Textprobe: 1. Erotische Spannung / 2. Erzählerischer Perspektivwechsel

@DuaneHanson @Palinurus

Niemand redet hier von Pädophilie. Es geht um den Anspruch, den der Autor an den Leser stellt. Erzähl die Geschichte mit all ihren Konflikten und überlaß doch dem Leser, ob er es erotisch findet oder nicht. „American Beauty“ wurde auch nicht als Erotik beworben, obwohl es im Film ebenfalls, um die sexuelle Anziehung geht, die ein Teenager auf einem ü50jährigen ausübt. Den ein oder anderen haben die Szenen im Film sicherlich angemacht, aber den Film als Erotikfilm anzupreisen, wäre gegenüber den Zuschauern anmaßend gewesen.

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Huch! Das ist ein schlichter Verschreiber. Danke für den Hinweis.

Daß du eine unterschwellige erotische Stimmung wahrgenommen hast, freut mich sehr, daß sie gebrochen wird, habe ich ja versucht, zu begründen.

Da hätte ich gern gewußt, welche denn die “übertriebenen Bilder” sind. Sonst hilft mir der Hinweis wenig. Oder ich bin zu doof, ihn richtig zu deuten.

Sollte es ein öffentlich erreichbares Buch werden, wird es ganz sicher gedruckt vorliegen. Daß die Fußnoten nur ein vorläufiger Behelf sind, hatte ich angedeutet. Und ich habe sie etwas exzessiv ausgeführt tlw., gerade mit Bedacht auf früher erhobene Vorwürfe, die vielen … ähm … “Fremdheiten” im Text betreffend. In den Glossen würde das knapper gehalten. Und es wären auch weniger nötig, weil ich einige FW entfernt habe.

Vielen Dank für deine Lektüre und Stellungnahme, liebe Alex

Gruß von Palinurus

Lieber Renator,

du schreibst:

Zwar fällt dieser Ausdruck nicht, aber es steht nach Hinweis auf die im Text angedeutete Konstellation geschrieben:

M.E. geht das um Einiges zu weit! Inwiefern wäre ein Siebzehnjähriger (bitte hier unbedingt auch auf seine Auszeichnung als … ähm … ‘Knabe’ achten und mit dem Komplex ‘manipulative Rede’ wie ganz unten angesprochen vergleichen!), der mit einer Fünfzigjährigen erotischen Umgang pflegt (oder vom Geschlecht her umgekehrt) überhaupt *per se *schutzbedürftig, was seine erotischen Aktivitäten angeht? – Es mag sein, daß das auf einzelne Siebzehnjährige zutrifft; aber ich kann nicht erkennen, daß aus dem Alter allein (ohne Berücksichtigung des psycho-physischen Reifegrades) so eine Behauptung sinnvoll ist! Andersherum gesprochen: Über die Reife zur Aufnahme erotischer Beziehungen bestimmt ab einem bestimmten Status der physischen und psychischen Entwicklung von jungen Menschen doch nicht mehr das Alter, sondern eben dieser Status!

Will sagen: Das Schutzbedürftigkeits"argument", so platt schablonisiert (also lediglich am Alter festgemacht), könnte auch als Entmündigungs-Ansinnen von Leuten angesehen werden, die Menschen aufgrund bestimmter rein formaler Kennzeichen – also ganz unabhängig von ihrem persönlichen, individuellen Entwicklungsgang – aus irgendwelchen äußeren oder auch … ähm … inneren Zwängen heraus in ihrer Selbstbestimmung einschränken möchten! Es gibt doch nun wahrlich kein Einzel-Kriterium dafür, ab wann jemand zur Aufnahme einer erotischen Beziehung reif ist, sondern das ist immer ein** ganzes Bündel** von Kennzeichen. Wird das eingedampft auf ein bestimmtes Alter allein, liegt m.E. nackte Willkür vor, ggf. motiviert durch ideologische Gründe … jedoch sehe ich gar nicht, wieso es eines ideologisch determinierten Grundes bedürfte, über diese Frage zu entscheiden. Damit wäre der Weg frei, die Erotik von gesinnungsterroristischen Meinungen abhängig zu machen … ein unsagbarer Albtraum, der hoffentlich nie Wirklichkeit werden wird!
Aus meinem Verrständnis heraus ist hier die Ingebrauchnahme des Begriffs von Kindesmißbrauch (bzw. genauer das “in die Nähe rücken” dessen) sehr signifikant: Wer spricht denn bei **Siebzehnjährigen **unter Normalbedingungen von Kindern? Was verbirgt sich hinter solch einer offenkundig manipulativen Rede? Wirklich die Überzeugung, daß Siebzehnjährige noch Kinder seien? – Ich glaube das nicht!

