was habe ich daran falsch verstanden? Das ist mir wirklich nicht ganz klar
Ich würd sagen: Irgendwas muss mich packen, aber das darf auch gerne Humor, Originalität oder eine besondere Atmosphäre sein, oder dass ich Sympathie für eine Figur empfinde. Spannung ist meiner Meinung nach nur im Genre „Thriller“ ein Muss.
Oh! Und alles andere darf langweilig sein? Das sehe ich doch deutlich anders. Auch eine Shakespeare-Komödie muss spannende Teile enthalten. Viel Lärm um Nichts ist ein schönes Beispiel. Werden die Verliebten am Ende zusammenfinden? Noch in den letzten Szenen kommt es zu Komplikationen bis endlich alles gut ausgeht. Da ist doch Spannung drin! Und Shakespeare plätschert nun wirklich nicht vor sich hin.
Das Gegenteil von „Spannung“ könnte ja auch „Entspannung“ sein statt Langeweile.
Entspannung kann nur dadurch entstehen, dass es zuvor Spannung gab. Denn wovon willst du dich sonst entspannen? Dass nur Thriller Spannung erzeugen müssen - finde ich trotz allem Respekt gegenüber dir - doch etwas engstirnig.
Hä? Ich sage, Spannung muss nur im Thriller, darf aber überall. Und das ist engstirnig?
Ja. Finde ich wohl. Wie sehen das denn die anderen mit der Spannung?
Ich kann da nur für mich selbst sprechen und ich bin nicht das Maß aller Dinge.
Mich muss der Text packen und das in den ersten Sätzen. Ich habe da keinen Maßstab. (Drei vier Sätze, einfach mal so aus dem Bauch heraus geschrieben bzw. behauptet. Entschuldigung. @donald313 )
…ab da weiß ich wo für mich die Reise hingeht. Mag ich denn Schreibstil oder nicht.
Mich (ich rede von mir) nerven Belanglosigkeiten in den ersten Sätzen. Jemand wacht auf (Gregor Samsa mal ausgenommen), beim Blick aus dem Fenster wird gleich die Umgebung und das Wetter beschrieben, dann geht der Protagonist ins Bad und schaut in den Spiegel. Da weiß man auch gleich wer da reinschaut usw. Alles abgedroschen in meinen Augen.
Irgendetwas muss mich packen und, wie ich schon schrieb, muss das nicht Mord und Totschlag sein. Da bin ich bei Corinna, das kann alles sein. Humor, Spannung, Sympathie. Orgininalität insbesondere. Das ist die wahre Kunst und da schließt sich der Kreis. Dies gilt es zu erreichen und ist doch so schwer.
Meine persönliche Meinung.
… na, da sind wir doch völlig d’acord? So sehe ich da auch. War wohl klassisches Aneinander-Vorbeireden.
Und Du sagst ja selbst „Gregor Samsa mal ausgenommen“. Eben! Kafka. Muss man nicht mögen, aber die, die ihn mögen (ich gehöre dazu) werden geflasht und können sich dem Text nicht mehr entziehen .
„Irgendetwas muss mich packen“ sagst Du. Und dieses „Irgendetwas“ ist oft genug einfach die Chemie zwischen Autor und Leser. Die muss funktionieren, wie im Alltag auch. Wenn sie nicht stimmt, heißt das nicht, dass der andere ein „schlechter Mensch“ oder dass ein Autor "schlecht " ist (oje, wieviele Literaturnobelpreisträger würden da vor meinen Augen durchrasseln …)
Liebe Leute, ich finde auch: abwertende Attribute (engstirnig) haben wir hier nicht nötig. Davon erleben wir im Alltag derzeit schon genug - und: ich bin froh für jeden, der sich hier kreativ an einem Disput beteiligt, gerade weil man über andere Perspektiven / Sichtweisen schließlich eine Menge lernen kann - und sicher hat jeder von uns etwas andere Antennen, was Spannung, Humor, Stil betrifft - das macht den Austausch hier ja gerade auch so interessant
Na, da habe ich doch glatt das Bedürfnis, unsere liebe @Suse in Schutz zu nehmen.
