Ich stehe dieser Thematik offen gegenüber. In vielen Gesprächen bin ich überrascht worden von den Erfahrungen selbst betroffener Menschen. Und manche entwickeln durch sich wiederholende Erlebnisse dann auch Empfindlichkeiten, die andere schnell mal zur Seite wischen mit: „Ist nicht so ernst gemeint.“ oder „Sei nicht so empfindlich.“ oder „Mein Gott, bald darf man ja garnichts mehr sagen.“
Je nach Leserschaft und Thematik kann ich mir ein solches sensitives Gegenlesen sehr gut vorstellen. Es bleibt dann immer noch die Möglichkeit, als Autor etwas an- oder abzulehnen. Es gibt aber Sichtweisen, auf die Nichtbetroffene nie kommen würden, weil diese Erfahrungswelt so fremd erscheint.
Beispiele:
- Wer nie gestalkt wurde, versteht die Dimension bei vielen Betroffenen kaum bis gar nicht.
- Wer keinen Überfall an der Kasse erlebt hat, vermag sich u.U. kaum vorzustellen, wie traumatisch so ein Ereignis sein kann.
- Wer keine körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigung kennt, findet selten einen Grund, warum das Wort „Behinderung“ mal ok sein soll und mal nicht.
- Wer noch jung ist, ist von manchen Reaktionen überrascht, wenn von „Alten“ oder „Senioren“ gesprochen wird.
- Es gibt auch „Schubladen“ für Frauen, Männer oder diverse Menschen, die weh tun können.
Was ich sagen will: es kommt auf den jeweiligen Autoren in Person und auf die konkrete Leserschaft an, ob sensitives Gegenlesen von Vorteil sein kann oder ein „Zuviel des Guten“ ist. Es gibt für mich kein eindeutig absolut zu setzendes Pro und Contra. Öffentlichkeit ohne Gegenrede gab es nie und gibt es nicht. Das ist auch hier in der Community so. Meistens ist das auch in Ordnung. Mir sind selbst nur absolut gesetzte Positionen eher „unheimlich“.