Hallo liebe Susanne,
da will ich doch mal aus meinem Nähkästchen plaudern, wie es mir so erging (wer es lesen will, nimmt sich besser Tee und Kekse daneben, es könnte länger dauern…):
Ganz pauschal kann ich das jetzt gar nicht zusammenfassen, weil es - so wie du sagst - ein stetiger Prozess war und ist. Es gab viele Meilensteine in meinem Schriftstellerinnen-Leben, die sich aber oft erst im Nachhinein zu erkennen gegeben haben.
In meiner Jugend (unter 18 Jahren meine ich) habe ich viel für mich selbst geschrieben. Ein Gedicht für die verstorbene Katze oder den verkauften Wohnwagen, den ich über alles geliebt habe… Und Tagebuch. Und ab und zu Tiergeschichten ganz für mich allein (so etwa wie König der Löwen, nur über eine Löwin).
Nach der Schule, im Studium, habe ich in der Freizeit versucht, eine Fantasy-Geschichte mit Götterhimmel und Karte und allen möglichen neuen Kreaturen (Elben und Orcs waren gestern) zu schreiben. Aber jeder Text, den ich begonnen habe, flog gleich wieder zerknüllt in den Mülleimer (damals noch mit Bleistift auf Papier). Da ich nicht mal das erste Kapitel fertigbrachte, habe ich mich als Comic-Zeichnerin versucht. Auch das blieb bei ein paar Seiten. - Ach da fällt mir ein, dass ich als Jugendliche auch schon mal einen Comic angefangen hatte (über eine verrückte Gang aus Künstlern, die ihre Werke an reiche Amerikaner verkaufen wollten).
Nachdem die Comic-Zeichnungen auch in den Müll flogen, habe ich es aufgegeben, alles in die Schublade gepackt und stillgelegt. Studium war wichtiger. Punkt. Und ein enttäuschtes Herz zog sich zurück und verschwand von der Oberfläche.
1997 - ich war mitten im Hauptstudium - traf mich ein „Blitz“. Ich träumte den Traum meiner Träume: eine Fantasygeschichte, wie ich sie zuvor noch nie gesehen hatte. Es war wie im Kino. Als ich aufwachte, dachte ich nur: Wow, die würde ich supergerne lesen, diese Geschichte! Aber wer sollte sie schreiben außer ich?
Ich ging in ein Forum, das „de.alt.geschichten“ hieß, und verbreitete meine ersten Versuche. Ich habe recht viel Feedback bekommen, darunter auch, was für eine schräge Phantasie ich hätte. Aber eigentlich hat mir dieses Forum nicht viel gebracht und ich hörte schnell damit auf. Auch weil die meisten Teilnehmer männlich waren und es via Email oder Posts ab und zu auch andere Anliegen zu lesen gab. Das hat mich dann doch etwas ausgebremst.
Also machte ich mich auf die Suche nach Schreibwerkstätten und wurde fündig. Das waren Kurse von der VHS, die einem den Zugang zum eigenen Text vermitteln wollten. War auch sehr lustig, zielte aber auf Kurzgeschichten - naja, eher Drabbles - und Gedichte ab. War nicht schlecht, hat mir viel im Einstieg gebracht, aber ich suchte mehr.
Dann habe ich den Schreibratgeber „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“ von James Frey gelesen. Das war super. Ich habe meine sämtlichen Stocher-Versuche von meinem Super-Epos in die Tonne getreten und noch einmal mit neuem Wissen über Romane angefangen.
Und das war der Zeitpunkt, wo ich tatsächlich erst einmal nichts geschrieben habe, sondern die ganze Geschichte wirklich durchgeplottet habe. Ich habe die Wörter nicht gezählt, aber ich habe in meinem „Schreib-Tagebuch“ - mittlerweile am PC mit dem Zehnfingersystem - mindestens in 200.000 Wörtern erörtert, warum welche Szene wie ablaufen muss, warum eine Figur so und nicht anders handeln kann und so weiter und so fort. Es hat sehr viel Spaß gemacht, weil mir plötzlich Zusammenhänge in der Handlung klarwurden, die ich vorher nicht gesehen habe. Da gab es Erzählstränge, die sich auf einmal wunderbar zusammenknüpfen ließen. Aber lesbaren Text hatte ich immer noch nicht geschrieben. Dafür hingen drei A3-Blätter zusammengeklebt an der Wand, wo die einzelnen Erzählstränge in verschiedenen Farben dargestellt waren (und ihre Kreuzungspunkte und so Sachen).
Ich fand in der Zeitung eine Anzeige über die Federfuchserfrauen (ein tolles Wort!). Zu diesen Damen wollte ich unbedingt dazugehören. Leider weiß ich nicht mehr, wie die Leiterin hieß. Sie hat mir, glaube ich, am meisten geholfen. Der Frauenkreis war sehr nett mit vielen tollen Geschichten. Und dort wurden meine Kurzgeschichte, die ich schrieb, nach Strich und Faden auseinandergenommen. Ich kam mir vor wie eine ganz kleine Maus, die nichts kann (war wahrscheinlich auch so). Von meinem großen Traum habe ich gar nichts erzählt, das habe ich mich nicht getraut. Die Damen haben sogar extra für mich „Lehrabende“ eingeführt, wo sie über irgendeinen wichtigen Punkt beim Schreiben diskutierten (am Flipchart). Ein Abend ging über Adjektive, dann auch mal über das Kürzen von Texten, Show don’t tell, Füllwörter vermeiden und so weiter. Da habe ich richtig viel mitgenommen. Leider waren die Damen schon sehr alt (zwei kamen mit Rollator) und die Gruppe zerfiel, kurz nachdem ich dort richtig heimisch geworden war.
