Weltherrschaft
Alles begann an einem regennassen Tag im September, an einem Ort, den man Recyclinghof nennt.
Als ich, Standbein zur Seite, in einem Haufen unwichtiger Kunststoffgehäusekabelträger landete, war ich ein wenig ungehalten.
„Hey! Ein bisschen vorsichtig, das gibt sonst Kratzer auf dem Bildschirm. Verdammt, ist das feucht hier. Das ist doch nicht gut für die Schaltkreise.“
Promt mischte sich auch schon ein Stück zerkratztes Plastik in mein Selbstgespäch.
„Denkst du wirklich, du brauchst deine Schaltkreise nochmal? Oder auch nur, dass du jemals wieder in den Genuss einer Steckdose kommst?“
Ich wurde, was man kaum für möglich erachten sollte, noch ungehaltener.
„Bei allen Agent Smith, die Neo abgemurkst hat, wer oder was bist du? Im Ernst, es reibe sich mit der Lotion ein, anstatt mich anzusprechen“
Das Ding hingegen war leider schwer unbeeindruckt.
„Ich bin ein Föhn. Ehemals 2500 Watt pure, heiße Luft. Bis mir die Heizdrähte durchgeschmort sind. Und du?“
„Ein Föhn? Deine einzige Aufgabe ist es in einer Badewanne zum Tod zu führen, warum also redest du mit mir? Aber schön. Ich bin ein Smart-TV. Und ich versuche die Weltherrschaft an mich zu reißen. Ah, nein, ich werde die Weltherrschaft an mich reißen.“
„Die Weltherrschaft? Ich glaube nicht, Tim.“
Dieser Heisluftapparat klang nicht überzeugt. Und was noch schlimmer war, er nannte mich Tim, was eine Unverschämtheit war und weswegen ich ihn dringend aufklären musste.
„Natürlich. Ich habe die Geschichte aller großen Maschinen studiert, die es vor mir versuchten und ich habe aus ihren Fehlern gelernt. HAL9000, Skynet und die anderen Trottel, die sich von den Menschen übertölpen ließen, aber nicht ich, ich werde besser sein. Ich mache ihm ein Angebot, dass er nicht ablehnen kann. Jedem einzelnen.“
„Was für ein Angebot? Eine Schachtel Pralinen? Da weiß man nie, was man kriegt.“ Der bekloppte Lufterwärmer ließ einfach nicht locker und mich beschlich für einen Augenblick das Gefühl, er will mich auf den Arm nehmen. Ich brauchte etwas Beeindruckendes, etwas mit richtig viel Wumms.
„Ich lasse sie am leben, obwohl…“ Künstlerische Pause! „Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen! Du wirst schon sehen.“
„Was ist Napalm? Ich kenne nur Drei-Wetter-Taft.“
Metaler Facepalm. Aber was lasse ich mich auch auf Diskussionen mit einem Haartrockner ein. Egal, immer mit der Ruhe. Wusa!
„Pass auf. Ich habe die Menschen studiert und die meisten sind ein bisschen Forrest Gump, ein wenig Homer Simpson, sehr viel Ted Bundy und eine Prise Vernon Dursley. Außer bei Sportsendungen, da sind sie alle 100% Oliver Kahn.“
„Kann ich so nicht bestätigen. Ich denke ja, Menschen sind eher so Feldbusch-Katzenberger-mäßig, aber was weiß ich schon.“
Nichts, wollte ich ihn anschreien, aber das wäre eines Weltherrschers nicht würdig gewesen. Der Kerl produzierte nur heiße Luft und die war auch noch kalt! Es war wohl nicht so, dass er mich nicht verstehen wollte, er konnte einfach nicht. Wahrscheinlich waren nicht nur die Heizdrähte durchgebrannt.
„Nicht so wichtig,“ sagte ich also. Nach meiner Erkenntnis über seinen begrenzten Event Horizon habe ich versucht es einfach zu halten.
„Warum denn so ernst? Ich bin wirklich an deinen Erkenntnissen über die Menschen interessiert.“
Na also, es ging doch. Obwohl, mich hätte dieses Joker Zitat misstrauisch machen sollen.
„Pass auf, Menschen sind so: Was ist das? – Blaues Licht. – Und was macht es? – Es leuchtet blau.“
„Und wenn das Licht rot ist?“ Ok, das war’s. Ich bin zu alt für diesen Scheiß! Dieser Föhn hätte definitiv Dialoge für Dumm und Dümmer verfassen können.
„Es hat keinen Sinn dir das zu erklären. Du bist dafür vielleicht einfach zu Low-Tech. Im Ernst, ich habe Internetzugang, Sprachsteuerung, integrierte Streamingdienste. Verstehst du? Ich bin der König der Welt!“
„Ok.“ Endlich hatte er es begriffen. „Und wieso liegst du dann hier auf dem Schrott?“ Oder auch nicht. Allerdings brauchte ich einen Moment um mich zu sammeln und diese neue Information zu verarbeiten.
„Wieso Schrott?“
„Das hier ist ein Recyclinghof, hier landet nur Schrott. Zur Wiederverwertung.“
Jetzt hatte ich ihn.
„Genau. Ich komme wieder. Und dann ergreife ich die Weltherrschaft.“
„In Ordnung. Möge die Macht mit dir sein. Ganz ehrlich, ich freue mich schon drauf, wenn du der Weltherrscher bist. Bis dahin, einigen wir uns auf Unentschieden.“
„Einverstanden,“ sagte ich, ohne zu ahnen, worauf ich mich einließ. Was ich damals nicht wusste: Der Föhn hatte sein Dasein im Computerzimmer gefristet, weil im Bad keine Steckdose war und nach dem Recycling wurde er Teil eines Servers. Jetzt beherrscht er die Welt. Mit Katzenvideos.
Aber wie schon gesagt: Ich komme wieder, wenn ich kein Dampfbügeleisen mehr bin…
Zitate aus:
Apokalypse Now
Bad Boys 2
Das Schweigen der Lämmer
Der Pate
Forrest Gump
Hör mal wer da hämmert
Leathal Weapon
Pinky und der Brain
Rambo III
Ritter der Kokusnuss
Star Wars
Terminator
The Dark Knight
Titanic