Seitenwind Woche 3: Dufte

Der Duft der vergeßlichen Erinnerung

Vergesslichkeit betrübt mein Wesen,
Bin ich doch gestern erst gewesen…
Dort bei den Bäumen? Nein. Dort am Fluss?
Es roch nach Obst und Zuckerguss.

Ein Café mein ich, denn voller Glück,
Aß ich ein Torten- oder Kuchenstück.
Wo war es noch?

Ich kann mich sicher bald erinnern,
Mein Kopf ist voll der bunten Bilder,
Zu zweit waren wir, wir saßen drinnen,
Ich mein‘ mich Ihrer zu entsinnen.
Wer war es noch?

Ich kannte Sie von frühen Jahren,
Damals als wir Kinder waren,
Aber schon größer, nicht mehr klein,
Ja, damals muss es gewesen sein.
Wann war es noch?

Bei einer großen Festlichkeit,
Zu einer unbestimmten Zeit,
Wir tollten, spielten und belachten den Glanz,
Der geladenen Gäste beim Kaffeekranz.
Wo war es noch?

Dort bei den Bäumen? Nein. Dort am Fluss?
Es roch nach Obst und Zuckerguss.
Ein Café mein ich, denn voller Glück,
Aß ich ein Torten- oder Kuchenstück.

Hab ich das nicht schon mal gelesen?
Vergesslichkeit betrübt mein Wesen.

Es ist Montag. Der Tag den ihr nicht liebt und an dem ihr am liebsten im Bett bleiben würdet. Und doch hole ich euch daraus hervor, denn ich locke mit den schönsten Erinnerungen eurer Kindheit.
Heute bin ich in den Häusern nicht mehr so oft zu finden, doch in diesem Hause gibt es mich noch.
Mich, den Duft frisch gemahlenen Kaffees, der die Menschen am Morgen zum Frühstück ruft und die Familien zusammenkommen lässt.

Der Duft

Ich, der Duft, das Parfum, hat sich je einer Mal Gedanken gemacht, wenn ich abgelehnt werden, wie es mir geht und warum werde ich so geschöpft.
Egal, heute wabere ich in einem Friseurgeschäft herum. Mich hat ein Mann hergetragen, der eigentlich hier gar keine Dienstleistung will, sondern etwas tut. Gut, er hat mich fast ganzkörperbestäubt, warum weiß ich nicht. Vielleicht stinkt er, oder er kann sich selber nicht riechen. Als der weg war, musste ich hierbleiben, so stark war ich präsent. Aber man wollte mich nicht, man lehnte mich ab, warum nur. Sollen die doch froh sein, so einteures Parfum mal zu haben, denn hier sieht es nicht nach Reichtum aus. Geht ja auch gar nicht, Haare abschneiden kann doch Jeder. Mann, nein, die Frau riss die Türen auf, die Fenster, sie tobte, dass ich noch am nächsten Tage da war. Warum eigentlich. Dann kam eine Dame, offensichtlich wollte die hier bedient werden und sie meckerte auch sofort rum. Warum. Ich wäre penetrant, was das auch immer sein mag, ich war teuer, beworben, eigentlich berühmt und doch gibt es Menschen, die das nicht interessiert. Was blieb mir übrig, ich verzog mich am zweiten Tag und wabere nun woanders, wo man mich mag.

frama 2023-10-30

Mir wurde einmal gesagt, dass Gerüche der Schlüssel zu längst vergessenen Erinnerungen sind. Ob ich eventuell schuld an einem Verbrechen bin? Möglich. Aber das ist nicht meine Schuld. Ich rieche nach Unschuld. Das finde ich zumindest. Eine Mischung aus Zitrone und Vanille, aber ja nicht zu süß, ein wenig herb. Wenn ich das so sage, dann bin ich vielleicht gar nicht so unschuldig. War ich schließlich auch Goethes Lieblingsblume und das soll doch etwas heißen. Gewiss bin ich jedenfalls nicht die Lieblingsblume von ihr. Sonst hätte sie mein äußerst attraktiver Geruch nicht in die Vergangenheit katapultiert, die Erinnerungen ans Licht gerufen hat, die sie lieber im Verborgenen gehalten hätte. Tja, da haben wir das Dilemma. Des einen Freud’, des anderen Leid. Und mein Züchter, der ganz hervorragend mit der elektronischen Heckenschere umgehen kann, könnte sich ruhig einmal für diese leichte Beute bei mir bedanken.

