@Joh über das Leben als gigantische Satire-Veranstaltung

@Joh brachte uns während der Saison zum Lachen. Er unterrichtet Latein und Religion am Gymnasium – seit er selbst schreibt, hat er eine ganz neue Perspektive auf die Texte gewonnen, die er mit seinen Schülerinnen und Schülern interpretiert. Er liest und schreibt Fantasy. Derzeit arbeitet er an weiteren komischen Fantasyromanen – gern auch mit anachronistischen Elementen, wenn beispielsweise ein Vertreter auftaucht und dem Helden eine Lebensversicherung andrehen will … Wir haben ihn nach seinen Schreibgeheimnissen gefragt.

Hier ist seine Antwort:

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„Als Gott sah, wie dreckig es den Menschen manchmal auf seiner Erde ging, schämte er sich und schenkte ihnen das Lachen“ (Quelle unbekannt, aus dem Gedächtnis zitiert). Ich liebe es, humorvoll zu schreiben. Schon vor Jahrzehnten zielten meine Artikel für die Schülerzeitung meist darauf ab, die Leser zu amüsieren.

Und seien wir ehrlich: Der Irrsinn des Alltags lässt sich leichter ertragen, wenn man sich vorstellt, das Leben sei eine einzige gigantische Satire-Veranstaltung! Insofern ist Humor auch ein Ventil: Viele Absurditäten und Querschläger des Schicksals verarbeite ich inzwischen, indem ich mich darauf freue, sie in zugespitzter Form in den nächsten Roman einzuweben.

Ein Leser kann mir kaum ein größeres Kompliment machen, als mir am Ende eines Buches zu sagen: „Ich musste mehrmals herzhaft lachen!“ Dann habe ich das Hauptziel meines Romans erreicht. Zugleich habe ich manchmal Angst vor einer Pointe: Eine Stelle, die spannend wirken soll, jedoch einschläfert, empfinde ich als misslungen – das kann passieren. Aber ein Witz, der erzwungen und grottenschlecht ist, ist peinlich!

Ich habe mir angewöhnt, überall ein Notizbuch mitzuführen. In der Jacke, im Rucksack – immer begleitet mich mindestens ein Büchlein, damit ich Gedanken oder Formulierungen sofort festhalten kann. Und wenn es mit dem Schreiben nicht läuft, blättere ich manchmal durch diese Notizen, um die neue Formulierung für Kapitel 7 mit der zu vergleichen, die bereits im Text steht. Zusätzlich habe ich überall im Haus kleine DIN-A6-Zettel verteilt – und bisweilen strapaziere ich die Nerven meiner Familie, wenn ich während des Essens einen solchen Zettel vom Schrank fische oder abends kurz die Leselampe anknipse, um hektisch einige Zeilen aufs Papier zu werfen. Wie war das mit dem Humor …?

Auch mein Beitrag für die neunte Runde von Seitenwind war humorvoll. Ob ich verdient gewonnen habe, sei dahingestellt, aber dazu habe ich mich bereits hier geäußert. Mir hat am Seitenwind vor allem das Spontane gefallen: „Hier ist dein Thema, schreib möglichst schnell etwas dazu!“ Andererseits hat dieser Druck bei mir manchmal auch zu Blockaden geführt. Immer aber war es interessant, die Beiträge anderer zu lesen, um zu sehen, was ein kreativer Kopf aus der jeweiligen Aufgabenstellung machen konnte!

– o O o –

Wie leicht oder schwer fällt es euch, humorvolle Texte zu schreiben? Und was muss man als Autor, als Autorin tun, um euch zum Lachen zu bringen?

Dieser Post ist Teil einer Serie über die Schreibpraxis der Seitenwind-Autorinnen und -Autoren, die die populärsten Texte verfasst haben. Letzte Woche schrieb @Gwendy über Kameraführung und das Schweigen des inneren Kritikers.

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Ich mag humorvolle Fantasy sehr, wesentlich lieber wie epische. Und obwohl ich gerne lache , kommt beim Schreiben wohl eher mein trauriges Grundnaturell durch. So war ich schon immer. So sehr ich mich auch bemühe, ich kann Humor und Leichtigkeit nicht rüber bringen . Es würde nur erzwungen wirken. Na ja, dafür gibt es ja Autoren mit einem natürlichem Talent dafür. Und die geniesse ich dann und gluckse oder kicher vor mich hin. Ein wenig neidisch bin ich manchmal schon auf dieses Talent, aber man kann es halt nicht erzwingen.

