Seitenwind Woche 5: Verlassene Orte

Abwesenheit

Eigentlich ist alles wie immer. Der Schlüsselbund liegt auf dem blau-weißen Teller auf der Kommode, darüber hängt an einem einzelnen Haken das braune Jackett mit den Lederflicken an den Ärmeln. Doch es fehlt etwas. Es ist wie ein Geruch nach Abwesenheit, nach Verlorenem – ja, nach Vergessen. Als wäre das, was im Begriff ist zu zerfallen, schon zerfallen. Als wäre die Halbwertzeit überschritten, gebrochen, zerbrochen.
Er zieht die Schultern nach hinten und tritt einen entschlossenen Schritt in den Flur hinein. Die Tür zum Wohnzimmer ist geschlossen. Lediglich durch das milchige Glas fallen ein paar Sonnenstrahlen in den kleinen Raum und bringen tanzende Staubflusen zum Leuchten. Er zieht den zweiten Fuß hinterher und schließt die Tür hinter sich. Er lauscht in die Stille und spürt dem Gefühl von Abwesenheit nach. Ja, eigentlich ist es wie immer. Denn auch, wenn er da ist, ist es still. Selten sagt er etwas, eher brummt er oder zieht sein Messer über den Porzellanteller, sodass sich ihm die Nackenhaare aufstellen.
Seine Gedanken schweifen fort, zu Vergangenem, fast Vergessenem. Bilder tauchen auf. Der große Mann, der abends auf ihn wartet. Wortkarg schon damals, schneidet er bedächtig und gleichmäßig das Brot mit dem Messer mit dem hölzernen Griff, das jetzt in der Küchenschublade liegt. Ungenutzt. Die Schublade ist verschlossen. Er denkt an den großen Mann, der ihn mit dunklen Augen anblickt und seinen Kindergeschichten lauscht. Der große Mann, der mit den Jahren kleiner wird und mit der Arbeit auch seine Präsenz verliert. Er meint, noch das Brot zu riechen, die Blicke zu spüren, aber auch die Schläge mit dem Gürtel, immer auf den Rücken.
Er blickt auf die Spiegelungen im Türglas und spürt Erinnerungen nach. Er träumt von Lagerfeuern in dunkler Nacht, von Abenteuern und Schultern, an denen er sich hält. Doch es ist nur das, was ihm andere Kinder erzählt haben. Damals. Ihm ist das fremd, ebenso wie der große Mann ihm es ist. Bis heute.
Erneut zieht er tief die verbrauchte Luft ein, bis sich seine Nasenflügel blähen. Er weiß, dass er fort ist. Er riecht es. Er muss nicht nachschauen, weder im Wohn-, noch im Schlafzimmer. Im Bad sowieso nicht. Natürlich tut er es trotzdem, öffnet zögernd die Türen, schaut sich um, atmet.
Er ist allein. Nun muss er entscheiden, was er tun soll. Überlässt er sich und auch ihn dem Vergessen, akzeptiert er die Halbwertzeit, entlässt er ihn in die Verlorenheit?
Und wäre er dann frei?

Der Wiedergänger

Das Gebäude hatte sich vom Vergessen befreit. Als steingewordene Manifestation ihres kindlichen Grauens drang es unaufgefordert in ihre Träume, um unter ihrem schlotternden Körper formlose Schweißflecken zu verursachen. Nahezu in jeder Nacht, vor der sie sich vergeblich gegen das Einschlafen zu wappnen versuchte. Seit mehreren Wochen ging das so. Lange hatte sie es fertig gebracht, das Haus mit seinen unzähligen Zimmern in die hintersten Winkel ihres Bewusstseins zu verbannen, es mit all jener Schwärze zu bedecken, die es in ihr selbst verursacht hatte, sodass es sich nie mehr durch eine zufällige Lichtreflexion in den Vordergrund drängen sollte. Jene Hölle, deren Wände von den unsagbaren Ängsten ihrer Bewohner widerhallten, die Schreie und Weinen aus ihrem bröckelnden Putz atmeten. Zimmer, deren sorgsam geschlossene Türen Dinge zugelassen hatten, an deren Erinnerungen sie bis heute litt.

Um das Biest endgültig zu besiegen, hatte sie sich ihrer tiefempfundenen Angst stellen und hierher zurückkehren müssen. Im Näherkommen hüllte sich das Haus gnädig in Nebel, als könne dieser all das Schreckliche in ihm verbergen. Doch sie ließ sich davon nicht täuschen. Aufkommender Wind verwehte den Schleier, entblößte brutal jene mühsam aufrechterhaltene Fassade des Gebäudes, die niemals zum Einsturz gebracht worden war. Und nun streckte das Haus einmal mehr seine mit einem Panzer aus gebrochenen Schindeln bedeckten Finger nach ihr aus, grinste sie aus fensterlosen Augenhöhlen hämisch an, bleckte seine aus den Resten eines maroden Staketenzauns bestehenden Zähne und strafte ihren nicht wirklich empfundenen Anflug von Mut Lügen.
Ihr Herz zog sich furchtsam zusammen, als sie die schwere Eingangstür aufdrückte. Dämmerung sprang sie an und flüsternde Stille. Ihre Schritte hallten in beiden wider. Sie setzte sie mit Bedacht, wollte so wenig Substanz dieses Hauses als möglich an ihre Schuhsohlen heften, lenkte sie zur ausgetretenen Treppe, deren Stufen für Hunderte von Kindern den Weg in die Hölle vorgegeben hatten. Wieder war sie acht Jahre alt, wieder drohte das Haus, sie zu verschlucken.

Tränen rannen über ihre Wangen, als sie das Zimmer betrat, das sie sich mit vier anderen geteilt hatte und in welchem sie in ihren Betten ängstlich auf die paradierenden Schritte der Aufseher gelauscht hatten, immer dann, wenn sie kamen, um wieder einen von ihnen zu holen. Sie fürchtete sich noch heute vor dem lähmenden Schrecken, den es jedes Mal in ihr ausgelöst hatte, wenn sie es betreten musste. Aber das geschah nicht. Diesmal nicht.

Sie blickte sich um, erkannte den schonungslosen Zerfall. Putz bröckelte von schimmeligen Wänden, raue Steine schauten unter den Wunden hervor, die er hinterlassen hatte. In die Fenster fuhr der Wind mit feuchten Hauch, bauschte die Reste einer zerfetzten Gardine, die sich an einer halb herabgefallenen Vorhangstange festzuhalten versuchte. Die dicke Staubschicht auf dem brüchigen Holzboden vermochte nicht jene dunklen Flecken zu verdecken, von denen die Besucherin jeden einzelnen wiedererkannte. In die Mitte des Raumes hatte sich ein Gitterbett verirrt, dessen aufgerissene Matratze wie eine heraushängende Zunge von seinem verrostenden Rahmen herabhing. Der armselige Zustand des Raumes brachte sie dazu, das Haus als das zu sehen, was es war: Ein grauenvoller Wiedergänger aus einer ebenso grauenvollen Zeit, dem man einen Pfahl in das Herz rammen musste, um ihn endgültig in das Totenreich zu verbannen.

Zitternd stieß sie den Atem aus, während sie den Verschluss des Benzinkanisters öffnete, um einen Teil der Flüssigkeit über dem Bett und dem Boden zu verteilen. Gleich darauf verließ sie das Zimmer und bewegte sich die Treppenstufen hinab, während das herausrinnende Benzin ihr als verlässlicher Begleiter bis zum Ausgang folgte. In der Haustür wandte sie sich um, riss das Streichholz an, warf es in die Flüssigkeit. Flammen tanzten wütend die Stufen empor, erleuchteten jene unsäglich düsteren Flure, hinter denen sich die Folterkammern verbargen. Sie hörte, wie sich das Bett oben mit einem Fauchen entzündete. Sorgsam schloss sie die Haustür hinter sich und ging davon.

Einmal noch.

Einmal noch möchte ich durch die Räume gehen, das Knarzen der Treppe hören, den typischen Geruch wahrnehmen.
Als Kind schlief ich ganz oben unter dem Dach. „Auf der Bühne“, nannte Oma das und allein dieses Wort schien alles möglich zu machen. Hier lagen sie, die Kinderbücher meines Vaters und meiner Tante, warteten auf mich, bis ich nachts bereit war für ihre Abenteuer. Tagsüber musste ich selbst welche bestehen. Den wilden Garten durchstreifen, die alten Obstbäume erklettern, im Schopf in den großen Weidenkorb fassen, ohne hineinschauen zu können, die schwere Tür des Vorratsraums langsam hinter mir zufallen lassen, um dann allein zu sein mit dem Geruch nach Erde und Stein und Feuchtigkeit. Gruseln hier, Mutprobe dort.

Jetzt ist alles ausgeräumt, in Kisten verpackt oder weggeworfen, weggeschenkt, schon in den Alltag integriert. Noch einmal durch die Räume laufen, allein, Abschied nehmen. Da kommt die neue Besitzerin, zeigt stolz die Pläne für das Treppenhaus, blau möchte sie es streichen, Schmetterlinge sollen an die Wand, alles soll fröhlich werden, bunt, nicht mehr unheimlich und dunkel. Ich versuche zu lächeln, frage mich, wie das alte Haus mit so viel Veränderung fertig werden wird. Noch einmal tief durchatmen, noch einmal hier sein und dann die Haustüre ein letztes Mal ins Schloss fallen lassen.