Sie hat ja nicht gesagt: „Corinna ist engstirnig“, sondern „Ich finde diese spezielle Aussage von Corinna doch etwas engstirnig“. Die Art und Weise, wie sie ihre Kritik geäußert hat, finde ich durchaus im grünen Bereich.
Meine erste Geschichte von Kafka war „Die Verwandlung“ und ich war total geflasht. Da war ich längst erwachsen. Genau mein Geschmack. Dieser geniale Autor war in meiner Generation, auf meinem Flecken Erde auf dem mich der Storch abgeworfen hat, verboten bzw wurde komplett verbannt.
Sich richtig auszudrücken, wenn Mimik und Totalität fehlen ist eine Kunst. Wer weiß das besser, wenn nicht wir.
Ich würde sagen, unter ‚Spannung‘ lässt sich alles zusammenfassen, was beim Leser dieses „Ich will jetzt unbedingt wissen, wie es weitergeht - Gefühl“ auslöst.
Wie man das erreicht, ist völlig egal, Mord und ein paar Leichenteile sind da nur eine (und imho bei weitem nicht die beste) Möglichkeit unter sehr vielen.
Und natürlich braucht jedes Genre genau so ein Spannungsmoment in welcher Form auch immer, am besten bereits auf der ersten Seite. Wenn das fehlt, wars das, dann klappt der Leser das Buch ungelesen wieder zu (und nie wieder auf).
Für mich dürfen Bücher sehr gerne Spannung haben. Auf jeden Fall!
Aber der Grund dafür, warum ich meine Lieblingsbücher zum zweiten, dritten, vierten, fünften, x-ten Mal lese, ist nicht, dass ich unbedingt wissen will, wie es weitergeht, sondern dass ich gerne Zeit mit diesen Figuren, oder in dieser Welt, oder in dieser Atmosphäre, oder mit diesem Humor, oder mit dieser schönen sprachlichen Ausdrucksweise oder oder … verbringe.
War das DDR?? Was war das konkrete Problem mit Kafka?
An Kafka scheiden sich ja die Geister. „Das Schloss“ jedenfalls hat mich in der Schule schlagartig (im Gegensatz zu meinen Klassenkameraden) hypnotisiert, das hat wohl weniger mit „Literatur“ zu tun als damit, welches Portal (und wohin?) Kafka damit geöffnet hat. Ein Rätsel für mich bis heute.
Wunderbar. So ist es.
Ich habe Das Schloss (Pflichtlektüre in der Schule) gehasst. Die Verwandlung fand ich genial und finde sie immer noch sehr gut. Sonst kenne ich nichts von Kafka, da Das Schloss zum Abgewöhnen war.
Ja. Ich weiß nicht genau warum es verboten war. Kafka ist ja auch noch nicht so ganz „entschlüsselt“ worden. Was hat er bezweckt mit seinen Werken? War er vielleicht, für damalige Begriffe, nicht ganz richtig im Kopf? Er wurde ja selbst von seiner Familie nicht verstanden. Ich denke, er hat sein kurzes Leben verarbeitet, seinen Kopf ausgeleert und das ziemlich gut. Bezweckt hat er meiner Meinung nach da gar nichts. Er schrieb das Meiste ja auch für die Schublade. ( Wer weiß, was für Schätze in der ein oder anderen Schublade schlummern? also bei euch ;)) )
Totale Regime haben vor allem Möglichen Angst, was auch mit Dummheit einhergeht. Da ist Fantasie nicht greifbar und gefährlich.
