenburg zum Beispiel. Passabler Kerl, bekam ein würdiges Ende. Oder Freifrau Eugenia von und zu Augenstein. Das waren noch Charaktertypen! Aber beim Anblick dieses Haufens dort drüben stellt es mir glatt die Küchendielen auf.
Und immer mit Beginn der Dämmerung, damit es auch recht gruselig ist. Verdammt, denkt hier keiner daran, dass ein alterndes Gemäuer seinen Schönheitsschlaf braucht? Morgen habe ich wieder dunkle Lisenen unter den Fensterbrettern!
Wenn sie mich doch endlich in Ruhe ließen! Seit Jahrzehnten wünsche ich mir nichts sehnlicher als einen ruhigen, beschaulichen Lebensabend.
Gut, ich habe es selbst verbockt. Vielleicht hätte ich mich in meiner Jugend etwas zurückhalten sollen. Wilde Jahre waren das damals: Morde, Familientragödien, Leid und Schmerz. Schön blutig bitte, wie sich das für ein anständiges Geisterhaus gehört. Ab und an ein spurloses Verschwinden - das Übliche eben. Hätte ich damals bloß geahnt, welchen Ärger mir das einbringen würde!
Jetzt kommen sie busseweise, diese sensationslüsternen, schauergierigen Voyeure! Lassen sich, ganz Gänsehautjunkies, von schlecht informierten Reiseführern eine Schauergeschichte nach der anderen auftischen. Und alles müssen sie anfingern!
Ich seufze leise, als die Gruppe auf mein Portal zustolpert - und halte zu spät die Luft an.
„Iiiiiiih“, quietscht eine überdrehte Blondine. „Habt ihr das auch gehört?“
„Ein eisiger Hauch“, stimmt ein dicker Schnauzbart dienstbeflissen zu. „Als hätte sich das schaurige Tor zur Geisterwelt einen grausigen Spalt geöffnet.“ Blöder Schwätzer!
Wenn ich ganz still bin, gehen sie vielleicht wieder. Ich darf mich nur nicht bewegen, keinen Mucks von mir geben. Öde, gemauerte Langeweile mit dem Gruselfaktor einer frischgeweißelten Lagerhalle. Dann rücken mir irgendwann keine Touristen mehr auf den Putz.
Aber es ist verdammt schwer, jetzt nicht die Beherrschung zu verlieren: Der dicke Junge mit den Schokoladenfingern griffelt zuerst die Ritterrüstung an. Und wer darf das wieder wegpolieren? Ich natürlich. Diese Fettflecken sind eine Schande für jedes -
Madam, nehmen Sie bitte Ihre Hände aus meinem Einbauschrank. Auch ein Gruselhaus hat ein Recht auf Privatsphäre.
Nein, mein Herr! Hier drinnen wird nicht geraucht! Da bin ich ausnahmsweise einmal einer Meinung mit dem Reiseführer, auch wenn der Kerl sonst unerträglichen Blödsinn schwätzt. Und ihm fällt natürlich nicht auf, dass der verhinderte Raucher sich in den Nebenraum verdrückt. Den Mief habe ich wieder tagelang in den Gardinen.
Hey, du, junger Mann! Lass die Pfoten von meinem Mauerwerk! Ja, ich weiß, dass da der Putz bröselt, du musst nicht nachbohren. Ich reiße doch auch nicht an dem bescheuerten Schlitz in deiner Jeans.
O nein, die haben einen Köter dabei. Auch das noch! Die Pfoten voll Dreck, schnüffelt in jeder Ecke und geifert den Teppich voll. Ich hasse Hunde. Nein, du hebst hier nicht dein - Ich wusste es! Hat die blöde Töle glatt in die Ecke gepinkelt!

So, jetzt reicht es! Alles muss ich mir nicht gefallen lassen!
Dann gibt es eben ab morgen eine blutige Schauergeschichte mehr …

Nacht, Nacht.

Erhelle meine stille Einsamkeit, vertreibe den lieblichen Duft des Wissens. Nur jetzt, im rabenschwarzen Schatten deiner Umarmung, bin ich müd genug, um zu vergessen.

Vielleicht bin ich mal frisch gewesen, waren meine bleichen Fenster spiegelnde Bilder einer lieblichen Maid im Frühling? Und ihr Duft, der den Horizont berührte. Längst vergessene Zeiten. Jetzt wagt niemand mehr den Weg.

Ein Wort lässt mich begehren, ein Heimliches. Der Wind trägt es herbei. Es nähert sich. Ein Mensch? Nein, Zwei.

Nacht, Nacht.