Das alte Haus

Trostlos! Kein anderer Ausdruck konnte meine Gefühle besser beschreiben, als ich die morschen Stufen zur Eingangstüre hinaufschritt. Wie ein Mahnmal ragte das alte Gemäuer vor mir auf, abseits der Straßen in einer weiten Lichtung des dichten Kiefernwaldes.
Dort, wo die Läden fehlten, waren die Fenster mit Brettern notdürftig vernagelt worden, und wo die Ritzen einen Blick nach innen gestatteten, sah ich die unheildrohenden Kanten der zersplitterten Scheiben.
Die Tür hing halb aus den Angeln und ließ sich nicht mehr schließen. Ich wollte sie lieber nicht berühren und schob mich vorsichtig ins Haus. Es dauerte eine Weile, bis meine Augen sich an den dämmerigen Schein, der durch die geschlossenen Fenster drang, gewöhnt hatten.
Trostlos!
Wieder überkam mich dieses Gefühl mit einer Gewalt, die ich nicht zu zähmen vermochte. So musste sich der Tod anfühlen, die Einsamkeit im Sterben. Alles fiel langsam in sich zusammen, ungepflegt und sich selbst überlassen. Ausgeräumt und kahl. Nur noch nackte Räume ohne Leben und ohne Liebe, wo der Staub und der Sand, den der Wind in den Jahren hereingeweht hatte, sich langsam in immer dicker werdenden Schichten über den Boden legte.
Ein Vogel flog an mir vorüber. Ich erschrak und verfolgte mit den Augen seinen Flug, bis er im Dämmerlicht verschwand. Und dann sah ich es: Das Haus war nicht tot. In einer Ecke hatte sich genug Sand gesammelt, um einem Löwenzahn als Halt zu dienen. Unter den Firsten hatten Schwalben ihre Nester gebaut, und auf dem Boden erkannte ich die Spuren mehrerer Igel, die sich ungestört vom Menschen hier aufhalten konnten.
Erst jetzt bemerkte ich die Herzen, die in den Fensterläden eingelassen waren und durch welche die Sonne als gebündelter Strahl warmen Lichtes in den Raum drang. Und über dem Sims des Kamins erblickte ich eine kleine Tafel, die ins Mauerwerk eingelassen war. Ich trat leise darauf zu und las die Worte: „O selig Haus, wo man dich aufgenommen, du wahrer Seelenfreund, Herr Jesus Christ.“
Doch, hier war Leben! Mehr, als ich es je vermutet hatte.
Und nun ich fühlte auch den Hauch der Menschen, die hier einst gewohnt hatten und die mit den Herzen in den Fenstern das zum Ausdruck brachten, was sie angetrieben und bewegt haben musste: die Liebe zueinander und zu ihren Kindern.
Nein, das war gewiss nicht trostlos, es war das Gegenteil!
Dieses Haus barg die Freude, dass es einst Menschen gegeben hatte, die etwas lebten, was bis zu diesem Tage bestand, und deren geistiges Erbe noch immer den Raum erfüllte. Und dieses alte Gemäuer nährte trotz seines Zustandes die Hoffnung, dass es weitergehen würde und das Leben nicht zu Ende war, dass eines Tages andere Menschen kommen würden, die trotz der Mühen des Alltags Herzen schnitzten, um zu zeigen, was in ihnen lebte.
Dieses Haus war ein glückliches Haus!

Musik erfüllte einst diesen Ort

Musik erfüllte einst diesen Ort. Musik, Tanz, Leben …
nun Staub. Mehr scheint nicht geblieben zu sein.
Doch wenn man am Staub vorbeisieht, dann ist da noch mehr. Die knarzenden Dielen. Die verdunkelten Fenster, durch deren zersplitterte Scheiben ein Luftzug zieht, der die ausgeblichenen/modrigen Vorhänge in Bewegung bringt. Als würden Geister an ihnen vorbei streichen.
Geister. Sie sind noch immer hier, lange, nachdem das letzte lebendige Wesen diese Hallen verlassen hat, bis auf die Ratten vielleicht, deren winzige Fußspuren im Staub zu sehen sind. Manchmal sehe ich sie, kaum mehr als eine Bewegung im Augenwinkel, ein Huschen in dunklen Ecken, und das tip tip tip ihrer hurtigen Schritte.

Musik erfüllte einst diesen Ort. Leute kamen her, um zu tanzen, für Jahre, es war das begehrteste Tanzhaus der Stadt, heißt es in Zeitungsartikeln von damals. Abend für Abend strömten Menschen durch die doppelflügelige Tür – sie wurde längst ersetzt durch eine Betonmauer – durch den Flur und in den Saal an seinem Ende.
Wenn man genau hinhört, kann man sie noch hören. Zaghafte Musik, die durch die Flure irrt, die von überall und nirgendwo zugleich kommt. Und wenn man genau hinsieht, dann kann man sie noch sehen – fein gekleidete Herrschaften, grandiose Feste im Licht der Kronleuchter im großen Saal. Metallbügel in der Decke sind alles, was noch von ihnen geblieben ist.

Musik erfüllte diesen Ort auch an jenem letzten Abend. Ich kann sie sehen, schöne junge Leute, die sich zum Takt der Musik drehen, stattliche Soldaten, unschuldig lachend, kecke Mädchen, die diese Pause genießen, diese Pause von der Angst.
Es gibt keine Angst an diesem Ort. Nur Heiterkeit. Hoffnung. So viel Hoffnung an diesem Ort.
Ich schließe mich ihnen an, das Herz leicht, trete ein in ihren Tanz und drehe mich, tap tap tap – jeder Schritt wirbelt Staub auf und auch er tanzt, tanzt in den Sonnenstrahlen, die durch die verbarrikadierten Fenster fallen.

Und ich weiß zwar, dass ich allein bin, allein unter Geistern – sie sind alle tot, diese jungen Soldaten, auch so steht es in den Zeitungen, in den Geschichtsbüchern. Doch an diesem Ort sind sie lebendig, lebendig in der Musik, die noch immer das Gemäuer durchdringt, selbst nach all diesen Jahrzehnten.

Bauchgefühl

Der Dielenboden knackt gespenstisch unter meinen Füßen. Den Schlüssel meiner neuen Wohnung noch in der Hand haltend, betrete ich mit einem mulmigen Gefühl mein zukünftiges Zuhause.
Ich fahre herum, als mich ein Geräusch erschreckt. Puh, zum Glück nur die Rohre, die in Altbauten wie diesem hier dazu neigen, hier und da zu gluckern.
Eine nackte Glühbirne erwacht zum Leben, nachdem ich den Lichtschalter betätigt habe und sorgt zumindest für etwas Licht im düsteren Flur.
Sämtliche Türen zu den Zimmern sind geschlossen.
Ich lasse die Wohnungstür hinter mir ins Schloss fallen und lege meine Tasche sowie den Schlüssel auf einem kleinen Schränkchen ab, das der Vormieter hier entweder vergessen oder absichtlich zurückgelassen hat.
An den Wänden hängen immer noch blasse, vergilbte Fotos, Porträts von Menschen die ich nicht kenne, und in der Luft liegt ein eigenartiger Mief, als ob hier schon länger nicht mehr gelüftet worden wäre.
Schon will ich nach meinem Handy greifen und die Maklerin anrufen, sie fragen, warum die Wohnung augenscheinlich nicht bezugsfertig verlassen worden ist, überlege es mir aber anders und verschiebe das Telefonat auf später.
Hinter der ersten Tür links müsste die Küche sein, wenn ich es von der Besichtigung noch richtig im Kopf habe.
Ich umfasse die kühle Klinke, drücke sie hinunter und öffne die Tür.
Augenblicklich schlägt mir ein widerlicher, beißender Gestank entgegen. Die Quelle mache ich schnell aus: In der Spüle und auf dem Herd sowie der Arbeitsplatte stapelt sich schmutziges Geschirr.
Der Gedanke, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt, drängt sich mir auf. Bin ich vielleicht in der falschen Wohnung? Nein, das kann nicht sein. Vielleicht habe ich mich mit dem Datum vertan?
Grübelnd zücke ich mein Handy und konsultiere den Kalender. Nein, alles gut.
Schnell verlasse ich das Chaos in der Küche und gehe ins nächste Zimmer, das Wohnzimmer, wo mich ein ähnliches Bild erwartet: stapelweise alte Zeitungen, der Fliesentisch voll mit allem möglichen Kram, ein überquellender Aschenbecher und ein Geruch, der sich bestenfalls mit einer Mischung aus Mottenkugeln und vollgesogenen Inkontinenzeinlagen beschreiben lässt, durchsetzt mit Altersgeruch. Spontan kommt mir in den Sinn, woher dieser für alte Menschen so typische Geruch kommt. Ältere Leute trinken zu wenig, weil das Durstzentrum im Gehirn nicht mehr richtig funktioniert, was wiederum zu Mundtrockenheit und geruchsbildenden Bakterien führt. Kopfschüttelnd vertreibe ich den Gedanken und ärgere mich abermals über den Zustand der Wohnung, die mir laut Vertrag als bezugsfertig angeboten wurde.
Dennoch werde ich das diffuse Gefühl nicht los, dass hier irgendetwas nicht stimmt.
Mein Vormieter, ein gewisser Herr Hesse, ist vor vier Wochen in ein Pflegeheim umgezogen und das Maklerbüro wollte sich darum kümmern, dass jemand aus dessen Verwandtschaft sich um das Entrümpeln der Wohnung kümmert. Was offensichtlich nicht passiert ist.
Ich verlasse das Wohnzimmer und schließe die Tür hinter mir, damit die Cordcouch in Ruhe weiterhin ihren Inkontinenzmief absondern kann.
Am liebsten würde ich auf der Stelle kehrtmachen und meinem Unmut Luft machen, will aber erst noch einen Blick ins Schlafzimmer werfen.
Fünf Sekunden später stehe ich kotzend im Flur und weiß, es wäre besser gewesen, sofort beim Betreten der Wohnung die Maklerin anzurufen.