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Sollte ich meinen Roman doch eines Tages der Öffentlichkeit zugänglich machen, schicke ich dir eine Leseprobe :stuck_out_tongue_winking_eye:
Und tröste dich: Ich weiß nicht, ob ich etwas Düsteres schreiben könnte. Meist wird von allein Blödsinn daraus, dafür muss ich gar nichts tun :smile:

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Blödsinn ist wunderbar. Und ich habe eine bessere Idee. Anstatt einer Leseprobe kauf ich dein Buch einfach ganz. So halbe Sachen sind ja nix. Dann möchte ich doch das komplette Vergnügen haben. Also, schön im Forum mitteilen, wenn du dich irgendwann dazu entschließt.

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Wenn ich eines Tages einen Roman veröffentliche (also „richtig“ veröffentliche, nicht nur per Sammelmail für den Bekanntenkreis), werde ich natürlich etwas ins Forum schreiben. Dann lasse ich mir doch keinen potenziellen Leser entgehen. :grin:

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Ich habe meinen Roman drucken lassen (in erster Auflage 200 Stück, für Nachbestellungen weitere 50) und ihn an Interessenten verteilt. Und was passiert?
Heute erwische ich einen Schüler, der während meines Lateinunterrichts in meinem Buch schmökert!
Was heißt das jetzt? Ist mein nobelpreisverdächtiger Roman noch spannender als mein grandioser Unterricht? Oder sind meine lahmen Lateinstunden noch langweiliger als mein fades Geschreibsel …?

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Unglaublich! Ich würde ihn dazu verhaften, ein Referat über das Buch zu halten. :roll_eyes:

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Wahrscheinlich wollte er nur wissen, was sein Lateinlehrer verzapft hat.

@Joh Viel Erfolg mit dem Buch!

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Ja! Samt Autoren-Vita, auf die ich natürlich besonders gespannt wäre :laughing:

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Dabei habe ich die erste Überschrift extra auf Latein formuliert, um Schüler abzuschrecken :wink:

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Innerhalb von sieben Tagen, alle Achtung! Das muss dir erst Mal einer nachmachen.

Hier hattest du ja selbst noch keine Ahnung davon.

Es stellt sich mir die Frage als erstes: Wie ist der Schüler an das Exemplar gekommen, wenn du sie handverteilt hast? Er muss es von jemandem haben, den du gut kennst. Ob es gut ist, weiß man dennoch nicht, denn dein Buch hatte keine besonders hohe Hürde zu reißen, es war Lateinunterricht. Sogar der Warnhinweis auf einem Überraschungsei ist interessanter als Latein.

Aha. Wäre dem so, gebe es keine Latein-Lehrer mehr, oder? Obwohl, irgendwie stimmt es schon.

Aus einem öffentlichen Bücherschrank, weil der handverteilte Empfänger es nicht (mehr) wollte? Von einer Tante, die ihren Neffen hasst? Von einer „Freundin“, die Interesse geheuchelt hat und es dann weiterverschenkt hat? Von jemandem, der @Joh kennt und vielleicht dachte, das Buch sei nützlich für den Schüler? Es gibt so viele Möglichkeiten. Wir sind Autoren. Wo bleibt deine Fantasie @Frafür1Freu ?

Innerhalb von sieben Tagen, alle Achtung! Das muss dir erst Mal einer nachmachen.

Äh … wieso innerhalb von sieben Tagen? Die erste Auflage war vom Januar 2022. Mit der „Öffentlichkeit“ meinte ich eine Veröffentlichung an „jeden“ per Verlag oder Self-Publishing (z.B. epubli). Im Internet kann man den Roman nicht bestellen, sondern jedes Buch, das im Umlauf ist, musste irgendwann durch meine Hände gehen. Wohin es danach weiterwandert, entzieht sich meist meiner Kenntnis - obwohl ich auch schon den putzigen Fall hatte, dass mich eine ehemalige Klassenkameradin (zugleich Kindergärtnerin meiner Kinder und Mutter einer meiner Schülerinnen) gefragt hat, ob sie das Buch überhaupt ausleihen dürfe.
Deshalb ist es natürlich nicht verwunderlich, dass an der Schule (Kleinstadt …) einige kursieren.