Es musste wieder etwas Neues her. Und ich fand einen Autorenkreis in der Nachbarstadt. Das waren auch ganz tolle AutorInnen. Eine Autorin mit wunderbar einfühlsamen Gedichten, eine andere mit knallharten Kurzgeschichten über das Leben an sich, ein Autor, der lustige Krimis schrieb, und eine Buchhändlerin, die von sich selbst behauptete, am liebsten kurze Gedichte und lange Emails zu schreiben. Letztere war eine sehr gute Freundin geworden. Leider sehe ich sie heute nicht mehr, weil ich 450 km weit weg gezogen bin. Trotzdem war auch diese Zeit sehr lehrreich. Ab und zu haben wir uns gegenseitig Vorträge über Schreib-Themen gehalten, die wir vorher zuhause erarbeitet hatten. Das war etwa von 2005 bis vielleicht 2010. Am Ende habe ich die Gruppe sogar selbst geleitet. Als ich wegzog, fand sich leider kein Nachfolger mehr dafür.
Wenigstens habe ich 2007 einen dritten Platz bei einem Schreibwettbewerb gewonnen und durfte sogar bei einer Feier meinen Preistext lesen. Da war ich sehr aufgeregt (und auch sehr stolz). Ich hatte eine Geschichte über den Garten meiner Großmutter geschrieben.
Nun lebe ich seit 2010 wieder an dem Platz, an dem ich geboren wurde. Ich habe lange nach Schreibgruppen gesucht. Die erste hat mich gleich wieder vor die Tür gesetzt, weil ich einen vermeintlich schlüpfrigen Titel meiner Kurzgeschichte für eine Lesung nicht ändern wollte. Das war der Leiterin zu viel. Da ging es um eine lokal bekannte Disco, die in den 80er Jahren „Klangkiste“ hieß, die es aber heute nicht mehr gibt. Und mein Text war eine Erinnerung an das Leben, das sich damals darin abspielte. Mein Protagonist hieß Anton, genannt Tonne und ich nannte die Geschichte „Mit Tonne in der Kiste“, was einen Entsetzensschrei bei der Leiterin hervorrief. Ja, ich dürfte lesen, aber nur, wenn ich das Anzügliche aus dem Titel nehme. Nö. Dann les ich eben nicht. Ich bin dort nicht mehr hin und es hat auch keiner mehr nach mir gefragt.
Jetzt habe ich eine andere sehr nette Autorengruppe gefunden. Wir treffen uns einmal im Monat und reden über unsere Texte oder bekommen Schreibaufgaben von unserem „Poetologen“ :). Im September werden wir eine Lesung veranstalten über das Thema „Heimat - was ist das eigentlich?“ Ich freue mich sehr drauf und werde den Text über den Garten meiner Großmutter mal wieder lesen , denn dieser Garten war für mich als Kind auch sehr viel Heimat.
Ach so, ja, natüüürlich: Das Forum hier. Tolle Sache Nette Leute und immer sachliche Kritik. Keine Trolle. Einfach zum Wohlfühlen
Für mein Fantasy-Herz habe ich aber vor etwa 1 1/2 Jahren noch eine tolle Anlaufstelle gefunden, die ich auch täglich besuche: www.tintenzirkel.de Da tummeln sich jede Menge Gleichgesinnte (man muss sich aber tatsächlich bewerben). Ich habe dort einen Stammtisch gegründet, wo wir uns auch einmal im Monat in einem Café in Mannheim zum Frühstücken treffen. DAS ist auch eine sehr schöne Sache. Wir plotten um die Wette, denken uns Pseudonyme aus oder lektorieren uns gegenseitig. Ein ganz herzliches Geben und Nehmen ist das. Mittlerweile treffen wir uns tatsächlich schon über ein Jahr lang und sind richtig Freunde geworden. Im Tintenzirkel bekomme ich die meiste Info über das Verlagswesen und die Stimmung auf dem Buchmarkt. Ich habe das Gefühl, wirklich den Puls der Fantasy-Schreiber zu hören. Und das tut gut.
Ach so: Mein Traum hat mittlerweile 450 Taschenbuchseiten und ist etwa zur Hälfte geschrieben. Aber ich habe gemerkt, dass das Ding zu umfangreich wird. Ich werde es in eine Trilogie umwandeln … und deshalb … nochmal anfangen
Wenigsten habe ich nebenbei eine Romantasy mit erotischen Szenen fertig geschrieben (ganz was anderes als mein Herzenswerk), die noch ihren Verlag (und ihre/n endgültige/n Lektor/in) sucht.
Uff. Jetzt habe ich aber lange geschrieben. Herzlichen Glückwunsch, wer es bis zu diesen Zeilen geschafft hat!
Liebe Grüße,
Vroni,
*die sich mal wieder wunderbar vor dem Schreiben ihrer aktuellen Kurzgeschichte gedrückt hat … tstststs… *