Also als Fazit kann ich sagen, dass ich Bücher in die Finger bekommen habe, in der Autoren ein spannendes Thema so langweilig geschrieben haben, dass ich enttäuscht war. Umgekehrt gab es vom Thema her eher langweilige Themen oder Themen, die es schon hundert Mal gab, aber die so interessant geschrieben waren, dass ich sie x mal gelesen habe - und genau da möchte ich hin. Dass ich sogar das Kühemelken interessant gestalte. Nicht desto trotz füge ich einfach mal den Anfang meines ersten Kapitel in den 90er Jahren ein:
Teil: Verliebtheit verleiht Flügel. Oder: die erste Liebe ist ein Wahnsinns-Experiment
August 1993, Alanya Kleopatra-Strand
Ich bereute es, dass ich zwar daran gedacht hatte, ein dickes Rätselheft einzupacken, aber Schreibpapier zuhause vergessen hatte. Ich schrieb wahnsinnig gerne und hatte Ideen für gefühlt sechshundert Seiten. Während ich im Meer schwamm, im Hotelpool meine Runden drehte oder mit meinen Eltern beim Essen saß, schwirrten mir die Ideen nur so durch den Kopf. Aber ich schrieb sowieso lieber am Computer. Das war ein Grund, warum ich mich wieder auf zuhause freute. Weniger freute ich mich allerdings auf die Schule, denn mir war klar, dass sich ab der siebten Klasse viel ändern würde.
Schon ab der zweiten Urlaubswoche, wir waren insgesamt drei Wochen in Alanya, wurde mir der reine Strandurlaub allmählich zu langweilig. Das Mittagessen an der Strandbar bot eine willkommene Abwechslung. Doch dann sah ich ihn: Einen jungen Mann mit schwarzen Locken und dunklem Teint. Am Vortag war er noch nicht dagestanden, heute stand er neben Amir, dem Chef der Strandbar, am Spülbecken und spülte Teller. Als ich ihn anstarrte, hob er den Blick und zwinkerte mir zu. Auf einmal war mein Magen wie zugeknotet, ich bekam meine Spaghetti nicht herunter und meine Knie zitterten. Den restlichen Tag am Strand stand ich völlig neben mir und konnte es nicht lassen, immer zur Strandbar zu starren. Die Magenschmerzen und die schwachen Knie ließen mich vermuten, dass ich krank sei.
Allmählich wunderte es Mama und Papa, warum ich so oft Durst hatte und mir an der Strandbar etwas zu trinken holen wollte, warum ich lieber dort an einem der Plastiktische saß, und Kreuzworträtsel löste, anstatt auf dem Liegestuhl am Meer. Ich konnte ihnen nicht erzählen, warum. Ich verstand selbst nicht, was in mir vorging. Ich wollte halt immer in der Nähe dieses jungen Mannes sein. Aber ihn anzusprechen, das brachte ich nicht über mich. Bis er sich eines Tages zu mir an den Tisch setzte und mich in gebrochenem Deutsch fragte: „Hallo, ich bin Mustafa. Und wie heißt du?“
„Ela“, stammelte ich und blickte mich vorsichtig um, ob meine Eltern in der Nähe waren. Mein Kopf wurde heiß, meine Handflächen feucht, ich schaffte es nicht, ihm in die Augen zu sehen.
„Hier ist heiß, oder?“, fragte er. „In Deutschland kalt. Wie ist Deutschland, Leben in Deutschland?“
Ich stammelte mir irgendwas zusammen. Er verriet mir, dass er sechzehn Jahre alt sei und hier einen Ferienjob machte.
„Warte“, sagte er irgendwann, stand auf, um kurz darauf mit einem großen Eisbecher und einem Gebäckstück zurückzukommen. „Geht aufs Haus.“, strahlte er. „D…Danke!“, stotterte ich. In dem Moment kamen meine Eltern vorbei und staunten. „Wer hat dir das große Eis gegeben?“ Diskret stand Mustafa auf, um weiter Teller abzuwaschen.
Ich verbrachte ab da interessante Tage am Kleopatra-Strand, genoss es, in Mustafas Nähe zu sein. Und jeden Morgen war ich erneut sterbensaufgeregt. Diese Magenschmerzen, Gummiknie – ich dachte manchmal, ich sei krank. Nachts träumte ich davon, wie Mustafa mich in die Arme nimmt. Ich hatte ihm unterdessen verraten, dass ich zwölf Jahre alt sei. Durften wir das denn? Zuhause, die Schule, alles war so weit weg und ich wollte nicht an den grauen Schulalltag denken. Es ließ sich nicht vermeiden, dass meine Eltern gerade dann vorbeikamen, wenn ich mich mit Mustafa unterhielt. Irgendwann meinte Mama: „Nun halt den jungen Mann nicht von seiner Arbeit ab. Irgendwann wird es ihm lästig.“ Ertappt wich ich einen Schritt zurück und passte noch mehr auf, dass Mama und Papa nicht in der Nähe waren, wenn er mit mir sprach.
