Rette den Aromabaum
Aurelia stand mit sorgenvoller Miene vor Etwas, das aussah wie ein riesiger Baum.
Er erstreckte sich fast bis in den Himmel hinauf, doch dies war kein normaler Baum. An jedem Ast hing eine bunte Kugel aus Glas, die verschiedene Arten von Blüten enthielt. Jede verströmte einen anderen Duft.
Aurelia war die Wächterin über den Aromabaum.
Moonshadow, das Einhorn trat schnaubend an Aurelia heran.
„Was hast du denn?“ fragte er sie, dabei schüttelte er seine glänzende, regenbogenfarbene Mähne.
Seraphina, Aurelias Assistentenfee kam herangeflogen.
„Der Aromabaum verliert immer mehr Blüten“ antwortete Seraphina.
Aurelia seufzte.
„In der letzten Zeit ist es mehr geworden, die Menschen interessieren sich überhaupt nicht mehr für Düfte, sie nehmen sie kaum noch richtig wahr“ erklärte sie.
Seraphine nickte zustimmend.
„Mit jedem Duft, der verloren geht, verliert der Baum weiter Blüten, bis er irgendwann ganz kahl ist“ fuhr Aurelia fort.
Moonshadow blickte erschrocken auf.
„So ernst?“ fragte das Einhorn.
„Ich fürchte, ja“ sagte Aurelia seufzend.
Plötzlich hörten sie hinter sich ein Ächzen und Stöhnen, gefolgt von einem dumpfen „klonk, klonk“
„Aurelia, da bist du ja“ sagte eine rauhe, tiefe Stimme hinter ihnen.
Es war Eulalia, die Vorsitzende des Ältestenrates der Lichtwesen.
Sie kam auf ihrem hölzernen Stock gestützt herbei gehumpelt. Ihr silbergraues Haar fiel ihr dabei immer wieder ins Gesicht.
Aurelia drehte sich zu ihr um.
„Eulalia, du hast mich gesucht?“
„Ja, mein Kind, der Rat und ich wir haben eine Möglichkeit gefunden, den Aromabaum zu retten. Doch das wird keine einfach Aufgabe werden. Du wirst die Hilfe von Seraphina und Moonshadow brauchen“, erklärte sie.
„Ich bin ganz Ohr“ piepste Seraphina aufgeregt.
„Ihr habt nicht viel Zeit, ihr müsst ein spezielles Kraut im Mondschein pflücken, das gibt es nur ein einziges Mal in 100 Jahren. Heute um Mitternacht ist es wieder soweit. Außerdem muss dieses Kraut mit der Kraft eines Einhorns gepflückt werden. Bringt mir dieses Kraut, ich werde daraus einen speziellen Duft kreieren. Seraphina wird dann diesen Duft überall verteilen. Aurelia, du wirst ihr dabei helfen.“
„Das ist ja genial“ sagte Aurelia beeindruckt.
Moonshadow schnaubte zustimmend.
„Das schaffen wir!“ sagte er.
„Moonshadow, du musst aber bis Mitternacht wachbleiben“ sagte Seraphina besorgt.
„Na und, das wird schon gehen“ sagte Moonshadow gespielt beleidigt, warf seine Mähne theatralisch nach hinten und reckte sein Horn in die Höhe.
Gesagt. Getan.
Die drei machten sich um kurz vor Mitternacht auf, um an die Stelle zu gelangen, die Eulalia ihnen auf eine Karte gezeichnet hatte.
Sie erklommen einen steilen Hügel, bis sie an einem murmelnden Bächlein Halt machten, das im Mondschein glitzerte.
„Ab hier musst du alleine weiter, Moonshadow“ sagte Aurelia.
„Aber es ist nicht mehr weit, halte dich einfach an diesen Pfad hier“ sie zeigte auf die Karte und Moonshadow verstand.
Dann machte sich das Einhorn auf den Weg.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam er zurück.
„Und hat es geklappt?“ fragte Aurelia erwartungsvoll.
Moonshadow wieherte zustimmend und zeigte ihnen den Korb, in dem er das Kraut deponiert hatte.
„Dann schnell zurück zu Eulalia“ sagte Aurelia und die drei machten sich auf den Rückweg.
Sie klopften an die Tür des Holzhauses, in dem Eulalia wohnte.
Sie hatte bereits ein Feuer entfacht, auf dem ein großer gusseiserner Kessel stand, in dem eine angenehm riechende Flüssigkeit blubberte.
„In der Welt der Blüten und Düfte, höre meinen Zauber, der Liebe und Schutz verpflichtet. Mit der Kraft der Wurzeln so tief, erwecke die Lebenskraft, die im Baumessenzwunder schlief. Lass die Blüten erstrahlen im Glanz des Lichts, die Blumen erblühen im Duft des Verheißungsvollsten. So sei es!“ rief Eulalia aus, nachdem sie das Kraut entgegen genommen und in den Kessel geworfen hatte.
Eine immer weiter wachsende Blume stieg aus dem Kessel empor.
„Seraphina nimm die Blume und verteile den Duft überall“ befahl Eulalia und Seraphina tat, wie ihr geheißen.
„Aurelia, öffne das Lichttor, damit Seraphina den Duft verteilen kann“ rief sie Aurelia zu.
Aurelia schloss die Augen. Dann entfachte sie einen gleißend hellen Lichtstrahl, Seraphina flog hindurch auf die andere Seite. Währenddessen holte Eulalia eine Glaskugel und sie konnten beobachten, wie die Welt sich mit einem glitzernden und rosafarbenen Dunst füllte.
Sie konnten sehen, wie die Menschen ihre Nasen nach oben reckten und den Duft einsogen.
Seraphina leistete ganze Arbeit.
Schließlich standen sie alle wieder vor dem Aromabaum, der in voller Pracht vor ihnen erstrahlte. Die Glaskugeln füllten sich mit bunten Blumen und Blüten, es roch wunderbar.
„Es hat geklappt!“ freute sich Aurelia, Moonshadow wieherte zufrieden und schüttelte seine bunte Mähne.
Seraphina erschien und Aurelia schloss wieder die Augen, um das Lichttor zu schließen.
Die Fee atmete schwer.
„Das wird keine leichte Aufgabe“, japste sie völlig außer Atem.
„Ich bin stolz auf euch alle drei“, sagte Eulalia anerkennend.
„Der Aromabaum blüht wieder“ freute sich Seraphina.
„Wir müssen die Menschen nur regelmäßig daran erinnern, ihre Sinne einzusetzen“, sagte Eulalia und da waren sich alle einig.