Gruß von Palinurus

Ich habe @Palinurus Text nicht gelesen. Aber da Sex und Erotik auch mein Thema sind, hier eine kleine Einmischung von meiner Wenigkeit:
Wenn eine 17-jährige und ein 18-jähriger Sex miteinander haben ist das kein Thema. Ist er aber schon 50, ist es Pädophilie? Mitnichten. Ebenso wenig, wenn er 18 ist und sie 15.
Wenn ein 52-jähriger Rockstar ein 18-jähriges Model heiratet, ist das gesellschaftlich vollkommen in Ordnung.
Oder Emmanuel Macron, der seine ehemalige Lehrerin geheiratet hat. Auch okay.
Wären die Personen ganz normale Nachbarn, wäre es mit der Akzeptanz wohl nicht so weit her.
Oder was ist, wenn eine erwachsene Frau einen Jungen begehrt oder umgekehrt?
Ich zitiere hier mal Peter Maffay:
Ich war sechsten und sie einundreißig …

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Es soll Eltern geben, die es tolerieren würden, wenn ihre 17jährige Tochter einen Freund in Papas Alter hat … anscheinend gehört ihr dazu.
Ich definitiv nicht. Ich lasse mir auch nicht solche Sparten von sexuellen Vorlieben, als normale Beziehungskonstellation / Literatur verkaufen.
Mich hat einfach gestört, dass die Geschichte eine “erotische Spannung” erzeugen soll. Frage mich noch immer, wer sich daran aufgegeilt hätte, wenn es leichtleserlich geschrieben worden wäre.

In unserer Schulklasse (Alter zwischen fünfzehn und sechzehn) waren nicht wenige Jungs, die ihre rechte Hand für eine Nacht mit der Englischlehrerin gegeben hätten. Klar, hätte sie jemals einen von uns erhört, (was sie nicht hat), könnte man da auch von *Missbrauch *sprechen. Quark. Man kann alles übertreiben. Wir wussten zwar nichts, waren aber zu allem bereit. Es ist schlichtweg kaum möglich einen männlichen Jugendlichen gegen seinen Willen zum Sex zu nötigen. Denn die Hormone sind in dem Alter dermaßen stark, dass Sex das alles beherrschende Thema ist. Dieser männliche Jugendliche hat zwar einen eigenen Willen, aber der besteht zum größten Teil aus Sex und dem Gedanken daran. Dass das nicht alle heranwachsenden Männer betrifft, habe ich auch irgendwann einmal erfahren und niemals hätte mein Erstaunen darüber größer sein können.

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@DuaneHanson
Ja ja, die Hormone wollen halt machen, wozu sie da sind …

@Renator
Was ist schon normal?
Mein ehemaliger Chef, Jahrgang 1933, hat eine Frau, Jahrgang 1968, geheiratet. Seine Kinder aus der ersten Ehe waren alle älter als seine neue Frau, seine Schwiegereltern jüngerer als er.
Das hat für Gesprächsstoff in der Firma gesorgt. Das könnt ihr mir glauben. Die beiden haben sogar Kinder. Die nicht auf natürlichem Weg gezeugt wurden, wie man weiß.

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Lieber Renator,

vielleicht liegt eine der Schwierigkeiten, die sich hier im Thread an dem Text – und darüberhinaus geblickt – an dem infragestehenden Thema zeigen (nochmals: Das Haupthema des geplanten Romans ist es mitnichten!) auch darin, daß es, jedenfalls des Verfassers Ansicht nach, beim Evozieren von dem, was ‘erotische Spannung’ genannt wurde und nun für Streit sorgt, am allerallerallerwenigsten ums “Aufgeilen” geht.