Wie verlorene Zuhörer einer ausgespielten Tragödie trampeln sie herbei. Wissen sie denn nicht, dass es unmöglich ist?

Warten liegt in der Luft, auf dem Dach und in den Bäumen. In genau dem Moment haben die Eulen entschieden, zu erwachen. Rufen sie nach ihnen? Es kann sein.

Jetzt wird mein Tor entzweit, ein Stiefel und ein Schuh. Einer ist der eines Mannes, das Andere – ein Kind vielleicht, in jedem Fall von kindlichem Gemüt. Es war der Mann, der mich getreten hat.

Soll ich sie verlocken, in meiner Stube zum ewigen Schlafe betten, wie einst Sie? Liebliche Maid, längst vergessen ist die Stimme deiner Lieder, die du den Kranken sangst. Jetzt schlafen wir still.

Nacht, nächtlicher Mensch.

Im Hofe, neben der Kapelle; dort finden sie - nichts. Nur ein altes Gewandt, das nie von einem Heiligen getragen wurde. Jetzt drehen sie ab. Geben sie auf? Plötzlich rufe ich. Ich was? Ich rufe? Nein, ich schreie fast. Ein Beben geht durch das alte Gebälk. Der Kleinere hat es gehört.

Er nähert sich. Sollte er sie finden?

Er schreitet, nein, er geht vielmehr. Wie verlorene Träume, dort, wo die Leere einen goldenen Schimmer hinterlässt, biegt er in die Stube. Sieht er in den Spiegel? Sieht er hinein.

Schau in den Spiegel! In den nächtlichen Spiegel! Schau hinein!

Nacht, Nacht. Es steht dort, wer du bist. Und jetzt steht er davor. Er blinzelt.

Nichts verschönt, nichts verneint. Einfach nur du.

Der Ältere, der Mann, zieht den Kindlichen hinfort. Sein Herz schlägt, noch - wie die Flügel einer Eule; sie schlagen nur nachts. Am Tage ruhen sie. Jetzt sind seine Augen geschlossen.

Die Maid liegt in der Kammer. Sie liegt dort seit tausend Jahren schon. Sie schläft so tief, als wäre sie vergessen.

Erinnerungen

Am Ende des Weges steht ein Haus. Wie lange schon, das weiß keiner mehr, nicht einmal das Haus selbst. Die Jahreszahl am Dachfirst ist längst nicht mehr lesbar, abgeschliffen von der Zeit und dem Wind.
Man sagt, ein Gebäude nimmt die Erinnerungen derer auf, die in ihm gelebt haben. Doch das Haus hat so viel vergessen. Wer sie waren, wie sie lebten, wie sie lachten und liebten. Es weiß nur noch, wie sie starben. Eingebrannt in seine Knochen, sein Holz und seine Steine, sind ihre Schreie, ihr Leid. Eingebrannt so wie die Brandmale in seinen Wänden. Das Haus weiß nicht mehr, wer sie waren, doch es teilt ihren Schmerz.
Seitdem kamen manchmal andere.
Solche, die es bewohnen wollten. Sie wurden verjagt. Vor einem schlimmeren Schicksal bewahrt.
Solche, die es zerstören wollten. Sie betraten es, und verließen es nie wieder. Sie würden nicht den Rest seiner Erinnerungen auslöschen.
Und dann waren da noch solche, die die Neugier trieb. Oder die Abenteuerlust. Diese Menschen verstand das Haus am wenigsten. Was war es, das sie so sehr faszinierte? Das sie dazu trieb, tiefer und tiefer in seine Flure und Zimmer vorzudringen, selbst wenn es ihnen riet, sie anflehte, zu gehen?
Das Haus ließ sich Zeit, diese Menschen zu beobachten. Es wartete. Es prüfte. Und es fällte sein Urteil über ihre Absichten.
Niemand von ihnen hatte die Tests je bestanden. Niemand von ihnen war in der Lage gewesen, das Leid des Hauses zu verstehen. Seine Geschichte zu erfahren und es, vielleicht, endlich zu erlösen.
Doch trotz allem, obwohl es nur noch ein Schatten seiner selbst ist, hat das Haus die Hoffnung nicht aufgegeben. Eines Tages werden sie kommen. Eines Tages wird es frei sein von seinem Fluch.
Die drei, die an diesem Abend das Haus betreten. Vorsichtig, aber entschlossen. Vielleicht sind sie es ja. Die, auf die das Haus gewartet hat.
Als die Tür hinter den dreien zufällt, knarzt das Gebälk des Hauses im Wind. Für ihre Ohren klingt es sicher wie ein Lachen.
Oder wie Weinen.

