Seitenwind Bonuswoche 8: Weihnachtlicher Ausrutscher

Ich bin kein Gott

Prokrastination, das schwere Wort, welches jeder aber irgendwo mal für sich erlebt. Es legt sich wie eine schwere Decke über den Körper, der eigentlich gerade etwas wichtiges zu erledigen hätte. Prokrastination gibt es in unterschiedlichsten Variationen. Ich kann nur aus der Sicht des Autors davon berichten. Und da ist es ganz einfach. Je weiter eine Deadline für ein Buch weg ist, desto weniger arbeite ich daran. Lass mich zu leicht ablenken. Ich bin mal einem Schmetterling, der an meinem Arbeitszimmerfenster vorbei geflogen ist, eine halbe Stunde gefolgt. Fand ihn einfach schön. Am Ende habe ich eine Stunde wieder nach Hause gebraucht. Ich stand mitten im Wald, ohne Smartphone und wusste nicht, wo es zurück in die Zivilisation ging.
Jetzt sitze ich hier und schreibe diesen Geistertext. Er hat nichts mit der eigentlichen Handlung meines Buches zu tun. Es ist auch eher unwahrscheinlich, dass diese Zeilen jemals jemand zu lesen bekommt.
Es ist kurz vorm heiligen Abend, die Familie ist außer Haus und ich habe mir das Ziel gesetzt, bis zum Ende des Jahres noch zwanzig Seiten zu schreiben. Dann geht das Ganze zu meinem Lektor. Ich sitze also hier vor meinem Laptop und schreibe diesen Geistertext, in der Hoffnung, dass mir gleich noch was Sinnvolles einfällt. Habe die Rollos herunter gelassen, nur meine Lavalampe am Schreibtisch und das Licht des Laptops sorgen für leichte Schatten in meinem Arbeitszimmer.
Zweihundertdreißig Wörter Geistertext, pure Ablenkung.

Mit einem Mal höre ich ein seltsames Geräusch aus dem Wohnzimmer. Möglicherweise Holz, das arbeitet. Sind erst vor kurzem in unser frisch gebautes Haus gezogen. Holzkonstruktion, sehr natürlich. Knackt natürlich auch hier und da. Das muss so.
Höre wieder etwas. Glaube, es kommt aus der Küche. Okay, offnes Wohnkonzept. Im Grunde ist es ein großer Bereich dort. Habe nach der kurzen Zeit aber schon herausgefunden, von wo welches Geräusch kommt.
Texte kurz meiner Frau, ob sie doch schon wieder zu Hause sind und mich nur nicht stören wollten. Aber nein, die kommen erst Übermorgen zur Bescherung wieder.
In meiner Magengegend rumort es etwas und ich erinnere mich daran, dass sie mir einen Teller Kekse auf die Theke in der Küche gestellt hat. Wenn ich schreiben will, bereitet sie immer solche Kleinigkeiten für mich vor. Liebe das.
Ich öffne die Tür des Arbeitszimmers und daraufhin knallt es aus dem Wohnzimmer, als bricht eine komplette Abteilung Ikea Regale in sich zusammen. Ein tiefer Schrei hallt durch das Haus und eine Kugel unseres Weihnachtsbaumes rollt langsam an mir vorbei. Ich bleibe wie angewurzelt stehen und lausche. Höre das brummeln von einer Person, die sich, dem rascheln zu urteilen, versucht aus dem Weihnachtsbaum zu befreien.
Fragen Sie mich nicht, warum ich nicht sofort die Polizei rufe oder etwas zur Selbstverteidigung suche. Die Neugierde packt mich einfach und ich gehe links um die Ecke, um einen Blick auf den Eindringling zu erhaschen.
Ungläubig erblicke ich einen älteren Herren, der sich soeben wieder auf die Beine gekommen ist und sich noch ein paar Tannennadeln von seinem roten Mantel entfernt. Ich muss hier nicht groß beschreiben, wer da steht. Glauben kann ich es aber nicht. Als er mich sieht, meine ich denselben Unglauben in seinem Blick zu erkennen.
»Michael, was machst du denn hier,« spricht der Mann mich direkt an. »Hier sah alles dunkel aus. Ich dachte ihr wärt alle in Darmstadt.« Er hält sich seinen Zeigefinger ans Ohr und spricht in ein Lippenmikrofon, was wie aus dem Nichts erschienen ist. »Rudolph, hier Big Daddy, wir haben hier ein Problem. War für die 21 nicht Leerstand angekündigt?« Er hört einen Moment zu, nickt ein paar Mal und richtet seine Aufmerksamkeit dann wieder auf mich. »Also gut, irgendwas ist hier schief gelaufen,« sagt er entschuldigend, »wir dachten, ihr macht alle einen Ausflug zu Freunden. Deshalb wollten wir hier ein paar Geschenke da lassen.« Er spricht zu mir, als wäre es das Normalste der Welt, dass er hier steht. Ich fühle mich irgendwie blockiert. Hätte so viel zu sagen, bekomme aber kein Wort heraus. Gleichzeitig fühlt es sich aber auch völlig natürlich an. Er redet weiter. »Du fragst dich sicher tausend Sachen. Lass mich schnell erklären. Also äh, die Kurzfassung. Ich kann nicht jedes Jahr überall sein. So sehr sich der Aberglauben auch hält. Aber ihr helft einfach alle so gut mit und das wissen wir zu schätzen in der Firma.« Er setzt sich auf das große L-Sofa und gibt mir mit einem einladenden Wink zu verstehen, es ihm gleich zu tun. Wie zwei alte Bekannte sitzen wir da und wie aus dem Nichts habe ich ein Glas Milch in der Hand. »Wir haben daher das »vielen Dank« Programm ins Leben gerufen. Recherchieren jedes Jahr, wo wir tätig werden können, und dieses Jahr wart ihr halt dran. Dass das jetzt so gelaufen ist, tut mir wirklich leid.« Er schaut an mir vorbei zum demolierten Weihnachtsbaum. »Das mit dem Baum, puh, dass war was. Ich hab mich so erschrocken als du die Tür auf gemacht hast. Dachte ein Einbrecher steigt ein.« Er schnippst mit den Fingern und als ich mich Umdrehe, steht der Baum wieder in voller Pracht vor dem Fenster. Mein Blick wandert zur Küche und ich erblicke den Teller mit den Keksen. Nur ohne die Kekse.
»Ah, ja. Ich dachte, die Kekse wären für mich. Alte Angewohnheit,« erklärt er entschuldigend. Endlich finde ich meine Stimme wieder, als ich mich wieder zu ihm drehe.
»Schon gut,« ist aber auch gerade das Einzige, was mir einfallen will. Er lächelt mich großväterlich an und ich gehe gerade davon aus, dass er mir mit einem Fingerschnippen neue Kekse herzaubert. Er scheint meinen Gedanken zu erahnen und legt mit einem breiten Grinsen den Kopf schief.
»Junge, ich bin doch kein Gott. Die Kekse bekomme ich niemals so gut hin, wie deine Frau.« Wir müssen beide lachen und stehen gleichzeitig auf, als wäre das ein ganz natürlicher Satz vor einem Aufbruch gewesen. Ich bringe ihn zur Tür. Dort dreht er sich zu mir um und reicht mir die Hand. Ich ergreife sie und das ist der Moment, wo ich zwei weitere Wörter heraus bekomme.
»Big Daddy?«
Er muss laut lachen. Ein altes, gutmütiges Lachen, das durch das ganze Haus schallt. »Ach weißt du, die Rentiere haben sich den Codenamen ausgedacht. Ändert sich jedes Jahr, es macht ihnen Spaß.« Ich nicke nur. Total logisch, denke ich mir.
Er verlässt das Haus und ich schaue ihm noch kurz hinterher. Er geht tatsächlich auf einen Schlitten zu, der in unserer Einfahrt parkt. Eine Gruppe Rentiere davor gespannt, mit Fliegerbrillen und Schals. Sie scheinen sich zu unterhalten. Als sie startklar sind, nickt mir doch tatsächlich das vordere der Tiere lässig zu. Seine Nase beginnt rot zu blinken und alle setzen sich in Bewegung.
Niemand in der Nachbarschaft scheint hiervon irgendetwas mitzubekommen. Die sind aber auch leise.
Und dann sind sie weg.
Ich gehe wieder ins Wohnzimmer und schaue mir den Baum an. Ein paar schön verpackte Geschenke liegen drunter. Wie erklärt man das?
Ist nicht wichtig, denke ich mir. Ich setze mich zurück an den Schreibtisch, merke, wie die Erinnerung an das eben Geschehene schon zu verblassen scheint. Seltsam.
Schreibe es schnell auf in diesem Geistertext. Den eventuell niemand jemals lesen wird.

Ich habs, ich stelle ihn gleich in ein Autorenforum. Viele gute Leute, die auf Geschichten stehen. Es ist zwar passiert, aber es glaubt mir ja sowieso niemand. Aber vielleicht gefällt es einigen.
So kurz vor Weihnachten. Nach so einem Jahr.
Wir brauchen mehr schöne Geschichten. Das ist hoffentlich eine davon.

Frohe Weihnachten ihr Lieben

Das Fest der Familie

So kann es wirklich nicht weitergehen.

Meterhoch stapeln sich die Kartons im Kofferraum, während ich versuche die Klappe zu schließen. Keine Chance. Als wollte sie, dass ich auch noch mein letztes Geld für einen Anhänger ausgebe. Natürlich. Weil es ja meine Schuld ist, dass jeder in der Familie auch noch drei bis zwölf Kinder mitbringt und die Blagen alle erwarten, auch von mir ein Geschenk zu bekommen. Und was bekomme ich? Rechnungen, eine dreckige Wohnung und nerviges Geschrei. Fest der Liebe? Pah. Ein Fest der Hiebe würde ein paar von denen ganz guttun. Weiß schon, warum ich keine Kinder habe.

Es knirscht, als ich mich mit dem vollen Gewicht gegen das Auto lehne und die Klappe endlich einrastet. Hoffentlich nur eines der billigen Plastikspielzeuge und nicht etwas an meinem Auto. Nach der Einkaufstour kann ich mir die Reparatur garantiert nicht mehr leisten. Und es fehlt noch ein Baum, Zutaten für das Weihnachtessen, Dekoration. Verdammt. Hoffentlich ist die Bank in Weihnachtsstimmung, wenn ich ihnen erklären muss, das Konto wieder überzogen zu haben. Ich sollte jedem meiner Geschwister eine meiner Rechnungen schenken.

Wie bin ich nur auf die bescheuerte Idee gekommen, ihnen anzubieten bei mir zu feiern? Die kleinsten Fehler verfolgen einen für Jahre. Fehler aus Jahren, in denen ich noch einen Job hatte. „Aber es war so schön, letztes Jahr, das sollten wir wiederholen.“ Für dich vielleicht. Deine Wohnung sah danach nicht aus wie nach einem Anschlag. Aber ich kann ihnen doch auch nicht einfach nein sagen. Für was für einen Versager würden sie mich halten?

„Fahr, du Idiot!“, brülle ich das Auto vor mir an, während ich mich durch den endlosen Feierabendverkehr quäle. Ein Plastikschwert piekt mich in die Schulter. In einer Woche wird es doch nur in der Ecke liegen. Einfach kurz nach Hause, alles ausladen und auf die nächste Odyssee.

Wenig später schiebe ich die Geschenke genau so sanft in den Aufzug, wie ich sie auch in den Kofferraum gepackt habe. Keine Zeit für Vorsicht. Wehe, es will jetzt auch noch jemand dazu steigen.

Meine Wohnungstür ist offen. Habe ich sie offengelassen? Soll mir nur recht sein, dann muss ich sie nicht – mit Kartons beladen – aufschließen. Mit dem Fuß schiebe ich einige Kisten hinein. Das Licht ist auch noch an. Na toll.

Und dann stehen wir uns gegenüber. Auge in Auge. Einige Sekunden lang sind wir beide wie erstarrt, überrascht den anderen zu sehen. Klischeehafter könnte es nicht sein. Roter Mantel, langer Bart, ein rundes Gesicht, und eine Brille auf der Nase. In der Hand…meine Mikrowelle.

„Ernsthaft.“, ist das einzige was ich zustande bringe. „Es ist kein Geld im Haus. Glaub mir, ich habe schon geschaut. Die Mikrowelle ist übrigens kaputt.“

Er stellt sie langsam auf dem Boden ab, dann schaut er auf den gigantischen Stapel Kartons in der Tür. Wieder zu mir. Unruhe in seinen Augen. „Tut mir leid.“, murmelt er. Die Stimme könnte fast die eines Weihnachtsmanns sein, warm und rund, wie ein Großvater, der Geschichten erzählt. „Ich wusste mir nicht anders zu helfen. Meine Kinder…“ Er schaut noch einmal auf den Stapel Kartons. „… du verstehst? Habe meinen Job verloren.“

Ich verstehe. Sehr gut sogar. „Und das Kostüm?“

„Fällt weniger auf. So viele Weihnachtsmänner in der Stadt unterwegs.“

„Nimm es.“, sage ich und deute mit dem Kopf auf den Stapel. „Brauchst es wahrscheinlich mehr als die Blagen meiner Geschwister.“

So wie er mich anschaut, glaubt er mir kein Wort. Warum sollte er auch? Wer schenkte schon seinem Einbrecher die Mühsam zusammengesammelten Geschenke. Ich. Keine Lust mehr auf die Familie. Keine Lust auf verwöhnte Bratzen, die mich anschreien, weil ihr Dino die falsche Farbe hat. So sahen die halt aus, du undankbares Stück… Die beste Gelegenheit dieses Weihnachtsfest zu dem besten seit Jahren zu machen. Allein. „Klar. Die Hausratsversicherung haben sie noch nicht gekündigt. Und meine Geschwister haben deutlich mehr Geld als wir beide, die kommen klar.“

„Also. Ich. Ähm. Danke?“

„Keine Ursache.“

„Du wirst nicht die Polizei rufen?“

„Hab dich nie gesehen. Kam hier an, Tür war offen, Geschenke weg. Am besten nimmst du noch ein paar andere Sachen mit.“

„Du verarscht mich.“

„Nein. Hör zu. Meine Familie gibt einen Dreck auf mich, aber deine scheint besser zu sein. Du bekommst ein Weihnachtsfest, ich werde meins los und bekomme Geld von der Versicherung. Win-Win.“ Oh nein. Jetzt bricht er auch noch in Tränen aus. Fühlt sich fast ein bisschen gut an, wenn auch etwas seltsam. Immerhin ist er ein Einbrecher.