Um das mal ganz klar zu sagen: Ich vertrete eine Auffassung über das unter ‘Erotik’ Figurierende, die sich sehr deutlich und auch begründbar von dem unterscheidet, was unter ‘Sexualität’ und auch ‘Pornographie’ läuft. Es ist mir eigentlich nicht recht, dazu ein Autorstatement abzuliefern, weil ich die Sache eigentlich so sehe, daß Textinterpretation frei von auktorialen Hinweisen zu sein habe; aber wenn ich lesen muß, der Text wolle halt schlicht und ergreifend “aufgeilen”, möchte ich mich als sein Verfasser schon dagegen wehren! Das auch deswegen, weil es im Text Andeutungen, Zeichen und auch Adressen dafür gibt, warum dies nicht die Intention ist und auch nicht sein soll!

Zum “Aufgeilen” dient m.A.n. ein bestimmter Tenor anbei “rein sexueller” oder gar pornographisch aufgepumpter Texte. Wovon sich ein erotischer Duktus nach dieser Lesart (ich nenne gleich eine Adresse) deutlich unterscheidet. Das wird im Übrigen auch in der feministischen Literatur zum Thema so verstanden – ich erinnere nur an Susan Sontag (und zugleich an ihre Interpretation durch Siri Hustvedt!) --, freilich auch nicht ohne internen Widerspruch (wenn man dazu etwa Judith Butler stellt); allerdings zeigt sich an derlei Auseinandersetzungen, daß es unmöglich ist, hierbei einen angeblich eindeutigen Beurteilungsmaßstab zu beziehen: Wer in völliger Absehung von den zahlreichen unterschiedlichen Deutungsansätzen her gesehen, glaubt oder wähnt, ein abschließendes Urteil fällen zu können, macht die höchsteigene Ansicht zur alleinentscheidenden Instanz. Wie so eine absurde Anmaßung zu nennen gepflegt wird, dürfte bekannt sein …

Was ist der Punkt? – Nach meinem Dafürhalten, daß sich am Erotischen (im Gegensatz zu blanker Sexualität in ihrer pornographischen Darlegung) – unabdingbar, irreduzibel und im höchsten Maße … ähm … skandalös – ein Doppeltes anzeigt, etwas Ambivalentes, das kein noch so scheinbar gewitztes Ideologem aus der protestantisch (nicht i.S. von Kirchenzugehörigkeit verstanden) geeichten Männerwelt und auch keine romantisierende, von gewissen Frauenjournalen usw. zusammengebraute BlaBla-Labersuada auch nur ansatzweise einfangen könnte! Diese Ambivalenz zeigt sich diesem Konzept nach am Oszillieren zwischen Lust und Schmerz, zwischen Angst und Euphorie, ja, sogar zwischen Leben und Tod.
Es geht also nicht nur um jene Phänomene, die irgendwo zwischen knallharter Fickerei im Zustand ungehemmter beidseitiger Triebentladung und sog. “Kuschelsex” hin- und herpendeln, sondern dabei wölbt sich ein Zustand über das Szenario, der an menschliche Grundtatsachen rührt, der im eigentlichen Sinn dieses Wortes ek-statisch ist und dabei Gefühlszustände und Bewußtseinsphänomene evoziert, die bei “bloßem Sex” überhaupt keine Rolle spielen.
Wer angesichts dessen von “Aufgeilerei” spricht, hat dann nach meinem (und kaum nur meinem) Dafürhalten irgendwie … ähm … “etwas überhaupt nicht verstanden” … – Mir sind schon Leute über den Weg gelaufen, die bestimmte Texte von de Sade … oder etwas näher am Heute, von Georges Bataille, für bloße Ausdrücke völlig pervertierter, pathologischer Lust in Kombinatorik von aus dem Ruder gelaufenen Sado- und Maso-Obsessionen halten; oder einen Film wie The Pillow Book oder *Der letzte Tango in Paris *usw. usf. für “entartet” halten. Ich weiß dann nicht viel dazu zu sagen, wenn aufleuchtet, daß sie nur das als “guten Sex” ansehen, was sie selbst darunter vorstellen und ggf. vielleicht auch praktizieren, wobei denn eben systematisch übersehen wird, daß das je Eigene eben in einem ganz strengen Sinn je nur das Eigene ist und anderen unmöglich übergestülpt werden kann, weil sich in einer genuinen erotischen Situation etwas gänzlich Einmaliges und je nur individuell Konfiguriertes zwischen den Beteiligten ereignet, das sich nie und nimmer auch nur ansatzweise verallgemeinern ließe und auch nur in “uneigentlichen” poetischen Bildern beschreibend angedeutet, aber niemals sprachlich konstelliert durchdekliniert werden könnte …