Das letzte Haus

Ein Mann schleicht durch den Vorgarten zur Veranda. Seine Füße hinterlassen lautlos Abdrücke in der kalten Asche, wirbeln kleine Wolken auf. Ostwind treibt die Partikel wie eine Schneewehe über den Boden. Der Fremde trägt ein verblasstes Tuch über Mund und Nase. In der rechten Hand hält er einen Revolver. In der Linken die Hand eines Mädchens. Ein kleines Geschöpf in grauen Lumpen. Nur die Augen sind frei. Die Augen eines Kindes.
Ein sonderbares
Gefühl?
überkommt mich.
Die Welt ist gekleidet in einen schmutzigen grauen Schleier, die Konturen toter Bäume und ausgebrannter Häuserruinen bilden einen unsteten Übergang zur Wolkendecke. Keine Farben, die beiden Menschen können sich im Dämmerlicht fast tarnen.
Kommt näher, denke ich. Ich öffne euch die Tür.
„Können wir hinein?“, fragt das Mädchen. Es klingt ängstlich.
Der Mann reagiert nicht. Ich sehe, dass er lauscht.
„Mir ist kalt, Papa.“
„Ich weiß.“
„Vielleicht gibt es Feuerholz.“
„Vielleicht.“
„Und etwas zu essen? Konserven?“
Der Mann antwortet nicht. Sieht sich um. Ich bin das einzige Haus am Ende der Straße. Nur ich stehe noch. Einsam wie seit hundert Jahren.
Kommt herein, flüstere ich in den Aschewind.
„Mir gefällt das Haus nicht, Papa.”
„Mir auch nicht.”
„Gehen wir trotzdem hinein?”
Der Mann zögert, packt den Revolver fester. Dann nickt er. Ich lächle, während leise das Schloss der Eingangstür klackt.

Viele Menschen haben mich betreten, das alte Haus am Ende des überwucherten Weges. Viele gingen ein und aus. Manche fein zurechtgemacht und andere gekleidet in Lumpen. In mir wurden Feste gefeiert, Kinder geboren und vor allem der letzte Atemzug ausgehaucht.
Heute bin ich nur noch eine Ruine. Ein Haus, dessen einstige Schönheit nur noch vage a den fein verzierten Fensterrahmen, den vergilbten Gardinen und dem, mit Spinnenweben bedeckten, Dachgebälk zu erkennen ist.
Seit Jahren hat sich niemand mehr hierher verirrt. Das Knarren und Ächzen meiner müden Strukturen vertreibt sogar die Wenigen, die sich den Weg hinauf zu kämpfen versuchen.
Heutzutage sind meine einzigen Bewohner Vögel, die durch meine zerbrochenen Fenster herein flattern und Eichhörnchen, die mit schnellen, leichten Schritten über meine Böden und ins Gebälk huschen.
Aber jetzt, zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt, strahlt Licht von außen durch eines meiner Fenster. Eine einzelne, menschliche Gestalt.
Als sie meine knarrende Tür öffnet, lächelt sie. Wie ein begrüßendes Winken flattern meine Gardinen im Wind.
Vielleicht kann ich noch einmal mehr sein als Geisterhaus und Schreckgespenst. Vielleicht kann ich, wie in alten Zeiten, noch einmal Zuhause sein.

Hungrig

Ein scharfer Schmerz weckt mich aus meinem Schlummer und ich blinzle erschrocken mit den Klappläden. Die Tiere des Waldes sind zu klug, als dass sie an mir naschen würden. Das kann nur eines bedeuten.
„Pfefferkuchen!“, ruft begeistert eine Menschenstimme. „Das gibt’s doch nicht!“
Da. Ich hatte recht. Nun sehe ich das Grüppchen. Zwei Knaben und ein Mädchen. Wie fremd sie aussehen.
„Vielleicht eine verlassene Filmkulisse?“
Ich weiß nicht, wovon sie sprechen, aber was weiß ich schon noch? Ich ruhe und schlummre und wache immer woanders auf. Nur eins ist stets gewiss: der Hunger. Einladend öffne ich die Tür.
„Wieso geht die Tür auf? War es der Wind? Ich rieche Zimt.“ Das Mädchen kichert angespannt.
„Ja klar, es ist ein Hexenhaus!“, sagt einer der Jungen. „Die alte Schachtel backt da drinnen Kekse. Schau nicht so, es war nur ein Scherz. Hier ist niemand. Komm, wir gehen rein.“
Hexenhaus. Hexenhaus. Sie wissen gar nichts. Das Haus ist die Hexe und die Hexe ist das Haus. Untrennbar verbunden. Eins geworden. Völlig verschmolzen. Es war nicht immer so. Schemenhafte Erinnerungen an einen dummen Buben, ein grässliches Mädel und einen sengend heißen Backofen.
„Ich will da nicht rein“, sagt das Mädchen zaghaft und der größere Junge fasst ihre Hand.
„Komm schon, du Memme. Kevin ist schon drinnen.“
„Wahnsinn!“, ruft Kevin. „Hier sieht alles unglaublich alt aus. Als wäre es echt.“
Das Mädchen wirft einen Blick gen Himmel, ehe sie über die Schwelle tritt. Ahnt sie, dass es der letzte ist? Es ist nur gerecht. Ich sehe einen Pfefferkuchenkrümel an ihrem Mundwinkel. Gleiche Münze, gleiche Münze.
Ich schlage die Tür zu und die Schreie höre ich kaum. Ich bin so satt. Wohlige Müdigkeit überkommt mich. Ich schließe die Klappläden.

