Was und wie lest Ihr gerade?

Ich lese (und lasse vorlesen) gerade die Nik Pohl-Reihe von Alexander Hartung.

Mit Teil 1 tat ich mich noch etwas schwer zu Beginn, irgendwann hat es mich aber doch gepackt und ich stecke mitten in Teil 4.

Was mir aber gerade beim vorlesen lassen extrem auffällt: Es wird viel „gesagt“ und keine Synonyme benutzt. „Sagte Balthasar“ - „sagte Nik“ - „sagte Jon“. Schlimm daran ist, dass ich nicht mehr daran vorbeilesen oder -hören kann, seit es mir das erste Mal aufgefallen ist. Dafür hab ich das Verb heute rigoros aus meinem derzeit laufenden Schreibprojekt gestrichen. Sagen ist tabu :smile:

Nach einem der großen Meister der Unterhaltungsliteratur, Stephen King, ist die Verwendung dieses Verbs - aus Gründen - notwendig.

Ich zitiere etwas großzügig aus seinem Buch „Über das Schreiben“, erschienen bei Heyne:

" Man­che Au­to­ren ver­su­chen, das Ad­verb­ver­bot zu um­ge­hen, in­dem sie das ein­lei­ten­de Verb mit Ste­roi­den voll­pum­pen. Das Er­geb­nis ist je­dem Le­ser von Pulp-Ma­ga­zi­nen und Hef­tro­ma­nen ver­traut:

»Le­gen Sie die Waf­fe weg, Ut­ter­son!«, knirsch­te Jekyll.

»Hör nie­mals auf, mich zu küs­sen!«, keuch­te Shay­na.

»Du ver­fluch­tes Flitt­chen!«, brach es aus Bill her­vor.

Tun Sie so et­was nicht. Bit­te nicht.

Die bes­te Art und Wei­se, wört­li­che Rede ein­zu­lei­ten, lau­tet sag­te wie in er sag­te, sie sag­te, Bill sag­te, Mo­ni­ca sag­te. Wenn Sie das kon­se­quent durch­ge­führt se­hen wol­len, soll­ten Sie un­be­dingt einen Ro­man von Lar­ry McMur­try, dem Guru der wört­li­chen Rede, le­sen. Das sieht zwar auf der Sei­te ziem­lich däm­lich aus, aber ich mei­ne es voll­kom­men ernst. McMur­try hat nur sehr we­nig Lö­wen­zahn auf sei­nem Ra­sen ste­hen las­sen. Er glaubt selbst in Au­gen­bli­cken des emo­tio­na­len Not­stands (und da­von gibt es in sei­nen Ro­ma­nen mehr als ge­nug) an »sag­te er«/«sag­te sie«. Ge­het hin und fol­get ihm nach!"

Und etwas weiter unten im zitierten Text:

„Wahr­schein­lich wis­sen Sie eh, was Sie sa­gen wol­len, und kön­nen Ih­ren Text mit Ver­ben im Ak­tiv Ener­gie ver­lei­hen. Und wahr­schein­lich ha­ben Sie Ihre Ge­schich­te so gut er­zählt, dass der Le­ser weiß, wie er et­was sagt, wenn Sie er sag­te schrei­ben – ob schnell oder lang­sam, glück­lich oder trau­rig. Soll­te er in ei­nem Sumpf ver­sin­ken, wer­fen Sie ihm auf je­den Fall ein Seil zu … Sie müs­sen ihn al­ler­dings nicht mit ei­nem drei­ßig Me­ter lan­gen Stahl­ka­bel be­wusst­los schla­gen.“

Liest man sich - nicht nur englischsprachige - Belletristik aufmerksam durch, wird man ein gutes Gefühl dafür bekommen, wie viel „sagte“ notwendig ist und wo man es schlicht weglassen kann, da man in einem Dialog sowieso weiß, wer wechselseitig gerade am Reden ist.

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Nur „sagte“ zu nutzen ist mir dennoch zu karg. Ja, ich muss das nicht komplett streichen. Aber ich kann mehr erwidern, antworten, Gedanken laut aussprechen und ähnliches.

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Weißt du zufällig, was Reich-Ranicki dazu gesagt hat?

Verstehe ich nicht. er/sie/es sagte auf 900 Seiten? Nö. Geht nicht. Furchtbar.

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Die Verwendung oder Unterlassung des Wortes „sagte“ bleibt dir als Autorin selbstverständlich unbenommen.
Ich kann mich noch gut an einen Streit zwischen dem Autor ernsthafter Literatur (also, ähem, „Kunst“) und einer Autorin der Fraktion Unterhaltungsliteratur erinnern. Das war so um 2005 herum. Else Buschheuer vs. Alban Nikolai Herbst. Die beiden trugen diesen Disput öffentlich in ihren Blogs aus. Buschheuer war eine starke Verfechterin des „he said, she said“ wogegen Herbst eine größere Varianz anmahnte.
Gewonnen hat keiner. Das muss man selbst herausfinden - am besten einige Bücher vergleichend lesen.

Auf 1800 Seiten habe ich vielleicht zehn »sagte sie/er« drin. Wenn man glaubt, das bei der wörtlichen Rede unbedingt zu brauchen, also jedes Mal, dann taugt der Dialog nichts. Wenn man nicht erkennt, wer spricht, dann ist in meinen Augen die Kacke am Dampfen. Deswegen nutze ich das sagen nur im absoluten Ausnahmefall. Meist weiß man ohnehin, wer spricht.