„Danke.“, sagt er durch die Tränen. „Du weißt nicht was mir das bedeutet.“ Mühsam schiebt er die Kartons in Richtung Aufzug und zieht die Tür hinter sich zu. Schade eigentlich, dass er das Schloss nicht auch noch aufgebrochen hat. Alles für die Versicherung.

Langsam lasse ich mich in meinen abgewetzten Sessel sinken und ziehe mein Handy. Wähle. Es tutet und die gewohnte Stimme meiner Schwester meldet sich. Im Hintergrund kitschige Weihnachtslieder und Kindergekreische. „Du wirst mir nicht glauben, was passiert ist.“, sage ich und versuche mein Grinsen herunterzukämpfen und niedergeschlagen zu klingen.

„Wir müssen die Feier bei mir leider absagen.“

Ein Weihnachtsmärchen

Wie jedes Jahr ist die Vorweihnachtszeit, die stressigste Zeit im Jahr. Jeder scheint der Meinung zu sein, nach Weihnachten geht die Welt unter, denn bis dahin muss alles erledigt sein.

Gestern war ich so genervt von meinem Job, dass ich beschloß im Dunkeln im Wald spazieren zu gehen. Nachdem ich eingekauft hatte, machte ich mich mit dem Auto auf den Weg. Natürlich war der Verkehr in der Stadt wieder mal katastrophal. Über eine Stunde brauchte ich, um aus der Stadt zu kommen. Zwischenzeitlich hatte ich sogar schon meinen Entschluss bereut und wollte umdrehen. Doch alleine im verschneiten Wald herumzuwandern, war ein Erlebnis, das man nur selten machen kann.
Nach gefühlten Ewigkeiten stellte ich mein Auto am Waldfriedhof ab und machte mich auf den Weg in die Dunkelheit. So dunkel war es allerdings nicht. Der Mond schien klar vom Himmel und sein Licht spiegelte sich im frischen weißen Pulverschnee.
Völlig unbekümmert ging ich in den Wald. Welch eine herrliche Stille.
Mir fiel das Lied Stille Nacht ein und ich summte es vor mich hin. Die Luft war kalt und klar. Der Schnee knirschte unter meinen warmen Füßen.
Wie lange ich gegangen war, weiß ich nicht mehr, jedenfalls kam ich an die große Lichtung im Wald. In ihrer Mitte befindet sich ein zugefrorener See.

Eine Eule flog lautlos über meinen Kopf und landete etwa 50 Meter von mir im Schnee.
Herrlich, ich entspannte mich total und ging weiter.
Nach der Lichtung sah ich im Wald rote Lichter und hörte ganz zarte Glöckchen klingen.
Neugierig näherte ich mich den roten Lichtern.

„Hallo, können sie mir helfen?“ fragte mich ein älterer Herr im roten Mantel und Zipfelmütze.
Sein Bart, war weiß, lang und glitzerte wie der Schnee im Mondlicht.

„Guten Abend,“ sagte ich zu ihm. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Ähmm,“ sagte er, „Ich bin der Weihnachtsmann und Rudi mein Rentier ist heute völlig ausgeflippt. Über den Schnee hat er sich so gefreut, dass er viel zu eng in die Kurve ist. Nun ist mein Schlitten umgekippt und ich bekomme ihn alleine nicht mehr aufgerichtet. Ich bin völlig im Stress, denn ich muß ja noch all die Pakete an die Kinder ausliefern. Und jetzt hat noch die Hexe Walburga mir einen Schuss in den Rücken gesetzt. Ich kann mich nicht mal bücken. Ich bitte sie, helfen sie mir!“
Eindringlich schaute ich den rundlichen Mann vor mir an. An den Weihnachtsmann glaubte ich seit meinem 4 Lebensjahr nicht mehr. Das war bestimmt eine Falle.
„Wenn sie mich auf den Arm nehmen wollen, dann werden Sie das bereuen. Geld habe ich keins dabei,“ sagte ich zu ihm.
Er schüttelte den Kopf. „Tja, dann gehören sie zu den Menschen, deren Eltern nicht mehr an den Weihnachtsmann geglaubt haben, denn wer nicht an mich glaubt, der bekommt auch nichts geliefert oder geschenkt von mir. Das gehört zu meinem beruflichen Leitbild!“

Erstaunt schaute ich ihn an. „Wer nicht an Sie glaubt, bekommt auch nichts?“
„Ja, genau so ist es. Warum sollte ich Kindern was schenken, wenn sie von ihren Eltern, Großeltern, Tanten und Onkels beschenkt werden?“

Was er da zu mir sagte, machte mich nachdenklich.
„Also belügen die Eltern ihre Kinder, in dem sie ihnen was vom Weihnachtsmann erzählen, aber selbst nicht daran glauben,“ sagte ich zu ihm.

„So kann man es auch sehen,“ meinte er und versuchte ein Paket vom Schlitten zu nehmen.
„Ok, also, da ich sie kennengelernt habe, weiß ich jetzt, dass es den Weihnachtsmann wirklich gibt. Würde das bedeuten, meine Kinder würden nächstes Jahr von Ihnen beschenkt werden?“

„Ja, wenn sie mir helfen meinen Schlitten wieder flott zu machen, denn ansonsten bin ich nächstes Jahr beim Arbeitsamt gemeldet, weil ich meine Arbeit nicht erledigt habe.“

„Ist ja schon gut, ich helfe ihnen, egal ob sie der Weihnachtsmann sind oder nicht,“ gab ich ihm zur Antwort.

Es dauerte ewig bis wir die vielen Pakete vom Schlitten geladen hatten. Mit vereinten Kräften richteten wir ihn auf und packten die Geschenke wieder auf ihn.
Beide kamen wir dabei ins Schwitzen.
Der Weihnachtsmann lächelte mich an. „Gutes erwachsenes Kind. Dieses Jahr wird sich dein innigster Wunsch erfüllen.“
Erstaunt schaute ich ihn an. Woher wußte er was ich mir so wünsche.

Da es verdammt spät geworden ist, durfte ich mich auf seinen Schlitten setzen und er brachte mich zu meinem Auto.
Herzlich verabschiedeten wir uns von einander.
Im Auto sang ich sämtliche Lieder, die mir einfielen vom Weihnachtsmann.

Heute morgen erwachte ich und als ich in den Spiegel schaute, sah ich, dass der Weihnachtsmann mir meinen Wunsch erfüllt hat. Statt einen Mann mit Glatze, schaute mich eine Frau mit langen schönen Haar an.

Kaffeepause somit verlängert… Ich danke allen die zu meinen Beiträgen kommentiert haben. Ich wünsche euch eine besinnliche Weihnachtzeit und einen guten Übergang ins neue Jahr. Bleibt heil und ganz und vor allem - G´sund…

Die Rolle ist leer.

Mein Blick bleibt an dem dünnen Pappröllchen hängen. Links unten baumelt ein klitzekleiner Rest Klopapier. Ach verdammt. Ich beuge mich nach rechts zur Nachfüllschublade. Mein linkes Bein dankt es mir und bekommt wieder ein wenig Gefühl nach der langen Sitzung.

Die Schublade ist ebenfalls leer. Keine neue Rolle.

Ich verfluche meine beiden Kinder. Das wird jetzt unangenehm. Ich sitze im ersten Stock. Unten in der Gästetoilette sollten frische Rollen sein. Es ist 1:30 Uhr in der Nacht. Alle schlafen bereits. Normalerweise würde ich ebenfalls im Bett liegen, aber der Rollbraten meiner Mutter liegt mir schon den ganzen Tag schwer im Magen. Mitten in der Nacht fiel ihm ein, er könnte ja früher abreisen als gewöhnlich. Ich hatte da kein Mitspracherecht.

Leise stemme ich mich hoch. Die Badtür lasse ich geöffnet, damit mir das wenige Licht auf dem Weg nach unten hilft. Die Hose halbherzig hochgezogen meide ich die knarzenden Stellen auf den Stufen nach unten. Ich kriege es ganz gut hin.

Mein nackter Hintern wird kühl. Ich schleiche ins Gästeklo und Voilá: drei Rollen stehen im Regal. Vierlagig und mit Vanilleduft. Viel besser als das Eigene oben im Bad. Gästebonus würde meine Frau jetzt sagen. Angeberei wäre meine Wortwahl. Als würde es den Vorgang würdevoller machen, wenn man Vanilleduft zwischen die Arschbacken bekommt.

Ich beende meinen Toilettengang gleich an Ort und Stelle. Spüle kurz nach. Tappe durch den Flur und werfe einen flüchtigen Blick ins Wohnzimmer. Der Christbaum ist hell erleuchtet. Den Lichtschalter habe ich gegen 22 Uhr ausgemacht. Da bin ich mir sicher. Aber vielleicht habe ich es doch vergessen und die Erinnerung rührt vom Vorabend. Egal. Ich gehe ins Wohnzimmer, tippe mit dem Fuß auf die Lichtleiste. Halte kurz inne. Da liegen Geschenke unter dem Baum. Nicht von mir. Ich habe noch kein einziges Geschenk eingepackt. Die Hälfte habe ich noch nicht mal eingekauft. Wir Männer machen das immer erst im allerletzten Moment. Das ist das Beste an Weihnachten: kurz vor Schluss sind ausschließlich Männer unterwegs. Keine langen Warteschlangen an den Kassen, entspanntes und gezieltes Einkaufen innerhalb kurzer Zeit. Kein Nörgeln und Drängeln. Und notfalls kauft man einen Gutschein ohne vorwurfsvolle Blicke ertragen zu müssen. Vermutlich hat Mira die Geschenke bereits unter den Baum gelegt und dann das Licht vergessen. Ich mache es aus. Die letzte Stufe oben an der Treppe knarzt.

Ich erschrecke mich ein wenig und halt inne. Etwas raschelt leise im oberen Stockwerk. Langsam bewege ich mich Richtung Treppe. Das Licht aus der Toilette nützt hier unten wenig. An der untersten Stufe bleibe ich stehen und starre nach oben. Die Badetür ist zugezogen, nur ein kleiner Lichtspalt ist zu sehen. Jemand bewegt sich darin. Erneut raschelt es.

„Mira?“

Ich flüstere nur, aber das Rascheln hört auf. Leise steige ich nach oben.

„Mira, geht´s dir gut? Ich habe den Rollbraten nicht vertragen und mir die letzte halbe Stunde die Seele aus dem Leib gesch …“.

Die Badetür wird aufgerissen und jemand – nicht Mira, denn die trägt keinen roten Anzug und eine Mütze zum Schlafen – stürmt aus unserem Bad heraus und hoch in den zweiten Stock. Ich stoße einen erschreckten Laut aus. Etwas zwischen Quieken und Rülpsen. Die Person scheißt auf die Stille und flüchtet laut polternd nach oben. Ich renne hinterher. Stolpere und falle auf ein Knie. Das tut höllisch weh. Mira kommt aus dem Schlafzimmer gewackelt und schafft es, mich mit müden Augen böse anzusehen, ehe sie wieder verschwindet. Oben steht ein Fenster offen. Ich beuge mich hinaus und kann nichts sehen. Nichts und niemanden. Das ganze Haus suche ich ab, schleiche durch die beiden Kinderzimmer und schau unter die Betten. Sehe in die Schränke. Alles wie immer. Kein Fremder in roten Klamotten irgendwo. Könnte man verrückt von werden, wenn die Müdigkeit nicht wäre. Habe ich mir wohl nur eingebildet. Ist ja auch zu abgefahren. Wahrscheinlich hat Mira das Fenster aufgelassen, so wie die Lichterketten am Weihnachtsbaum.

Ich muss schlafen. Schnell noch den fermentierten Rollbraten weggespült und dann ins Bett. Leise gehe ich ins Bad. Es riecht echt nicht gut hier drin. Jemand hat bereits abgezogen. Die Schüssel ist leer. Ein kleiner Streifen mittig ist noch vorhanden. Ich benutze die Klobürste. Gehe aus dem Bad und will das Licht löschen. Eine neue Rolle Klopapier ist eingelegt worden. Viele kleine Rentiere mit roten Nasen sind darauf zu sehen, dazwischen Sterne und Funken. Dick und vierlagig. Sieht weich aus. Echt schönes Klopapier. Wo Mira das gekauft hat? Besser als das für die Gäste. Ich grinse.

Lösche das Licht und gehe endlich schlafen.

Weihnachtsstress

«Ich weiss bei Gott wieder nicht wo mir der Bart steht». Der in einem roten Trainingsanzug dasitzende Mann, kratzt sich an der Zipfelmütze. Seine Gedanken kreisen um den heutigen Tag. Es ist immer das Gleiche. Das ganze Jahr nichts zu tun, dann plötzlich Stress pur. Er schaut in die Runde und winkt den Wichteln zu. Die sind seit Tagen damit beschäftigt tausende Geschenke einzupacken.