Das Haus der Hexe

Mit einem scharfen Klappern des blockierten Fensterladens, einem Schnarchen nicht unähnlich, schrecke ich aus meinem Schlaf hoch. Mein Dach sitzt schief, ein Fenster klemmt, und die Treppe fühlt sich ganz taub an. Noch halb im Traum starre ich glasig vor mich hin in die Nacht. Der Wind kämmt durch den alten Ahorn vorne am verfallenen Jägerzaun. Nicht, dass es helfen würde. Der Gute sieht völlig zerrupft aus. Eins seiner Astlöcher blitzt durch seine trockenen Blätter zu mir herüber. Er ist auch wach geworden. Aber wovon? Ich dehne mein Bewusstsein bis in meinen Schornstein aus. Der alte Wetterhahn auf der kleinen Erkerspitze an meiner Südseite sieht die Straße in ihrer Länge hinab. Die anderen Häuser wurden alle renoviert. Mit diebischer Freude stelle ich fest, dass ich ganz die Alte bin. Niemand wagt sich an mich heran. Aus halb offen stehenden Fensterläden schiele ich sie alle in die Flucht. Der Garten hinter mir wächst mir langsam über den Kopf. Die Brombeerranken haben die Veranda völlig überwuchert und drücken ihre weichen Spitzen unerbittlich in meine Fensterdichtungen.
Ich fühle einen Schatten. Durch die Augen eines Bildes der früheren Bewohnerin in der Diele sehe ich jemanden durch das verstaubte Glas in der Türe starren. Über den damals in Panik fallen gelassenen Telefonhörer mit Samtbezug, der an seinem stoffumhüllten Kabel von der Telefonkommode hängt, höre ich zwei Stimmen. „Ist doch gut, wenn sie nicht da ist! Wir gehen rein und überraschen sie, wenn sie kommt.“ Diese Stimme ist tief und rau, als hätte die Person einen üblen Husten.
„Es sieht nicht so aus, als wäre hier kürzlich jemand gewesen.“ Die zweite Stimme ist mild und klingt nach einem umgänglichen, gutherzigen jungen Mann. Mein Türknauf wird durch eine Hand erwärmt. Neugierig gebe ich nach und lasse zu, dass die beiden eintreten. Es ist komisch, der junge Mann scheint allein zu sein. Er trägt ein Tier unter dem Arm. „Hallo?“, ruft er freundlich.
„Also, für mich sieht das völlig normal aus. Gehen wir in die Küche.“ Das Tier spricht. Mich überrascht das. Sicherlich bin ich auch lebendig, genau wie der Baum und, wie ich ohne jeglichen Beweis vermute, die Brombeeren draußen, aber sprechen kann keiner von uns. Ach nein, halt, ich habe ja Telefon.
„Diese Küche ist ewig nicht benutzt worden“, sagt der junge Mann nah an den Terrakottakürbissen auf dem Küchentisch. Ein dicker Frosch windet sich aus seinem Griff und landet direkt vor meinem breiten Kürbisgrinsen. Ich dehne prüfend den gebrannten Ton. Ich könnte nach ihm schnappen. Ich könnte ihm den alten Nippes direkt in die grüne Visage platzen lassen. Er glubscht um sich. „Das ist doch alles nur Show“, rülpst er. „Die weiß, dass wir hier sind. Die spielt mit uns.“
Redet er von ihr? Die mir Verstand und Gespür verliehen hat? Wie wagt er es, von ihr zu reden? Vor Wut gluckere ich mit den alten Leitungen. „Da läuft jemand oben rum. Die denkt, wir hören das nicht. Hoch!“ Der Frosch befielt. Mit einem kräftigen Stoß seiner grünen Schenkel springt er vom Tisch und verrückt ihn glatt um eine halbe Kachel. Ich warte nicht weiter ab. Die Küchentür trifft ihn frontal mitten im Flug. Er prallt ab, durch den Telefonhörer klingt das wie eine platzende Papiertüte. Der junge Mann verschwindet kurz aus dem Sichtfeld der Kürbisse und taucht mit dem benommenen Frosch wieder auf. Laut stöhnend lasse ich den Kühlschrank das Gleichgewicht verlieren. Der junge Mann erkennt die Gefahr, flitzt wendig durch den Spalt zwischen kippendem Froster und sich schließender Küchentür und schlägt der Länge nach hin, über meine Lachfalten im Teppich. In seinem Sturz kann er den Frosch gerade noch von sich strecken, sodass er nicht auf ihn fällt. Dabei berührt die kalte Haut meinen empfindlichen Holzboden. Ich schüttele mich angewidert, sodass der alte Kalender von der Wand fällt. Die Kante verfehlt ihn knapp. „Die ist uns über“, quakt er. „Lauf! Rette mich!“ Ekel bereitet mir eine Gänsehaut. Alle Nägel in den Dielenbrettern stellen sich mir auf. Die unter Spannung stehenden Bohlen schnalzen den beiden Eindringlingen um die Ohren. „Raus!“, bellt der Tümpelhocker. Mit großen Schritten hetzt der junge Mann zur Tür. Ich will eigentlich dicht halten und beide wie Rosinen trocknen, aber ich kann mich nicht kontrollieren. Zu lange habe ich geschlafen und vor lauter Schreck und Verwirrung muss ich gähnen. Die zwei schießen aus meinem Maul wie eine Spuckefontäne. Vom Dacherker aus sehe ich, wie der Ahorn ihnen fröhlich Fußangeln mit den Wurzeln stellt. Ihr Geschrei wirkt entspannend auf mich. Wie haben mir menschliche Laute gefehlt! Schließlich schaffen sie es durch das Gartentor. Ich winke zum Abschied mit dem Zaunpfahl. Verträumt lausche ich noch dem in der Ferne verklingenden Wehgeschrei. Irgendwann schlägt eine Autotür. Ich bleibe noch etwas wach und betrachte den Mond. Er scheint es eilig zu haben. Der Ahorn pennt schon wieder. Ich schnappe noch kurz mit einem Fensterladen nach dem Gestrüpp auf der Veranda. Dann dämmere ich hinüber in einen Traum.