»Das kannst du nicht machen! Um Gottes Willen!« Man hörte es nicht nur, man sah es an Monikas Halsschlagader, die pumpte, dass jeder im Raum es sehen konnte.

Da brauche ich kein »schrie sie«, ich lasse diese Sätze am liebsten weg.

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In dem Roman „Das Institut“ von Stephen King verwendet der Autor auf 768 Seiten 1151 mal das Wort sagte. Der Erfolg seines Buches spricht für seine These. In der Belletristik.

Wem King zu trivial ist: In einem E-Book das ich erst kürzlich las, T.C. Boyles Blue Skies, lassen sich per Suchfunktion auf 400 Seiten (Print) 560 Mal das Wort sagte finden.

Wie schon geschrieben: Es bleibt jedem Autoren unbenommen, das Wort sagte zu verwenden. Ich bevorzuge die Variante, mit dem Wort sagte, da es den Lesegewohnheiten eher entspricht und den Lesefluss daher nicht behindert. Niemand hat verlangt, das Wort inflationär zu verwenden. Wenn sich auf 768 Seiten das Wort sagte 1151-mal finden lässt, so ist das immer noch sehr wenig in der Verwendung. Nicht einmal 2 Worte sagte pro Seite. Finde ich ok.

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Es kommt auf den restlichen Text an. Ob sagte darin auffällt oder nicht.

Doch. Leute wie mich schon. Eventuell. Es kommt eben darauf an. Wenn es sehr häufig vorkommt, stört das meinen persönlichen Lesefluss enorm. Es sei denn, ich lese ein Theaterstück.
Das gleiche Empfinden habe ich bei einem übermäßigen Verbinden von Hauptsätzen mit und.

Das findest du in Ordnung? Ich finde das grausig, wenn es auf jeder Seite steht. Allerdings ist das ohnehin alles subjektiv. In einem Ratgeber jedoch zu schreiben, man solle sich strikt an er/sie/es sagte halten, finde ich mehr als grenzwertig.

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Bei Ranicki konnte ich keinen Hinweis auf das Wort sagte finden, jedoch in seinem Lieblingsroman Buddenbrooks von Thoma Mann: Hier findet sich das Wort sagte 757 Mal. Nobelpreis!

Hab ich nicht gelesen. Müsste ich mal machen, um zu sehen, ob es mich nervt.

Das Buch habe ich vor vielen Jahren als Jugendlicher gelesen. Sehr anstrengend. Nicht wegen des Wortes sagte, sondern wegen der unübersichtlichen Anzahl der handelnden Personen. Ich habe mir neulich die Frankfurter Ausgabe gegönnt; zum neulesen. Vielleicht reift das Buch mit zunehmenden Alter des Lesers?

Scheint das gleiche Problem wie bei Anna Karenina zu sein.

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Leider nicht.
Ich liebe S.K. Bücher und bin seit über 40 Jahren Fan. Aber sein Erfolg und die These stehen in keinem Zusammenhang. Er könnte mittlerweile ein Buch rückwärts geschrieben veröffentlichen und es wäre ein Verkaufsschlager. Das würde nicht bedeuten, dass diese Art grundsätzlich gut ist.
Wie in den Uni-Tests:
Aussage a) ist falsch
Aussage b) ist richtig
Die Verknüfung durch „weil“ ist nicht zulässig.

Im selben Buch steht auch, bei wie vielen Büchern er so hackebreit war, dass er sich nicht an den Schaffensprozess erinnern kann. Das bedeutet nicht, dass wir jetzt alle beim Schreiben saufen sollten. Denke ich.

James Joyce hat in seinem letzten Kapitel „Ulysses“ vollständig auf Satzzeichen verzichtet. Welterfolg. Kulturerbe. Es beweist jedoch nicht, dass Satzzeichen obsolet sind.

Ich sehe es eher, wie die „Endgegnerin“. Es gibt viele, viele Möglichkeiten die Sprachakte zuzuordnen. Verben als Kennzeichung wörtlicher Rede sind nur ein winziges Stückchen davon.

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Da hast Du recht! War natürlich polemisch von mir und sowieso falsche Logik (Huhn und „fliegen“).
Vielleicht ist der Hinweis mit „he said/she said“ von King gerade für Anfänger wie mich (oh ja!) nicht dumm, da es mir ein wenig Arbeit bei den Verben abnimmt. Beim Korrekturlesen schlägt dann eh die Stunde der Wahrheit.

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das ist richtig. Mitunter habe ich bei King das Gefühl, die Lektoren lassen ihm alles durchgehen, weil er eben King ist. Ich bin übrigens sein größter (echt jetzt! :sunglasses:) Fan.

Ich fand ihn früher auch toll. Aber irgendwie ist es immer dasselbe und zum Teil auch langweilig (in Bezug auf seine Kurzgeschichten).

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Ich lese gerade Fairy Tale und bin auf Seite 210. :yawning_face::yawning_face::yawning_face:. Kommt da noch was oder kann ich es weglegen? Der Spannungsbogen ist wie eine schlabbrige Wäscheleine. Bis jetzt bin ich eher gelangweilt. Dabei habe ich Steven King immer gern gelesen.

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Leider hast Du recht. :pleading_face: Der letzte, wirklich gute Roman von King war „Der Anschlag“ Den 1000seiter hatte ich in 3 Tagen gelesen. Sehr gut recherchiert und verdammt spannend - auch ohne Monster, Dämonen u.ä.

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