Ich starte dieses Jahr als Tsenter Kloas in den Niederlanden. Ist gebucht. Als nächstes kommt St. Niklas in Wien und Umgebung. Wichtig ist der Morgenexpresso im Vatikan mit dem Papa. Ich muss ihn wie jedes Jahr auf den Stress an diesem Tag ansprechen. Aber ich weiss jetzt schon, er wird daran nichts ändern wollen. Nach dem gemeinsamen Plauderstündchen geht es als Samichlaus in die Schweizer Berge. Kleines Land aber vielsprachig. Da bin ich gefordert. Nach mehreren weiteren Einträgen in seinem Terminkalender, kommt der Sprung nach Osten. Dort ist Mikulas angesagt. Noch weiter im Osten ist Grossväterchen Frost zu Gast. Ich muss dringend meine Sprachkenntnisse verbessern. Mit einem Klick auf sein Tablet bucht er auch diese Termine. Oh ich habe Kleeschen vergessen. Den drücken wir noch irgendwo dazwischen. Die Luxemburger Kinder wollen mich ganz sicher auch noch sehen. Nach dem Father Christmas in England geht’s schwupp über den Teich. Bevor ich mich als Papai Noel in Brasilien zeige, sind auch dort noch einige weitere Besuche angesagt.

Doch dann ist für dieses Jahr Feierabend. Ich lege mich genüsslich an den Strand und geniesse den Sonnenuntergang. Zum Schluss checkt er nochmals alle fast zweihundert Termine die anstehen. «Packen wir’s an!». Die fleissigen Wichtel applaudieren ihrem Nikolaus zu. «Das wird ein toller Tag». Er wirft sich in seine Berufskleidung, zupft seinen Bart zurecht. Zuletzt pfeift er Knecht Ruprecht zu sich und los geht’s.

Ein seltener Gast

Leise erklang die Musik aus den Lautsprechern, bis sie schließlich verstummte. Enttäuscht drehte ich den Kopf zur Stereoanlage. Warum musste die wundervolle Musik so schnell zu Ende sein? Ich hatte die Ruhe um mich herum so genossen, nur erfüllt vom fünften Klavierkonzert Beethovens, bei der ich so gut abschalten und abtauchen konnte.

In die einkehrende Stille hinein hörte ich ein schabendes Geräusch aus dem Nebenzimmer. Etwas wurde am Boden hin und her geschoben, was beinah ein noch unangenehmeren Laut hervorbrachte. Erschrocken setzte ich mich gerade in meinen Fernsehsessel, um noch einmal zu lauschen. Im ersten Moment war nichts zu hören.

Natürlich!

Warum war Moritz gerade heute auf dieser blöden Weihnachtsfeier? Erst als ich vor der Tür zum Nebenzimmer stand, bewaffnet mit einer halb vollen Wasserflasche, hörte ich erneut schabende Geräusche und leises, ungehaltenes Murmeln. Hastig riss ich die Tür auf, gespannt, was mich erwarten würde.

Vor mir stand ein Mann, gekleidet in roter Hose, ebensolcher Jacke und einer pelzbesetzten Kapuze, der völlig in seine Arbeit vertieft war. Ich starrte den Besucher vor mir entgeistert an, ehe ich ihn schweigend kurze Zeit beobachtete. Gab es ihn also doch?, fragte ich mich.

Da er meine Anwesenheit nicht zu bemerken schien, räusperte ich mich. Viel zu laut, wie ich glaubte. Mein Gast fuhr mit weit aufgerissenen Augen zu mir herum. Die ergrauten Haare flogen nur so herum, genauso wie der brustlange Bart. Das offensichtlich freundliche Gesicht wirkte auf mich erschrocken, sein bereits leerer Jutesack baumelte trostlos an seiner Seite. Hinter ihm waren bunte Päckchen zu erkennen.

Ich war sichtlich irritiert über diesen unerwarteten Besucher. Wie oder wo er hereingekommen war, wollte ich gar nicht erst hinterfragen, da ich wusste, dass der Weihnachtsmann schon seit meiner Kindheit immer einen Weg fand.

„Ich dachte, ich wäre allein …“, nuschelte mein immer noch ratloser Besucher. Ich lächelte ihn freundlich an, während ich sachte den Kopf schüttelte. „Wie du siehst, bin ich auch hier …“, teilte ich ihm belustigt mit, mein Grinsen wurde breiter. Ja, es gab ihn also doch, den Weihnachtsmann. Warum konnte ich daran auch zweifeln.

Ruckartig drehte er seinen Kopf, starrte auf die nur angelehnte Tür hinter mir. Jetzt hörte ich auch jemanden nach mir rufen. Moritz war schon hier, stellte ich unnötigerweise fest.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte sich der rot gekleidete Besucher dem Fenster zu. Trotz seines großen Bauchumfangs verschwand er behände durch den geöffneten Flügel. Nur der Jutesack und die Päckchen blieben zurück!

  • Ende-

Dieses Jahr anders.

Der Weihnachtsmann kam durchs Fenster.
Erst plumpste der Sack auf den Boden, dann folgte Santa Claus. Rappelte sich auf, rückte seine versteckte Bauchprothese (dickes Kopfkissen) zurecht und sah sich um.
„Ahhh… Da steht er ja! – Noch nackt. Das kommt mir entgegen. - Stattlich und kerzengerade. - Nordmanntanne ist ok. Sieht stabil aus.“
Er dreht den Baum ein wenig: „Holla! Doch nicht ganz gleichmäßig … Dieser Zweig muss weg und den hier binde ich hoch!“

„Heh! Hör auf, an mir herumzureißen!“

Der Weihnachtsmann reagiert nicht.

„War ja klar! Ein Scharlatan! Habe ich sofort erkannt. Wärst du echt, könntest du mich hören. Weißer Rauschebart, rot-weißes Kostüm a la Cola Werbung amerikanischer Art, genügt eben nicht, um Weihnachtsmann zu sein. Außerdem schaut unser modernes Weihnachtspersonal inzwischen anders aus. Femininer. “

Der Weihnachtsmann, vulgo Santa Claus, kichert leise in sich hinein: „Dieses Jahr also anders. Da wird sie staunen. Wo ist sie überhaupt, die Lady? Geld verbraten? Alles neu kaufen? Um im Trend zu liegen? Ha! Ich komm ihr zuvor.“

Die Lady? Er meint wohl die Hausherrin. Eine gebildete Frau mit erlesenem Geschmack. Sieht man am Wohndesign.
Ich glaube, den Typen kenne ich. Was will der hier? Was soll das heißen, ich komm ihr zuvor?

„Pakete dieses Mal auf dem Baum!“ Raues Lachen entweicht Santas Kehle. Er überlegt: „Was solls. Ich lass das mit den Zweigen, die sind stark genug, die Geschenke zu tragen.“
„Spinnst du? Geschenke gehören unter den Baum. Nicht drangehängt! Willst du mich umbringen? Wie sollen meine feinen Glieder diese Paketlast tragen? Ich bin eine Tanne und kein…Metallständer.“
Santa Claus sortiert Pakete und Päckchen und wickelt einige Größere mit Draht an die unteren Zweige.
„Bleib gerade stehen“ befiehlt er dem Baum „ Ich hoffe, sie haben dich anständig
befestigt.“
„Was denkst du denn? Und wie! Einbetoniert haben sie mich, wie von der Mafia. Eine Riesenschraube in meinen Körper gebohrt. Wie soll ich da nicht gerade stehen!
Ehrlichkeitshalber muss ich zugeben, es war kein Beton, sondern schwerer feuchter Sand. Die Lady hat darauf bestanden. Damit ich es auf meine letzten Tage angenehmer habe. Als Tanne oder Fichte hast du es in diesen Tagen nicht leicht. Für viele von uns ist diese Jahreszeit tödlich. - Warum müssen wir überhaupt sterben? Wofür? Völlig konträr zur wundersamen Weihnachtsbotschaft?! Die vergessen die Menschen meist.
Ein Baum muss sein. Möglichst üppig geschmückt, im neuesten Trend. Wie ist der heuer? Rosa, blau, golden … ? Wie auch immer. - Lametta? Natürlich nicht. Gibt es das überhaupt noch?
Warum muss es ein lebendiger Baum sein? Lasst uns leben und holt euch einen Künstlichen. Da gibt es ganz tolle. Ihr liebt doch inzwischen alles was künstlich ist. Von Fleisch und Brot bis hin zur Intelligenz…selbst die gibt es nun künstlich.
Warum also nicht auch ein künstlicher Weihnachtsbaum? Ökologisch sinnvoll, nachhaltig, kann wieder verwendet werden, schmutzt nicht, keine Nadeln im Teppich usw. Nur Vorteile.
Und wir haben noch viele schöne Jahre vor uns .Vielleicht … Man weiß ja nie.
Im übrigen ist die Lady eine sehr nette Frau. Mit Stil, Verstand und Gefühl für Ästhetik. Sie kauft sicher Glaskugeln in zarten Farben. Leider mag sie kein Lametta! Ich schon!
Ich liebe Lametta. Sie findet es kitschig. Dabei ist Lametta nicht kitschiger als quitschbunte Enten, Giraffen und Schweine, Busse, Lastwagen, Hochhäuser, Riesenmäuse und Drachen, welche sich die Leute heute an ihren Baum hängen. Eher passend zu Halloween, Fasching, Carneval. Sagen meine Kollegen.
Ich wäre gerne behängt, von unten bis oben, mit Lametta. Sozusagen geschmückt bis an die Zähne. Ein letztes Aufleuchten vor dem unweigerlichen Ende.
Würdevoll.
Ja, ich weiß, Lametta ist nicht umweltfreundlich! Wie so vieles von dem Trödelkram.
Ok. Edel designt ist auch gut. Dahinscheiden in Schönheit.
Hauptsache, es wird vor mir nicht gestritten, sondern bewundert und gelacht.“

Es knistert und brummelt. Leise rieseln Tannennadeln.
„Was ist nun wieder los? Santa rafft gar nichts?!“

„Herrschaftzeiten! Geh raus da!“
Du lieber Himmel! Was für ein Tölpel! Nun hängt auch noch sein Bart in meinen Zweigen.
„Lass los, du blöder Baum!“
„Wer ist hier blöd? Vorsicht! Meine Nadeln! Nicht so zerren! Hast du kein Feingefühl?“ Ach … Jetzt habe ich eine kahle Stelle. Wie sieht das denn aus?
Santa wickelt ein Band um den ramponierten Zweig.

„Ist das hässlich! Dieser falsche Weihnachtsmann ist dekomäßig eine Nullnummer.
Hoffentlich verschwindet er bald. Lange spiele ich nicht mehr mit. - Nein! Nicht dieses fette Buch genau dorthin. Eine Trilogie! Ich fasse es nicht.“

Santa, inzwischen mit zerfleddertem Bart, die Mütze verrutscht, die Hose ebenso, wischt sich den Schweiß von der Stirn. „So.“ Er atmet tief durch. „Das kommt auf die Spitze. Dann hab ichs.“

„Dieses Riesenei?? Bist du verrückt? Viel zu schwer! Das gibt ein Unglück! Was ist das überhaupt?“

Santa Claus grinst zufrieden.
„Hah! Sieht aus wie Gold. Und ist genau so schwer. Sie wird Augen machen, und glauben…“ Er lacht hämisch „Nein, ich habe nicht im Lotto gewonnen und rückfällig bin ich auch nicht geworden. Aber fündig. In diesem Laden, Bahnhofsnähe, da kriegst du alles!- Schade, dass ich ihr Gesicht nicht sehen kann, wenn sie entdeckt, was es tatsächlich ist!“

„Und ich bin gespannt auf dein Gesicht, wenn du sie gleich siehst!“

Ein Schlüssel dreht sich im Schloss. Die Haustüre wird geöffnet. Santa Claus erstarrt. Flüstert: „Zu früh! Verdammt!“ Er schwankt wie betrunken. Verliert das Gleichgewicht. Greift nach dem erstbesten Halt.
„Jetzt hält der sich an mir fest! Lass los! Lass sofort los! Das geht schief!“
Santa, den Bart verflochten in den Zweigen, sieht inzwischen aus wie ein verkleideter Biber. Er klammert sich an den Baum, wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring.
In Zeitlupe gehen Baum und Santa in Schräglage, die wild baumelnden Geschenke unterstützen die Gravitation und so landen sie unter Geschepper und Getöse auf dem Boden.
Dort bleiben sie ermattet liegen. Verwickelt in innigen Umarmungen, Christbaum, Santa Claus - nun ohne Bart – denn dieser ziert den Baum, Geschenkpakete und -päckchen.

Die elegante Frau steht in der Türe, erfasst mit einem Blick die Lage. Gelassen wendet sie sich um: „Sehen Sie, Herr Polizist, ich habe es Ihnen gesagt! Ich wusste es. Wo mein Exmann auftaucht, herrscht Chaos.