                                                                  DER DUFT

Ich bin, ich bin da, war schon immer da, aber was bin ich? Ich weiß, ich habe Verwandte, den wir sind Million. Wir sind Duft, Aroma, Gestank, süsslich und scharf. Wie sind Nachrichten, wir sind sympathisch, wir sind aggressiv.

Wir sind ein Rätsel, auch für uns selbst.

Man sieht, man hört und man fühlt uns nicht. Wir sind unsichtbar. Unsere Anwesenheit kann man riechen, mal herb, mal sanft.

Wir können ätzend riechen das es schmerzt, auch das jemand der uns riecht, stirbt.

Man schmeckt mich nicht, aber wir alle schweben, mal hier mal dort, überall. So wie es will der Wind.

Aber wir, wir können etwas, ich nähere mich seltsamen Wesen, sind nicht so wie wir es bin. Sie sind warm, eingesperrt in ihren seltsamen Körpern mit Haut. Mal dunkel, mal hell, mal faltig, mal glatt.

Wenn wir in der Nähe bin, und unser Hiersein zeigen, blicken sich diese Wesen sich um und suchen nach der Ursache, was hier so riecht?

Sie schnuppern, oder sie halten sich etwas vor ihrer Nase. Es gefällt nicht was sie riechen.

Wir beeinflussen ihre Stimmung, so wie wir es grade wollen. Wir können sie zum Streiten bringen, können dafür sorgen, das sie sich umarmen. Wir sorgen dafür, das sie Freude empfinden oder aber Wut.

Wir können sie ängstigen, können sie vertreiben. Wir sorgen dafür, das sie sich mögen, oder angewidert sind.

Wir haben Macht über sie.

Diese Wesen kennen uns nicht, wir aber beeinflussen sie. Wir sorgen dafür, das ihre Körper miteinander reden. Wir sorgen dafür, das die Natur miteinander spricht, das man sich versteht, oder mißversteht, ganz nach unserem Belieben. Wir sorgen dafür das sie sich lieben, oder vor Abscheu flüchten. Ganz so wie es grade passt.

Aber sie sind uns egal, so egal.

Wir wissen nicht, warum das alles. Was für einen Sinn. Wir haben die Macht über sie und doch… sind wir Sklaven unseres Wesens

Wir schweben durch die Luft, mischen uns mit dem Gas der Bäume und Pflanzen. Wir können sie hören, wir sind der Duft, das Aroma, die Sprache der Düfte.

Sind wir etwas anderes? Wir wissen es nicht, wir sind einfach nur hier.

Eines ist gewiss, wir haben die Macht über sie.

Ende

©️ by Arno Westermann 2023

Von einer kleinen Geschichte auf meinen dunstig-duftig-lustigen Wegen durch die Luft

Oft nehm‘ ich den Linken,
mal nehm‘ ich den Rechten;
doch meinen wahren Weg,
werd ich immer verstecken.

Zu sprechen wünschst du mit Mir?
Vor Deinen Ohren, bin ich heimlich nur still.
Du klagst, ich mach‘ was Ich will?
Vor Meinem Erscheinen sind sie sichtbar nur blind!
Und halte Mich ja nicht fest!
Meine Macht ist gewiss!
Ich entgleite Dir immer,
durch all‘ Deine Finger.
Und gleichwohl…
Ob dunkel, oder licht,
der Weg meines duft-losen Dufts,
lässt Dich niemals im Stich.

Wer bin ich denn jetzt?
Ein bezaubernder Duft?
Oder doch bloß nur
chemischer Geruch in der Luft?

Weißt du noch…

Sehen vermagst Du mich nicht,
hören wohl kaum.
Doch, Wär‘ ich nicht in Dir,
würd‘ Dein Leben ergrau’n.

Du weißt!

In der Blume bin ich nur Halb,
erst in Dir entfalt‘ ich mich Ganz!
Duft-los leb’ich in Dir;
Duft-voll schweb‘ ich vor Dir.

Dafür danke ich Dir;
Dass es Dich gibt!

Denn erinnere Dich…

Ich weiß erst, wer Ich bin,
wenn ich bin voll in Dir drin!