Etwa Georges Bataille hat das in seinen theoretischen Werken zur Erotik sehr eindrucksvoll auf den Punkt gebracht – es ließen sich dazu auch noch andere Referenzen angeben --; es ist halt schade, daß bestenfalls seine lit. Versuche auf diesem Gebiet etwas bekannter sind, weil sie ohne diese Hintergrundfolie beinahe immer falsch aufgefaßt werden (ein Pendant in der darstellenden Kunst wäre z.B. Francis Bacon!): Meine Güte, was ist z.B. über die berühmt-berüchtigte Geschichte des Auges schon für unsagbarer Stuß abgesondert worden oder über einige Bilder von F.B.!
Wer dabei nur … ähm … die Perversität, “das Sexistische” oder ähnlichen Schnulli hervorlugen sieht oder eben “entartete Geilheit”, enttarnt sich selbst als jämmerlicher Spießer, der zu einer genuinen erotischen Erfahrung offenbar unfähig ist und den erbärmlichen Absud davon für “der Wahrheit letzten Schluß” hält, stetig bemüht, das allen anderen als Hypernorm aufnötigen zu wollen, weil er sich ja ansonsten als das vor aller Welt entpuppte, was er schlicht ist: Eben nur ein verklemmter Spießer, der innerlich in Furcht erzittert vor dem, was bei ihm genauso präsent ist wie bei allen anderen Menschen: Nur daß er’s an sich selbst nicht erträgt und es deswegen an den anderen madig zu machen versucht. – Julia Kristeva hat das in die unschlagbaren Worte gepackt: Fremde sind wir uns selbst.
Nur wer das --** je für sich** – akzeptiert und es dann in der erotischen Situation mit einem Alter Ego auch so erlebt --, ist überhaupt zu einer authentischen erotischen Erfahrung imstande, alles andere ist bloß animalische Rubbelei in zivilisatorischer Verkleidung, erpreßt von repessiven gesellschaftlichen Instanzen, die vor nichts mehr mores haben als dem Willen zur Entgrenzung (vgl. dazu v.a. die Analysen Foucaults), der natürlich an sich jedem menschlichen Individuum zueigen ist. Was passiert, wenn das alles abgedrängt wird, durchzieht das Werk Freuds (und ihm in diversen Ausprägungen Nachfolgender) vom ersten bis zum letzten Buchstaben.
An der Erotik ist etwas Ambivalentes, in ihr haben nicht nur Helles, lustvoll sich Erfüllendes und Lebendiges ihr privates Refugium, sondern auch Dunkles, von Schmerz Signiertes, Vergeblichkeit und nicht zuletzt auch der Vorschein des Todes (man denke etwa an das unter Le petit mort Signifizierte). Das macht sie automatisch anfällig für die penetranten “Besserungs- und Umerziehungsmaßnahmen” der political correctness. Aber was hat eigentlich die PoCo in den Betten der Menschen verloren, sofern sich die je darin Befindlichen einig darüber sind, ihr, der Erotik, die Referenz zu erweisen?! – Nichts natürlich. Gar nix …

Etwas nicht zu goutieren ist eines (und das soll dir und allen anderen auch zugestanden sein, lieber Renator). Aber es verächtlich zu machen, so, als sei darüber ein Urteil von Alter Ego überhaupt möglich (vielleicht sogar noch mit Allgemeingültigkeitsanspruch; was ja nicht der Fall ist), geht natürlich unter keinen Umständen an. Wie schon ausgeführt: Unter der Prämisse selbstverständlich, daß die erotisch Agierenden sich einig sind, es so oder so treiben zu wollen …