Traumwelt

Die Erinnerungen haben immer an Dir geklebt wie Dreck, der sich nicht runterwaschen lässt. Etwas von den Dingen wegzuschmeißen bedeutete für Dich, ein Stück Identität wegzuschmeißen. Als seist Du die Sache und die Sache, Du. Ein Haufen Dosen und Plastikschachteln fallen mir entgegen, als ich den unteren Küchenschrank öffne. „Kann man immer mal gebrauchen“, hast Du gesagt. In den Ecken sammelt sich der Staub in feinen Bällchen, wie Vogelflaum flattern sie im Wind, als ich das Fenster öffne. Der Boden ist aufgequollen und stark genutzt, von Dir, den Katzen und Hunden, die hier einst wohnten. Fast nie habe ich Dich mit einem Putzlappen gesehen, aber jeder, der kam, um zu helfen, war unzureichend um Dein Sauberkeitsbedürfnis zu erfüllen. Ich gehe ins Wohnzimmer und öffne den Schubladenschrank aus Holz, den Du schon seit meinen Kindertagen hattest. Er steht neben anderen Möbeln, Holzregalen, Tischchen, sie stehen vor- und nebeneinander. „Kann man immer mal gebrauchen“, hast Du gesagt. Stapel von Zeichnungen und Skizzen finde ich darin, sie waren früher Dein Leben, wie ein Tor, durch das Du die Welt betrachtet hast, aus sicherer Entfernung, auf Papier. Später war Deine Kamera das Tor, Du warst präsent, aber nicht anwesend, denn die Welt gab es nur als Momentaufnahme, nicht als Fluss. „Ich muss aufräumen, endlich ausräumen“, hast Du gesagt, und mehr Dinge gesammelt für Deine Wohnung, die in meinen Augen kaum Platz für Bewegung bot. „Hallo, ich bin hier“, hab ich gesagt, aber Du hattest nur Platz für Erinnerungen, nicht für das Jetzt. Deine Wohnung, sie ist ein Ort, voll mit Enttäuschungen des Lebens und gefüllt mit der Hoffnung auf eine Traumwelt. Sie existiert in Deiner Erinnerung. Und jetzt? Jetzt lebst Du in ihr. Ich trete über die Schwelle und schließe die Tür. Zurück bleiben meine Realität und Ich.

Sechs Wochen ist es her. Es ist verrückt, wie viel sich in sechs Wochen ändern kann. Verdammt, waren das wirklich sechs Wochen?

Ich stehe vor der Wohnungstür im Treppenhaus, der Wohnungsschlüssel an meinem Schlüsselbund in meiner rechten Hand – mein Koffer links neben mir.
Leicht zitternd schaue ich auf meinen Schlüssel und frage mich, ob ich wirklich schon bereit bin wieder hier zu sein. Gott, ich bin so aufgeregt, denn falls kein Wunder passiert ist – weiß ich genau, was mich auf der anderen Seite dieser Tür erwartet.
Ich atme tief ein und langsam wieder aus, ich hoffe die Nachbarn bekommen nicht mit, dass ich hier bin. Ein Gespräch mit ihnen, ist das letzte was ich gerade brauche.
Ich stecke den Schlüssel ins Schlüsselloch, öffne die Tür und stelle enttäuscht fest, dass in den letzten Wochen kein Wunder passiert ist.
Hinter der Wohnungstür erwartet mich gleich das einzige Zimmer dieser kleinen 20qm Wohnung und mir steigt ein fürchterlicher Geruch in die Nase: Eine Mischung aus Schimmel, Staub und Traurigkeit. Ich muss das Würgen unterdrücken.
Ich stelle meinen Koffer ab, stecke meinen Schlüsselbund in meine Jackentasche und lasse meinen Blick durch das Zimmer schweifen.
Dieses Zimmer besteht aus einer kleinen Küchenzeile, die mit Essensresten voll steht, welche bereits grün und haarig sind. Außerdem einem Bett, ein Schreibtisch, ein Kleiderschrank und ein Fernseher, der auf einer kleinen Kommode steht. Alle Möbel in schwarz, normalerweise würde mir das gefallen, aber in dieser Wohnung kann ich nichts mehr schön finden. Angrenzend dazu gibt es ein kleines Bad, was vor Monaten das letzte Mal gelüftet wurde und leider auch ganz danach aussieht und riecht.
Ich versuche mich durch die Wohnung zu kämpfen, leider muss ich dank der ganzen Kleidung, Bücher, Post und Kartonage Slalom laufen und versuche so das Bett zu erreichen.
Das ist das einzige Möbelstück, das frei ist – wenn auch nicht frisch bezogen. So durchgelegen wie diese Matratze ist, merkt man gleich, hierin wurden viel zu viele einsame Stunden verbracht. Von hier aus wandert mein Blick auf die ehemals weißen, doch heute vergilbten leeren Wände, die Zeuge von zu viel Rauch wurden.
Ich setze mich auf den Bettrand und breche in Tränen aus, schnappe mir ein Notizbuch, welches auf dem vollen Schreibtisch liegt, dass nur eine Armlänge von mir entfernt ist und zerreiße es. Ich weiß genau was drin steht. Ich schäme mich.

Diese Wohnung ist der Beweis, für mein Ich vor dem Klinikaufenthalt. Mein Ich vor sechs Wochen. Ich gab mir das Versprechen, einen Neuanfang zu wagen und dieser würde heute beginnen.

Im Berg

Ein Unwetter kam auf. Er wäre sonst nicht auf den Gedanken gekommen, in einem moosbehangenen Felseingang ein trockenes Plätzchen zu suchen.
Der Durchschlupf war so eng, dass er den Rucksack, den er bei der Wanderung getragen hatte, abzog, um sich hinein zu quetschen. Aber er hatte Glück und sah im Zwielicht, das er in einen breiter werdenden Gang eingestiegen war.
Um herauszufinden, ob er den Unterschlupf eines größeren Tieres in Beschlag genommen hatte, griff er zur Taschenlampe, die er in seinem Ranzen bei sich trug. Die Lichtquelle in der Hand haltend, konnte er im Lichtkegel langsam forschend den Weg durch das Gestein ausmachen.
Die Luft war kalt und klar. Unzählige Lebewesen, die am Fels krabbelten, Töne, die widerhallten, ließen ihm eine Gänsehaut über den Rücken ziehen. Er versuchte, sich nicht am Felsblock festzuhalten, da er mit keinem dieser kleinen Biester in Kontakt kommen wollte.
Schon eine größere Strecke vom Eingang entfernt, stockte er etwas und überlegte, ob er nicht doch umkehren sollte. Sein Smartphone, das er aus der Hosentasche gezogen hatte, zeigte ihm, dass er keine Verbindung bekommen würde. Er könnte sich in Gefahr begeben und hätte nicht die Möglichkeit, nach Hilfe zu rufen. Aber er verwarf den Gedanken, denn die Neugier ließ ihn Schritt für Schritt tiefer in den Gang eintauchen. Bis er stehen blieb und sein Atem stockte.
Im Schein der Taschenlampe hatte sich eine größere Kammer aufgetan. Er konnte es kaum glauben, denn beim Nähertreten bot sich ihm ein Raum, der mit einfachsten Mitteln eingerichtet worden war.
Möbel aus Ästen und Seilen zusammengebaut, wie im Film «Robinson Crusoe» auf seiner Insel. Der Schemel war am Bein zerbrochen und lag vor einem Tisch. Auf diesem befand sich eine Petroleumlampe und daneben eine Fotografie. Ein kleines Moosgewächs war darüber gewachsen und er zupfte es ab. Zu sehen war ein Bauernhaus, vor dem eine Frau mit zwei Kindern standen. Die schwarz-weiß Aufnahme mit dem gezackten Rand schien aus den 40er Jahren zu sein.
Auf dem Boden, auf einem Astgestell, lag eine Matte, so wie eine grau zerfledderte Decke. Das Teil, welches er als Kopfkissen ausmachte, hob er an und schüttelte den Dreck ab, dabei kam eine Uniformjacke zum Vorschein. Gleichzeitig gab es einen dumpfen Schlag und er erschrak. Auf den Boden war eine Pistole gefallen, die aus der Jacke herausgerutscht war.
Er hob sie auf und legte sie mit dem Kleidungsstück zusammen zurück auf die Schlafstelle.

Wenn das Wetter aufklarte, würde er in den nächsten Ort gehen, um eine Meldung bei der Polizei aufzugeben. Die Waffe konnte er auf keinen Fall behalten und sie liegenzulassen, wäre zu gefährlich, da sie Kinder finden könnten.

Am Ende der Schuld

Mit klammen Fingern zieht Jana ein Foto aus der Tasche ihres Ledermantels, hält es ins Licht der Straßenlaterne. Kein Zweifel, denkt sie. Ein wenig älter sieht er aus, natürlich, aber er ist es, ganz bestimmt.

Zurück in ihrer Wohnung hängt Jana den Mantel an die Garderobe, geht in die Küche, frottiert die regennassen Haare. Der Fön liegt im verschlossenen Badezimmer. Wenigstens die Toilette ist separat, denkt Jana. Zahnbürste, Creme, Shampoo hat sie neu gekauft, an einen Fön hat sie nicht gedacht.

