Die Charaktere sind stereotyp und farblos (der hyperintelligente, nerdige Japaner, der College-Bully, der reich und unantastbar und ein frauenverachtendes Ekel ist, die hochbegabte Diplomatentochter, die nicht weiß, was sie mit ihrem Leben und ihren Gefühlen anfangen soll…). Im ersten, noch sehr guten Drittel hat man das Gefühl, in einer Coming-of-age-Geschichte zu sein bzw. im Verlauf nach dem ersten Zeitsprung in einem schlechten College-Movie. Die Storyline mit dem ersten vermeintlichen Antagonisten, diesem reichen Spross einer Industriellendynastie, verläuft im Nichts. Er wird am Ende des Buchs nochmal erwähnt, weil er nach Hiroshi fahnden lässt, aber so wirklich herauskommen tut dabei nichts und das wars dann.
Nach dem College kommt der nächste große Zeitsprung, Charlotte ist - aus welchen Gründen auch immer - auf der Expedition mit diesen Polarforschern. Hier hat man das Gefühl, ein völlig anderes Buch zu lesen/hören als zuvor. Die Dialoge und der ganze Erzähl-Ton wird, wie die Charaktere, irgendwie rüpelhaft und proletoid (aber vielleicht sind Polarforscher einfach so?). Zudem die detaillierte Beschreibung der Umgebung und was man so tun muss, um in so einer eisigen Einöde zu überleben zieht die Handlung wie Kaugummi (von dem Teil mit der Beziehung von Charlotte zu diesem schottischen Klavierhändler möchte ich jetzt gar nicht anfangen, das hätte man ersatzlos streichen können). Als sie den Naniten dann begegnen, kommt erstmals Action mit einer guten Prise Gore auf, wird dann aber gleich wieder abgewürgt… alleine der Zufall, dass Charlotte auf dieser Expedition ist und dann natürlich Hiroshi dazukommen lässt, um das Problem vermeintlich zu lösen (später erfahren wir, dass es sich sowieso gelöst hätte), wirkt stark konstruiert und an den Haaren herbeigezogen. Ab hier geht es aber dann ohnehin nur noch in dieser Tonart weiter. Es kommt zu einer globalen Verfolgungsjagd mit den Russen und der CIA, wirft wildeste Spekulationen um die Funktion der ursprünglichen Naniten und die frühere Zivilisation auf, die sie erschaffen hat und der Protagonist rettet das Universum durch eine Selbstopferung, obwohl er sein eigentliches Ziel, nämlich die Menschheit von Armut und Arbeit zu befreien, nicht ansatzweise erreicht, ja es nicht einmal richtig versucht hat.
Die Dialoge sind so flach wie die Charaktere und gespickt von unnötigem Beiwerk, um irgendwelche Ansichten über Klimawandel, Kapitalismus oder Politik unterzubringen (der ingrimmige Hass der Mutter gegen alle reichen Leute, wtf?), obwohl zur Handlung überhaupt nichts davon beiträgt. Die spezielle Gabe von Charlotte, die Vergangenheit von Dingen alleine durch Berührung zu erfahren, wird einfach zur Kenntnis genommen und irgendwann nicht mehr weiterverfolgt bzw. geht sie ihr verloren, dafür bekommt sie einen Hirntumor, der dann auf wundersame Weise von den Naniten geheilt wird. Abgesehen davon kommt es immer wieder zu nervtötenden, ausgedehnten Erklärungen technischer Details, die nicht immer etwas mit der Geschichte zu tun haben (es ist mir z.B. egal, ob ein F15-Kampfjet Mach 1, 2 oder 50 fliegen kann, wenn das nicht irgendwie auch wichtig für die Handlung ist). Gleich 2x kommt es zu einer Art Deus-ex-machina-Moment, nämlich wenn der lange hirntot geglaubte Vater von Hiroshi plötzlich auftaucht und Hiroshi ermöglicht, in Amerika zu studieren. Dann der ominöse Typ, der diese Firma aufkauft und aus lauter Gutmenschentum heraus entschliesst, Hiroshi 3 Mio. Dollar zu übergeben, um die er von der vorherigen Firmenleitung geprellt worden war, was ihm selbst obendrein nicht einmal aufgefallen wäre…
Insgesamt will das Buch einfach zu viele Dinge auf einmal abdecken, was dazu führt, dass es zum Schluss nichts richtig oder nur sehr gehetzt abhandeln kann. Das alles bedeutet nicht, dass ich der Geschichte und den Ideen um die Naniten usw. nichts Positives abgewinnen kann, aber ein zweites Mal würde ich das nicht mehr bis zum Ende anhören bzw. lesen.