Was denkt ihr über Sensitivity reader?

Ich will ja nicht klugscheißen … Aber du zwingst mich dazu :stuck_out_tongue:
Schau mal in den Duden, der kennt gleich 4 Bedeutungen von „einschläfern“:

  1. in Schlaf versetzen

BEISPIEL

* das gleichmäßige Rauschen schläfert mich ein
  1. narkotisieren, betäuben

BEISPIELE

* jemanden vor einer Operation einschläfern
* ein einschläferndes Mittel
  1. (besonders ein krankes Tier) schmerzlos töten

BEISPIEL

* der Hund musste eingeschläfert werden
  1. sorglos, sicher machen; beruhigen

BEISPIELE

  • jemandes Gewissen einschläfern
  • diese Rede sollte nur die Gegner einschläfern
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Schreiben nach Gefühl. Selbstgebastelter Satz: Mein Gegenüber chloroformierte mich durch sein Gerede in eine narkotische Sitzstarre. Gefolgt von: Die Augen fingen an auszutrocknen.

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Das kannte ich bis jetzt überhaupt noch nicht.

So jemanden kenne ich auch.

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:zzz:…, ja wer kennt die nicht!?
Ich kann hier nur ein ganz praktisches Beispiel aus meiner Autorengruppe einfließen lassen. Für eine Lesung hatte ich einen Text vorbereitet, der an mehreren Stellen das Wort „Penner“ beinhaltete. Da kam dann auch eine Diskussion auf - bleibt das so? Muss das raus? Dann habe ich mit dem Kontext argumentiert. Der Protagonist (in einer in der Ich-Form geschriebenen Geschichte) kann und muss das an der Stelle so sagen - denn eine sensiblere Formulierung kennt er schlicht nicht. Später im Text wird dann, durch eine Nebenfigur, auf dieses unschöne Wort für einen Obdachlosen hingewiesen. Aber mein Prota versteht nicht, warum eine andere Bezeichnung die Situation der Obdachlosigkeit verbessern soll.
Die Mehrheit der anderen Autoren ließ den Text zur Lesung zu. Und die Zuhörer bei der Lesung fanden die Geschichte schlüssig und niemand hat das (eigentlich diskriminierende Wort) beanstandet. Ich sehe das also, so ähnlich wie @writers_headroom - die Situation in der Story macht die Art des Schreibens. Nicht die Art des Schreibens macht die Story.
Ob aber ein Verlag diese Kurzgeschichte irgendwo aufnehmen würde? Da hege ich so meine Zweifel. Vielleicht stelle ich die Geschichte mal hier im Forum ein und schaue, was die Autoren dazu meinen… :thinking:

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Wir leben derzeit in einer furchtbaren Welt der Zensur, des Genderns und der ganz, ganz politisch Korrekten. Jede künstlerische Abhandlung, sei sie der aktuellen Zeit oder Historie geschuldet - wird von ähnlichen Gruppierungen angegriffen, verteufelt und diffamiert… Und für was genau? Ach ja, für eine nie entstandene Ungerechtigkeit, aber umso heftiger in den Köpfen dieser, verzeiht mir den Ausdruck „verlorenen Wesen“ einen Krieg entfacht - der nur noch dort in den Köpfen der Verlorenen – tobt.
Was soll ich sagen. Ich lasse gerade meinen historischen Roman „Chico“ - spielt 1882 in Nordosten Mexikos lektorieren. Dort geht es ohne fette Chicas auf den Schoß und Weiber mit reisen Titten, die dein verdammtes Herz rauben, nicht. Oder das unaufhörliche Abknallen von Hombres und Gringos. Comprende? Oje, da tun mir die Verlorenen aber sowas von leid. Die müssen regelrecht verrückt werden, wenn sie diese Abenteuergeschichte lesen. Tja Pech – für die habe ich das Abenteuer auch nicht geschrieben. Wie sagte einst Zarathustra im Roman von Friedrich Wilhelm Nietzsche „Diese Worte sind nicht für deine Ohren bestimmt“, - in diesem Sinne auch mein Text für diese Verlorenen…

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Mir fällt dazu ein, dass ich auf Italo-Western stehe, die zum Teil sehr brutal sind. Dabei bin ich christlich erzogen und sozial eingestellt. Dennoch unterhalten mich diese Western.

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Ich stimme zu. Das Buch ist stets mit der „Stimme“ des Autors geschrieben. Wenn jemand beiläufig Randgruppen schikaniert oder unbewusst behelligt, gehört das eigentlich zu seiner „Stimme.“
Brauch der Autor dann ein Coaching? Weiß ich nicht.

Es gibt viele Beispiele z.B aus Film/Fernsehen, bei der das bewusste Ignorieren jeglicher Regeln den Film auszeichnet.
Beispiel quentin tarantino filme. (Ich bin kein Fan, aber ich respektiere sein Ignorieren jeglicher Regeln)
Glaubt man, dass seine Filme unter einen Filter erfolgreich gewesen wären? Wahrscheinlich nicht. Sie leben davon zu schokieren, zu überraschen.