Gerade noch mal davon gekommen

So leise wie nur irgend möglich, schlich ich mich die Treppen hinauf, in den ersten Stock. Vorbei an einer kleinen Statue und zur ersten Schlafzimmertür. Die Türklinke ließ sich geräuschlos runterdrücken. Ein kurzer Blick, das Bett war leer. Ich ging hinein. An der Kommode zog ich die Schubladen heraus und durchwühlte sie sorgfältig. Dabei tastete ich nach möglichen Schätzen. Meistens fand ich ein paar Goldketten unter der Unterwäsche. Ein Knarren hinter mir. Ich drehte mich erschrocken um.
„Ups“, sagte der Weihnachtsmann. „gerade dachte ich mir, dass ich was gehört habe. Hätte ich gewusst, dass Du noch nicht schläfst, mein Kind… so was ist mir schon ewig nicht mehr passiert! Du solltest eigentlich schon schlafen!“ Mit einem lauten dumpfen Poltern setze der große bärtige Mann einen riesigen Sack ab, klopfte sich den Schnee von den Handschuhen und streckte mir einen entgegen. „Claus. Santa Claus.“, stellte er sich mit einer melodischen Stimme vor. Ich sah zu, wie ich den Handschuh von Santa packte, beherzt schüttelte und hörte mich gleichzeitig sagen: „Angenehm! Tom Brandy, mein Name!“ Ich hatte keine Erklärung, warum ich so blöd war und meinen Namen verraten hatte.
„Tom Brandy, mein Junge! Bist Du umgezogen? Hatte ich nicht vor ein paar Jahren Dir zur Warnung die Rute unter den Baum legen müssen? Na! Ich verwechsle da was, glaube ich.“ Er lachte. Eine Alkoholfahne stob mir entgegen. Verdattert sah ich ihn an, dann etwas panisch zum geschlossenen Fenster hinter mir. Der Weihnachtsmann griff sich plötzlich in seine Jackentasche. Ich war wie erstarrt. Er zog einen großen bunten Keks heraus. Ich atmete kurz auf. „Hier, nimm einen und lass ihn Dir schmecken!“ Santa streckte mir den Keks entgegen. Ich nahm ihn. Santa Claus sah mich erwartungsvoll an. Da biss ich hinein und spürte sofort einen kleinen Schmerz in meinem linken Backenzahn. Der Keks war verdammt hart. Nach ca. einer Minute hatte ich ihn mit größter Mühe runtergewürgt. Der Weihnachtsmann hatte mich nicht aus den Augen gelassen und grinste nun zufrieden. „Ich wusste, dass sie gut sind. Lecker, hm? Hier, nimm noch einen!“ Ich nahm erneut einen Keks, drehte mich um, warf ihn in die Fensterscheibe und sprang aus dem Fenster, kam auf die Beine und rannte weg.

Es knirscht auf den Dielen.
Becker dreht den Kopf zur Tür:
„Wer schleicht hier herum?“
Eine sanfte Stimme ertönt:
„Der Nikolaus ist da.“
Becker kramt hastig in seiner Tasche.
„110,… Warteschleife… Mist! …Wenn man sie mal braucht…“
Er schmeißt das Händi unwirsch in die Ecke.
Der Ankömmling rückt eine klein geratene Mitra auf seinem kahlen Kopf zurecht und klopft schwarzen Staub aus seinem aufwendig bestickten Mantel.
Becker muß niesen.
„Hast du die Terrassentür aufgehebelt?“
„Ich nehme immer den gleichen Weg.“
„Ich habe meine alte Dienstpistole in der Tasche. Verschwinde zu deinen schlecht bezahlten Kollegen.“
„In deiner Tasche steckt nur ein benutztes Taschentuch.“
Becker blickt überrascht auf.
„Außerdem habe ich keine Kollegen. Ich bin der einzige.“
„Aufschneider! Was auch immer du in diesem Sack herum schleppst, nimm es wieder mit.“
„Schade. Es ist nur für dich bestimmt. Und sehr alt.“
„Was heißt alt?“
„Bei uns ist fast alles alt. Die Generationen von Typen, die herum hocken und nicht wissen, wie sie die Zeit…hmm, ich schweige besser.“
„Generationen von Typen? Was redest du Quatschkopf da?“
" Nun ja, … Ich habe vor kurzem mit Karl gesprochen." „Karl? Mein Nachbar?“
„Nein. Es war Karl, … der Große. Wirklich ein großes Tier. Trifft sich von Zeit zu Zeit mit Kollegen. Maximilian, Friedrich, Wilhelm, Hirohito, Dschingis Khan, oft noch andere. Ich serviere dann die Getränke.“
Becker wird laut:
„Mieser Aufschneider…verschwinde! Verschwinde augenblicklich mit Sack und Pack!“
Ein Seufzer… Wieder Ruß in der Luft.
Becker niest.

Wunsch ist Wunsch

Ich saß auf der Toilette und checkte gerade die Klicks und Likes meines letzten Youtubevideos auf meinem Handy, als eine raue Stimme aus dem Wohnzimmer prustete: „Nein, nicht da hin! Du kannst das Rote doch nicht neben das Orangene legen! Denk doch mal nach, Kerl!“

Ich zog mir die Hose hoch und schloss den Deckel des WCs mit äußerster Vorsicht – bloß keinen unnötigen Lärm verursachen. Ganz langsam drückte ich die Klinke der Badtür herunter und lugte durch den Türspalt ins Wohnzimmer.
Was ich da sah, raubte mir den Atem. Rasch schaltete ich die Kamera meines Smartphones ein und startete die Videoaufnahme. Ein dicker Kerl mit roter Bommelmütze saß da in meinem Fernsehsessel und verschlang meine Kekse. Während dessen schoben kleine dürre Wichte in Ringelsocken und grünen Jäckchen riesen Pakete vor dem Tannenbaum hin und her. Schwitzend stöhnten sie: „So, Chef?“

„Mhm, naja …“, begann er mit der Hand nach der Keksschale neben sich greifend, „Legt das kleine Grüne lieber auf das dünne Gelbe – aber unbedingt um 45 Grad zum Kamin gedreht, dann wirkt die Schleife besser!“ Der nächste Keks verschwand in seinem Schlund.
Eine tiefe brummige Stimme rief aus dem Kamin: „Achtung, ich komme jetzt!“
Dann bebte der Boden des Wohnzimmers. Ich spürte es bis ins Bad – meine Zahnbürste klapperte kurz im Zahnputzbecher. Eine riesen Aschewolke wallte durch das Wohnzimmer. „Mein schöner Teppich!“, flüsterte ich. Ich wäre fast aus dem Bad gestürmt, doch was ich dann erblickte, ließ mich erschaudern. Ein hochgewachsenes, haariges Wesen mit Ziegenhörnern kroch aus meinem Kamin. „Wo sind die bösen Kinder?“, rief es.
„Psst, Krampus! Bist du wohl leise! Hier gibt es gar keine Kinder. Die sind nebenan bei Müllers! Geh schon mal rüber!“
„Aber hier die heißen auch Müller“, rechtfertigte sich Krampus.
„Ja, geh einfach zu den Nachbarn.“
Das riesige Geschöpf, das schon arg an Chewbacca erinnerte, trampelte durch das Wohnzimmer. Dabei warf es den Weihnachtsbaum um und riss die Weihnachtsdeko vom Regal. Der dicke Kerl im Sessel schimpfte mit vollem Munde: „Mensch, pass doch auf, ey!“
Kalter Wind pfiff durch das Wohnzimmer, während die kleinen Männer – mussten wohl Wichtel sein – sich abmühten, den Baum wieder aufzurichten. „Und mach die Tür zu!“ Es knallte, dass die Fenster erzitterten.
„Die demolieren mir meine ganze Einrichtung“, stellte ich leise fest. Weiter hielt ich die Kamera auf die Geschehnisse im Wohnzimmer.
Ich hoffte inständig, dass meine Glaskugeln nicht alle zerbrochen sind. Langsam schafften die kleinen Elfen es, den Weihnachtsbaum wieder hinzustellen, da brüllte Krampus durch den Kamin: „Nebenan wohnen aber keine Kinder.“ Jetzt erhob sich der Dicke endlich von meinem Sessel, rückte seinen schwarzen Gürtel zurecht, stopfte sich noch einen Keks in seinen Mund und polterte zum Kamin. War das wirklich der Weihnachtsmann? Er wirkt viel mehr wie ein verschwitzter, graubärtiger Obdachloser. Wo hat er seinen roten Mantel? Oder ist das wirklich nur eine Idee von Coca Cola? Mit einer Hand stützte er sich gegen den Kaminschacht und rief: „Bist du dir sicher, dass du bei Familie Müller warst?“
„Ja, das ist nur ein altes Ehepaar“, antwortete Krampus, „Waren die vielleicht böse und ich nehme die statt der Kinder mit?“
„Welche Hausnummer war das?“
Es polterte auf dem Dach hin – und bald darauf wieder zurück. Dann rief es von oben: „Hausnummer fünfzehn.“
Der Weihnachtsmann nahm seine Mütze ab und fluchte: „Verdammt, warum müssen die alle gleich heißen?“ Dann richtete er wieder das Wort an Krampus und rief: „Geh mal zu Hausnummer siebzehn – die heißen auch Müller!“
Es polterte erneut auf dem Dach. „Oh die Kekse. Bin mal kurz auf der Toilette ihr Kleinen. Macht schon mal Ordnung!“, befahl der Weihnachtsmann und kam mir entgegen.
Jetzt werde ich dem mal so richtig die Meinung geigen! Niemand hinterlässt mein Wohnzimmer so dermaßen dreckig. Er riss die Tür auf und … sah mich mit dem Smartphone im Badezimmer stehen. Er rührte sich nicht, der Schock war ihm ins Gesicht geschrieben. Er fühlte sich ertappt. Mein verunstaltetes Wohnzimmer machte mich rasend. Ich sagte: „Na, ho-ho-hol mal fix den Staubsauger und einen Eimer Wasser mit Fit und reinige mein Wohnzimmer!“
Der Dicke baute eine brüchige Fassade auf und sprach von oben herab: „Sonst was?“
Meine folgenden Worte kamen eher unüberlegt, aber direkt: „Sonst erzähle ich allen Kindern, was für ein verfressener, fauler Sack du bist und, dass Krampus viel cooler ist als du? Ach ja, und das Ding mit dem roten Mantel scheint ja auch gelogen. Außerdem kann ich dieses Video bei Youtube hochladen.“
„Ok, ok, ok… mach mal ganz ruhig, mein Guter. Lass uns das wie Erwachsene klären. Meine Hauselfen sind ja schon dabei, alles wieder zu reinigen. Deine Wohnung wird hinterher blitzen und funkeln, wie noch nie. Und, hey … was wünschst du dir am meisten?“
Ich wusste genau, was ich mir jetzt wünschte. Denn Wunsch ist Wunsch und ich hatte den Weihnachtsmann so richtig an der Angel.
„Ich wünsche mir, dass du dich endlich dran machst und sofort mein Wohnzimmer schrubbst. Und zwar dalli!“
„Wird gemacht!“ Eilend stapfte der Weihnachtsmann zurück ins Wohnzimmer und nahm den kleinen Wichten einen Lappen weg und begann, zu putzen. Ich hielt alles mit meiner Handykamera fest. Auch Krampus kam zurück in die Wohnung und brüllte: „Ich finde die Nummer siebzehn nicht. Wo ist …“ Er verstummte, als er mich mit der Handykamera und den Weihnachtsmann den Boden putzend sah.
„Ähm, was ist hier los? Warum putzt du die Wohnung und er filmt dich dabei?“
„Frag nicht so blöde“, schimpfte der Weihnachtsmann, „und mach einfach mit!“
Mit schoss da noch eine Frage durch den Kopf: „Weihnachtsmann, verrate mir doch mal, warum du eigentlich keinen roten Mantel trägst.“
„Ich habe dir gesagt, du musst das jetzt durchziehen!“, merkte Krampus an und erntete einen harten Ellenbogen dafür.
Coca Cola wollte, dass ich den in ihrem Werbespot trage. Ich fand den von Anfang an doof. Aber diese braune Brühe schmeckt mir einfach zu gut und ich ließ mich auf einen Deal ein.
„Ah, ja“, das klang interessant und ich hatte alles aufgezeichnet auf meinem Smartphone.

Und so putzten der Weihnachtsmann und Krampus mein Wohnzimmer.
Dies war definitiv mein bestes Weihnachtsfest.

Eine Bonusrunde - das ist toll. Dann lasse ich den Nikolaus zum Schluss mal noch einen raushauen. Sozusagen als Weihnachtsgeschenk für alle, die es haben wollen.

Begegnung mit der dritten Art

Sechster Dezember 2022. Das Taxi hielt gegen drei Uhr fünfzehn in der Nacht vor der Einfahrt zum Haus. Geschlagene fünf Minuten brauchte Max, um genug Geld in den Taschen seiner Hose und Jacke zusammen zu kramen und die Fahrt zu bezahlen. Dann öffnete er die Tür des Taxis und versuchte auszusteigen. Weil ihm das nach ein paar Versuchen nicht gelang, stiegt der Fahrer des Taxis genervt aus und half ihm aus dem Wagen und auf die Beine. Während das Taxi davonfuhr, benötigte Max noch einmal drei Minuten für die fünfzehn Meter bis zur Haustür. In seinem Zustand war dies eine echte Herausforderung.

Vor der Haustür angekommen kramte Max erneut in seinen Taschen. Vergeblich suchte er darin nach dem Schlüssel, um die Tür zu öffnen und ins Haus zu kommen. Schließlich fand er ihn doch noch. Allerdings nicht in seinen Taschen, sondern zwischen seinen Zähnen. Bei der Suche nach dem Geld war er ihm schon im Taxi in die Hände gefallen. Instinktiv hatte er ihn sich zwischen die Zähne geschoben, weil er ahnte, dass er ihn gleich brauchen würde.