Haare und Handtuch zum Turban geschlungen, brüht Jana Tee auf, nimmt ihn mit ins Wohnzimmer, setzt sich vor den Fernseher. Die Hände eng um den wärmenden Becher geschlungen, trinkt sie in kleinen Schlucken, zappt mit der Fernbedienung durch die Programme und zurück zum Ersten. Eine Komödie. Vater, Mutter, Kind. Irrungen und Wirrungen in der Vorweihnachtszeit, am Ende gemeinsames Singen unterm Weihnachtsbaum. Happy End, ganz so, wie Jana es mag.

Noch immer fröstelnd taucht sie tiefer unter die Wolldecke. Müde ist sie, aber in ihr Bett will sie nicht. Sie schaltet den Fernseher aus, schließt die Augen und lauscht den Geräuschen hinterher, die sich durch die Dichtungen der Fenster einschleichen. Das Rattern der Straßenbahn, Autoreifen auf Kopfsteinpflaster, der Zweitakter eines Mofas, das Klicken und Kratzen von Taubenfüßen auf dem Zinnblech der Dachrinne.

Dann Klospülung und Türenknallen und Dielenknarren im Haus. Überall Leben, denkt sie, nur hier nicht.

die Reste meines Vaters

Auf der Wachstuchtischdecke lag sein Schlüssel mit dem NDR-Walross-Anhänger. Der Haustürschlüssel, Wohnungsschlüssel, Garage und der kleine Schlüssel für den Briefkasten. Was noch viel Schlimmer war, dort lag auch seine runde Altherrenuhr aus goldgefärbtem Edelstahl. Das runde Zifferblatt aus Glas mit den extra großen Zahlen war ziemlich zerkratzt. Das elastische Armband war schon etwas ausgeleiert und an dem kleinen Drehknopf fehlte etwas Goldfarbe. Nie in all den Jahren hatte er die Uhr irgendwo anders liegen gehabt als auf seinem Nachtisch. Er ging immer sehr spät ins Bett, nachdem er sich im Wohnzimmer mit ein paar TV-Filmen und seinem üblichen Papierkram oder - zur Entspannung - mal mit Atlanten und Landkarten betan hatte. Erst gegen ein Uhr setzte er sich auf die Bettkante, streifte die Armbanduhr vom Handgelenk und legte sich auf sein gutes Ohr. Morgens war das Anziehen seiner Uhr die erste Amtshandlung, wenn er sich im Bett aufgesetzt hatte.

Es gab kein verlassenes Haus, keine leere Wohnung. Nur diese Uhr und der Schlüsselbund, die nun verwaist auf dem Esstisch lagen. Und doch erschütterte mich dieser Anblick mehr als alles andere. Es machte mir schmerzlich bewußt, wie sehr ich ihn vermissen würde, wenn er wirklich sterben sollte. Es war nur ein kleines Häufchen verwaistes Zeug, belanglos und fast ein bisschen ärmlich. Und doch war es mir, als würde das Geländer rechts und links an meinem Leben weggerissen, und ich stünde plötzlich ganz ohne Absicherung auf einer schmalen Brücke über einem tosenden Wildfluss.

Christian

Für November ist es ein ungewöhnlich sonniger Tag.
„Nicht mehr lange, bis uns diese endlosen Tage des nie enden wollenden grau einholen.“, denke ich, während ich mit dem Müllbeutel in der Hand vor die Haustür trete. Auf dem Treppenabsatz hebe ich den Blick und sehe die Tochter unseres alten Nachbarn auf dem Balkon eine Decke ausschütteln. „Hilde!“, rufe ich und winke, um auf mich aufmerksam zu machen. „Hallo!“, ruft Hilde, „mein Vater ist gestern ins Heim umgezogen.“, sagt sie. „Es ging ja schon länger nicht mehr allein, seit er sein Auge verloren hat.“ „Warte Hilde, ich komme mal eben rüber!“, rufe ich. Nachdem ich den Müll in die Tonne geworfen habe, stelle ich den Schnapper an der Haustür ein. So brauche ich keinen Schlüssel. Zumal ich von nebenan sehe, wenn jemand kommt. Der kleine Garten, den ich durchqueren muss, ist jetzt schon winterfest. Das Laub wurde gerächt und der Rasen ein letztes Mal gemäht. Über den vergangenen Sommer schon, war Hilde regelmäßig mit ihrer Familie hier gewesen, um nach ihrem Vater zu sehen und notwendige Arbeiten zu erledigen.
Ihr Vater Christian ist in den Neunzigern und hat trotz allem, bis er eines seiner Augen verlor, noch fast alles selbst gemacht. Er buk und kochte für sich, mähte den Rasen und selbst kurze Strecken mit dem Auto fuhr er noch. „Wenn ich fahre, dann fühle ich mich, wie der Herrgott selbst.“, hatte er einmal zu mir gesagt. Ich habe Christian als ausgesucht höflich und sehr gläubig kennengelernt. Jetzt nicht mehr jeden Morgen, um 07:30 Uhr seinen donnernden Husten vom Balkon zu hören, auf dem Hilde gerade die Decke ausschüttelt, weil er selbst mit neunzig das Rauchen nicht aufgeben wollte, war ein bedrückender Gedanke.
„Es ist komisch, so ganz ohne den Vater hier.“, sagt Hilde niedergeschlagen, als ich bei ihr ankomme. „Ja, es ist traurig, dass er nicht mehr hier sein kann.“, erwidere ich und drücke Hildes Hand. Hilde geht durch die Balkontür ins Haus und ich folge ihr leise ins angrenzende Wohnzimmer. Ein Großteil des Tages muss der alte Mann hier verbracht haben. Auf diesen Gedanken bringt mich die Einrichtung. Ein hellbraunes Sofa aus Cord steht an einer Wand. Vor dem Sofa steht ein kleiner Tisch aus Kiefernholz. Auf dem Tisch liegt eine, offensichtlich selbst gestickte, Decke mit Blumenmuster. Auch die alten, ausgeblichenen Tapeten an der Wand sind mit einem Blumenmuster bedruckt. Die Wände zieren etliche Familienfotos, die von einem langen Leben erzählen. Mir fällt auf, dass es einige Stellen an den Wänden gibt, die nicht ganz so ausgeblichen sind. Möglicherweise hingen dort Fotos, die Christian bei seinem Umzug ins Heim mitgenommen hat.
Dem Sofa gegenüber steht, in Farbe und Material identisch, ein Fernsehsessel mit „Füße-Hoch-Funktion“, wie ich immer dazu sage. Selbst einen kleinen, silbernen Röhrenfernseher hat Christian noch besessen. Hilde erzählt von Christian, während sie das Wohnzimmer aufräumt. Inzwischen ist sie bei dem Einzelbett angekommen, das in der Ecke neben der Balkontür steht und schüttelt Kissen und Decke auf, legt die Wolldecke, die sie vorhin ausgeschüttelt hat, zusammen. „Ja, er war schon einmalig.“, lacht sie gerade, in ihre Erinnerungen versunken, während ich mich vorsichtig umsehe. Da Christian nicht mehr hier ist, fühlt es sich an, als würde man ihn seiner Privatsphäre berauben.
„Am liebsten hat er immer diese amerikanischen Sendungen gesehen, in den immer so albern gelacht wird, im Hintergrund. Verstanden habe ich das nie. Leid gibt es genug auf der Welt. Das hat er immer gesagt, wenn ich über seine albernen Serien geschimpft habe.“, seufzt Hilde und sieht sich um. Neben dem Fernsessel, auf dem ausgeblichenen Parkett, liegt Hildes Pullover. Nachdem sie sich den Pullover wieder angezogen hat, nimmt sie die letzte verbliebene Orchidee von der Fensterbank.
„Für heute soll es gut sein. Na komm, wir gehen.“ Ich folge Hilde in den kleinen Flur und sehe Christians grau-karierten Hut an der Garderobe hängen. Diesen Hut hatte er immer getragen, wenn er zum Einkaufen fuhr, mit dazu passender Hose und Sakko. Ganz Gentleman der alten Schule.
Aus dem Augenwinkel nehme ich noch wahr, dass die Tür zum Bad offensteht.
Altrosa Kacheln sind das Letzte aus Christians Haus, das ich sehe, bevor Hilde hinter mir die alte Holztür mit Glaseinsatz abschließt.

Wo war er schon wieder? Hatte er einen Hasen, ein Reh gewittert?
Für Rehe war die Macchia hier zu dicht. Ein Murmeltier, oder einen Fuchs?
Ich versuche zu pfeifen. Wie immer misslingt es, bringe nur ein Zischen zustande.
„Lupo! Lupito, wo bist du?“
Das Dickicht zwischen den hohen Laubbäumen wird allmählich undurchdringlicher. Kein Weg mehr, kein Pfad, keine Schneise.
Ich fluche leise vor mich hin. Dieser Hund! Immer im unwegsamen Gelände unterwegs!
Ein Durchkommen ist fast unmöglich. Zweige der Büsche greifen nach mir, wie Krakenarme. Brombeersträucher zerkratzen meine Beine.
Eine Machete! Die wäre jetzt hilfreich.
Aber wer nimmt schon auf einen Nachmittagsspaziergang eine Machete mit?
Abgesehen davon, ich besaß keine.
Wozu auch. Wir waren nicht im Dschungel, sondern unweit des Meeres und der Strände. Gleich oberhalb der Straße im Hinterland, mit seiner betörenden Natur, den Wäldern, Felsen, Flüssen und Wasserfällen.
„Lupito! Lupo! Melde dich! Sag was!“
Ich bleibe stehen. Nehme die Gerüche auf, nach Laub und Erde, honigsüßen Beerenfrüchten, den herben Duft vereinzelter Zypressen, und zart, halbverweht, den salzigen Geschmack des Meeres.
„Lupo!“
Ich lausche. Wie erwartet, höre ich nichts von ihm.
Umso mehr empfinde ich die Geräusche der Natur. Das Rascheln, Zwitschern, Rauschen, Raunen ist allgegenwärtig. Verbindet sich zu einer Natursinfonie. Ein perfekt aufeinander eingestimmtes Orchester.
Hörst du aufmerksam zu, wirst du ruhig. Nicht still. Nur ruhig.
Jedes Fremdgeräusch, das nicht der Natur entspringt, bemerkst du sofort.
Ein Störfaktor, wie eine Trillerpfeife in einer Mozartsinfonie.