Sogar der Warnhinweis auf einem Überraschungsei ist interessanter als Latein.

Obwohl, irgendwie stimmt es schon.

Was seid ihr nur für Banausen!!! :rage: :rage: :rage:
Ich erwarte euch am kommenden Montag um 7.55 Uhr in meiner 10. Klasse bei Ovids „ars amatoria“ :stuck_out_tongue: :smiling_imp:

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Oh je, oh je, oh je … Ich melde mich krank.

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Genau dieser Humor brachte mir meine 1-Stern-Bewertung auf Amazon („Der Bronzerücken“); zumindest fühlt es sich für mich so an…
Ganz ehrlich? Ich warte darauf, dass jemand, der das Buch von der anderen Seite sieht, auf die 1-Stern-Bewertung reagiert.
(Natürlich warte ich nicht nur darauf. Zur Ablenkung gehe ich arbeiten, staune, wie sich unsere Kinder entwickeln, führe gute Gespräche, lache heimlich über unsere Katze, wenn sie sich beleidigt zur Wand dreht (und uns gleichzeitig damit den Rücken zudreht), wenn sie nicht jeden Willen bekommt,…
Kurzum: Ich liebe die Heiterkeit!)

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Hallo Silla,
das traurige Grundnaturell? Menschen mit Humor wären zu großem Ernst fähig, heißt es. Deine ernsthafte Seite hast Du also schon einmal entdeckt…
Darf ich Dich testen? Erlaube mir bitte, es mir leicht zu machen (wegen der Leichtigkeit). Ich muss anmerken, dass ich wirklich gern über mich selber lache. (Dafür brauche ich nicht einmal Publikum.)
Test für Silla:
Lies mal bitte den folgenden Text und teile mir ehrlich mit, was Du empfindest. Es ist das letzte Kapitel aus meinem „Der Bronzerücken“.
Hast Du Deine heitere Seite gespiegelt gefunden? Eventuellen Neid lasse bewusst weg. Auch ich habe schon von Dingen gehört, die andere Jungs wohl besser können. Das findet doch jeder bei sich…
Gruß, Udo

Kapitel 24

Lernen im Tanz

Baruth hat einen eigenen Stadtpark, welcher im Jahre 1838 durch Preußens bedeutendsten Gartenbaumeister, Peter Joseph Lenné (geboren in Bonn), gestaltet wurde. Im Alten Schloss, am Rande des Parks, veranstaltete der Baruther Chor mehrmals einen Ball. Diese Veranstaltungen genießen wir sehr. Wunderbares Essen, tolle Gespräche mit Freunden, Bekannten und neuen Kontakten. Und wir gehen Tanzen! Meistens ist das Verlangen, die Hüfte zu schwingen, bei mir größer als bei Heidi. Es kam, wie es kommen musste. Da ich noch konnte und wollte, Heidi aber eine Pause in Anspruch nahm, zog es mich allein zur Tanzfläche. Am Tisch von Ines und Frank ging ich vorbei. Unsere Blicke trafen sich. Ich ging volles Risiko. Mit dem Zeigefinger deutete ich auf Ines – gedanklich: „Du…“ Vom Zeigefinger in den Daumen wechselnd und zur Tanzfläche weisend – gedanklich: „Mitkommen!“ Mit einem Blick hinterfragte Ines noch kurz, ob ich wirklich sie meinte. Meine antwortende Geste verriet: „Hattest du jemals ein Problem mit mir?“ Auf der Tanzfläche mussten wir lachen und gingen in den Discofox. Bei unseren Tanzbewegungen spürte ich an Ines, was ich sonst - durch Mangel an Vergleich - nur bei Heidi spüre. Männer wollen aber wissen, woran sie sind. Bei Frauen ist dieses seelische Verlangen noch viel ausgeprägter. Ich sprach Ines darauf an. Da Ines und Frank fast um die Ecke wohnen, konnte ich ihre Antwort auch bildlich gut einordnen. Sie habe zu Hause drei Männer. Da käme das Führen automatisch. Ich ließ es geschehen. Als Bronzerücken kenne ich auch meine Komfortzone. Unser Tanz war wirklich harmonisch. Wir konnten uns wunderbar nebenbei unterhalten. Und ich kann jetzt Heidi für mein Leben noch besser einordnen. Zu Hause sind wir zwar nur zwei Männer. Aber Heidi hat das Führen wirklich im Blut – nicht nur beim Tanzen, nicht nur zu Hause. Mir genügt es, wenn die Führung, die ich erfahre, hauptsächlich innerhalb meiner Komfortzone geschieht. Dann bleibe ich pflegeleicht.
Natürlich ist mir die gesellschaftlich höflichere Aufforderung zum Tanz „Darf ich bitten?“ auch geläufig. Sogar in der Praxis.