Im Besitz des Schlüssels versuchte er nun diesen ins Schloss zu bekommen, was sich als nicht ganz einfach herausstellte. Er fand das verdammte Schlüsselloch nämlich nicht. Nach vielen vergeblichen Versuchen lehnte er sich rücklinks an die Haustür und rutschte nach unten, gen Boden. Bis er schließlich auf der Fußmatte zu sitzen kam. Ungläubig starrte er auf den Schlüssel in seiner Hand.

„Du altes Drecksding, du, ähm“, fluchte er, „Was soll der Mist, hey, ich muss da rein, klaro.“

Mit dem letzten Wort seiner Beschimpfung des Schlüssels fielen ihm der Kopf nach vorn und das Kinn auf die Brust. Augenblicklich war ein gurgelndes Schnarchen zu vernehmen. Allerdings war niemand in der Nähe, der es hörte und ihn auf seine missliche Lage hätte hinweisen oder ihm gar behilflich sein können.

Gegen halb vier reagierte sein Körper auf die Kälte, die ihm längst von den Beinen über das Gesäß bis in den Nacken gekrochen war. Nur, weil er plötzlich heftig zu zittern begann, war er aufgewacht und versuchte jetzt unbeholfen auf die Beine zu kommen. Er drehte sich auf die Knie, stützte sich mühsam an der Haustür ab und kam langsam hoch. Weil sein Gesicht dabei fast an der Tür klebte bekam er das Türschloss in sein verklärtes Blickfeld, nachdem er noch vor Kurzem so vergeblich gesucht hatte.

„Ha, da bist du M-m-m-m Miststück ja. Wu-wu-wusste ich doch, dass da so eins sein muss. Puh, is mir k-k-kalt.“

Nach einigen weiteren Versuchen, den Schlüssel ins Schloss zu bekommen, gelang es ihm tatsächlich und die Tür öffnete sich.

Wie ein räudiger Hund schlich er über die Schwelle und schloss die Tür hinter sich leise, als wolle er niemanden im Haus wecken. Dabei wusste er, dass es dort niemanden gab, den er hätte wecken können.

Da er komplett durchfroren war, beschloss er nicht gleich ins Bett zu gehen, sondern sich im Wohnzimmer erst noch einen wärmenden Schnaps zu gönnen. Als er die Zimmertür öffnete, erschrak er jedoch. Das noch funktionierenden Reste von Adrenalin in seinem Blut vermittelten ihm das Gefühl, wieder nüchtern zu sein.

Ein merkwürdig verkleideter Mann befand sich in dem Raum und hantierte an dem, von Max so geliebten, aber kümmerlich wirkenden Gummibaum herum.

„Hey“, brüllte Max ihn an, „lass den Herbert in Ruh, du Sack, der gehört mir.“

Erschrocken fuhr der Unbekannt herum und blickte Max mit aufgerissenen Augen an.

„Aber, ähm, Entschuldigung“, stammelte er, „ich wollte doch nur, ähm. Na, ich habe halt den Christ-, ähm den Weihnachtsbaum gesucht.“

„Na klar, was auch sonst, Alter. Bist du blöde? Sieht mein Herbert etwa aus wie ein Weihnachtsbaum?“

„Nein, nein, natürlich nicht, aber es ist kein anderes Bäumchen hier im Raum“

„Sach nich Bäumchen zu meinem Herbert, ja. Dat ist nen ausjewachsenen Jummibaum. Der is sons beleidicht.“

„Oh, das möchte ich aber nicht. Ich wollte ihn doch nur etwas schmücken.“

„Schmücken? Ich schmück dich gleich, Bürschchen. Sach ma, wer bis’n du überhaupt?“

„Ich bin, ähm, aber du kennst mich doch, ich bin der Weihnachtsmann. Mich kennt doch jeder.“

„Ja-ja, so siehse auch aus, wie’n Weihnachtsmann, mit deinem roten Frack, der Zippelmütze und dem angeklebten Bart.“

„Mein Bart ist nicht angeklebt, der ist echt. Und alles andere an mir auch.“

„Na klar, alles echt. Ich bin auch echt – echt besoffen. Vielleicht habe ich schon Hallos, wenn du weiss, was ich meine. Wie bisse eigentlich hier reinjekommen? Durch’n Kamin?“

„Nein, natürlich nicht. Das Haus hat doch keinen Kamin. Hier wird doch mit einer Wärmepumpe geheizt.“

„Ach ja, hasse Recht, hab ich grad nich dran gedacht.“

„Ich bin vorne durch die Tür reingekommen, genau wie du.“

„Ne, was? Durch meine Tür? Und woher hasse den Schlüssel?“

„Ich besitze einen Universalschlüssel. Der passt zu allen Schlössern, die es gibt. Sonst kämme ich ja oft nicht in die Häuser.“

„Du wills mich doch verarschen, oder? Sowas gibt’s doch gar nicht.“

„Doch, doch, sowas gibt es. Es ist ein kleines Gerät, das mit KI funktioniert.“

„KI? Spinner. Ich hab noch nie was von nem KI-Schlüssel gehört.“

„Ja, das glaube ich dir. Ihr fangt hier auf der Erde ja erst mit KI an und steckt damit noch mitten in den Kinderschuhen, aber wir da oben nutzen sie schon seit Ewigkeiten.“

„Oh Mann, ich glaub, ich muss das Saufen sein lassen.“

„Das wäre bestimmt gut. Saufen macht nur Probleme.“

„Hah, da sieht man mal wieder, dass du keine Ahnung hast. Saufen macht keine Probleme, sondern schafft sie aus der Welt.“

„Das glaube ich eher nicht. Es versteckt sie nur für eine Weile hinter einem Vorhang, aber wenn der sich öffnet, sind sie alle wieder da.“

„Klugscheißer. So Typen wie dich hab ich gefressen. Was willst du überhaupt hier?“

„Nach meinem Routenplan wohnen hier Maike und Sascha, sechs und acht Jahre alt, und denen wollte ich was zum Nikolaustag bringen. Das ist schließlich mein Job.“

„Alter, du bist ja noch blöder, als ich dachte. Hast nen KI-Schlüssel aber deinen Routenplan wahrscheinlich noch mit Excel gemacht, wa?“

„Nein, das vermutest du falsch. Die Route macht uns auch die KI, aber warum siehst du das so negativ?“

„Ganz einfach, weil es hier keine Maike und keinen Sascha mehr gibt, klar?“

„Nein, das ist mir tatsächlich nicht klar. Was ist denn passiert?“

„Abgehauen.“

„Bitte?“

„Na, abgehauen halt. Die Alte hat sich mit den Blagen vom Hof gemacht.“

Weil die Unterredung schon eine Weile dauerte und noch kein Ende abzusehen war, hatten Max in einen Sessel und der Nikolaus auf dem Sofa Platz genommen.

„Ich nehme an, wegen deiner Sauferei.“

„Klar, weshalb sonst.“

„Warum hast du es dann nicht einfach sein lassen? Wann war das denn?“

„Du kannst Fragen stellen. Woher soll ich das wissen? Und abgehauen sind se im Sommer.“

„Das tut mir leid. Wo kommst du denn jetzt gerade her?“

„Von ner Feier.“

„Ah, verstehe, von der Weihnachtsfeier in der Firma wahrscheinlich.“

„He? Wat denn für ner Firma? Ich war in’ner Kneipe.“

„Ach so. Ich dachte, in der Firma, in der du arbeitest.“

„Du bis ja vielleicht schräg drauf. Ich arbeite in keiner Firma. Ich bin selbständich.“

„Oh, ich wollte dir nicht zu nahetreten. Womit bist du denn selbständig?“

„Harz-vier, ähm, ne, Bürgergeld heißt dat ja jetz.“

„Ah, das ist hart, aber eine richtige Selbständigkeit ist das ja eher nicht.“

„Jetzt werd bloß nich noch frech, sons schmeiß ich dich gleich raus.“

„Nein-nein, das brauchst du nicht, ich gehe von ganz alleine. Es ist mir schon peinlich genug, dass ich hier bei der Arbeit ertappt wurde.“

„Hast jetzt wohl en schlechtes Gewissen, wa? Brauchse aber nich haben. Hab schon lange niemanden mehr hier jehabt, mit dem ich so viel quatschen konnte. Woll’n wir nich noch zusammen einen nehmen? Ich hab nen echt jutes Körnchen da.“

„Nein danke, besser nicht. Ich darf betrunken keinen Schlitten fahren.“

„Man, jetzt lass doch mal den Scheiß. Is doch grad so gemütlich hier. Kannst auch hier auf dem Sofa pennen.“

Max gähnte ungeniert und sah sich dabei um. Irgendwo im Raum musste doch auch diese verflixte Decke liegen. Er hatte sie schon lange nicht mehr benutzt, aber deshalb konnte sie nicht einfach weg sein. Der Nikolaus dachte jedoch nicht daran, sein Angebot anzunehmen und hauchte ihm ein wenig Müdigkeit entgegen.

„Ich habe das Gefühl, du nimmst mich nicht ernst. Ich bin wirklich der Nikolaus. Ich kann nicht einfach hier schlafen, schließlich habe ich noch eine lange Tour zu erledigen. Es gibt noch viele Kinder, die auf mich warten.“

„Du armer Sack. Auf mich warten keine Kinder, nur morgen Abend Harry, der Wirt.“

Zu mehr Konversation reichte es dann bei Max nicht mehr. Er war plötzlich wieder sehr müde und fiel in seinem Sessel in einen tiefen Schlaf.

Gegen elf Uhr wachte er aus einem Schlaf wieder auf, der in einem EEG glatt als Narkose durchgegangen wäre.

Max rieb sich irritiert die Augen, blinzelte in den Raum hinein und suchte nach Orientierung.

Nach ausgedehnten Zechtouren, wie am Vorabend, war er es gewohnt, die Fäden nicht gleich wieder knüpfen zu können. Die Lücken in seinem Gedächtnis ließen sich dann nicht einfach so schließen. Das war auch an diesem Morgen so, doch diesmal war irgendetwas anders. Nur was es war, das wollte sich ihm nicht wirklich offenbaren.

Kaum, dass er dann glaubte seine Sinne wieder im Griff zu haben, tauchte ein Bild eines Weihnachtsmanns vor seinem geistigen Auge auf und wollte diesen Platz nicht wieder räumen. Eine Weile und einen starken Kaffee später war Max sich sicher, dass ihm der Kerl kürzlich irgendwo über den Weg gelaufen war. Dabei dachte er jedoch nicht an den Wirt, der den ganzen Abend über mit einer dämlichen roten Mütze auf dem Kopf hinter dem Tresen gestanden hatte.

„Vielleicht war es der Taxifahrer“, grübelte er, „oder Jemand, der mir auf dem Weg zum Taxistand in die Quere gekommen ist.“

Klarheit erlangte Max jedoch nicht.

Nach einer Weile weiteren Grübelns schüttelte er sich, ging ins Bad und wusch sich das Gesicht länger als sonst mit kaltem Wasser ab. Danach schaute er sich eine Weile im Spiegel an, der auch mal wieder geputzt werden müsste. Sein Gesicht wirkte matt und kraftlos. Die rot geäderten Augen verliehen ihm den Ausdruck eines Alions und die leicht gerötete Nase deutete eine Erkältung an, die aber keine war.

„Man Alter, siehst du heute wieder scheiße aus. Ich denke, es ist an der Zeit, das Saufen an den Nagel zu hängen.“

Bei all seiner Trübnis kam ihm in den Sinn, dass er seinen einzigen Freund Herbert schon lange nicht mehr gegossen hatte. In einem Anflug von Fürsorge, füllte er ein Glas bis zur Hälfte mit dem feuchten Labsal. Als er damit zurück ins Wohnzimmer kam, fühlte Max sich schon ein wenig besser, doch als er seinem Herbert das Wasser verabreichen wollte, stutzte er.

An einem der, von altem Staub bedeckten Blätter seines Freundes hing ein gänzlich staubfreier, glitzernder Weihnachtsstern an einem ebensolchen Band.

„Was ist das denn?“, fragte er sich, „Wo kommt der denn her? Von mir kann der wohl nicht sein.“

Doch dann erklärte Max es sich so, dass er das Ding wohl aus der Kneipe mitgebracht haben und in der Nacht in einem Anflug von Sentimentalität Herbert ans Blatt gehängt haben musste. Sicher war er sich dabei jedoch nicht. Allerdings hatte er nach Sauftouren schön öffters irgendwelches Zeug mit nach Hause gebracht, von dem sich nicht mehr klären ließ, woher es stammte.

Dann sah er den Zettel, der vor Herberts Topf lag. Max hob ihn auf und las sich vor, was draufstand.

„Lieber Max, es freut mich sehr, dich kennengelernt zu haben. Du hast mir viel von dir erzählt und ich bin mir sicher, dass du es schaffen wirst, vom Alkohol los zu kommen. Um dir zu helfen muss ich dich jedoch auf eine Sache hinweisen, in der du dich selbst in die Irre redest, obwohl dir längst klar ist, was richtig wäre. Es ist die Annahme, dass auf dich keine Kinder warten. Doch sie warten auf dich. Es sind Maike und Sascha. Sie warten nur nicht auf den, der du bis eben noch warst. Sie warten auf ihren Vater, auf den Mann, den sie einmal geliebt haben und den sie gerne wieder lieben würden. Auf den Mann, der sie beschützt und der dafür sorgt, dass sie zu guten Menschen heranwachsen können. Also tu, was du dir vorgenommen hast und bleib stark, denn es wird nicht einfach für dich werden. Aber es wird sich für dich und vor allen Dingen für deine Kinder lohnen. Vielleicht sogar auch für deine Frau. Viel Erfolg und alles Gute wünscht dir ein Freund, der es gut mit dir meint.“

Bevor Max den ungeklärten Fragen, von wem der Zettel stammen könnte und was er sich vorgenommen haben soll, weiter nachgehen konnte, klingelte es an der Haustür. Der Postbote stand davor und begrüßte Max mit einem mitleidigen Blick. Die ziemlich übel riechende Alkoholfahne hatte er schon registriert, bevor die Tür noch ganz geöffnet war.