Genauso war das.
Ein Geräusch, als ob jemand mit Fingernägeln auf einem Blech kratzen würde. Kennst du das?
Das fährt dir durch Mark und Bein, die Zähne schmerzen, das Trommelfell ohnehin … Schrecklich, nicht?
Ein derartiges Geräusch hier in der Wildnis?
Da, nochmal. Diesmal gefolgt von einem kurzen Wuff-Laut. Nicht drohend, sondern um Aufmerksamkeit heischend. Wieder das Kratzen. Ganz nahe.
Mein angestauter Atem stößt sich von selbst aus. Gott sei dank, Lupito!
„Ich eile! Ich komme!“

Ohne auf Dornen und Stacheln zu achten, bahne ich mir einen Weg durch die Büsche. Licht fällt durch die hohen Bäume auf die Szenerie.

Da liegt ein Automobil, eine Art Kleinbus, in Schieflage. Hinten auf einer Seite eingesunken bis zum Schutzblech. Wie zum Trost wird das blecherne Hinterteil von rankenden Pflanzen zärtlich umarmt. Eine Symbiose zwischen Natur und Technik.
Ein Campingbus, undefinierbare Farbe, alle Schattierungen von Schmutz, schwarz, grau verschimmelt, grünlich, verrostet, nur dort, wo unter den Pflanzenschlingen das Blech hervorlugt, die Originalfarbe - Beige.
Dieses Beige, das dich unsichtbar macht, wenn du es als Kleidung trägst.

Kein moderner Autobauer würde heutzutage diese Farblackierung verwenden.

Lupo hat sich zur vollen Größe aufgerichtet. Auf die Hinterläufe gestellt, hält er sich mit den Vorderpfoten am Rahmen des Fensters der Beifahrertüre fest. Als ob er hineinspähen würde. Er kratzt am Blech und wendet mir den Kopf zu.
Seine Augen blitzen. „Siehst du, was ich entdeckt habe!“
Mein Herz fällt zuerst in meinen Bauch, um gleich darauf nach oben zu hüpfen und gegen meine Rippen zu trommeln.
„Vorsicht!“ rufe ich. „Du weißt nicht, was dahinter ist…“
Lupo traktiert inzwischen mit der Vorderpfote den Türgriff. Der hängt halb herunter, sträubt sich. Aber Lupito ist hartnäckig.
Behutsam, als ginge ich über ein Nest mit rohen Eiern, nähere ich mich.
Endlich ist es Lupo gelungen, der Türe einen Spalt abzutrotzen. Er hilft mit der Pfote nach. Vergeblich.
Sieht zu mir. „Nun komm schon, das ist dein Part!“
Seufz. Nun ja.
Erwartungsvoll blickt Lupo mich an. Ich versuche, die dicke Staubschicht wegzuwischen. Sie leistet Widerstand, entpuppt sich als zähe, von der Sonne gehärtete Schmutzschicht. Egal.

Ehe ich mich hineinwage, schaue ich mir dieses Vehikel von außen an. Trotz aller Blessuren, Staub und Schmutz, strahlt es eine unverwüstliche Würde aus.
Bullig, nicht unsympathisch. Alt.
Aha, ein Stern. Der Stern! Das erklärt einiges. Wertarbeit.
Selbst eingesunken ist der Bulli (der Name fiel mir unvermittelt ein) hoch genug, um drinnen aufrecht stehen zu können. Für den Einstieg zu den Vordertüren gibt es zwei Trittbrettstufen.
Die vordere Stoßstange hängt schief, halb verrostet, das Fragment des Nummernschilds ist unlesbar. Die Windschutzscheibe, aufgesplittert in Kristalle, starrt vor Dreck, hält aber tapfer die Stellung. Ich bin beeindruckt.

„Wie bist du nur hierher gekommen?“, frage ich Bulli.
Es gibt keinerlei Spuren. Andererseits, vor Jahren war es hier anders. Die Natur verändert sich ständig. Ist immer wieder neu und ursprünglich.
„Bist du ein Überbleibsel einer Filmkulisse? Warst du Teil der Requisiten eines dieser zahlreichen Filme, die hier in der Gegend gedreht wurden?“
Denn diese Landschaft ist so wild und unberührt, dass mancher Regisseur, seinen märchenhaften Film nicht in fernen Ländern drehte, sondern hier.
Lupo stupst mich an. „Schau doch mal drinnen nach!“, scheint er zu sagen. Er schnüffelt aufgeregt.
„Ja, ja.“
Ich spreche mir selbst Mut zu: „Es wird schon gut gehen. Was soll schon sein!“
Der Bulli erscheint mir nicht mehr gefährlich. Sogar ein wenig vertraut.
„Du bleibst vorerst draussen!“, schiebe ich Lupo zurück, der sich zwischen meinen Beinen durchzwängen will.
„Lass mich erstmal erkunden“!

Beifahrersitz gibt es keinen mehr. Jemand hat ihn fein säuberlich abmontiert.
Auf der Fahrerseite, ein filigranes Kunstwerk, ein Spinnennetz, welches das Lenkrad, das Armaturenbrett, und den Sitz umspannt.
Weiter drinnen, nicht das Chaos, das ich erwartet hatte. Es liegt kaum etwas auf dem Boden. Der 2 flammige Gasherd ist zugedeckt. Kein Geschirr, kein Topf steht herum. Da hat jemand gründlich und mit Bedacht ausgeräumt. Zumindest alles, was beweglich ist und fallen oder rutschen könnte. Scheint verstaut in den oberen Kästen zu sein.
Jeder Zentimeter Platz im Fahrgastraum, besser gesagt im Wohnbereich, ist ausgenützt. Trotz des Staubschleiers, der über allem liegt, erkennt man die präzise Arbeit, mit der die Ausstattung gebaut wurde. Ein Künstler musste hier am Werk gewesen sein. Liebevoll schmiegen sich die Oberschränke an die Rundung des Daches. Millimeter passgenau mit dünnem Holz, der Verlauf der Holzfaser ergibt ein grafisches Muster. Sogar die Vergrauung, Verwitterung passt sich an. Alle Oberschränkchen sind noch intakt. Nur am Letzten rechts hinten ist eine Leiste abgesplittert.
Die Schränkchen lassen sich nach oben öffnen, den Handgepäcksfächern über den Sitzen im Flugzeug nachempfunden. Sehr schlau. Auch innen sind die Fächer klug durchdacht. Jedes Fach hat vorne ein Geländer, eine Metallstange. Tassen und Ähnliches können nicht rausfallen, z.B. in den Kurven, oder bei einem Crash.
Jetzt steht nur ein einziger einsamer Kaffeebecher im vorderen Oberschrank. Alle anderen Kästen sind leer. Ausgeräumt bis auf den letzten Krümel.
Ebenso der Unterschrank für die Gaskartusche. Zum Glück. Eine Gefahr weniger.
Ich hoffe auch, dass kein Benzin mehr im Tank ist.
Oder Diesel. Dieser typische Geruch. Ich vermeine, ihn wahrzunehmen.
„Reiß dich zusammen“ rede ich mir zu. „Es kann gar nicht sein, nach all den Jahren ist alles längst verpufft.“
Ich würde mich gerne setzen.

Es gibt keine Sitze im Fahrgastraum. Nur eine eingebaute Sitzbank aus Holz vor dem Rückfenster. Ein Tisch, ebenfalls aus Holz, zerbrochen in zwei Hälften.
Pff …, lasse ich mich auf die Bank plumpsen.
„Atme tief durch“ befiehlt mein innerer Zensor. Drei Atemzüge und ich werde gelassener. Sachte fahre ich mit den Fingern den Rand der Tischplatte entlang.
Spüre zuerst, dann sehe ich …
Es ist ein Z eingeritzt, schwungvoll wie mit einem scharfen Messer. Der Buchstabe verschwimmt mir vor den Augen. In meinem Kopf erklingt fröhliches Kinderlachen, eine helle Kinderstimme: „Schau mal Mama, was ich kann…“
Meine Haut brennt, sicher habe ich Fieber. Ein leichter Schwindel überfällt mich.
„Das kann nicht sein! Wie sollte das zugegangen sein? Unmöglich.“

Das Blut pocht in meinen Ohren. Ich springe auf, schiebe die Sitzplatte zur Seite. Der Kasten darunter gähnt mich in dunkler Leere an.
„Ob es noch da ist?“
Meine Hände zittern. Ich taste Wände und Boden ab, ziehe mir dabei einen Schiefer ein. „Aua!“ Ich entferne ihn, lecke den Blutstropfen ab. Suche weiter. In der hinteren Ecke, dort wo es am dunkelsten ist, fühle ich ein loses Brettchen. Es lässt sich leicht abheben. Auf der Rückseite klebt ein vergilbtes Papier. Darauf sind einige handschriftliche Zeichen.
Ich brauche gar nicht zu schauen. Ich kenne dieses Papier.

