Nein, der Durchschnitt ist deutlich niedriger.
Also die meisten Bücher, die ich lese, haben deutlich weniger Wörter. Ich denke, hier kommt es tatsächlich auch auf das Genre an.
Er liegt bei 70.000 bis 100.000 Wörtern, was in etwa 250 bis 400 Seiten entspricht.
Meiner Erfahrung nach muss man als Autor brutal sein gegen sich selbst und jeden Infodump gnadenlos ausmerzen. Mittlerweile fällt mir das einigermaßen leicht. Den Rest killt meine Verlagslektorin Am Ende landen wir dann bei rund 330 bis maximal 400 Seiten.
Ich habe zwar (leider) keine Lektorin, doch wenn die erwähnten 330 bis 400 Seiten so was wie eine Vorgabe sind (weil dein Verlag keine umfangreicheren Bücher will) ist das auch nicht zielführend. Da geht vll.t nicht nur der meist unnötige Imfodump über den Jordan.
Auch mein Problem ist, dass ich gerne lange Texte schreibe … das liegt aber glaube nicht daran, dass ich jedes Detail ausschmücken will, sondern weil die Geschichte es verlangt. Die Entwicklung der Figuren steht meist im Vordergrund, und das geht nun mal nicht von heute auf morgen. Die Probleme sind kompliziert und brauchen ebenso komplizierte Lösungen, und in meinem Kopf schwirren so viele Szenen und Ideen, dass im Laufe des Schreibens immer mehr dazu kommt, das ursprünglich nicht geplant war. Letztendlich aber so miteinander verflochten, dass man sie nicht mehr streichen kann.
Meine Meinung: Ein Text darf lang, aber nicht langatmig sein.
Jede Geschichte hat nun mal ihre Länge. Du kannst im echten Leben ja auch nicht ein paar Jahre streichen oder hinzufügen, nur weil du es gerne so hättest.
Wo man aber kürzen kann, ohne die Geschichte zu verletzen, ist bei Beschreibungen und Füllwörtern oder kurzum: Allem Unnötigen. Dabei muss man sich ehrlich fragen: Brauche ich das wirklich? Wird den Leser das interessieren?
Am besten, einfach erstmal schreiben, um im Fluss zu bleiben. Danach kann die akribische Überarbeitung losgehen. Dabei stellt man mitunter schon selbst fest: oh man, ist das langweilig, und man kann sogar ganze Szenen raushauen.
So kurz wie möglich und so lang wie nötig lautet die Formel - ist aber oft nicht einfach. Ich bewundere Leute, die einen kurzen, knackigen Text hinbekommen, ohne dass irgendetwas fehlt. Dahin will ich auch kommen und übe fleißig …
Mein erster Roman hat 137.000 Wörter und ist schon gekürzt. Mein zweites noch fetteres Ding hatte 239.000 und ich kann stolz berichten, dass ich es bereits um 63.000 gestrafft habe - und bin gerade erst bei der Hälfte! Da wird also noch einiges passieren. Und wenn es halt fett bleibt … es ist ein Coming-of-age-Roman. Erwachsenwerden dauert halt
Der Beitrag sollte übrigens gar nicht so lang werden …
und dennoch habe ich ihn gerne gelesen, ohne mich dabei zu langweilen
Ein schönes Beispiel dafür, dass man das Ganze auch mit vier Sätzen hätte sagen können, aber eben nicht so schön wie du es getan hast.
Ich frage mich oft: Könnte man meinen Wälzer auch mich 60 000 Worten weniger erzählen? Die Antwort lautet immer: Ja, könnte man. Aber dann wäre es halt nicht mehr meine Geschichte
Ich lese gerade von Das verlorene Symbol von Dan Brown. Leider gefällt es mir nicht wirklich. Einer der Gründe: überflüssiges Erklären oder Zusammenfassen. In einer Szene wird Chaos beschrieben. Dass es Chaos ist, wird deutlich herausgearbeitet und auch erwähnt. Am Ende der Szene steht in kursiv: „Chaos“.