Viele Grüße von Palinurus

**Nachtrag: **Für Interessierte ein paar Referenzen, die ich mit Bezug auch aufs lit. Schreiben für nicht ganz unmaßgeblich halte im hiesigen Zusammenhang:

Roland Barthes: Über mich selbst
ders.: Fragmente einer Sprache der Liebe

Georges Bataille: Die Tränen des Eros
ders.: Der heilige Eros (L’Érotisme)
ders.: Das obszöne Werk (Sammlung erot. Geschichten inkl. der Geschichte des Auges)

Julia Kristeva: Fremde sind wir uns selbst
dies.: Geschichten von der Liebe

Michel Foucault: Schriften zur Literatur

Pierre Klosowski: *Die Gesetze der Gastfreundschaft
*
Didier Eribon: Rückkehr nach Reims
ders.: Betrachtungen zur Schwulenfrage

Siri Hustvedt:* Eine Frau schaut auf Männer, die auf Frauen schauen


Ein bißchen aus dieser Reihe fallend, aber womöglich interessant von den anthropologischen Grundlagen her; also in Bezug auf den Neuen Jakobinismus in Bezug auf erotische Gegebenheiten und dessen mögliche neurotische Grundlagen:

Mary Douglas: Reinheit und Gefährdung

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Sorry, aber diese Pauschalaussage ist eine Relativierung und Verhöhnung von (in diesem Fall männlichen) Mißbrauchsopfern. Da würden dir genügend Ministranten, Sängerknaben und Opfer notgeiler, übergriffiger Mütter und Nenn-Tanten (um auch auf Täter*innen-Seite Gleichberechtigung herzustellen) widersprechen. Das ist diese alte Macho-Denke, dass ein echter Mann alles vögelt, was ihm vor die Flinte kommt. Bullshit.

In vielen Beiträgen kommen hier m. E. Projektionen eigener Vorstellungen und Vorurteile zum Vorschein. Fangen wir mit dem Urteil an, dass der Text keine Unterhaltungsliteratur sei, bzw. - jeder Unsinn ist steigerungsfähig - Palinurus grds. nicht in der Lage sei, Belletristik zu schreiben. An keiner Stelle wird behauptet, dass der Text Unterhaltungsliteratur sei. Palinurus selbst spricht nur von “Projekt” oder “Roman”. Also sind Urteile über die Eignung als Unterhaltungslektüre sinnfrei. Über einen Schweinebraten würde auch niemand urteilen, was für ein schlechter Käsekuchen das doch ist. Hier geht man nicht offen an den Text heran, sondern pflegt seine eigenen starren Denk- und Erwartungsschablonen. Lernen kann man aber nur, wenn man sich auch auf etwas Neues einläßt. Natürlich ist das Lesen eines solchen Textes herausfordernd und ich muss auch dafür Zeit und Lust haben. Nach acht Stunden Arbeit gönne ich mir zur Entspannung auch lieber einen guten Krimi. Bei anderen Gelegenheiten lese ich solche Texte aber gerne. Ich finde auch Palinurus’ Kommentare hier immer anregend. Nicht unbedingt leichtverständlich, aber interessant. Ich stolpere über Fremdworte, die ich nachschlage, interessante Thesen und originelle Gesichtspunkte, die ich nach Überlegung entweder teile oder auch nicht. Für die einen mag das Zeitverschwendung sein, für mich ist es Horizonterweiterung. Jedem das seine.

