Glanz fuhr in der Rantumerstrasse seinem Ziel entgegen.
»Die lassen nicht locker. Ist mir egal. Solange ich dich habe, können die nichts machen.«
Veronika schwieg.
»Wie wärs mit uns beiden? Der Klunker in der Tasche reicht für zwei. Du hast Gruschenko doch auch nur wegen des Geldes geheiratet.«
Glanz ging vor der Linkskurve in die Blankes Tälchen vom Gas. Danach beschleunigte er wieder und fuhr in der Am Kai weiter.
»Verdammte Scheiße!«
Glanz trat auf die Bremse. Veronika warf es in die Gurte. Auf der Strasse vor ihnen blinkten Lichter. Sie war neben einem Gebäude mit Bootsanhängern verbarrikadiert. Die Zollbeamte hatten sich links im Gelände verteilt.
»Wo kommen jetzt die her? Aber die kriegen mich nicht.«
Glanz riss das Steuer nach rechts und fuhr vor dem Gebäude auf das Kai. In einem engen Bogen versuchte er, auf der Wasserseite zurückzufahren. Das ungewohnte Fahrverhalten des Wagens überforderte Glanz. Wild drehte er am Steuerrad. Der Wagen brach aus und prallte mit dem Heck gegen eine Zapfsäule. Durch die Wucht wurde diese weggerissen. Benzin schoss in einer Fontäne hervor und ergoss sich über das Auto und das Kai. Wegschlitterndes Metall erzeugte Funken und entzündete dieses. Durch den Aufprall stellte der Motor ab. Glanz versuchte, ihn wieder in Gang zu bringen.
»Befreien sie mich von den Gurten«, schrie Veronika und zerrte an den Gurten.
Glanz hörte nicht zu, dreht irre am Schlüssel rum. Die Flammen breiteten sich weiter aus.
Kurt schwenkte auf das Kaigelände und stoppte seinen Wagen zwischen dem Gebäude und einem Abstellplatz vor dem Flammenmeer.
»Ihr müsst Veronika da rausholen. Ich komme nicht an den Wagen ran.«
Alle Vier sprangen aus dem Wagen. Philipp rannte durch das Feuer zum brennenden Wagen, riss die Türe auf und begann die Gurten zu lösen. Sein Vater und Opa kamen hinzu.
Veronika starrte verblüfft auf die sich geöffnete Tür und die sich lösenden Gurten. Die eindringende Hitze versetzte sie wieder in Panik und sie schrie um Hilfe. Ihr Körper wurde herumgedreht, gezogen und gehoben und schwebte über den Flammen. Sie verlor das Bewusstsein.
Philipp und sein Vater trugen den Oberkörper über ihren Köpfen, Opa hielt die Beine. So tippelten sie aus den Flammen und legten Veronika in Kurts Wagen auf den Hintersitz. Kurt beugte sich über sie und tätschelte ihre Wangen.
»Veronika, Veronika.«
Sie kam wieder zu sich.
»Wo bin ich? Bin ich tot?«
»Ich bin’s, Kurt. Erkennst du mich?«
»Kurt? Wie bin ich hierhergekommen. Ich sass in einem brennenden Auto. Dann öffnete sich die Tür und ich schwebte hinaus. War das nur ein Traum?«
Kurt grinste.
»Nein. Schau mal hinaus.«
Veronika setzte sich auf und sah das brennende Auto vor sich.
»Das ist ja entsetzlich. Was ist mit dem, der mich entführt hat?«
»Für den hat es nicht mehr gereicht. Hauptsache, du bist gerettet.«
Selina, Fiete und zwei Polizisten kamen hinzu. Selina wandte sich an Kurt.
»Kurt Pfeiffer, ich ver …«
»Moment mal, Selina, nicht so schnell«, mischte sich Fiete ein. »Kurt, warum bist du Glanz gefolgt?«
»Ich wollte Veronika irgendwie helfen. Darum bin ich ihr nachgefahren.«
»Stimmt es, dass dein Vater ein Boot in diesem Hafen hat?«
»Ja, aber jetzt ist es nicht hier. Meine Eltern segeln damit zum Mittelmeer.«
»Siehst du, Selina. Kurt hat nichts mit der Sache zu tun.«
»Ja, ok. Wie geht es Frau Grushenko?«, lenkte Selina ab.
»Sie hat es gut überstanden«, antwortete Kurt. Selina und Fiete schauten zu Veronika im Wagen.
»Wie hast du es nur geschafft, sie aus dem Wagen zu holen?«, fragte Fiete. »Das ist ja unglaublich.«
»Nun ja. Ich kam hier an, sah, dass der Wagen Feuer fing und rannte los. Ich riss die Tür auf, holte Veronika raus und trug sie hierher«, prahlte Kurt.
»Du Angeber«, zischte Philipp.
»Nun, dann haben wir einen Helden vor uns«, sagte Selina und legte die Hand anerkennend auf seine Schulter. »Ich glaube, es ist das Beste, wenn du Frau Grushenko zurückbringst. Wir können ihre und deine Aussage auch morgen aufnehmen.«
»Ja, ok. Mache ich. Veronika, kannst du dich auf den Vordersitz setzen.«
»Och. Da hinten ist auch gut.«
Kurt beugte sich in den Wagen hinein und sprach mit leiser Stimme.
»Bitte Veronika, es ist wichtig, dass du dich auf den Vordersitz setzt. Ich erkläre es dir später.«
»Ok. Wenn du meinst.«
Umständlich stieg sie mit den verschwitzten Kleidern vom Hintersitz und setzte sich auf den vorderen. Kurt ging auf die andere Seite und öffnete auch dort die Hintertüre.
»Alles einsteigen. Wir fahren los«, rief er zur Verwunderung der Umstehenden. Dann steckte er den Kopf zu dem Hintersitz und raunte:
»Seid ihr alle da?«
»Wir sind alle drin«, bestätigte Philipp. »Du kannst losfahren.«
Kurt schloss die beiden Hintertüren und setzte sich ins Auto. Veronika schaute ihn skeptisch an.
»Alles ok«, beruhigte Kurt.
Er wendete und fuhr langsam zwischen den Menschen hindurch, die sich angesammelt haben. Die Polizei versuchte, eine Gasse freizuhalten. Kurt lenkte das Auto konzentriert durch das Blankes Tälchen, dann nahm er die Kurve nach rechts in die Rantumerstrasse. Schweigend fuhren sie nordwärts.