Das Buch ist voll davon. Auf jeder einzelnen Seite. Ich bin jetzt auf Seite 580 von 765. Wenn man das ganze, wirklich überflüssige Zeugs streichen würde, hätte das Buch vermutlich 500 Seiten.
Echt schön gesagt Danke!
Kürzen ist wirklich schwierig, aber notwendig, sehe ich ja ein. Aber wann kürzt man zu viel?
Ich hab das jetzt gerade bei meinen Beitrag zu den eigenen Lieblingstextstellen gesehen. Der in der dritten Version gekürzte Text ist schlicht und einfach nicht das, was ich mit der Szene ausdrücken wollte. Es fehlte an atmosphärischer Dichte, nur weil ich ein paar Redundanzen (zweimal das Wort Flüstern und viermal das Wort Woche in einem achtzeiligen Dialog) gestrichen habe. Gut, wenn man den allerersten Entwurf - so schlecht er sein mag - aufhebt.
Da hast du dir doch schon selbst eine Antwort auf deine Frage gegeben. Genau dann ist es zu viel. Am besten ist, man kürzt und behält die längere Version. Dann kann man nach ein paar Tagen vergleichen, was einem besser gefällt.
Bin ich hier eigentlich die einzige, die Probleme damit hat, sich in langen Texten auszudrücken? Bei mir ist „von Natur aus“ alles kurz.
Ja, da hast du natürlich recht. Das habe ich nicht bedacht! Da ich nur Fantasy schreibe und lese. Da ist es aber gerne mal ausladender. Stimmt, Stimmt!
Nee, ich bin auch gern kurz und knapp. Ich liebe es so zu schreiben. Im Asthmastil. Allgemein tut mir Klarheit sehr gut.
Allerdings, vor allem hier beim Texten, sollte ich vielleicht öfter etwas ausholen, um nicht am Ende falsch verstanden zu werden. ( Hab ich so festgestellt)
Hier! Deswegen sind meine Romane auch bisher so kurz gehalten.
Ja, mir fallen noch 135.000 Dinge ein, die iich schreiben und beschreiben könnte, die zahlen aber nicht auf die Story ein und können damit weg - noch bevor es geschrieben wurde.
Was ja irgendwie auch nicht ganz ideal ist.
Solange es sich aufklären lässt, ist doch alles gut.
Ich frage mich dann immer, ab wann etwas wirklich unnötig ist. Sicher, nach dem zwölften ‚aber‘ im Absatz fällt es sofort auf, doch so klar ist der Fall leider nur selten (bei mir jedenfalls).
Es geht ja nicht nur darum, dass sich der Leser in der Story zurechtfindet und die nötigen Fakten erfährt, das wäre einfach. Er soll vielmehr Spaß beim Lesen haben, mitfiebern und - im Idealfall - genau die Stimmungen nachempfinden können, die ich als Autor in jeder Szene versucht habe, rüberzubringen.
Das alles geht oft nur mit etwas mehr Beschreibung, dem einen oder anderen Füllwort, wenn sich der Rhythmus damit eingängiger liest und eben solchen Dingen.
Genau das ist es, in solchen Fällen haben Redundanzen ihre Daseinsberechtigung.
Eine wichtige Aufgabe eines jeden Autors ist es, zu entscheiden, welche (und wie viele) dieser sogenannten ‚Überflüssigkeiten‘ einer Szene guttun und sie dadurch gewinnt, und welche weg können bzw. müssen, weil sie keinen positiven Effekt haben.
Nettes Plaudern ist auch eine Kunst. „Wichtig“ und „nötig“ ist vielleicht in der Gebrauchsanweisung meiner Heizungsanlage der Abschnitt mit der Erklärung der Zeitschaltung oder die Packungsbeilage zum neuen Medikament - ein fiktiver Liebesroman nicht. Sowieso nicht. Liebesromane liest man zur Unterhaltung.
Wenn ich an meinen über 120.000 Wörtern zweifle, denke ich an mein altes Lieblingsvideo vom „Held der Steine“, wo er 43 Minuten lang zwei gleiche Lego-Todessterne miteinander vergleicht und ich mich auch noch beim dritten Anschauen (in größeren Abständen, nicht dreimal direkt hintereinander ) gut unterhalten gefühlt habe.