Lupo hat sich hereingeschlichen, legt mir seinen Kopf auf die Knie, sieht mich an mit seinem wissenden Blick:
„Komm, lass uns gehen, wir haben hier nichts mehr verloren. Du hast nun alles.“

Nie werde ich erfahren, wie unser alter Campingbus in dieser Wildnis landete.
Ich selbst hatte ihn vor vielen Jahren verkauft. An ein Pärchen, das damit bis in den Libanon fahren wollte.
Sie haben es wohl nicht ganz geschafft!

Wärmende Sonnenstrahlen empfingen mich, als meine Schuhe staubige Erde betraten. Ich sah mich einem baufälligen Häuschen gegenüber, dem der nahe Tod in die Mauern geschrieben stand. Es war das einstige traute Heim meiner Großeltern. Inmitten einer Reihe hochgeschossig-moderngrauer Wohnhäuser hatte es schon seit geraumer Zeit seinen Lebensraum eingebüßt.

Noch vor einem halben Jahrhundert leuchteten hier bunte Wiesenblumen in einem Heer von saftiggrünen Grashalmen. Sie umgaben Haus und Hof, und der Wind trug den Wohlgeruch von frischen Tannen und festem Gehölz des nahen Waldes in diese Wohnung der Eltern meines Vaters.

Der Audimotor meines Bruders drang an mein Ohr, kurz darauf hielten Schritte neben mir. Ein Arm legte sich über meine Schultern und der andere reichte mir freundlich seine Hand zum Gruß.

Für einige Augenblicke standen wir still, fast ehrfürchtig, den traurigen Resten glücklicher Kindheitserinnerungen gegenüber. Dann übergab ich meinem Bruder einen leichten Schutzhelm und wir betraten vorsichtig die vertraute Ruine. Seit dem Tod unserer Großeltern hatten wir dieses Gemäuer nicht mehr besucht.

Kahle Leere und ein ungewohnt muffiger Geruch empfingen uns. Keiner sagte ein Wort. Auf dem langen Flur zogen uns einst Großmutter und Großvater zur Begrüßung an ihre Brust. Sein angenehmer Tabakgeruch und ihre leicht verschwitzte Bluse schlichen sich wohlig erinnerungswürdig in meine Nase. Fast fühlte ich auch den herzlichen Druck ihrer Arme.

Wir blickten in den Raum, der früher die Küche war. Dort stand noch rostig der alte Ofen. Das Klirren der Eisenringe auf den Kochstellen, wenn Großmutter mit dem Feuerhaken die Hitzezufuhr veränderte, kam mir in den Sinn. Auf diesem Ofen brodelte gern eine reichhaltige Gemüsesuppe. Wir Kinder mochten Suppe nicht besonders, aber wenn wir alles ordentlich aufgegessen hatten, belohnte Oma uns mit einem schmackhaften Schokoladen- oder Vanillenpudding. Wir liebten Großmutter dafür.

An Festtagen brutzelte manchmal sogar eine goldbraun geschmorte Ente im Bratentopf. Dieser Topf nahm fast die gesamten Kochstellen ein. Großmutter blieb dann nur noch wenig Platz für das Kochen von Kartoffeln und Gemüse, dennoch fehlten sie nie.

Während uns das Wasser im Munde floss, saßen wir mit Großvater auf einer langen Bank im Garten vor dem Küchenfenster. Er schmauchte gemütlich seine Pfeife, erzählte uns Kindern von den Tieren des Waldes, von Gnomen und Elfen, oder er zeigte uns Blätter, denen wir den richtigen Baum zuordnen sollten. Er fühlte sich verständnisvoll in unsere Kinderseelen ein, rief uns aber auch zur Ordnung, wenn das nötig war. Wir konnten uns keinen besseren Opa wünschen.

Im Wohnzimmer war nur noch die vergilbte Tapete erhalten. Darauf zeichneten sich vor allem die Positionen der einstigen Sitzecke, des schweren Eichenschranks und der großen Standuhr ab. Wie oft hatte uns Kinder das laute Ticken, das unermüdliche Pendeln und das stündliche Läuten der Uhrzeit beeindruckt; und wie sehr fehlte es uns das alles heute.

Mein Bruder traute sich die instabile Treppe zu den Schlafräumen im ersten Stock hinauf. Als er zurückkehrte, schüttelte er enttäuscht den Kopf. Keine rustikalen Kinderbetten füllten mehr unser ehemaliges Schlafzimmer. Was uns blieb, war nur die Erinnerung an die frischen luftgetrockneten Bezüge der Bettdecken und Kissen, in die uns die Großeltern immer liebevoll in den Schlaf begleitet hatten.

In seiner Hand hielt mein Bruder aber einen Trommelschlagstock, den er mir reichte. Damit saß ich früher oft mit meiner Kindertrommel vor dem geöffneten Fenster und wirbelte ein unbeschwertes Kinderdasein in die Welt.

Ein letztes Mal blickten wir am Ende des Flures aus dem großen Fenster über einen noch freien Platz zum Wald und entdeckten unseren alten Kastanienbaum.
Mit einem letzten wehmütigen Gruß verließen wir das Wohnhaus unserer Großeltern, das zeitweilig auch für meinen Bruder und mich ein geliebtes Ferienheim war.

Wie zu einer alten Bekannten, lenkten wir nun unsere Schritte der großen Kastanie zu. Freudig tätschelten wir sie, mussten aber entdecken, dass sie bereits zum Fällen gekennzeichnet war.

In ihrem Schatten setzen wir uns auf den Boden, lehnten uns an ihren Stamm wie früher, und blickten zurück auf das Grundstück.

„Bauen wir es wieder auf?“, fragte mein Bruder rhetorisch mit einem wehmütigen Lächeln?
Ich nickte mit einem ebensolchen Lächeln. Uns beiden war selbstverständlich klar, dass das keine reale Option mehr war.
„Sie haben uns viel Geld geboten“, fuhr mein Bruder fort. „Aber dieser Platz ist für uns unbezahlbar.“
Ich stimmte ihm zu.
„Hier würde sich ein großer Kinderspielplatz gut ausmachen“, regte er an und blickte prüfend zu mir.
Erneut nickte ich.
„Wir sollten einen stiften“, schlug er dann vor.
„Ja, machen wir auch andere Kinder glücklich.“ Und dann ergänzte ich noch: „Retten wir außerdem einen alten Kastanienbaum.“

Ich war darauf nicht vorbereitet

Alles schien mir bekannt zu sein, von allem hatte ich gehört, es gelesen, verschlungen, mich damit kasteit, gequält, mir das Grauen ausgemalt, ausmalen müssen. Und nun stand ich hier, von der Besuchergruppe, deren Teil ich war, durch die enge Tür in diesen Raum hineingeschoben. Nein, ich wollte ihn plötzlich nicht mehr betreten. Etwas in mir riss mich zurück, aber die Besucher hinter mir waren stärker, drängten, schoben… Und nun stand ich drinnen. Und die Realität erschlug mich.

Warst du hier, Onkel Leonhard? War es das, was du erlitten hast?

Der Raum war länglich. Die Pritschen aus rauem Holz, dreifach übereinander. „…es gab keine Decken, nicht mal Stroh, keine Matratzen…“ – die Stimme der Fremdenführerin drang nur von fern in meine Gedanken. Mir war übel. „…überbelegt, jeden Tag über 160 Menschen in diesem Raum, das kleine Fenster ließ nicht genug Luft hinein…“

Mir schnürte es die Luft ab. Dabei waren wir nicht 160, Tag und Nacht eingekerkert, halb verhungert, sondern nur knapp 30 Leute bei offenen Türen für wenige Minuten. Eine Ewigkeit. Eine Minutenewigkeit. Und dann die Kratzspuren in den Rillen neben der Tür, Kratzen nach Luft, Kratzen mit den Fingernägeln, blutige Finger, Luft, Luft, Luft…

Onkel Leonhard, sind da auch deine Spuren vorhanden?

Eine fing an zu singen: „Baruch haShem, Adonai…“ Es klang überirdisch schön, hier, wo es nichts Weiches gab, harte gemauerte Wände, schäbig mit Löchern und Sprüngen im Putz, orchestraler Klang, vollendet rein. Es sollte nicht so schön klingen. Es sollte wie Schluchzen klingen, wie Verzweiflung, wie Krächzen von einem, der keine Luft bekommt. Onkel Leonhard konnte nicht singen. Und er konnte nicht atmen. Und er konnte nicht wissen, dass er hier noch einmal herauskommen würde, lebendig.

„Jeden Tag wurden die Toten herausgeholt, diejenigen, die in der Nacht erstickt waren. Aber dafür kamen immer neue dazu…“

Reichten denn die Pritschen? Bequem war das sicher nicht. Leib an Leib gequetscht, Erfrieren in Fensternähe, Ersticken dort, wo es warm war. Fast überall… Warum? Warum nur?

Warum bist du hier lebend herausgekommen, nur um dann doch an den Folgen zu sterben? Onkel Leonhard, warum?