Der Tag der Abreise kam unweigerlich. Der letzte Urlaubstag. Die heiße Mittagssonne brannte mir auf Gesicht und Arme, sie strahlte die Festung an, die sich links von mir befand. Meerwasser umspülte meine Knöchel, der Himmel so unglaublich blau. Nicht nach ihm Ausschau halten, nicht suchen, nicht zu sehr verlieben. Ich ging ihm am letzten Tag aus dem Weg, und suchte für den restlichen Tag den Hotelpool auf.
„Ela, willst du nicht langsam mit Packen anfangen?“, rief mir Mama zu, als ich am späten Nachmittag im Badeanzug in unser Hotelzimmer kam.
„Später.“, rief ich ihr zu, plötzlich drängte es mich doch, ein letztes Mal zum Strand zu gehen.
Die Schatten wurden bereits länger, rasch wurde es ein kühler; nach dem letzten Mal schwimmen im Meer trocknete mein Badeanzug nicht mehr. Ich wickelte mir mein Badetuch fest um den Körper und schlenderte ein letztes Mal über den Strand entlang. Letzte Strandgäste packten ihre Sachen zusammen. Aus den verschiedenen Hotelküchen der Atatürk-Boulevard mischten sich die würzigen Gerüche nach Abendessen. Die Sonne versank als orangener Ball ins Meer, fasziniert beobachtete ich das Naturschauspiel, wobei ich ein letztes Mal das Rauschen der Wellen in mich aufnahm. Wer weiß, wann wir wieder hierherkommen würden.
Jemand stapelte die Sonnenliegen aufeinander, klappte die Sonnenschirme ein. Es wurde rasch dunkel und meinen Koffer hatte ich auch noch nicht gepackt. Seufzend kehrte ich um, die Strandbar lag verlassen, die Rollos waren heruntergelassen. Gerade wollte ich die schmale Gasse zu unserem Hotel passieren, da hörte ich ein „Hi Ela“. Wie aus dem Nichts stand Mustafa vor mir, lächelte. Im Zwielicht des Abends leuchteten seine Zähne hell. Er hielt etwas in der Hand. „Hier, Apfelsine für dich, und Gebäck. Und du gehst morgen Deutschland?“
„Danke.“ Ich nahm die Geschenke an. „Ja, leider. Ich fliege morgen nachhause.“
„Willst du schreiben? Telefonieren mit mir? Warte, habe Adresse.“ Hastig griff Mustafa in seine Hemdtasche und zog einen Kugelschreiber sowie einen Papierschnipsel heraus. Notierte seine Adresse. „Ich wohne in Ankara, nur für die Ferien hier.“ Er tippte auf den Zettel.
„Warte.“, sagte ich, und kritzelte unsere Telefonnummer auf seinen Handrücken. Darunter unsere Adresse.
Und dann umarmte er mich plötzlich. Küss mich! Doch er drückte mich nur fest an sich. „Alles Gute, Ela.“ Dann schlenderte er davon. Ich blieb noch einen Moment stehen, mittlerweile war es fast dunkel, die Sonne als glutroter Feuerball fast im Meer verschwunden. Am Horizont sah ich die Lichter eines Schiffes.
Im Gartenrestaurant des Yunus-Hotels, deckten die Kellner bereits die Tische ein, erste Gäste warteten ungeduldig, dass das Buffet eröffnet würde.
„Ach Ela, auch schon da? Wir wollten dich gerade suchen.“, klagten Mama und Papa, als ich unser Zimmer kam und in meinem feuchten Badeanzug schrecklich fror. Die Klimaanlage war mal wieder viel zu kalt eingestellt.