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Oh das freut mich sehr. Das war mein erster Historischer, habe fünf Jahre recherchiert, weil die Spanier sehr ordentlich waren alles auszulöschen was der christlichen Kirche nicht entsprach. Anderseits lässt das sehr viel Fiktion zu, was auch gut ist. Dennoch ist er sehr humorvoll geschrieben, da ich diesen in meinen Geschichten liebe. Ich werde ihn hier vorstellen, wenn ich diesen nächstes Jahr veröffentliche…

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Dazu will ich doch wahrlich niemanden zwingen…

Obwohl der Duden immer recht hat, darum geht es ja schließlich :roll_eyes:, wird niemand, den ich in meinem Berufsfeld kenne, im Zusammenhang mit Narkose von „einschläfern“ sprechen.

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Ich finde den Typen „endbescheuert“ (Wort aus dem Roman tschick von Wolfgang Herrndorf). Aber der macht sein Ding, geht seinen Weg, genau wie Lindenberg. Und das finde ich gut.

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Vielleicht ist das Übertreten des Konformen eine wesentliche Eigenschaft des Menschen. Insofern ist natürlich jegliche, der Zeit angepasste, Sprache oder Schrift quasi eine unterschwellige Herausforderung. Das macht die Sache ja so spannend!
Wie reagieren wir als Autoren darauf?

Ich als Autor reagiere darauf, dass ich es ebenso mache. Was mache? So schreiben, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Das ist in einer Pütt-Familie so üblich und Bestandteil der Ruhrpott-Kultur.

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Sensitivity Reader. Wer meint das einfordern zu dürfen? Sind das wirklich die vermeintlichen Opfer? Deren Fürsprecher? Welche Rücksichtnahme wird eingefordert bei einem belletristischen Werk?
Mir klingt immer noch ein über drei Jahre altes TV-Spektakel nach: Hart aber fair 05.10.2020 Streit um die Sprache: Was darf man noch sagen und was besser nicht? Einfach dem Link folgen und auf Play drücken, die gemeinte Stelle wird direkt angesprungen.
Für mich der Klassiker von falsch gemeinter PC.
Spinnt man die Idee der Sensitivity Reader weiter, dürfte es sich dabei nur um sensible Leser des betreffenden Spektrums handeln. Also ein Roman über einen Rollstuhlfahrer darf dann nur von einem Rollifahrer „geprüft“ werden. Taucht ein Mörder im Roman auf, so muss dies ein Mörder prüfen. Bei Star-Trek-Romanen sind dies dann die Klingonen etc. pp.

Ob unsere Vorfahren sich auch darüber aufgeregt haben, als sich aus Lauten so nach und nach Silben formten?

Im Grunde ist eine wertschätzende und bewusste Sprache doch etwas wunderbares!
Die Präzision öffnet neue Horizonte.

Daher denke ich, der Konflikt wird von der stümperhaften Umsetzung verursacht!

Oh! Die gibt es wirklich? :rofl: :joy:

Du bist ein Fan von tschick? Die ultimative Road-Story!! Viele, sicher nicht sensible Formulierungen. Aber - was für eine Story!
Die Ruhrpott-Kultur also…, davon würde ich gerne mehr erfahren. Ich habe (als Schwäbin) schon mal in diese Richtung geschnuppert - aber - zu wenig.
Das ist eben eine weitere Dimension des Schreibens und der Sprache: Wo kommen wir her? Wie war unsere Kindheit? Was hat uns geprägt? Großstadt? Dorf? Wogegen rebellieren wir? Was haben unsere Eltern gemacht, das wir ganz sicher anders machen wollen? Oder gerade nicht?

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Ja. Neulich erst entdeckt. Hat mir eine Freundin geliehen. Ich war vom ersten Buchstaben an begeistert. Leider ist der Autor ja schon tot.

Sie dir den Film Jede Menge Kohle von Adolf Winkelmann an. Da ist eigentlich alles drin. Es spielen u. a. Laiendarsteller mit, was den Film authentisch macht. Ich liebe diesen Film. Da kommen allerdings auch Wörter wie Bimbo drin vor und sehr schöne Ruhrpottformulierungen wie Watt sacht der Berchmann? Watte fahrn kanns, musse nich tragen.
Wenn du es noch authentischer möchtest, besuche albrechtkowalsky.de (Mein Papa).
Viel Spaß!

Jetzt kenn ich mich aus …
Was dieses kurze Intermezzo klar bewiesen hat: Durch’s Reden kommen die Leut’ z’samm … :smile:

Wolfgang Herrndorf hätte bestimmt noch viele, authentische Geschichten liefern können. Er fehlt in der literarischen Szene!

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