Zwei Leseproben aus meinem aktuellen Projekt

Zum besseren Verständnis:

Leseprobe 1 erzählt von der Überstellung meines Hauptprots, Manuel, vom Polizeigefängnis in das Wr. Landesgericht. Es ist das dritte Kapitel meines Romans. (Die ersten beiden erzählen von seiner Fest- und Einvernahme und führen alle Hauptfiguren ein. Der Gefängnisbericht Manuels wird unterbrochen von längeren Rückblicken auf die Zeit davor.)

Leseprobe II ist einer dieser Rückblicke und handelt vom Besuch Manuels in der WG Margits, seiner späteren Freundin und zweiten Hauptperson, die er kurz davor an einem FKK-Badestrand kennengelernt hat.

P.S. Mich interessiert alles, was euch dazu einfällt! Ich bitte bloß darum, keine Infragestellung der beschriebenen Situation in österr. Polizeistuben und Gefängnissen der frühen 80er Jahre anzustellen. Wer sie kannte, zweifelt nicht daran, wer sie bezweifelt, kannte sie nicht. :wink:

Leseprobe 1.pap (11,0 KB)
Leseprobe II.pap (12,3 KB)
Leseprobe 1.pdf (63,3 KB)
Leseprobe II.pdf (73,0 KB)

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Bevor ich etwas umformuliere: Ist das für dich grundsätzlich okay, oder bevorzugst du reines Feedback ohne Textvorschläge?

Du kannst anmerken, was immer du willst. :slight_smile:
Ich bin an ehrlichen Lesermeinungen interessiert. Sie müssen auch gar nicht spezifisch sein. Vor allem will ich wissen, ob ihr weiterlesen würdet.
LG

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Sehr schön, beide Kapitel gefallen mir gut und ich habe Lust, weiterzulesen. Ich habe nur drei kleine Anmerkungen. Im ersten Kapitel schaut er am Gerichtsgebäude hoch und sieht den Taubendreck:

Auf den Mauervorsprüngen gurrten Tauben, Wände und Fensterbretter waren weiß gesprenkelt von ihrem Kot.

Wahrscheinlich(!) sind die Fensterbretter voller Vogelscheiße. Das kann er von dort unten nicht sehen. Zudem heißen Wände nur von innen Wände. Sind sie außen, spricht man von einer Fassade oder Hauswand. Besser wäre eine Formulierung wie:
»Auf den Mauervorsprüngen gurrten Tauben. Die Fassade war vom Kot weißgesprenkelt, wie die Fensterbretter aussahen, mochte ich mir kaum vorstellen.«

von der Decke hingen Kugellampen aus Porzellan.

Das ist unwahrscheinlich. Kugellampen aus Porzellan emmittieren kein Licht. Die Kugeln dieser Lampen (und damit der wichtigste Teil) sind demnach nicht aus Porzellan.

Dann wurde der Kuss leidenschaftlicher, hungriger, unsere Zungen spielten miteinander, als wären sie seit langer Zeit vertraute Gefährten.

Das ist eine weit verbreitete Unsitte in Texten, die erotisch wirken sollen, dass man gesteigerte Adjektive verwendet, ohne dass es etwas zu steigern gibt. Die Küsse sind natürlich voller Leidenschaft. Aber nicht so. Zudem stört die vierfache Endung auf »er« in dem Satz, besonders beim lauten Lesen.

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Guten Morgen, @Endgegnerin !

Danke für deine Stellungnahme. Schön, dass dir der Text im Wesentlichen gefällt.

Der Prot befindet sich in einem Innenhof, er blickt nicht die Außenfassade des Gebäudes hoch.
Anbei: Es gibt ja auch Plakat- und Lärmschutzwände. :wink: Aber dennoch übernehme ich deinen Vorschlag. Jetzt sind die Fassaden weiß gesprenkelt. Es gibt ja vier davon. Die Fensterbretter nehme ich raus. Damit hast du recht.
Würden Kugellampen kein Licht emittieren, wären sie keine Lampen. In alten österr. Amtshäusern gibt es noch etliche davon. Aber ich nehme das Porzellan raus. Dann werden sie durchsichtiger. :sweat_smile:
Die Liebesszene bleibt, wie sie ist. Ich mag sie und kann gut damit leben.

Nochmals Dankeschön,
und LG

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Ich glaube, Endgegnerins Kritik bezog sich weniger auf die Form (Kugel) als auf das Material (Porzellan). Die Amtshauslampen, die du meinst und ich auch sehr gut kenne, sind mW aus weiss gefärbten Glas.
Dein Text gefällt mir iÜ sehr gut.

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Schade, ich kann es nicht öffnen.

Papyrus würde diesbezüglich helfen. :wink:
EDIT: Ich habe die beiden Leseproben nun auch als PDF in meinem Eröffnungspost hochgeladen.
LG

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Super ich guck nachher mal rein

Gefällt mir insgesamt gut, v.a. das Erzähltempo und der schnörkellose Stil, das glaubhaft gut recherchierte Lokalkolorit sowieso, so etwas macht Laune und zieht mich in die Geschichte.