„Guten Tag Herr Wunderlich. Ich habe hier einen Brief für Sie. Ich wollte ihn nicht einfach vor die Tür ins Nasse legen, aber in Ihren Briefkasten bekomme ich ihn nicht mehr rein. Sie sollten ihn vielleicht mal wieder leeren.“

„Ja, danke“, stammelte Max in einem Anflug von Peinlichkeit und nahm den Brief entgegen, „werde ich gleich nachher mal machen.“

Doch bevor er das Zugesagte tat, trug er den Brief bedächtig ins Wohnzimmer und legte ihn vorsichtig auf dem Tisch dort ab. Max war, als ginge von dem Brief etwas Magisches aus, dass ihn in seinen Bann zog, und traute sich deshalb nicht, ihn gleich zu öffnen. Doch dann gab er sich einen Ruck und riss ihn auf.

„Herzlich willkommen Herr Wunderlich“, las er, „wir freuen uns sehr, dass sie sich unserer Selbsthilfegruppe anschließen wollen und den Mut aufbringen, sich aus den Fängen des Alkohols zu befreien. Wir werden Sie nach Kräften dabei unterstützen und …“

Gegen Ende des Briefes stand noch eine wichtige Information für Max.

„Wir treffen uns das nächste Mal am 7. Dezember um 16 Uhr und freuen uns darauf, Sie in unserer Runde persönlich begrüßen zu dürfen.“

Den ganzen Nikolaustag über fühlte sich Max, als sei er in Watte gehüllt. Die Gerichtsshow im Fernsehen schaute er sich zwar wieder an, aber irgendwie war es ihm diesmal egal, worum es darin ging. Auch seine Lieblingssendung ‚Auf Streife‘ holte ihn nicht in seinem Sessel ab und plätschert nur beiläufig dahin. Gegen achtzehn Uhr schaltete er den Fernseher aus und machte sich für den Abend fertig.

Die Nikolausfete in seiner Kneipe sollte um acht beginnen und mit dem Bus brauchte er eine halbe Stunde um dorthin zu gelangen. Als er um zehn nach acht die Kneipe betrat, war die Party schon in vollem Gange. Wahrscheinlich waren einige Gäste schon um sechs oder sieben Uhr gekommen, weil sie es nicht erwarten konnten, sich ihre Dröhnung abzuholen. Max sein Stammplatz an der Theke war aber noch frei.

„Nabend, Harry“, begrüßte Max den Wirt, der wieder oder immer noch die hässliche rote Nikolausmütze auf dem Kopf trug, die so überhaupt nicht zu seinem aufgequollenen und aschfahlen Gesicht passen wollte.

„Hi Max“, grüßte der Wirt zurück, „bis spät dran heute. Pils und Körnchen, wie immer?“

„Ne, Harry, lass mal stecken. Heute nicht.“

„Wat is los, Max?“, antwortete der Wirt erstaunt, „Is doch Nikolaus oder bisse etwa krank?“

„Ja und nein, ähm oder doch. Ich meine, Nikolaus ist klar und das mit dem Krank sein stimmt wohl auch, Habe ich nur lange nicht gemerkt.“

„Du sprichs in Rätseln, Kumpel, nu red ma Klatext?“

„Ach Harry, ich glaube, dass verstehst du nicht. Ich bin nur gekommen, um meinen Deckel von gestern zu bezahlen. Was kriegst du von mir?“

Der Wirt kramte mürrisch in einer Schublade herum und fingerte einen eng bekritzelten Deckel daraus hervor. Darauf, ihn zusammen zu rechnen, verzichtete er. Sein geübtes Auge war schneller, als jede Rechnerei.

„Gib mich fünfunsechzich. Komm’se gut wie wech, Max.“

Max gab ihm siebzig Euro und sagte, dass es so stimme, was der Neugier des Wirtes neue Nahrung verlieh.

„Man, Junge, was is los? Nu sach schon. Jetz machse mich ganz krank.“

„Nix ist los, Harry, ich bin nur heute aufgewacht und habe gemerkt, dass ich mit dem Saufen endlich aufhören muss.“

„Ne, Max, dat kann‘ze mir nicht antun. Du bist doch hier der beste Kunde.“

„War, Harry, ich war vielleicht der bester Kunde, aber jetzt bin ich es nicht mehr.“

„Dat wird ja immer schlimmer. Erst dieses mist Coronading und jetz haus du auch noch ab. Wie soll dat den weitergehn mit mir? Und was machs du dann?“

„Ganz einfach, Harry, ich hole mir meine Familie zurück. Solltest du vielleicht auch mal versuchen. Ich kann dir eine Adresse geben, wo du Hilfe bekommst.“

„Ne, lass jut sein, Max. Bei mir ist der Zuch längst abjefahrn. Nach fufzehn Jahrn will mich meine Alte nich mehr zurück, aber dir drück ich die Daumen. Janz feste.“

So trennten sich die Wege von Max und Harry, dem Wirt. Doch sie sollten sich nicht für ewig aus den Augen verlieren.

Schon ein Jahr später, kurz vor Weihnachten, trafen sie sich wieder.

„Nein, das glaube ich jetzt nicht. Harry? Was machst du denn hier?“, fragte Max seinen alten Weggefährten, als der unerwartet in der Gesprächsrunde der Selbsthilfegruppe auftauchte.

„Hi Max, Heide is doch noch ma zurück jekommen. Se jibt mich noch ne letzte Chance, aber ich muss dafür die Kneipe drangeben.“

„Das ist ja eine tolle Nachricht, Harry. Wie kam es dazu?“

„Oh man, so ganz richtich kann ich dir dat gar nich ma sagen. Ich hatte neulich so‘ne Bejegnung mit der dritten Art, weiße. Nur war die Art nich wie die in den Film, so mit dünnen Körpern und dicken kahlen Köppen, sondern sahn aus wie der Weihnachtsmann, mit son Bart und so.“

„Ah, verstehe, Harry, so eine Begegnung hatte ich auch mal. Ich glaube, du brauchst mir dazu nichts weiter erklären. Bei mir ist eh schon der leise Verdacht entstanden, dass sich der Weihnachtsmann ganz gezielt bei seiner Arbeit erwischen lässt. Wohl immer, wenn er sieht, dass er uns anders nicht mehr kriegen kann.“

„Versteh ich nich. Was meinze damit, Max?“

„Später, Harry, später. Mach erstmal ein halbes Jahr hier mit, dann können wir wieder drüber reden. Jetzt finde ich es schön, dass du hier bist. Ich habe deine Sprache schon echt oft vermisst. Übrigens, ich habe wieder einen Job und Weinachten feiern wir zuhause das erste Mal wieder alle zusammen.“

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Harte Landung

Die Nacht war klirrend kalt und sternklar. Nein, nicht ganz, eine große graue Wolke schwebte am Himmel. Warum war nur genau eine zu sehen und woher kam sie? Aha, bei genauem Hinschauen war ein Rentiergespann vor einem Schlitten zu erkennen, auf dem ein alter, bärtiger Mann saß. Er trug einen roten Mantel mit einem Pelzbesatz an Saum und Kapuze, in der Farbe seines Bartes. Die Wolke schwebte mitsamt Weihnachtsgespann langsam gen Erde. Kurz vor dem Landemanöver verdampfte das sanfte, graue Kissen, und die Rentiere mit dem alten, bärtigen Mann erlebten einen harten Aufprall. Ringsherum sah der Herr im roten Mantel hohe Wände. Er fühlte sich wie in einem Kasten eingesperrt.

„Verdammt, jetzt bin ich gefangen, was ist das hier. Ich muss doch die Geschenke für Familie Huber ausliefern“, schimpfte er vor sich hin. und er geriet in Panik. Die Rentiere schnaubten in die kalte Winterluft und ihr Atem kondensierte in der Luft.

Dann sah er eine Person auf den Käfig zulaufen, die von Weitem brüllte: „Hey, was machen Sie in meinem Swimmingpool. Sie haben die Abdeckplane zerfetzt, hoffentlich sind sie gut versichert.“

„Ach Gott, ich bin in einem Pool? Zum Glück ist kein Wasser darin. Darf ich mich vorstellen, ich bin der Weihnachtsmann.“

„Haha, das kann jeder behaupten, außerdem gibt es keinen Weihnachtsmann“, amüsierte sich der Schwimmbadbesitzer jetzt.

„Oh doch. Sehen Sie meine Rentiere vor meinem Schlitten, das hier ist Rudolph mit der roten Nase.“ Rudolph blökte laut. Der Weihnachtsmann nahm einen braunen Sack von der Schulter, öffnete ihn und zeigte die bunten Pakete.

„Hmmm, soll ich Ihnen das wirklich glauben? Wohin wollen sie die Geschenke denn bringen?“

„Zur Familie Huber, die haben zwei Kinder, ein Mädchen, einen Jungen und den Hund Benny. Für jeden habe ich ein Geschenk.“

„Oha, das ist doch hier bei uns. Dann will ich Ihnen mal helfen, aus dem Pool auszusteigen. Den Rentieren gebe ich Wasser und etwas zu fressen.“

Herr Huber schickte eine WhatsApp an seine Frau, dass sie bitte mit Hundefutter und Wasser zum Pool kommen solle. Fünf Minuten später kam sie an und wunderte sich über die eigenartige Bitte ihres Mannes, indem sie fragte: „Wozu brauchst Du Hundefutter, unser Benny hat schon gefressen.“

„Schau mal dort. Denen müssen wir helfen herauszukommen, und die Rentiere haben Hunger und Durst von der weiten Reise.“

Frau Huber machte große Augen und staunte: „Gibt es doch einen Weihnachtsmann? Wir sollten leise sein, die Kinder schlafen schon. Sie dürfen die Aktion hier nicht mitbekommen.“

Mit großen Mühen befreiten sie das gesamte Weihnachtsgespann und gaben den Tieren zu trinken und zu fressen. Der Weihnachtsmann legte die Geschenke für die gesamte Familie unter den geschmückten Tannenbaum, und vom Hausherrn bekam er noch Glühwein und Lebkuchen als Stärkung. Nach dieser schwierigen Aktion trat der Mann im roten Mantel wieder in den Garten, ging zu seinem Schlitten mit den Rentieren und pfiff leise. Eine neue Wolke schwebte heran, das Gespann stieg auf und der Mann rief in die Dunkelheit: „Zur Familie Berger bitte.“ Zum Glück haben die kein Schwimmbad im Garten, dachte er bei sich, das wird hoffentlich eine weiche Landung.

Oh Du Fröhliche …

Ich schwang die Gerte und sie landet mit einem Klatscher auf dem schönsten Po der Welt. Während der Treffer eine rote Markierung hinterließ, stöhnte meine Süße erregt auf. „Oh himmel, ich bin ab sofort lieb und artig“, keuchte sie verhalten erregt und wand sich hingebungsvoll auf der Couch.
Hinter mir ertönte ein Geräusch aus der Feuerecke. Dort quälte sich gerade ein mittelgroßer Mann mit Rauschebart und roter Kluft aus dem offenen Kamin. Er starrte mich an – ich starrte ihn an. Er starrte sie an – sie starrte mit glänzenden Augen auf die Wand vor sich, immer noch mit ihren Händen im Sofarücken verkrallt. Dafür zeigte sie ihre wundervolle Rückseite mit den leichten Zeichnungen. „Bitte versuch es weiter“, seufzte sie verlangend. „Etwas mehr bitte.“
Ich war nur noch perplex. Dafür fing sich der Besuch umso rascher. Mit drei Schritten war er bei mir, nahm mir die Gerte aus der Hand und ließ sie schwungvoll auf ihr hellrotes Bäckchen knallen. „Ogott, ja – genau so“, stöhnte meine Süße voller Sehnsucht.
Er reichte mir das Instrument zurück. Ich sah sein Zwinkern in den Augen. Dann raunte er mir zu. „Mit der richtigen inneren Haltung ist nicht so schwer, Wünsche zu erfüllen. Höre auf ihre Stimme, fühle ihren Atem. Ihr Körper sendet Dir Signale. Sei aufmerksam. Dann passt es! Sieh es wie einen gemeinsamen Tanz. Beide müssen den gleichen inneren Schwung mitbringen.“
Ich nahm benommen die Gerte entgegen. Er nickte mir aufmunternd zu. Dann versuchte ich es. Patsch! Sie stöhnte erneut auf und zuckte unter dem Hieb zusammen. „Ich werde artig sein“, hauchte sie, während ihr Körper erbebte. Und wirklich hörte ich das erregte Vibrieren in ihrer Stimme deutlicher als zuvor.
Der Rotgekleidete nickte. Als wollte er mich loben. Dann schlich er zum Baum, legte dort drei Päckchen ab und glitt auf leisen Sohlen wieder zum Kamin. Sein Finger deutete auf meine Frau und dann formte er Zeigefinger und Daumen zu einem Ring als Zeichen höchster Anerkennung. Lächelnd zwinkerte er mir erneut zu, holte mit einer Hand scheinbar aus und schlug mit einer imaginären Gerte zu.
Ich folgte seiner Aufforderung und wieder landete ein gezielter Hieb auf der dargebotenen Kehrseite direkt vor mir. Ihr Stöhnen kam aus dem tiefsten Inneren und ließ keinen Zweifel an dem Lustrausch meiner geliebten Gattin. „Bitte noch einen“, flüsterte sie mit erbebender Stimme.
Ich sah zum Kamin. Niemand mehr da. Ich sah zurück zu meiner reizvollen Frau vor mir und gab ihr einen wohl dosierten letzten Hieb. Noch während sie ihren lustvollen Stöhnlaut hervorpresste, drehte sie sich um und küsste mich wild und leidenschaftlich. Den Rest will ich verschweigen.
„So gut wie bei den letzten drei warst Du noch nie“, sagte sie mir später. „Genau richtig und voller Gefühl. Einfach wow. Als hättest Du meine Wünsche endlich verstanden. Danke!“ Wieder küsste sie mich mit großer Zartheit. „Frohe Weihnachten.“
Sie lächelte mich seelig an. Dann raunte sie: „Und beim nächsten Mal tauschen wir die Rollen.“

Christmas Hazelnut flavor

„Nur noch einen Tropfen. Nimm das, du Mistkerl“, flüstere ich. Wer sagt’s denn. Tropfen Nummer fünf verlässt die Glasflasche mit dem hübschen Etikett. Ich kenne niemanden, der seinen Latte Macchiato nicht mit Hazelnut flavor mag. Nussig im Abgang, das verleiht dem Ganzen die besondere Note. Er wird es lieben, ganz gewiss.