Zu duft-vollen Diensten
Der Geist des duftlosen Dufts

Süßer Duft

Süßer Duft feiner Kaffeegeruch aus schönen
Porzellantassen feine süße Kuchen und Torten
plaudern Menschen im Café

Menschen aller Schichten treffen sich im warmen
Sommerwind weint fern ein Kind am Nachmittag
lachende und spielende Kinder mit ihre Eltern
Eisbecher mit Sahne

Abends verliebte Pärchen in der Abenddämmerung
nicht merkend wie der Abend zu Nacht und Sternenglanz
Um Mitternacht das Café schließt

Der Duft in der Luft

Ich bin der Duft, der liegt in der Luft,
der Hauch, der Wind, die Brise,
ich bringe Männer in die Krise.
Brilliant, famos, an allen Tagen,
werden sie die Wahrheit sagen.
Da schwingt ganz sacht und explizit
die Herz- und Basisnote mit.
Sie schnüffeln und schnuppern ganz beglückt
und werden dabei voll verrückt.
Wenn Ambra und Moschus faszinieren,
wenn Zeder und Rose harmonieren,
wenn Patschuli und Sander dominieren,
kann man den Erfolg garantieren.
Da beben Kolben, Rüssel, Zinken,
wenn derart Wohlgerüche winken.
Da verdreht der Mann die Augen
und man will es gar nicht glauben,
er steht vor ihr und sagt:
„Schatz, sei geschmeidig und höre mal druff,
ich war nicht zum Sport, sondern heimlich im Puff.“

Die Macht der Düfte

Die Ladentür öffnet sich und ein Klingeln ist zu hören.

„Chefin, da kommt eine neue Kundin.“

„Verdufte!“

Die Chefin wendet sich an die eintretende Kundin:

„Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“

„Guten Tag! Sie wurden mir von einer Freundin empfohlen, denn ich habe diverse Probleme. Unter anderem kann ich sehr schlecht einschlafen und auch nicht durchschlafen. Meine Freundin meint, da wäre ich in Ihrer Massagepraxis mit einer Aromatherapie gut aufgehoben.“

„Ja, eine Aromatherapie kann Wunder wirken. Bitte kommen Sie mit und lassen Sie mich erklären, wie das Prozedere ist, um erfolgreich nach und nach zum Ziel zu kommen.“

Die beiden Frauen begeben sich in den hinteren Bereich der Praxis und die Chefin bittet die Kundin, in einem der bequemen Sessel Platz zu nehmen. Dann erläutert sie ihr, was Aromatherapie genau bedeutet, welchen Unterschied es zwischen der Anwendung mit ätherischen Ölen und Duftölen gibt. Sie fragt nach Gerüchen und Düften, die die Kundin besonders mag und welche, die bei ihr eher einen Widerwillen auslösen, ob sie eine Ganzkörpermassage möchte oder nur eine Teilkörperbehandlung. Sie zeigt ihr die Preisliste, die je nach Intensität gestaffelt ist, und bietet ihr verschiedene Termine an, damit sie zeitnah beginnen können.

Die Kundin ist von der Atmosphäre in diesen Räumen ganz angetan, verabredet sich schon für den übernächsten Tag und fragt schnuppernd im Hinausgehen, was denn eigentlich für ein Hauch von Duft hier im Raum schwebt.

„Das ist mit das teuerste Ätherische Öl, das es auf der Welt gibt, denn die Essenz wird aus einer sehr seltenen Pflanze gewonnen. Noch seltener ist die Pflanze Ratrani, die auch als nachtblühender Jasmin bezeichnet wird. Aber da kenne ich die Produktionsmenge und auch nicht den Preis. Das Öl hier heißt Tuberose Absolue. Die Weltjahresproduktion dieses Öls mit ihrem betörend süßen und einzigartigen Duft beträgt nur 15 kg.

„Tatsächlich? Und er erfüllt diesen Raum mit seinem Duft?“

Die Chefin nickt.

„Ja, ich kann einfach nicht von ihm lassen. Und er kann so viel bewirken…“

Sie lässt das Ende des Satzes in der Luft hängen, wie einen Duft.

Die Kundin ist wie benebelt und direkt eingenommen von der spürbaren Leidenschaft der Chefin für ihrem Beruf. Mit einem warmen Händedruck verabschieden sich die Frauen voneinander.

„Bis übermorgen.“

„Ja, bis Donnerstag. Ich freue mich schon.“

Die Chefin schließt die Praxistür hinter ihr und wendet sich dem Öl zu: „Musst du denn direkt in die Vollen gehen? Ist es nicht genüsslicher, sie schrittweise zum Erliegen zu bringen?“

„Von meiner Seite aus nicht. Sie sieht schon so gestresst aus und ist so wunderschön. Da sollten wir doch besser schnell zum Ziel kommen.“ Unwillig ströme ich an ihr vorbei in den hinteren Raum.