Was mich ein wenig stört: ich habe ein bisschen das Gefühl, einen „Erlebnisaufsatz“ zu lesen, der vor allem beweisen will, dass man „wirklich dort war“. Die Eindrücke bleiben für mich noch zu blass. Es riecht nach „Zigaretten und Schweiß“ oder „Diesel und Abgasen“ - auch wenn ich nie vor Ort war, würde ich diese Gerüche blind vermuten. Der Beamte ist „dickbäuchig“ und hat „graue Schläfen“: so sehen unzählige ältere Gefängnisbeamte aus (schätze ich mal), kann man ihm nicht ein paar Attribute verleihen, die ihm Wiedererkennungswert verleihen? Und sei es nur, dass er nach Knoblauch stinkt und sich beim Sprechen eine Schleimblase in seinem Mundwinkel bildet …? (auch nicht wahnsinnig originell, aber verdeutlicht vielleicht, was ich meine). Auch „Fenster, die in den Hof blicken“ klingen für mich etwas nach „Schreib-Baukasten“ - da geht sicher mehr!

Diese Anmerkungen bitte nicht als Kritik nehmen - alles Lesen ist subjektiv - ich finde, dass diese Geschichte wirklich Potential hat, sonst würde sie mich auch gar nicht so beschäftigen. Es sind einfach meine Gedanken, mein „was-würde-ich-anders-machen“. Auf das fertige Buch bin ich gespannt!

Hallo @Phlox !

Geschichten aus Sicht der ersten Person wirken so gut wie immer authentisch. Das ist ja auch die Absicht der meisten Ich-Autoren. Der Leser kann, vielmehr soll sich ruhig denken, ich hätte das alles selbst erlebt. Deshalb steht auch ein männliches Pseudonym am Buchdeckel.

Der Stockchef mit den grauen Schläfen ist nur eine unbedeutende Nebenfigur, die in der Geschichte keine weitere Rolle spielt. Anbei: Wenn man in einer Gruppe ein paar Meter vor dem Sprecher steht, kann man kaum dessen Mundgeruch wahrnehmen.
Tragende Figuren oder auch die Beamten, die Manuel verhafteten, sind natürlich ausführlicher profiliert.

Kritik ist per se kein negatives Wort. Es wird nur häufig negativ interpretiert. Es gibt auch positive Kritik. Als solche sehe ich die deine.

Das freut mich außerordentlich. Danke für deine Anmerkungen. :blush:

Erstens: danke für’s Bereitstellen. Beide Leseproben gefallen mir sehr gut.
Was mir aufgefallen ist und was ich ändern würde, wenn es mein Text wäre:

Leseprobe 1:
„Das hatte mir gerade noch gefehlt. - Wasser!
Würde ich so schreiben: „Das hatte mir gerade noch gefehlt – Wasser!“

Warum? Der Punkt nach dem Wort gefehlt beendet den Satz. Das Wort Wasser wird mit einem Gedankenstrich eingeleitet; ist eher unüblich. Aus Sicht des Lesers bleibt in der Variante ohne Punkt, nur mit Gedankenstrich, der Lesefluss erhalten.

Leseprobe 2:
"Das Haus lag im 15. Wiener Gemeindebezirk …, es könnte jeden Moment zusammenbrechen.*
Würde ich so schreiben:
„Das Haus lag im 15. Wiener Gemeindebezirk …, es könnte jeden Moment zusammenstürzen/einstürzen.

Warum? Häuser brechen im Normalfall nicht zusammen, sie stürzen ein oder sind zusammengestürzt.
Marathonläufer brechen zusammen.


Margit brachte mir eine Tasse Kaffee. „Wenn du unsicher bist, lass es lieber. Nur weil wir hier kiffen, musst du das nicht auch tun.“ Das traf meinen Stolz. Ich wollte dazugehören, nicht danebenstehen.

Hier würde ich schreiben: Das kränkte meinen Stolz. Ich wollte dazugehören, nicht Außenseiter sein.

Warum? Das Wort traf klingt in diesem Kontext etwas aprupt, da der Hinweis eher fürsorglich gemeint war. Das Wort danebenstehen könnte mißverstanden werden, da es auf örtliche Distanz hinweist. Das Wort Außenseiter erzeugt das Gefühl nicht zur Gruppe zu gehören.

Alles Geschriebene stellt meine persönliche Sicht auf die Texte dar.
Vieles andere wurde bereits geschrieben.

Und schon wieder die Brösel (nein, nicht Krümel!) Mit dem Ösi-Deutsch. Leute, das ist so. Wir haben tatsächlich eine andere Sprache (samt Grammatik) und die zwickt sich halt oft mit jener nördlich des Weisswurstäquators. Wir leben recht gut damit. Ihr sicher auch.

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Servus @Schreibfuchs !

Beide Leseproben haben dir gefallen, das freut mich natürlich. :slight_smile:
Der Punkt vor dem Gedankenstrich wird entfernt. Kann weg.