Heiligabend. Ich habe alles vorbereitet. So wie früher, nur dass nichts mehr so ist wie früher. Zwischen damals und heute liegt eine Sekretärin, seine Sekretärin in unserem Ehebett. Konnte ja niemand ahnen, dass das Mädels-Wochenende wegen Magen-Darm früher endet.

Es klingelt an der Tür. Ich streiche über den Stoff meines Paillettenkleides. So lasset die Spiele beginnen.
„Heey, gut siehst du aus.“ Er umarmt mich wie eine Stoffpuppe. Bussi links, Bussi rechts.
„Pünktlich wie immer.“ Wie ich dieses Geheuchel hasse. Ich unterdrücke meinen Würgreiz und zwinge mich zu einem Lächeln. „Komm rein.“
Er hängt seine Lederjacke an die Garderobe. Ganz selbstverständlich, wie früher. Dreist.
„Latte Macchiato?“ Er wird nicht ablehnen. Und dann rufe ich als besorgte Ex-Frau den Notarzt. Hohoho. Es ist so viel Zeit vergangen, wie soll ich da noch seine Nussallergie auf dem Zettel haben?
„Gern.“ Sein Grübchen zuckt.
Naiver kleiner Junge. Du hast nichts dazu gelernt. Ich schiebe ihn Richtung Küche. „Ich habe schon alles vorberei…“ Das Wort bleibt mir im Hals stecken.
In meiner Küche steht ein dicker alter Mann mit weißem Bart und roten Klamotten. Er lehnt lässig an meiner Kochinsel und schlürft den Latte Macchiato. Das ist jetzt nicht sein Ernst. „Was zur Hölle tun SIE in meiner Küche? Und warum trinken Sie seinen Latte Macchiato?“ Das Glas ist leer. Mein Ex versteckt sich hinter meinem Rücken. Natürlich, habe ich ernsthaft etwas anderes erwartet?
„Kurzer Zwischenstopp. Nur kurz aufwärmen. Ich hab ganz kalte Hände.“ Er streckt mir seine Hand entgegen. „Fühl mal.“
Ich fühle nicht. Spinnt der Typ völlig? „Ich rufe die Polizei. Sie sind ein Einbrecher.“
„Nö. Ich bin der Weihnachtsmann.“ Er streicht durch seinen Bart. „Und ihr zwei Hübschen, könnt euch echt mal zusammen reißen. Valerie, Tom, ja, genau euch meine ich.“ Er zeigt ernsthaft auf mich und meinen Ex. Der spinnt. Woher kennt der überhaupt unsere Namen?
Tom runzelt die Stirn.
„Da staunt ihr was?“ Der vermeintliche Weihnachtsmann wirft einen Jutesack auf die Arbeitsplatte, kramt wild darin herum. Er hält mir ein goldenes Päckchen entgegen. „Hier für euch.“
Ich greife danach, ziehe an der Schleife. Ein Buch. Stefanie Stahl, Das Kind in dir muss Heilung finden.
Ich sehe ihn an. Tom grinst breit. Wenigstens jetzt könnte er ja mal was sagen.
„Bitte bis 31.01. lesen, die Fragen schriftlich beantworten und zum Termin am 05.02. mit in meine Praxis bringen.“ Er reicht mir eine Visitenkarte. Paartherapeut - Claus Santa.
„Frohe Weihnachten!“ Er klopft auf die Arbeitsplatte und lässt mich mit 32 Fragezeichen zurück.
Tom grinst immer noch. Ich möchte schreien.

Es ist schon viele Jahre her, aber ich erinnere mich noch genau an jenen besonderen Weihnachtsabend, der mein Herz mit Freude und Staunen erfüllte. Das war eine Zeit, als ich noch ein kleiner, aufgeweckter Junge von acht Jahren war.

Es begann alles an einem eiskalten Weihnachtsabend. Die Sterne funkelten am Himmel, und der Schnee glitzerte im Licht der Straßenlaternen. Die Vorfreude auf Geschenke und das festliche Beisammensein hingen in der Luft. Meine Eltern und ich hatten den Abend mit Weihnachtsliedern und Geschichten verbracht, und schließlich wurde ich ins Bett geschickt.

Mitten in der Nacht erwachte ich jedoch mit Durst. Mein Mund fühlte sich an, als wäre er mit Watte gefüllt. Das Knarren der alten Holzdielen hallte durch das Haus, als ich mich aus meinem Bett schlich und mich auf den Weg zur Küche machte. Ich hatte nur einen Gedanken im Kopf: ein Glas Wasser.

Das Haus war still und dunkel, und ich versuchte, so leise wie möglich zu sein. Als ich die Treppe hinunterging, hörte ich plötzlich ein Geräusch aus dem Wohnzimmer. Es war, als würde jemand Kekse knabbern und Milch schlürfen. Neugierig schlich ich mich näher.

Das Wohnzimmer war nur einen Schritt entfernt, und ich konnte einen Blick um die Ecke werfen. Und da sah ich ihn – den Weihnachtsmann, mitten in unserem Wohnzimmer! Er saß auf dem Sofa, ein Glas Milch in der Hand und einen Teller mit Keksen vor sich. Mein Herz schlug so laut, dass ich fürchtete, der Weihnachtsmann würde es hören.

Ich versteckte mich blitzschnell hinter der Wohnzimmertür und lauschte seinem fröhlichen „Ho ho ho“. Der Weihnachtsmann schien sich prächtig zu amüsieren, während ich mich fragte, ob ich nicht vielleicht noch träumte. Aber das leichte Kribbeln in meiner Nase und der kalte Boden unter meinen Füßen bestätigten mir, dass dies die Realität war.

Entschlossen, nicht entdeckt zu werden, wartete ich geduldig hinter der Tür. Doch der Weihnachtsmann schien einen sechsten Sinn zu haben, denn jedes Mal, wenn ich dachte, der Weg sei frei, stand er plötzlich auf, um noch mehr Kekse zu holen oder sich einen weiteren Schluck Milch zu gönnen.

Es wurde zu einem skurrilen Katz-und-Maus-Spiel zwischen mir und dem Weihnachtsmann. Jedes Mal, wenn ich dachte, ich könnte unbemerkt nach oben gehen, stand er auf und durchkreuzte meine Pläne. Es war fast so, als ob er mein Vorhaben erahnen konnte.

Schließlich wagte ich einen weiteren Versuch. Als der Weihnachtsmann wieder tief in sein Keks-und-Milch-Vergnügen vertieft war, schlich ich mich zur Treppe. Doch kurz bevor ich den ersten Schritt nach oben machen konnte, hörte ich erneut ein „Ho ho ho“. Dieses Mal war es so nah, dass ich die warme Atemluft des Weihnachtsmannes auf meinem Nacken zu spüren schien.

Um nicht entdeckt zu werden, versteckte ich mich in einem dunklen Schatten, während der Weihnachtsmann im Raum umherblickte. Ich hielt den Atem an, und mein Herz schlug schneller als je zuvor. Der Weihnachtsmann lächelte und setzte sich wieder auf das Sofa. Er hatte mich nicht gesehen.

In diesem Moment wurde mir klar, dass der Weihnachtsmann vielleicht gar nicht so unberechenbar war, wie ich dachte. Vielleicht spielte er mit mir, hatte seinen Spaß daran, das neugierige Kind zu überraschen. Die Sorge vom Weihnachtsmann ertappt zu werden, war längst einer Mischung aus Aufregung und Staunen gewichen.

Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, beschloss ich, dem Weihnachtsmann keinen weiteren Schabernack zu bereiten. Stattdessen wollte ich ihm einfach dabei zuschauen, wie er seine Pause genoss. Doch als ich mich langsam dem Wohnzimmer näherte, hörte ich plötzlich ein weiteres „Ho ho ho“ – dieses Mal jedoch direkt hinter mir.

Ich drehte mich um und stand dem Weihnachtsmann gegenüber. Sein Lächeln war so warm wie die Lichter am Weihnachtsbaum. Er reichte mir die Hand und sagte: „Ich dachte, es wird Zeit, dass wir uns richtig kennenlernen, kleiner Freund.“

Wir setzten uns zusammen auf das Sofa, und der Weihnachtsmann erzählte mir von seinen Abenteuern, von den vielen Kindern, die er besucht hatte, und von den freudigen Momenten, die er erlebte. Ich konnte nicht anders, als fasziniert zuzuhören. Er war viel mehr als nur ein Geschenkebringer – er war ein Bote der Freude und des Miteinanders.

Wir teilten die Kekse und die Milch, und ich erzählte dem Weihnachtsmann von meinen Träumen und Wünschen. Es war ein magischer Moment, der meine kindliche Seele tief berührte. Doch wie es bei magischen Momenten so ist, verflogen sie viel zu schnell.

Der Weihnachtsmann stand auf, um seinen Sack zu packen. Ich begleitete ihn zur Tür und spähte in die stille Nacht hinaus. Der Schnee glitzerte im Licht des Mondes, und die Sterne schienen besonders hell. Der Weihnachtsmann lächelte mich an und sagte: „Bleib neugierig und offen für das Wunderbare, mein kleiner Freund.“

Mit diesen Worten verschwand der Weihnachtsmann in der Dunkelheit, und ich kehrte zurück ins Haus. Als ich die Tür schloss, spürte ich, dass diese Nacht nicht nur eine unvergessliche Begegnung war, sondern auch eine, die mein Herz für immer mit der Magie von Weihnachten erfüllt hatte.

Und so, meine lieben Enkel, endet die Geschichte von der Nacht, in der ich den Weihnachtsmann beim Kekseessen erwischte. Lasst euch solche magischen Momenten nicht entgehen und denkt immer daran, dass die wahre Freude darin besteht, sie zu teilen und das Wunderbare in jedem Augenblick zu erkennen. Frohe Weihnachten!