Zum Punkt “erotische Spannung” vs. “Aufgeilmaterial” hat ja Palinurus eben etwas geschrieben, daher erspare ich mir, darauf einzugehen. Aber zu dem Thema Kindesmißbrauch bzw. Ausnutzung des Machtgefälles möchte ich noch etwas sagen. Woraus wird denn abgeleitet, dass der Protagonist ein Machtgefälle ausnutzt? Wir haben einen Textausschnitt irgendwo aus dem Manuskript, in dem ein älterer Mann und eine junge Frau alleine in einer Wohnung sind. Die junge Frau liegt nackt und schlafend im Bett, der Mann ist in einem inneren Konflikt zwischen Wollen, Sollen und Dürfen (Entschuldige die etwas lieblose Zusammenfassung, Palinurus). Mehr nicht. Was sie gemacht haben oder machen werden, ist nicht einmal angedeutet. Der Mann könnte(!) eine wie auch immer geartete Machtstellung ausnutzen, um eine abhängige Schülerin/Auszubildende/junge Nonne zum Sex zu erpressen. Genauso gut könnte es sich um eine berechnende, skrupellose Goldgräberin handeln, welche die Naivität und Faszination des älteren Mentors für ihre Jugend schamlos ausnutzt. Der Text selbst gibt nichts davon her, also auf welcher Basis fantasiert man sich hier ein Abhängigkeitsverhältnis zusammen? Das meinte ich eingangs mit Projektion eigener Vorstellungen. Palinurus hat später zum Kontext noch ergänzende Angaben gemacht, aber wie man dies aus der Leseprobe ableiten kann, verstehe ich nicht.

Zusammenfassend bleibt mir nur festzustellen, dass die Konstellation älterer Mann - junge Frau offensichtlich auch heute noch geeignet ist, um Anstoß zu erregen und zum zweiten, dass dein Plan, eine Provokation zu schreiben, sehr erfolgreich war, wenn ich mir hier die kontroverse Diskussion anschaue. Ich freue mich jetzt schon auf die Reaktionen der Berufsempörer*innen, wenn Du den Roman irgendwann veröffentlichst, Palinurus.

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Lieber Ralf,

dieser Beitrag hat mein Herz wirklich erfreut (wird wahrscheinlich wenige wundern). – Doch mal abgesehen davon, daß es einfach guttut, bei viel Gegenwind auch mal den Schirm vorgehalten zu kriegen, möchte ich jetzt – soweit möglich unabhängig von eigenem Betroffensein – sagen, daß du mit diesem Beitrag ganz einfach ein paar maßgebende Worte darüber … verloren hast (das ist jetzt die Retourkutsche fürs vorgeblich … Lieblose :D), wie eigentlich (und zumal von selbstschreibenden Autoren [sic]) *zu lesen sei *…

… nicht zuletzt auch, um dem principle of charity die Referenz zu erweisen, das gerade von Autoren aus leicht durchsichtigen Gründen doch sicher hochgeschätzt werden sollte, wenn sie selber “noch alle Tassen im Schrank haben”.

Dafür v.a. habe recht herzlichen Dank!

Viele Grüße von Palinurus

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@RalfG
Ich schrieb ja auch: »Dass das nicht alle heranwachsenden Männer betrifft, habe ich auch irgendwann einmal erfahren und niemals hätte mein Erstaunen darüber größer sein können.« Du siehst also, jeder sieht das aus seiner eigenen Warte. Das hat nix mit meiner Machodenke zu tun, sondern damit, dass Männer, denen es nicht so geht (wie mir) meinetwegen auch kleine, grüne Männchen sein könnten, ich würde sie genauso wenig verstehen.

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Was das Alter eines Paares angeht, gibt jeder Staat eine gesetzliche Schablone vor. @DuaneHanson hat es ja schon etwas erwähnt. Im Mittelalter wurden Mädchen als Frau angesehen, wenn sie ihre erste Monatsblutung hatten und konnten verheiratet werden - eine etwas andere Definition von Reife. Heute ist es etwas komplizierter geworden. “Die ist 16, da hat der Staatsanwalt nicht mehr seine Hand zwischen …” ist ein Ausspruch, den man hierzulande bei solchen Diskussionen hören kann.

Aber bleiben wir mal bei einer Schablone X, die besagt: Ab 16 ist alles OK.
Was würde das bedeuten? Eigentlich wäre folgender Startpunkt gesetzlich konform: 16 und 16. Weiter ginge es mit 16 und 17,18 … und wo muss es enden? 16 und 50 oder 16 und 60? Wäre die Schablone Y akut, die besagt: alles ab 18 ist OK, wo wäre dann die Grenze? 50, 60 oder 70? Gäbe es überhaupt eine Grenze?