Erwacht

Darf ich mich vorstellen? Ich bin das verlassene Haus am Ende des Rabenwegs und meine Wände atmen uralte Geschichten unzähliger Leben. Ich liebe diese dunklen Herbstnächte, in denen der Wind die letzten Blätter von den Ästen zupft und an meinen Fensterläden zerrt. Ich habe viele Menschen kommen … und keine gehen sehen.

Schritte hallen auf dem Kopfsteinpflaster, als sie sich dem verfallenen Tor in der Steinmauer nähern. Die Eingangstür knarzt, als sie sie aufstoßen, und ihnen der vertraute Hauch von Moder entgegenweht. Ich lausche ihrem aufgeregten Flüstern, als sie Geschichten über meine Vergangenheit austauschen. Ein tragisches Liebesdrama, ein düsterer Pakt mit übernatürlichen Mächten, verlorene Seelen, die in meinen Mauern gefangen sein sollen. Wüssten sie, dass es keine Geschichten sind, hätten sie längst die Flucht ergriffen. Doch sie durchstreifen Raum um Raum … mit nichts als Laternen bewaffnet. Sie finden alte Tagebücher, verblasste Fotografien und vergilbte Briefe, die von Liebe und Verlust erzählen. Doch je tiefer sie in meine Geheimnisse vordringen, desto mehr werden sie ein Teil von mir.
Ich atme meinen eisigen Hauch über ihre Nacken und Legenden und Geschichten werden lebendig. Zu spät begreifen sie, dass ich sie nie wieder gehen lasse. Die Nacht wird dunkler, die Laternen erlöschen und sie gehören mir.

Ich bin das verlassene Haus am Ende des Rabenwegs und meine Wände atmen nun auch die Geschichte ihres Lebens. Ich liebe diese dunklen Herbstnächte, in denen der Wind die letzten Blätter von den Ästen zupft und an meinen Fensterläden zerrt. Ich habe viele Menschen kommen … und keine gehen sehen.