Pony Moritz hat einen schlechten Tag
„Attacke!“ brüllte Peter und sein Mercedes gab volle Pulle Gas und raste gehorsam auf Gabis kleines Pony-Glück zu.
„Hör auf, du A…“ kreischte Gabi und wusste nicht so recht, ob sie ihre Pferdchen oder lieber ihre Finger in Sicherheit bringen sollte.
Peter grinste schurkenhaft. Er hatte sein Ziel genau im Blick. Auf den Knien rutschte er schubweise vorwärts. Sein Mercedes beschleunigte erneut. Auf der Zielgeraden graste friedlich Pony Moritz, etwas abseits der Herde. Das sollte ihm nun zum Verhängnis werden.
‚Doofe Gabi…‘
„Tante Petra!“ heulte Gabi „Der Peter…!“
Kraabuuumm, quitsch, kreisch!!! Der Mercedes überschlug sich dramatisch, bevor er Moritz mit voller Wucht traf. Durch den Aufprall flog der kleine Pferdekörper entsetzt wiehernd durch die Luft, bis zum Klettergerüst auf dem die größeren Kinder lachend „Stille Post“ spielten.
„Yeaah“ schrie Peter „Volltreffer“ sprang auf und riss die Arme siegestaumelnd in die Luft. „Yeah!“
„TANTE PETRA!!!“
Gabis Stimme explodierte und die anderen Kinder im Kindergarten und die Nachbarn in ihren Wohnungen nebenan hielten sich entsetzt die Ohren zu.
Oma Müller aus dem dritten Stock verschluckte sich an einem Stück Kuchen und ihr Enkel rief den Notarzt.
„TANTE PEEEETRAAAA!!!“
Gabi war aufgestanden. Die nackten Zehen fest in die Erde gekrallt. Ihre Arme steif an den Körper gepresst. Die kleinen Hände, zu Fäusten geballt, zitterten vor Anstrengung. Ihre weitaufgerissenen Augen fixierten Tante Petra in einem Tunnelblick. Dicke Tränen liefen sturzbachartig über ihre roten Wangen. Kleine Rotzblasen quollen wie die Schallblasen von Kröten aus ihren Nasenlöchern. Raus, rein, raus, rein…
Peter hatte erschrocken aufgehört zu tanzen, die Hände an die Ohren gepresst stand er da und blickte entsetzt zu Gabi, die immer noch wie eine Löwin brüllte und heulte, und dann zu Tante Petra und dann wieder zu Gabi und wieder zu Tante Petra.
‚Was, wenn Tante Petra mit mir schimpft? Vor allen Kindern! Und dann muss ich mich bei der doofen Gabi entschuldigen. Und Tante Petra erzählt das bestimmt auch meinen Eltern…
Blöde Gabi. So ein Baby! War doch nur Spaß.‘ schoß ihm durch den Kopf.
Tante Petra kam mit der genau richtigen Geschwindigkeit auf Gabi zu. Nicht zu schnell und nicht zu langsam. So wie sie es während ihrer Ausbildung gelernt hatte. Auf dem Weg ließ sie ein paar beruhigende magische Worte fallen und die anderen Kinder fingen wieder an zu atmen. Manche sogar zu spielen.
Vor Gabi blieb sie stehen und ging auf Augenhöhe zu ihr in die Hocke.
„Na, was ist denn hier passiert?“ fragte sie ruhig.
„Der…der… huhu… Peter…huhuhu…hat…hat einfach…“ Gabi zeigte mit dem Zeigefinger abwechselnd auf Peter, auf ihren Ponyhof, den Schauplatz des Verbrechens, und dann auf ihr totes Pony Moritz, das noch immer regungslos beim Klettergrüst lag.
Tante Petra fingerte ein Taschentuch aus ihrer Hose, wischte zuerst Gabis Tränen ab und ließ sie dann hinein schnauben.
„Peter, komm mal her zu uns.“
Gehorsam trabte Peter heran. Vor Gabi und Tante Petra blieb er stehen und senkte schuldbewusst den Kopf.
„Peter, stimmt es, dass du Gabis Pferdchen umgefahren hast?“
„Ja, aber… das war doch bloss ein Spiel. Mein Auto musste da langfahren… Was kann ich denn dafür, dass die blöden Pferde im Weg standen…“
„Keine blöden Pferde, du Dummbatz!“ Keuchte Gabi und fing wieder an zu weinen
„Du bist blöd! Kannst bloß nicht mit Pferden spielen. Nur mit deinen bekackten Autos!“
„Ja und du,“ verteidigte sich Peter „du lässt mich ja nicht mit deinen Pferden spielen. Und außerdem bist du ja noch ein Baby…immer nur heulen… Huhuhu“ äffte Peter Gabi nach. „Will garnicht mit dir spielen“
Tante Petra hatte genug gehört.
„So ihr zwei. Jetzt beruhigt ihr euch erst mal und dann“ sie sah Peter an „entschuldigst du dich bei Gabi und holst ihr Pferdchen zurück.“
Und du Gabi. Du überlegst dir mal, ob du den Peter nicht auch mit deinen Pferdchen spielen lässt. Vielleicht können die Pferdchen ja dann auch mal Auto fahren?“
Gabi dachte nach und hörte auf zu weinen.
Peter sagte „Tschuldigung.“ zu Gabi und ging los, um Moritz zu holen.
Auf der Straße neben der Kita fuhr ein Krankenwagen mit Blaulicht vor und hielt an.
Die anderen Kinder ließen ihr Spielzeug fallen und eilten aufgeregt zum Zaun. Die Großen sprangen ebenfalls vom Klettergrüst. Andreas sprang als Letzter.
Gabi sah gerade Peter nach, wie er zu Moritz ging. Dann sah sie zu Moritz und bemerkte einen Schatten, der über ihm immer größer wurde. Und dann war alles plötzlich so merkwürdig langsam, so wie in Zeitlupe. Und Andreas’ Füße landeten genau auf Moritz.
Tante Petra hielt sich die Ohren zu.