Überprüfe alles nach folgenden Fragen:
- Ist hier eine unerlässliche Info drin?
- Braucht man das für ein späteres Ereignis o.ä.?
- Wird eine Figur charakterisiert, ein wichtiger Ort beschrieben oder eine bestimmte Atmosphäre geschaffen?
- Ist es besonders spannend/lustig/rührend, sprich einfach schön geschrieben?
- Hat es einen anderen bestimmten Zweck?
Wenn alles davon mit Nein beantwortet werden kann, kann es weg.
Was ich bei mir gut und oft kürzen konnte, war langes Nachdenken des Protagonisten und Dialoge, bei dem sich die Beteiligten mit vielen Sätzen doch nur um das gleiche Thema gedreht haben. Oder ganze Szenen, die nicht fesselnd zu lesen sind und beispielsweise Infos enthalten, die nicht unbedingt zum Verständnis nötig sind.
Bei Beschreibungen kann man sich die schönsten, wichtigen Sätze herausholen bzw. zusammenfassen und schauen, wo das gleiche, nur mit anderen Worten ausgedrückt wurde.
Letztlich geht es darum, gerade so viele Puzzleteile zu streuen, dass der Leser das Bild selbst vervollständigt.
Füllwörter, Redundanzen usw. sollten natürlich nicht zu viel drin sein, aber wie ihr schon sagtet, sorgen manchmal erst sie für einen wohlklingenden Satz. In Dialogen braucht man sie erst recht, damit sie nicht künstlich wirken. So etwas zu streichen bringt letztlich nicht so viel Gewinn.
Was ist der (vermeintlich) längste Text, den ich bisher gelesen habe? Diese Frage habe ich mir gestellt sowie die entscheidende Frage, warum ich es gelesen habe? Die Antwort steht unübersehbar vor mir im Bücherregal: 4.618 Seiten, 6 Bände im btb Verlag, die Autobiografie von Karl Ove Knausgard.
Um die entscheidende Antwort vorwegzunehmen. Ich habe alle Bände vor Jahren der Reihe nach gelesen, mir zunächst den ersten Band „Sterben“ gekauft; ich war nach kurzer Zeit gefangen von diesem fremden Leben und der Art, wie Knausgard es beschrieben hat. Die weiteren fünf Bände habe ich dann unmittelbar danach verschlungen.
Aber weshalb? Was hat mich so fasziniert an diesem Sezieren des Lebens von Karl Ove Knausgard? Ich vermag es nur schwer zu beschreiben, aber es hat damit zu tun, dass er es schafft, dass man beim Lesen gleichsam direkt in sein Leben eintaucht und es mit(er)lebt. Es ist nicht das Beschreiben eines Lebens, sondern es ist das gefühlte aktive Teilhaben. Vergleichbares habe ich bis dato nicht lesen dürfen…suche aber nach dieser Lektüre danach.
Hätte man den Text kürzen können? Selbstverständlich, 4.618 Seiten sind sehr lang! Habe ich das Gefühl gehabt, dass Passagen überflüssig waren? Nein, an keiner Stelle. Ganz im Gegenteil, ich fand es bedauerlich als der 6. Band „Kämpfen“ sein Ende fand.
Es kommt für mich nach dieser Lese- und Lebenserfahrung anhand des Lebens von Karl Ove Knausgard in erster Linie darauf an, ob der Inhalt und die Sprache eines Autors mich anspricht oder nicht. Es kommt weniger darauf an, ob Redundanzen, Adjektive oder Szenen zu viel im Text sind, denn die „sehe“ ich dann gar nicht mehr. Seitdem verlasse ich mich noch mehr als zuvor darauf, ein Buch, das mich vom Plot her interessieren könnte, in die Hand zu nehmen, an ein paar beliebigen Stellen hineinzulesen und dann zu entscheiden, ob ich es kaufe oder nicht. Nicht nur der Ton macht die Musik, auch die Sprache macht die Musik. Eigentlich unendlich lange Texte können m. E. genauso wohlklingend sein wie unendlich kurze Texte.