Ich schrieb: … es könne jeden Moment zusammenbrechen. Nicht: es könnte … :wink:
Vielleicht erweitere ich den Satz mit: … in sich zusammenbrechen. Mal sehen.
Und auch das „traf“ überdenke ich noch. Möglicherweise schreibe ich: … verletzte meinen Stolz.

Wie @Gschichtldrucker und auch Karl Kraus einst schrieb: "Das Trennendste zwischen Deutschland und Österreich ist die gemeinsame Sprache. "

Danke für deine positive Besprechung.
LG, Manuela :slight_smile:

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Sehe ich auch so, ich lebe mit meinem österreichischen Deutsch sehr gut. :wink:

Ich habe tatsächlich den 2. Auszug zuerst gelesen, weil ich in der vorgegebenen Reihenfolge eine „Informationslücke“ hatte.
(Insofern ist das aber eine gute Sache. Denn mit „Rückblick“ funktionierte das Verständnis.)

Der Text berührt meine persönlichen Erfahrungen nicht. Ich empfinde sogar generell Widerwillen im Hinblick auf diese Szene. (Hausbesetzer, Drogen usw)
ABER: Ich bekomme einen Zugang zu Manuel. Auch wenn ich noch nicht weiß, ob ich ihn mag. Und ich werde neugierig auf die Story. Ich will wissen, wie es weitergeht. - also ist es dir gelungen, mich entgegen meiner vorgefassten Meinung einzufangen. Das spricht für deinen Text.

Die „besondere Wortwahl“ (siehe Stolpervogel) ist mir aufgefallen, aber nicht negativ. Ich hielt das für Absicht/ Stil.

Allgemein „fühlt“ sich der Text distanziert an. (Außer die Liebeszene. Die ist authentisch und gefühlvoll geschrieben) Aber da das Thema für mich schwierig ist, kann das auch an mir liegen.

Servus @Antje6 !

Auch bei dir bedanke ich mich für Zeit und Mühe sowie deinen insgesamt positiven Leseeindruck. :slight_smile:
Eigentlich brauche ich gar nicht viel zu deinem Kommentar sagen, denn:

Dieses Statement reicht mir allemal als Motiv zum Weiterschreiben. :wink:
Ich freue mich auch darüber, dass dir die Liebesszene gefallen hat. Ich mag sie auch recht gerne. :sweat_smile:

Schönen Abend noch,
LG

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Absolut beeindruckend, die beiden Szenen gegeneinanderzustellen. Der krasse Kontrast zwischen der brutalen Realität des Entzugs und der zarten, euphorischen Verlockung des Anfangs erzeugt einen sofortigen Sog.
Ich wohne nicht weit von dem Ort, an dem Christiane F aufwuchs, aber meine erfahrungsbasierte Drogenkompetenz hält sich in Grenzen – trotzdem stoße ich mich an der Stereoanlage wie an einem unnötigen Requisit. Sie lenkt meine Aufmerksamkeit vom eigentlichen Geschehen ab: dem Rausch und der Musik. Für mich ist die Musik sofort da, wo sie hingehört – im Kopf des Protagonisten und im Mittelpunkt der Szene:

…In einem Rausch entspannter Euphorie flog ich, losgelöst von aller Gegenwart, in inneren Welten herum und wünschte mir, dass dieses Wahnsinnsgefühl für immer in mir bleiben möge.

Ich hörte Stratosfear von Tangerine Dream. Ich kannte das Album in- und auswendig, aber heute hatte ich das Gefühl, es zum ersten Mal zu hören, versank geradezu in diesem elektronischen Klangteppich.

Irgendwann später wurde ich von Margit geweckt…

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Hi @jerazi !

Danke für dein positives Statement. Ich freue mich, dich mit diesem Text „angesogen“ zu haben. :wink:
Ich habe lange überlegt, welche zwei Leseproben ich einstellen soll. Der Kontrast der beiden Abschnitte ist wohl krass, aber ich denke, er zeigt auf, wie sehr sich der Hauptprot verändert hat. Darauf kam es mir an.
Es wird ja im Grunde genommen ein Entwicklungsroman, neusprachlich auch coming of age genannt.
Mit Christiane Felscherinows Drogen-Szene hat meine Geschichte - bis auf das Heroin - nichts zu tun.
Manuel und Margit agieren auf einer anderen sozialen Ebene. Vielleicht interessiert dich der Pitch zu diesem Projekt.
Ich habe mir deinen Hinweis mit der Stereoanlage nochmal angeschaut, kann aber keinen Störfaktor darin erkennen. Ist ja bloß ein kurzer Nebensatz.

Herzlichen Dank für deine Stellungnahme. :slight_smile:

Pitch gelesen - Ah, jetzt wird mir klar, wohin der Text will – der Kontrast ist nicht nur Szene gegen Szene, sondern Entwicklung gegen Stillstand. Das gibt dem Ganzen diesen awkward‑romantischen Sog.

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