„Nun aber ab unter die Dusche“, meinte Papa. „Wir haben uns in der Zeit erlaubt, deinen Koffer zu packen. Ach, woher hast du denn die Sachen?“, deutete er auf die Apfelsine und Laugenstange in meiner Hand. „Etwa wieder von dem jungen Mann am Strand?“ Mein Gesicht wurde heiß. „Ja ja“, murmelte ich und flüchtete hastig ins Badezimmer.
Beim letzten Abendessen im Gartenrestaurant des Yunus-Hotels wirkten meine Eltern zufrieden nach diesem letzten Urlaubstag, an dem wir uns noch einmal als Familie füreinander Zeit genommen haben, ehe der Alltagsstress wieder begann. Vom Strand klang das Lied “All That She Wants” von Ace of Base herüber. Unentschlossen rollte ich die Apfelsine auf dem weißen Tischtuch hin und her. Soll ich sie jetzt essen oder morgen Oma schenken? Die Laugenstange hatte ich sofort verputzt, die würde morgen hart sein.
Den Abend verbrachten wir auf dem Basar in Alanya, um noch schnell ein paar Mitbringsel für die Daheimgebliebenen zu besorgen.
Die Busfahrt zum Flughafen Antalya, am nächsten Morgen, zog sich endlos. Abseits der Ferienregionen war die Landschaft karg. Felsig wie in einer Wüste. Einzelne Hütten, von denen jede eine eigene Werkstatt besaß, verteilten sich über das Ödland. Der Bus hoppelte über schlecht ausgebaute, schmale Straßen. Die Fensterscheiben waren bald vom aufgewirbelten Staub gelb.
Der Flughafen Antalya war das reinste Labyrinth. Ich dachte, niemals würde ich mich hier allein zurechtfinden. Meine Eltern trieben mich regelrecht durch die Sicherheitsschleuse, erlaubten nicht, dass ich einen schnellen Blick auf das Röntgengerät warf, das unser Handgepäck durchleuchtete. Ich fand das so faszinierend, dass man damit genau in die Gepäckstücke schauen konnte. Mama gab mir einen ungeduldigen Stoß in den Rücken.
Da noch ein wenig Zeit war, besuchten wir die Aussichtsterrasse. Ich erinnerte mich, dass es Blumenkübel voller Kleeblätter gab, in denen ich vergeblich nach einem Vierblättrigen suchte. „Ich suche mein Glück“, murmelte ich. Auch heute deute ich das noch als schlechtes Omen. Ebenso, wie mir der Rückflug genau in Erinnerung geblieben ist, vielleicht oder gerade deswegen, weil ich noch nicht ahnte, was auf mich zukommen würde.
Ein Bus brachte uns vom Terminal zum Flugzeug. Dicht an dicht gedrängt mit anderen Passagieren, war es das reinste Treibhaus. Meine Jeans klebten mir an den Oberschenkeln.
Viel besser war es beim Verlassen des Busses auch nicht. Mir war nicht gut, es war viel zu heiß, weit über dreißig Grad. Auf der Treppe zum Hintereingang des Flugzeuges ging es nur sehr langsam voran, es stank nach Kerosin, die Triebwerke dröhnten laut. Vor der Tür angekommen, blickte ich mich noch einmal um: Noch war ich hier. Ein letztes Mal streifte mein Blick das Flughafenterminal, den Tower, andere davor parkende Flugzeuge. Vage erkannte ich die Treibhäuser unweit der Startbahn.
Die Stewardess schaute auf unsere Bordkarte und deutete auf den richtigen Gang zu unseren Plätzen. Nach der Hitze war der klimatisierte Innenraum eine Wohltat. Das Dröhnen der Triebwerke nur noch als leises Summen zu hören, als meine Sandalen sich über den Teppichboden zu unserer Sitzreihe im Mittelgang vortasteten. Mich fröstelte in meinem schweißnassen Shirt, als ich meinen Rucksack in der Gepäckklappe über unseren Sitzen verstaute. In unserer Reihe saß am Fensterplatz ein Mann in T-Shirts und Shorts, seine nackten Füße steckten in Latschen, so als sei er direkt vom Strand ins Flugzeug gestiegen. Sorglos und unbeeindruckt von der Kälte, die uns in Düsseldorf erwarten würden. Von unserem Platz aus, konnte ich aus dem Bullauge nicht viel erkennen; in knapp drei Stunden nach der Landung würden die großen Letter D Ü S S E L D O R F vor diesem auftauchen.