Gehen wir in andere Länder. Dort werden Mädchen/Frauen verheiratet, was dort als “normal” gilt. Wenn dort eine Heirat ab 16 erlaubt ist und es kulturell vollkommen akzeptiert wird, wer will hier anfangen zu diskutieren und wenn ja, auf welcher Grundlage?

Solche Diskussionen haben für mich das Niveau des amerikanischen Sendungsbewußtseins in Bezug auf das Verständnis von Demokratie bzw. des Anspruchs, festlegen zu können, welche Regierungsform denn für andere Kulturen die richtige ist. In anderen Kulturen ist manches normal und in Ordnung, was hier gesetzlich und moralisch verworfen gilt - ich denke da nur an den Inzest, unabhängig davon, ob und warum diesbezüglich ein Verbot gut und richtig ist.

Es geht hier um das Festlegen von Richtig und Falsch und in welchen Bereichen - moralisch, gesetzlich oder entscheidungsmäßig.
Wenn mein Sohn 30 eine Frau 70 heiraten wollte, hätte ich auch ein “komisches” Gefühl - das aber wohl nicht dem Gefühl meines Sohnes entspräche, denn sonst würde er ja nicht diesen Weg verfolgen wollen. Ob sich das als richtig oder falsch erweist, wird sich später herausstellen. Und wenn sie dann bis zu ihrem Lebensende ein Herz und eine Seele waren, wird dann ihre Entscheidung richtig gewesen sein oder falsch, weil ja 30 und 70 nicht geht?

Darf Mann/Frau einen viel jüngeren Partner nicht sexuell attraktiv finden und ihn begehren? Was sind denn die Orientierungspunkte, die sexuelle Begehrlichkeiten bei Menschen aufkommen lassen? Gibt es die bei älteren Menschen nicht mehr oder haben sie für diese Gruppe keine Gültigkeit mehr? Wenn ich mit 20 von einer wunderschönen Landschaft berauscht bin, hat keiner ein Problem damit, wenn ich es mit 80 auch noch bin - falls meine Augen da noch mitspielen. Schalten meine Augen dann ab 60, 70 oder später ab, wenn es sich um Menschen handelt?

Wenn sich zwei Menschen, die “frei” sind sich zu lieben, es tun, sollten wir ein wenig mehr Toleranz üben. “Frei” ist übrigens ein Platzhalter, eine Variable für “gesetzlich konform” oder “moralisch in Ordnung”. Die Variable kann sich von Land zu Land und von Kultur zu Kultur allerdings verändern - das ist halt die Natur von Variablen.

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Echt jetzt? Neigungen?
Homosexualität ist eine sexuelle Identität. Pädophilie hingegen eine sexuelle Störung.

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Das sagst du. Wir definieren doch eine Neigung nur deswegen als Störung, weil sie den meisten zu abartig ist, um sie als Neigung durchgehen zu lassen. Und weil durch sie tausendfaches Leid entsteht.

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Geh zurück ins alte Griechenland oder Rom, da gab es keine Pädophilie im heutigen Sinne. Lustknaben waren wirklich noch Knaben. Es kommt immer darauf an, in welchem Kulturkreis und Zeitalter ich lebe. Es kommt auch darauf an, welche “Schablonen” für mich relevant sind und (gesetzlich) sein müssen.

Ich weiß nicht mehr genau, wann der Homosexuellenparagraph fiel, aber bis dato war es gesetzlich und moralisch verwerflich ein solches Leben zu führen. Die gesetzliche Schablone wurde hier geändert. Im Laufe der Zeit änderte sich auch teilweise die moralische Schablone, wobei es allerdings darauf ankommt, welche man hier anlegt. Nehme ich hier die biblische Schablone, dann ist auch heute Homosexualität verwerflich. Nebenbei bemerkt: der Inzest, die Verbindung Bruder-Schwester oder Onkel/Tante war bis zum mosaischen Gesetz kein Thema; bis dahin konnte man seine Schwester heiraten; danach nicht mehr (hatte biologisch-genetische Gründe). Die Kirche hat das dann übernommen. In Amazonien, dort, wo der Arm der Kirche nicht hinreicht, gibt es heute noch Stämme, wo es keine Grenzen diesbezüglich gibt.