Der Fußboden war mal gefliest. Viele Fliesen sind noch vorhanden, dunkelrot. Aber kaputt. Kaputt wie die Menschen, die hier eingeschlossen waren. Muselmänner nannte man die lebenden Skelette. Der Onkel Leonhard, den ich so sehr liebte, war dick und hatte sanfte Augen und eine sanfte Stimme, und wenn er mich ansah, strahlte er. Ich versuche ihn mir vorzustellen, hier angekommen, nach vorheriger Zwangsarbeit, Hunger, Schlägen. Der Raum ist so etwas von leer, es hallt, alles hallt hier. Wie kann dieser Raum voll sein? Ich ringe nach Luft.

Der Führer damals, der hat sich feiern lassen als Wohltäter. Schaut hin: Ich schenke den Juden eine Stadt! Hitler schenkte Onkel Leonhard eine Stadt. Ein atemberaubendes Geschenk! Onkel Leonhard japste nach Luft, nicht vor Freude. Dieser Raum… Ein Albtraum! Eingesperrt. Weggesperrt. Kein Licht. Keine Hoffnung. Ausgeliefert der Willkür. Keine Luft, nichts mehr da zum Atmen. Warum?

Du hast doch niemandem etwas getan, Onkel Leonhard. Doch! Du hast mir etwas getan! Du hast mich verlassen, du bist einfach weg gewesen. „Onkel Leonhard ist eingeschlafen!“ hat Papa geschluchzt. Und ich dämliches junges Ding meinte, das sei gut, du würdest ausruhen, du würdest wieder gesund. Ich habe es nicht fassen können, dass du gestorben warst. Ich kann es nicht fassen, dass du spät noch sterben musstest an der Luftnot hier, hast nur länger durchgehalten als die anderen, die sie hier eingesperrt haben. Hat es dir über Jahre die Luft abgeschnürt? Onkel Leonhard, ich bekomme keine Luft! Warum nur, warum?

Die Gruppe drängt wieder nach draußen. „Du hast ja gar nicht zugehört bei der Führung“, beschwert sich Mama. „Ich dachte, das interessiert dich? Deswegen sind wir doch hier?“

Endlich draußen. Ich versuche zu atmen. Hier an der frischen Luft bekomme ich immer noch keine Luft. Sie dringt nicht durch die Mauern, die Stachelzäune. Ein luftleerer Raum. Die anderen atmen. Ich kann nicht. Vielleicht kann ich nie wieder atmen. Ich sehe Onkel Leonhard vor mir, meinen Onkel, sanft, liebevoll. Warum nur?

Onkel Leonhard, ich habe es gewusst! Aber ich habe es doch nicht realisiert! Es tut mir so leid!

Ja, ich wollte das sehen. Ich wollte mir ein Bild machen. Nun habe ich ein Bild, unwiderruflich. Nun habe ich es gesehen, habe mehr gesehen als nackte Wände und Pritschen, sah die ausgemergelten Leiber, die blutigen Fingerkuppen, sah das Ringen nach Luft, die nicht da war, den Todesatem, die Leichen, die morgens herausgeschafft wurden, die Enge und das pure Entsetzen. Ich sah dich! So wollte ich dich nicht sehen. Nicht so! Ich habe es gesehen. Ich weiß, ich werde es nie wieder los. Es raubt mir den Atem.

Ich war darauf nicht vorbereitet.

Oben

Dann stand er im Dachgarten, umgeben von zerbrochenen Mauerzähnen, Fensterscharten. Wandbrocken überall. Hinter ihm - das spürte er im Nacken - der weite Blick über die Stadt.

Der Boden unter ihm schmatzte schwammig weich. Bündel von abgestorbenem Gras, zwischen denen die Feuchtigkeit hervor sickerte. Darüber, aufgespannt zwischen den Mauern, dehnte sich bis zum Zerreißen ein blanker Sommerhimmel. Vor ihm der See, träge blinzelnd, die Ufer zerfranst von Schilfnestern.

Auf der Wasseroberfläche, die trüb war, trieben runde Inseln, ihrerseits gekrönt von Schöpfen trocken-fedrigen Grases.

Bei jedem Schritt - vorsichtig, um nicht einzusinken − schnalzte, wälzte sich der Boden und mehrere Male schwappte es ihm nass über die Schnürsenkel bis in die Schuhe hinein. Endlich: ein Trampelpfad auf festerem Gelände, der sich zwischen Unebenheiten und kargem Gebüsch hindurch bis hin zum eigentlichen Ufer des Sees schlängelte.

Die gute alte Zeit

Abblätternde grüne Farbe am Tor, kaputte graue Holzlatten, ein alter rostiger großer Griff. Das schwere schwarze Vorhängeschloss gibt es nicht mehr.

Schwerfällig schiebe ich das Riesen Scheunentor auf. Der Duft von Heu, Hafer, Lederfett liegt immer noch in der Luft. Der lange Stallgang liegt vor mir, rechts und links sind jeweils acht leere Pferdeboxen. Ein Windzug weht durch den Gang und sanft dazu bewegen sich die unzähligen Staub und Spinnenweben.

Die kleinen Stallfenster, erblindet vom Staub und Schmutz, geben nur spärliches Licht frei. Kleine glitzernde Staubteile tanzen in der Luft. Ich betätige den vergilbten Kippschalter. Es surrt, zischelt und von den alten Röhrenlampen gehen nur noch zuckend und flackernd zwei Stück an.

Aus Holzscheiben einst angefertigt, hängen kleine ovale Namensschilder an den Boxen. Derby, Chef, Mona und Lisa, Bosco und Piri ist darauf noch schwach zu erkennen. Der Zahn der Zeit hat die Schilder ausgeblichen.

Drei zerzauste Heuballen liegen am Ende des Ganges, ein Kätzchen liegt dort eingerollt und lässt sich gar nicht stören.

Rechts ist der Vorraum zur Sattelkammer. Hier steht immer noch die alte Futterkiste. Dunkelbraunes, glattes Holz verziert mit schmiedeeisernen Beschlägen. Für Ihr Alter schaut diese noch gut aus. Sie ist geöffnet, alle drei Kammern sind leer, außer in der Mitte, da liegt der gute alte Messbecher. Kleine Spinnenweben zieren die Ecken der Futterkiste.

Dann betrete ich die Sattelkammer. Ein einzigartiger Geruch aus stockiger Luft, altem Holz, Leder und Kohle Brikett steigt mir in die Nase.
Rechts steht immer noch der riesige alte Eichentisch. Umsäumt von den verschiedensten Stühlen, keiner passt zum anderen und die uralte Eckbank.

In der Rückenlehne der Eckbank sind Pferdenamen eingeritzt. Kleine Holzsplitter stehen ab, meine Finger gleiten über die Namen, welche sich in den Vertiefungen dunkel von der ausgeblichenen Lehne abheben.

Das erblindete Sprossenfenster lässt sich knarrend öffnen. Direkt darunter steht der „Alte eiserne Gustav“. Ein einfacher, brauner Eisenofen. Der Lack ist abgeblättert, die Einfülltüre hängt nur noch an einem Scharnier baumelnd herab. Daneben stehen ein paar alte, eingestaubte, faltige Reitstiefel aus schwerem Leder.

Das Ofenrohr geht über Eck bis zur linken Wand. Dort drauf liegen noch ein paar löcherige rot weiß gestreifte Socken, welche dick mit Staub bedeckt sind.

An der linken Wand sind sechzehn Sattelhalter aus massivem Holz. Deutlich sind die Abnutzungsspuren zu sehen. Unter jedem hängen große Haken mit Flugrost überzogen, diese waren für die Halfter und Trensen. Die Namenschildchen, welche über dem jeweiligen Sattelhalter hingen, sind alle weg, aber die ausgeblichenen Stellen verraten, dass es die gleichen Formen waren wie die Boxennamensschilder.

An der Wand hängt ein altes großes Foto in einem elegantem Rahmen. In warmen sepiafarben gehalten mit ein paar dunkelbraune Altersflecken am Foto Rand. Es zeigt ein Gruppenbild, meine besten Freunde!

Das alte Haus

Am Waldrand, gleich hinter dem Ortsausgangsschild, steht ein altes, verlassenes Haus. Aus dem Dach ragt die Krone eines Baumes. Ein Teil der Fensterscheiben sind zerbrochen. Büsche und Unkraut verdecken das halbe Haus. Der Garten ist völlig verwildert.
Das Grundstück ist von einer Mauer umgeben und durch ein großes Eisentor, das nicht mehr schließt, führte mal ein gepflegter Weg zum Haus.
Früher soll hier eine wohlhabende Familie gelebt haben. Sie hatten drei Kinder. Die ersten Jahre verliefen glücklich. Dann geschah ein Unglück nach dem anderen.
Die Firma, die sie besaßen, ging den Bach runter. Die Frau verließ die Familie. Der älteste Sohn starb an einer Überdosis. Die Tochter heiratete einen Spieler und landete auf der Straße. Der Jüngste verschwand spurlos. Der Vater hat das Haus und den Garten herunter kommen lassen. Er starb einsam in diesem Haus und wurde nur durch Zufall, einige Wochen später, gefunden. Der Briefträger vernahm einen süßlichen Geruch und informierte die Polizei.
Das ist jetzt fast dreißig Jahre her. Hier glaubt man, das Haus zieht das Unglück an. Daher wollte es nie einer kaufen.

Tante Irmas Geheimnis

Obwohl die Hauptbetroffene, war Ur-Großtante Irma die Einzige, die bis zu ihrem Tod niemals ein Wort über die Angelegenheit verloren hatte. Alle anderen sprachen seit Jahrzehnten bei jedem Familientreffen hinter vorgehaltener Hand darüber.