Einige Details sind mir von dem Rückflug noch in Erinnerung, z. B., dass ich von meinem Platz aus zum Notausgang schauen konnte. Ich wusste, dass die Türen eines Flugzeuges so dick waren, weil darin die Notrutsche verstaut ist. Und dass zwei Haken auf der Tragfläche dazu vorgesehen waren, die Notrutsche einzuhaken. Dass ich mir im LTU-Magazin fernere Reiseziele anschaute. Die Streckenübersicht der Fluglinie.
Im Bordkino lief ein Zeichentrickfilm. Eigentlich war dieser Rückflug nichts Besonderes, aber er ist mir noch so genau in Erinnerung, weil die nächsten Monate und Jahre es in sich haben würden, und ich nichts ahnte. Insbesondere waren die Turbulenzen, die in der letzten Stunde vor der Landung einsetzten, symptomatisch.
Ich beobachtete, wie die Klokabine und das Flugzeugdach versetzt zueinander wackelten. Die Frau hinter mir stöhnte. „Mist, das ist schrecklich.“ Im ersten Moment war ich nah dran, mich zu ihr umzudrehen und ihr vom dem Aloha-Flug 1988 zu erzählen, bei dem das Dach des Flugzeuges weggerissen wurde. Das war wie Cabrio-Fliegen. Nein, nein, der Pilot konnte die Maschine landen, aber die Passagiere, die nicht angeschnallt waren, sind hinausgeschleudert worden. Ach, das wäre zu gemein gewesen.
Das Flugzeug sackte etwas ab. Der Pilot kündigte den Sinkflug an. Während das Flugzeug schwankend zu Boden sank, erkannte ich von meinem Mittelgang-Platz nur noch milchiges Weiß vor den Fenstern, das Blau hatte sich zunächst hinter ein paar dünnen Schleierwolken verborgen, verschwand bald ganz und machte einem Dunkelgrau Platz. Regentropfen bildeten Schlieren. Wir flogen über Essen herein, wie auf dem Bildschirm angezeigt wurde.
„Schau mal“, sagte der Mann am Fenster zu seiner Frau, „auf den letzten Metern fliegen wir so dicht über den Bäumen, dass es manchmal so aussieht, als würde die Tragfläche des Flugzeugs gleich einen Baum streifen.“
„Das habe ich beim Landeanflug auf Antalya auch gedacht“, sage ich zu Papa. „Ich dachte schon, die Tragfläche reißt gleich eines der unzähligen Gewächshäuser neben der Landebahn mit.“
Papa seufzte. „Aber noch sind wir alle zusammen in der Luft. Noch hat die Erde uns nicht wieder, nicht der Alltag mit seinen Verpflichtungen…“
„Ihr müsst beide morgen wieder arbeiten, nicht wahr? Naja, und ich übermorgen in die Schule.“
Doch dann setzte das Flugzeug auf der Landebahn auf, man spürte ein Ruckeln. Die Passagiere applaudieren, einige atmen hörbar auf.
„Ich habe noch nie so einen schrecklichen Flug erlebt.“, sagte jemand.
„Düsseldorf. Wir sind also wieder da“, murmelte ich.
Einige Reisende lösten gegen die Anweisungen des Piloten ihren Anschnallgurt; Zeitungen wurden zusammengefaltet, Stimmengewirr durchdrang die Kabine. Als die Maschine parkte und das Leuchtsignal zum Abschnallen erschien, ging alles ganz schnell. Alle sprangen auf und öffneten die Gepäckklappen. Dicht an dicht schoben sich die Menschen durch den Gang, und es wurde schnell stickig. Am Ausgang wünschten uns die Stewardessen einen angenehmen Aufenthalt in Düsseldorf.
Du hast recht, zurück zum Thema.
Es ist viel Text. Das muss in Ruhe betrachtet werden. Was willst du dann wissen? Ist das ein anderes Projekt?