Glitzerzucker heilt keine Wunden

„In der Weihnachtsbäckerei, gibt es manche Leckerei…“ Wie ich Rolf Zuckowski liebe. Schon als Kind bin ich mit meiner Mama um den Küchentisch gehopst und habe lauthals mitgesungen. Vierzig Jahre später wische ich mir die erste graue Haarsträhne aus der Stirn und sehe in die strahlenden Augen meines Sohnes. Anton hat sich soeben für das kleine Eichhörnchen entschieden, das er ausstechen möchte. „Zwischen Mehl und Milch, macht so mancher Knilch….“ Er ist so süß und er sieht aus wie sein Vater, wenn er sich so hochkonzentriert auf die Zunge beißt. Paul, wir vermissen dich. Pauls Foto unter Antons Kopfkissen ist so zerknittert, dass er kaum mehr zu erkennen ist. Paul starb an Antons 8. Geburtstag. Ein Autounfall auf dem Weg nach Hause. Ein LKW ist frontal in seinen Passat gekracht, er hat keine Chance gehabt. Das ist jetzt zwei Jahre her. Das Leben muss weitergehen, mit unfassbar vielen Tränen, aber immer öfter auch mit einem Lächeln.
„Mama, wir brauchen mehr Glitzer.“ Anton hält mir eine leere Plastikdose entgegen.
Glitzerzucker auf Wunden streuen, wenn doch alles nur so einfach wäre. „Moment, ich hole neues.“ Ich wische mir die Mehlhände an meiner Schürze ab und stiefele auf den Flur Richtung Speisekammer. Anton war so tapfer. Er ist wirklich ein zauberhaftes Kind.
Die Diele knarzt. Nanu, habe ich die Tür zur Speisekammer nicht richtig zugemacht? Sie ist einen Spalt breit geöffnet. Es rumpelt. Ich verlangsame meine Schritte, halte die Luft an. Ein Rascheln, gefolgt von einem Seufzen. Da ist jemand in meiner Speisekammer. Vorsichtig greife ich nach Antons Hockeyschläger. Wie gut, dass er seine Sachen nach dem Training so achtlos in den Flur geworfen hat. Ich werde nie wieder schimpfen. Leise, bloß keine Geräusche verursachen, jetzt nur nicht niesen. Ich pirsche mich an. Noch zwei Schritte. Mein Herz turnt auf einem Trampolin. Paul, warum bist du jetzt nicht da? Ich kralle mich am Hockeyschläger fest, blicke durch den Spalt. Ein dicker Mann in roten Klamotten, mit Mütze und Rauschebart löffelt eine Dose Ravioli. Kalt, aus der Dose, mit einem Suppenlöffel. „Was zur Hölle tun Sie in meiner Speisekammer?“
Vor Schreck fällt ihm der Löffel aus der Hand. „Tschuldigong, isch hafte Hungfer.“ Er schluckt, wischt sich ein Brocken Ravioli aus dem Bart. „Verzeihung. Ich hatte Hunger.“
„Hunger? Sie sind ein Einbrecher.“ Ich greife nach meinem Handy, wähle die 110.
„Halt stopp, nicht die Polizei rufen. Ich bin Weihnachtsmann. Sie wissen schon, der echte.“ Er streckt mir seine Handfläche entgegen.
Vergiss es, im Leben gebe ich dir nicht mein Handy. „Das kann ja jeder sagen.“
„Schon, aber nicht jeder weiß, dass der 10. August 2005 der schönste Tag in deinem Leben war.“ Er beißt sich auf die Unterlippe.
Mein Handy rutscht mir aus der Hand, fällt zu Boden. Ich breche in Tränen aus. Unser Hochzeitstag. Da war die Welt noch in Ordnung. Der Hockeyschläger landet auf dem Handy. Dass das Display gesprungen ist, stört mich nicht. Woher kennt der Typ unseren Hochzeitstag?
„Schschsch, ist ja schon gut.“ Der Typ nimmt mich in den Arm, streicht über mein Haar. Er riecht nach Weihrauch.
Verdammte Axt, was zur Hölle tue ich hier? Ich löse mich aus seiner Umarmung und starre ihn an.
„Paul bat mich, dir das zu geben.“ Er hält mir einen Stapel grüner Umschläge unter die Nase. „Für jeden Geburtstag bis zu seinem 18., Anton soll wissen, dass Paul ihn über alles geliebt hat.“
Ich greife die Umschläge. Meine Finger sind eiskalt. Pauls Handschrift formt in eckigen Buchstaben den Namen unseres Sohnes.
„Und der hier, der ist für dich.“ Der Weihnachtsmann gibt mir einen roten Umschlag.
Für Kristin. Paul hat mich nie Kristin genannt, eher Hase oder Schatz. Ich reiße die Lasche auf, überfliege den Text. Ich sinke auf die Knie, wie in Zeitlupe, unfähig zu sprechen. Es rauscht in meinen Ohren. Ich rolle mich auf dem Fußboden zusammen, schreie, ohne dass ein Ton meine Kehle verlässt.
Als ich mich wieder aufrichte, ist der Weihnachtsmann verschwunden. Was bleibt, ist dieser Brief.
Kristin, es war kein Unfall. Krebs ist ein mieser Verräter.

24 Dezember – 14 Uhr

„Was machen sie da?“ stotterte ich nicht überzeugend, als ich mein Badezimmer betrat. Der Weihnachtsmann hatte mir seinen Rücken zugekehrt und antwortete mit tiefer, leiser Stimme.
„Entschuldigung, ich bin spät dran.“
„Wenn überhaupt sind sie zu früh. Es ist zwei Uhr und die Bescherung findet erst um 18:00 statt. Und bestimmt nicht hier im Badezimmer.“

„Es tut mir wirklich leid, aber ich muss mich beeilen.“ Der Mann drehte sich zu mir um, ich klappte den Klodeckel runter und setzte mich erstmal hin.
„Du liebe Güte, gibt es jetzt auch Weihnachtsfrauen?“ Der Kerl in dem roten Gewand war geschminkt, und frag nicht wie. Es fehlte wohl nur noch der Lidstrich am linken Auge, den Pinsel hatte er oder sie noch in der Hand. Bart und eine weiße Perücke lagen im Waschbecken. Meine komplette Karnevalskosmetik war auf der Ablage verteilt und es glitzerte nicht nur in seinem oder ihrem Gesicht, sondern vom Fußboden bis zur Dusche.
„Wer sind sie? Von hinten Weihnachtsmann, von vorne Olivia Jones.“
„Fast. Alle denken, ich könnte von dem einen Tag im Jahr leben. Und jeder möchte um 18:00 pünktlich die Geschenke unter dem Baum haben. Wie bitte schön soll das gehen. Ich bin auch nur ein Mensch – und gerade sehr gestresst.“

„Sagen sie nicht, sie haben noch einen Zweitjob.“
„Bin sozusagen Wanderarbeiter. Dieses Jahr für mehrere Wochen hier. Mein Auftritt ist schon in vier Stunden und ich muss die ganze Straße noch beschenken.“ Sein Tonfall wurde weich und brüchig und gleichzeitig kullerte aus dem rechten Auge eine schwarz glitzernde Träne, aus dem linken ein klarer Tropfen.
Ich stand auf, ging zu ihm hin und fragte: „Darf ich sie umarmen?“ und er nickte nur. Ich umschlang die stattliche Erscheinung und wir hielten uns minutenlang fest.
„Jetzt machen sie sich aber flott fertig, ich räum das hier gleich schon auf.“ Ich löste mich von ihm, klopfte ihm auf die Schulter und ließ ihn allein.
Fünfzehn Minuten später sah ich ihn mit wallendem rotem Haar und auf Highheels grazil in Richtung Schlitten entschwinden.
Unter dem Weihnachtsbaum lag ein Umschlag mit zwei Karten für:

The magical Christmas - Die große Weihnachtsshow
*Pulverfass Cabaret *
Reeperbahn Hamburg

**Weihnachtswunsch
„*Papa, ich habe noch einen Wunsch an den Weihnachtsmann.“
„Und der wäre?“
„Ein fernlenkbares Spielauto. Bei Kevin habe ich so eines gesehen.“
„Da bist du ziemlich spät dran. Dein Wunschzettel ist längst weg. Der Weihnachtsmann hat jetzt vollauf zu tun. Und die Post wird kaum noch rechtzeitig ankommen.“
Ich war enttäuscht und bettelte: „Probiere es doch noch!“
Der 24. war da. Den Weihnachtsbaum hatten wir im Wohnzimmer aufgestellt und gemeinsam geschmückt. Dabei ist mir eine Silberkugel heruntergefallen und zersprungen. „Pass doch besser auf“, zürnte mein Vater. „Tut mir leid, sie ist einfach werggerutscht.“
Vater rief die Mutter aus der Küche. „Schau dir das an, was der Junge fertigbringt.“
Sie kam mit Kehrblech und Besen und fegte die silbrigen Splitter zusammen und holte zuletzt noch den Staubsauger und murmelte: „Die Baumnadeln müssen auch weg.“ Ich wurde nach oben in mein Zimmer geschickt, sollte mich ausruhen, bleiben, bis ich gerufen würde.
Ich hatte nun Zeit, mir vorzustellen, welche Wünsche in Erfüllung und mit dem Gedanken, dass es kein Spielauto gibt, anzufreunden.

Es begann zu dunkeln. Jetzt muss der Weihnachtsmann unten im Wohnzimmer in Gange sein. Ein auf- und abrasselndes und zugleich sirrendes Geräusch klang von unten herauf. Was war das? Ich konnte mich nicht zurückhalten und löschte das Licht, öffnete leise die Tür und schlich zur Treppe.

Das Geräusch war deutlicher. Dann knallte es ein wenig und Stille. Ich beugte mich tiefer. Mir gingen die Augen über. Nun machte ich den Fehler, ging noch eine Stufe weiter, während das Geräusch wieder einsetzte. Ein schwarzgrünes Gefährt schoss auf die Treppe zu und mein Vater und ich, wir, starrten uns an. Er ließ die Hände sinken und ein kleiner Antennenstab deutete auf mich. Der Blick meines Vaters verdüsterte sich. „Das ist doch die Höhe!“, fauchte er.
Blitzschnell drehte ich mich, stürmte die Treppe hoch und rief: „Du hast mich belogen. Du bist selbst dein Weihnachtsmann“ .Ich hörte noch meinen Vater brüllen: „So, das war‘s. Du bleibst heute in deinem Zimmer!“

Ich schmiss die Tür zu, warf mich aufs Bett und weinte, bis ich müde wurde und einnickte.
Zu mir kam ich, als es an die Tür klopfte und meine Mutter Felix rief …

Die Magie von Weihnachten

Es war der Tag vor Heiligabend und ich war mit den letzten Vorbereitungen für das Fest beschäftigt. Das Haus war ein einziges Chaos aus Geschenkpapier, Tannenzweigen und Weihnachtsschmuck. Plötzlich meldete sich mein Hund lautstark und ungeduldig, er musste dringend raus.
Ich seufzte frustriert und beschloss, eine kurze Pause einzulegen um mit ihm Gassi zu gehen.
Also schnappte ich mir die Leine und öffnete die Tür, ohne zu ahnen, was mich draußen erwartete.

Kaum hatte ich die Tür geöffnet, stieß ich unglücklicherweise mit dem Weihnachtsmann zusammen. Er erschrak so sehr, dass er ausrutschte und zu Boden fiel. „Alles in Ordnung?“ rief ich besorgt und eilte ihm zu Hilfe. Doch bevor er antworten konnte, hörten wir plötzlich Schritte auf dem Bürgersteig.
Panik ergriff den Weihnachtsmann und er sah sich hektisch um. „Das sind die Elfen! Die dürfen mich nicht sehen“, flüsterte er panisch. Verwirrt sah ich ihn an und versuchte zu verstehen, was hier vor sich ging. Doch bevor ich eine Frage stellen konnte, tauchten tatsächlich kleine Gestalten am Ende der Straße auf.
Die Elfen waren klein und flink, ihre grünen Mützen leuchteten im Licht der Straßenlaternen. Sie kamen immer näher und schienen den Weihnachtsmann zu suchen. „Schnell!“, flüsterte der Weihnachtsmann hastig. „Wir müssen uns verstecken!“
Ich zögerte keine Sekunde und zog den Weihnachtsmann in mein Haus. Wir huschten durch den Flur und versteckten uns im Schrank unter der Treppe. Mein Herz klopfte laut vor Aufregung, während wir dort eng aneinander gekauert saßen und die Elfen immer näher kamen.

Plötzlich hörten wir Stimmen vor der Haustür. Die Elfen hatten die Wohnung betreten und waren auf der Suche nach dem Weihnachtsmann. Ich hielt den Atem an und betete, dass sie uns nicht entdecken würden. Aber dann geschah etwas Unerwartetes.
Wir hörten Bello, meinen Hund, bellen. Verwirrt und ängstlich wagten wir einen Blick nach draußen und konnten es kaum fassen: Wie gebannt starrten die kleinen Wesen auf meinen Bello.
Diese Ablenkung nutzte der Weihnachtsmann, um aus dem Schrank zu schlüpfen und mir ein Zeichen zu geben, ihm zu folgen. Leise schlichen wir durch das Haus, immer darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden.
Schließlich kamen wir in den Garten, wo sein Rentiergespann stand. Die Rentiere schnaubten aufgeregt und warteten darauf, loszufliegen. Der Weihnachtsmann half mir in den Schlitten und setzte sich neben mich. „Wir müssen hier schnell weg“, flüsterte er eindringlich.
Mit einem Ruck setzte sich der Schlitten in Bewegung und hob ab. Wir flogen über die Dächer der Häuser, während die Elfen noch mit Bello beschäftigt waren. Der Weihnachtsmann lenkte das Gespann geschickt durch die Nacht, während ich mich an ihn klammerte und versuchte, meine Aufregung zu unterdrücken.

Nach einer Weile ließ der Weihnachtsmann die Rentiere langsamer werden und landete sanft auf einem schneebedeckten Feld in der Nähe meines Hauses. Dankbar lächelnd drehte er sich zu mir um und half mir aus dem Schlitten. „Danke für deine Hilfe“, sagte er freundlich. „Ohne dich hätten mich die Elfen bestimmt gefunden.“
Ich lächelte zurück und bedankte mich für das aufregende Abenteuer.

Der Weihnachtsmann erzählte mir, dass die Elfen manchmal neugierig seien und ihm gerne bei der Arbeit beobachten würden. Aber es sei wichtig, dass sie nicht wüssten, wo er sich aufhalte, wenn er die Geschenke verteilt, um den Zauber der Weihnacht zu bewahren.
Mit einem letzten Winken stieg der Weihnachtsmann wieder in seinen Schlitten und ließ die Rentiere erneut abheben. Der Schlitten glitt elegant durch die Luft, während ich dem Weihnachtsmann nachsah und mich fragte, ob das alles wirklich passiert war.
Als der Schlitten am Horizont verschwand, kehrte ich langsam nach Hause zurück. Die Elfen waren verschwunden und die Straße lag still und verlassen da. Bello lag in seiner Ecke und schlief. Ich schloss die Tür hinter mir und ließ das Erlebte auf mich wirken.
Es war ein unvergessliches Abenteuer gewesen, das ich mit dem Weihnachtsmann erlebt hatte. Ich konnte kaum glauben, dass ich ihm tatsächlich geholfen hatte, sich vor den neugierigen Blicken der Elfen zu verstecken.

Mit einem Lächeln machte ich mich wieder an die letzten Vorbereitungen für die Feierlichkeiten. Doch diesmal hatte ich eine ganz besondere Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte von einer unerwarteten Begegnung mit dem Weihnachtsmann und einem gemeinsamen Abenteuer, das meine Vorfreude auf Weihnachten noch mehr entfacht hatte.
Und so feierte ich an Heiligabend nicht nur die festliche Zeit im Kreise meiner Lieben, sondern auch den Zauber und die Magie von Weihnachten, die mir in diesem Jahr auf ganz besondere Weise begegnet waren.