Manche 14-Jährige sieht aus wie 19 - welche Gedanken sollte da ein Mann haben? Die gesetzliche Schablone hier und heute soll ja dem Schutz von Minderjährigen dienen, denen also, die aufgrund ihres Alters eine gewisse Schutzbedürftigkeit haben. Aber die Leiste der “Minderjährigkeit” ändert sich. Anfang der 70´er hatte die SPD das Wahlalter von damals 21 auf 18 runtergesetzt; vorher war man als Wähler “minderjährig”. Heute ist das Führen eines Autos schon ab 16 möglich - auch hier eine Änderung der Minderjährigkeit. Alles ist im Fluss. Die gesetzliche Schablone muss ich respektieren - es sei denn, ich akzeptiere die strafrechtlichen Konsequenzen wenn ich erwischt werde. Die moralische Schablone dagegen ist dehnbar und wird teilweise durch mein Gewissen geformt und das ist bei jedem anders. Akzeptiere ich zur moralischen Schablone auch noch die biblische Schablone, wird es für mich noch enger. Grundsätzlich müssen aber meine Entscheidungen, die auf den beiden letzteren Schablonen beruhen, nicht von jedem Mitmenschen akzeptiert wohl aber respektiert werden.

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Jede Form der Sexualität, die den Partner als Objekt benutzt, finde ich schrecklich. Das ist keine Frage des Alters. Pädophilie ist eine solche Form der Sexualität. Sie ist eine Form sexueller Gewalt. Das hat mit Liebe oder Erotik nichts zu tun. Wer schon mal mit Opfern von Pädophilen gearbeitet hat, weiss von was ich spreche. In diesem Zusammenhang einen Bezug zu den altertümlichen „Lustknaben“ herzustellen finde ich äußerst fragwürdig.

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Stimmt. Das sage ich, die Sexualforschung, das Gesetz, Wikipedia und die Klassifikation nach ICD-10.

Was mir an deinem Post sauer aufgestoßen ist, war nicht der Begriff “Neigung”. Denn alles was erregt, ist eine sexuelle Neigung. Mich störte dieser Abschnitt: *Dabei tut man so, als wäre schwul zu sein okay, pädophil hingegen nicht. Empfiehlt man dem Schwulen, eine Therapie zu machen, wird man gelyncht. *

Schwul sein ist Okay. Schwuler Sex ist okay. Wenn die Teilnehmer vor dem Gesetz volljährig sind und es im gegenseitigen Einvernehmen stattfindet. Das gilt für alle sexuellen Identitäten.

Pädophil sein ist anstrengend und belastend für die Betroffenen. Da es in unserer heutigen Gesellschaft als verachtenswert gilt. Das man für seine Sexualität nichts kann, sie nicht frei gewählt hat und man sie nicht ausschalten kann, wie ein zu lautes Radio, wird bei dem Thema tatsächlich gerne vergessen.

Stimmt. Ist nur aus heutiger Sicht trotzdem nichts anderes als Missbrauch gewesen.

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Das mag für Dich gelten, ist aber nicht die psychiatrische Definition.

Da kommst Du der Sache schon näher. Das gilt übrigens für Opfer UND Täter.

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Das ist ein Teil der Tragik. Mit Verachtung wird man Tätern in deren Leid auch nicht gerecht.

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Deswegen sagte ich ja: „Er waren noch wirkliche Knaben“, allein um hier deutlich zu machen, dass heutige Pädophilie, die in Richtung Kleinkinder geht, überhaupt nicht tolerabel und hier von mir auch nicht gemeint ist. Es wäre mir auch neu, wenn diese Art der Pädophilie in Griechenland/Rom praktiziert worden wäre.
Bezüglich der Begrifflichkeit „Pädophilie“ siehe auch hier: Päderastie – Wikipedia

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