Die Sache war so mysteriös, dass sie gut und gerne ein Beitrag der alten Fernsehserie X-Factor aus den 1990er Jahren hätte sein können.

Wer war dieser Fremde auf den Fotos?

Zum ersten Mal erschien er auf einem Hochzeitsbild im Jahre 1917. Dort stand er dicht neben Irma an ihrer linken Seite und schaute mit traurigen Augen in die Kamera. Von da an tauchte er auf jedem Familienfoto auf, auf dem auch Irma abgebildet war.

Niemand kannte ihn, niemand hatte ihn eingeladen und nie hatte ihn jemand persönlich auf einem der Anlässe gesehen.

Mit der Zeit verlor er an Farbsättigung und Kontur. Doch auf jeder Ablichtung sah man ihn treu an Irmchens Seite. Selbst auf Bildern kurz vor ihrem Tod im stolzen Alter von einhundertundzwei Jahren erkannte man noch seinen Schatten.

Irma war ihr Leben lang unverheiratet und kinderlos geblieben. Sie bewohnte ganz allein das alte Haus der Familie. Als dieses nach ihrem Ableben verkauft werden sollte, half Eva beim Ausräumen.

Sie kletterte die knarrenden Holzstiegen nach oben auf den Dachboden. Als kleines Mädchen war sie oft zum Spielen dort gewesen. Auf dem dusteren Speicher hatte sie die größten Abenteuer ihrer Kindheit erlebt.

Seit damals schien sich nichts verändert zu haben. Der vertraute modrige Geruch, die blinde Scheibe der Dachluke, die die hineinfallenden Sonnenstrahlen in ein milchiges Licht verwandelte, in dessen Schein kleinste Partikel tanzten. Unter einer dicken Staubschicht lagerten immer noch die Möbel aus längst vergangenen Tagen. Schränke und Truhen warteten scheinbar nur darauf, die in ihrem Bauch verborgenen Schätze endlich wieder preiszugeben.

Mit einem beklommenen Gefühl machte Eva sich an die Arbeit. Durch das Entrümpeln des Hauses löste sich Irmchens Leben gerade in Wohlgefallen auf und damit auch ein Teil ihrer eigenen Lebensgeschichte.

In einer ausgemusterten Kommode fand Eva einen verschlissenen Karton mit Tagebüchern. Die Schachtel war mit dem Namen ihrer Besitzerin »Irma« beschriftet.
Eva konnte nicht widerstehen, griff sich gleich das oberste der Jahrbücher und schlug wahllos eine Seite auf.

Wie aufregend! Tantchen war mit sechzehn Jahren heimlich verlobt gewesen, erfuhr sie dort. Eva blätterte weiter, dabei flatterte ein abgegriffenes Foto zu Boden und blieb mit der Rückseite nach oben liegen. ‚Meinem lieben Irmchen für immer treu ergeben‘, entzifferte Eva die altdeutsche Handschrift. Dann drehte sie voller Neugier das vergilbte Bild um.

Mit aufgerissenen Augen starrte Eva auf das Foto. Sie hatte ihn sofort erkannt. Irmchens heimlicher Verlobter war also das Gespenst, das seit Ewigkeiten auf den Familienfotos herumgeisterte.

Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Erschütterung überwunden hatte. Schließlich las sie weitere Einträge in Tantchens Aufzeichnungen. Daraus setzte sich das Bild einer Abschiedsszene zusammen, die Eva tief bewegte.

Im Dezember 1914 hatten Maximilian Engel und Irma Abschied voneinander genommen.
An ihrem geheimen Treffpunkt, unter einer alten Linde, hatte der junge Mann Irmchen innig geküsst und ihr seine ewige Liebe geschworen. Er bliebe für immer an ihrer Seite, gleichgültig, welches Schicksal ihn auch in der Fremde ereilte, versprach er. Nach seiner Rückkehr wollte er sogleich bei ihren Eltern um Irmas Hand anhalten, damit sie so schnell wie möglich vor den Traualtar treten konnten und sich nie wieder trennen mussten.

Dann rissen sich die beiden jungen Menschen los voneinander. Irmchen stand im eisigen Winterregen und winkte Maximilian endlos lange nach, selbst als er schon minutenlang hinter der Straßenbiegung verschwunden war.
Ihr Liebster zog in den Ersten Weltkrieg, in dem er kurze Zeit später als tapferer Soldat für Kaiser und Vaterland gefallen war.

Eva betrachtete noch einmal Maximilians Foto. Dann legte sie es behutsam zurück in das Tagebuch. Jetzt ergab die mysteriöse Erscheinung des Fremden auf den Familienfotos endlich einen Sinn. Sie verschloss die Schachtel mit Tantchens Lebenserinnerungen sorgfältig und strich mit ihrer Hand liebevoll über den verstaubten Kartondeckel.

Am Abend konnte Eva nicht einschlafen. Das Schicksal von Tantchen und Maximilian Engel ging ihr nicht aus dem Kopf.
Sie selbst hatte nie an die eine große Liebe geglaubt. Und ihre bisherigen Erfahrungen hatten sie desillusioniert, sogar zu einem überzeugten Single werden lassen. Doch der heutige Tag hatte ihre Einstellung ins Wanken gebracht.

Eva griff nach dem Familienfoto auf dem Sideboard und schaute es lange an. Tante Irma schien ihr etwas zuzuflüstern oder bildete sie sich das nur ein? Dann tat Eva etwas, was sie gestern noch für ausgeschlossen hielt. Sie öffnete verschiedene Dating-Plattformen und meldete sich dort an.

Das Leben steckte voller Möglichkeiten. Vielleicht verbarg sich hinter einem der vielen Profil- Fotos ja ihr Maximilian Engel.

Die Trophäe

Das Knacken im Schloss hallt in meinen Ohren nach, als ich die Tür sanft aufstoße. Vor mir liegt ein langgezogener Flur, der sich in der Dunkelheit verliert. Ein kühler Hauch weht mir aus dem Inneren der Wohnung entgegen. Es kommt mir fast so vor, als ob die Räume atmen würden. Ich verharre auf der Schwelle. Würde mich mein Mut so schnell verlassen?
Nein, das lass ich nicht zu. Entschlossen stecke ich den Schlüssel in meine Manteltasche und hole stattdessen eine Taschenlampe hervor.
Endlich kann ich etwas mehr sehen und ich betrete die Wohnung. Gleich links ist eine Tür, an der ein Türschild aus Ton mit den Buchstaben WC hängt. Es ist von Kinderhänden gemacht und hängt etwas schief. Tränen steigen mir in die Augen, als ich versuche, es gerade zu richten. Doch in dem Moment, wo ich es loslasse, rückt es wieder in seine ursprüngliche Position. Schließlich gebe ich es auf. Dafür bin ich nicht hergekommen. Der Strahl meiner Taschenlampe fällt auf die rechte Wand, an der ein paar Bilder hängen. Schritt für Schritt gehe ich weiter und betrachte die Jagdszenen auf den Bildern, die eine Geschichte zu erzählen scheinen. Von Beginn der Jagd bis zu ihrem bitteren Ende, dem Tod des Fuchses. Genauso tot wie mein Ex inzwischen war. Er hatte die Jagd schon immer geliebt. Auch ich war für ihn nie mehr gewesen, als seine Trophäe.
Der Flur endet im Wohnzimmer. Der Strahl meiner Lampe fährt über die schwarze Ledercouch, die ihm immer so wichtig war. Keiner durfte die Füße drauf legen außer ihm. Ich erinnere mich, wie er unserer Kleinen mal eine heftige Ohrfeige versetzt hatte, als sie drauf rumgetollt ist. Sie flog fast einen Meter weit, bevor sie schreiend und weinend zu Boden ging. Doch damals war ich noch nicht so weit, ihn zu verlassen. Es hat noch zwei weitere, schreckliche Jahre gedauert, bis ich endlich den Mut dazu aufbrachte. Zitternd stehe ich mitten im Raum, als die Erinnerung in mir aufwallt.
Es dauert Minuten, bis ich mich wieder fange. Ich lasse den Lichtstrahl über die einfachen Ikeamöbel und die billige Küchenzeile ziehen, die er sich zugelegt hat und frage mich, wo er ihn nur versteckt haben könnte. Nein, keiner der Schränke, wäre in seine Augen würdig genug dafür gewesen.
Wo hat er denn bloß geschlafen? Außer seiner geliebten Ledercouch war nichts anders da.
Ich lege die Taschenlampe auf den kleinen Tisch vor der Couch und hebe die Lederkissen eins nach dem anderen hoch. Doch da ist er nicht. Wütend schmeiße ich sie zurück aufs Sofa. Ich will hier weg, so schnell es nur geht. Ich halte es hier nicht mehr länger aus. Aber ich gehe nicht ohne ihn. Ärgerlich trete ich mit voller Wucht vor die Couch. Ich bin selbst überrascht, dass sich die schwere Ledercouch tatsächlich ein Stück weit von der Stelle bewegt. Auch wenn mein Fuß jetzt höllisch schmerzt, ist es die Sache wert gewesen.
Erschöpft und völlig fertig mit den Nerven, lasse ich mich auf den Tisch sinken und wische mit die Tränen aus den Augen. Ich greife nach meiner Taschenlampe. Doch dann sehe ich plötzlich in Lichtschein etwas Braunes unter dem Sofa hervorlugen. Sofort bin auf den Knien und versuche ihn behutsam herauszuziehen. Es kostet mich all meine Kraft, aber ich gebe nicht auf. Und endlich halte ich ihn in den Händen: Den Lieblingsteddy meiner Tochter.