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@Bronzerücken
Es ist ja nicht so, dass ich gar keinen Humor habe, ich kann ihn nur nicht übermitteln. Über mich selbst kann ich auch sehr gut lachen. Das Wort Neid hätte ich vielleicht in Anführungszeichen setzen sollen. Es ist eher Bewunderung für das humoristische Talent anderer. In einer der Seitenwindwochen gab es einen Beitrag. Es ging um Herrenzimmer und Frauenzimmer. Ich weiß leider nicht mehr, von wem der Text war. Der Stil dieses Dialoges würde wunderbar zu meinem Projekt passen. Tatsächlich stelle ich mir „meinen“ Butler so vor. Bisher tue ich mich schwer damit. Traurigkeit und Verzweiflung gehen mir leichter von der Hand. Und ich beziehe mich da nur auf das Schreiben, in persönlichen Gesprächen bin ich doch anders.Ich gehe also nicht zum Lachen in den Keller. Ich bin vom Charakter her aber nicht unbedingt eine Frohnatur und unterhalte meine Umgebung mit humorvollen Geschichten und Kalauern.sondern bin eher ernsthaft. Schriftlich fällt es mir schwer, Ironie oder Humor darzustellen. Ich habe da eine Szene mit einem Kutscher. Er ist eher derb und sein Humor kommt mit dem Holzhammer daher. Das funktioniert, besonders, da er sich der Sprache der Unterschicht bedient. Ein Hauptcharakter gehört der Oberschicht an, da sind die Regeln anders .Der feine Humor ist das Problem. Das Augenzwinkern, welches der Leser spüren soll.
Danke für deinen Textauszug. Nur, ich verstehe nicht ganz, worauf du hinaus möchtest. Ich lese die Leichtigkeit eines geselligen Abends . Humor und Heiterkeit würde ich in diesem Fall vielleicht nur von Angesicht zu Angesicht in einem persönlichen Gespräch erkennen, nicht in dem geschriebenen Text.Weil mir da Mimik, Gestik und Tonlage helfen würden. Ich habe an mir auch schon oft beobachtet, dass ich vieles wörtlich nehme und die Feinheiten nicht erkenne. Das „zwischen den Zeilen“. Oder meintest du etwas ganz anderes?

Hallo Silla,
das ist ja eine schnelle, offene und ehrliche Antwort. Danke!
Zwischenzeitlich war ich nicht sicher, ob die Metapher zur Sexualität aus meinem Text übergriffig erschien. In meinem Umfeld kommt es absolut heiter rüber. (Das war das Spiel. Für Fremde könnte es auch nach hinten losgehen.)
Mein Text sollte Dir nur als Spiegel dienen. Seit Jahrzehnten habe ich eine Freundin, die mir erst im letzten Jahr sagte, sie verstünde meinen Humor nicht. (Deine Reaktion erinnert mich an sie. Und ich habe oft nicht verstanden, was es an meinem Humor nicht zu verstehen geben soll. Das ist das Leben. Es gibt viel zu lernen - auch zwischenmenschlich.)
Mein subjektives Fazit aus Deiner Reaktion: So lange Du auch ein gutes Verhältnis zu Dir selber hast, und auch mit Dir selber ehrlich umgehst, ziehst Du die Menschen in Dein Leben, die zu Dir passen. Das wird sich auch in Deinem Schreibstil widerspiegeln. Dein Stil muss zu Dir passen. Dafür wünsche ich Dir alles Gute und viel Erfolg!
Danke nochmal für Deine ehrliche Antwort!
Gruß, Udo

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@Bronzerücken
Auch ich wünsche dir viel Erfolg. Du hast ja schon einiges erreicht. Weiterhin viel Freude auf deinem Weg.

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