„Aber wenn du schon so früh übertreibst, schöpft sie vielleicht Verdacht und springt uns ab!“

„Welchen Verdacht denn? Dass sie hier bis zur Aufgabe ihrer Selbst liebevoll behandelt wird? Nein, nein, das lass mal meine Sorge sein. Und jetzt schließe den Laden ab und mache es dir auf der Massageliege bequem, ich möchte schweben, dich umgarnen, betören, besinnungslos machen.“

„Ja, ja!“

Die Chefin sinkt kurz darauf in sich zusammen. Und ich tanze über den Körper meiner Göttin, krieche mit Genuss in jede Pore, streichele ihr Haar, ihre Ohren, ihren Hals. Kehre zur Stirn zurück, gleite den Nasenrücken hinab, erkunde die Nasenöffnungen. Hier verweile ich eine kurze Zeit, liebkose ihre Lippen, fahre wieder hinab zum Hals, an ihren Schultern entlang zu ihren Händen, krieche zwischen ihre Finger, über ihre Handinnenflächen wieder hinauf unter ihre Achseln. Von dort streife ich ihre Brüste, lasse mich hinab zum Nabel, an ihren Hüften entlang - zwischen ihre Beine gleiten. Weiter hinunter geht es zu den Knien, den Fußknöcheln. Ihre Fersen zucken unter meiner sanften Berührung und ein Lächeln legt sich auf das Gesicht der Frau, die mir genauso erlegen ist, wie die anderen Kunden, wie die neue Kundin dereinst. Mit kleinen, zarten Streicheleinheiten mache ich mich über jeden einzelnen Zeh her, kehre, getragen von den Luftbewegungen im Raum, wieder zu ihrem Kopf zurück, dringe über die Nase in ihr Hirn ein und entwerfe dort als Höhepunkt Bilder von unbeschreiblich reiner Schönheit. Sodann lege ich mein restliches Aroma erschöpft, aber zufrieden auf der Liege ab.
Nach einer ganzen Weile erhebe ich mich wieder und wabere hinaus in den Vorratsraum, wo mein Flakon, neben den vielen anderen Duftflaschen stehend, schon auf mich wartet: „Wo bleibst du nur?“

Die Chefin räkelt sich. Sie ist wie üblich etwas verwirrt, fühlt sich aber erholt und befriedigt. Dann richtet sie sich auf und macht die Praxis fit für den nächsten Tag, für die nächsten weiblichen und männlichen Kunden.

Ich schwebe leicht durch die Morgenluft, ein Hauch von frisch gebrühtem Kaffee. Mein Duft umhüllt das kleine Café an der Ecke und weckt die schlaftrunkenen Sinne der Gäste. Ein älterer Mann, der an seinem Cappuccino nippt, schließt die Augen und lächelt. Ich entführe ihn in die Vergangenheit, zurück zu den Tagen seiner Jugend, als er mit seiner ersten Liebe durch die Straßen flanierte.

Währenddessen dringe ich in das Bürogebäude nebenan ein. Ein großer Glasbehälter voll frisch gebackener Croissants erregt meine Aufmerksamkeit. Als ich mich unter der Tür hindurchzwänge, hüllt mein neuer, buttriger Duft das Gebäude ein. Die Menschen in ihren Büros drehen sich unruhig auf ihren Stühlen. Eine Frau mit geschlossenen Augen erinnert sich an den Morgen, an dem sie in einem kleinen Café in Paris saß und ein Croissant genoss.

Doch plötzlich, in einem anderen Raum, stürzt eine Tür auf. Ein Mann, dessen Nase von meinem Duft in die Irre geführt wurde, steht vor dem muffigen Lagerraum. Ein unappetitlicher Abflussgeruch, der mich begleitet, löst eine heftige Reaktion aus. Er verzieht angewidert das Gesicht und flucht.

Ich schwebe weiter, quer durch Städte und hinweg über Wiesen und Wälder. Ein Duft der Emotionen weckt, Erinnerungen erzeugt und manchmal auch unangenehme Überraschungen bringt, während ich ewig durch die Welt ziehe.

Seitenwind

Wir Gerüche wissen selbst nicht, wie wir riechen. Wir schweben hin und her, verteilen uns und vermischen uns mit den anderen. Unsere Moleküle kommen fast überall hin. Wir sind flüchtig. Wir legen Spuren, warnen, locken und formen deine Wahrnehmung, deine Emotionen. Du kannst dich an uns gewöhnen - dann riechst du uns nicht mehr. Wir sind aber untrügliche Keime. Wenn du uns nach langer Zeit wieder riechst, geht eine vergangene Welt in dir auf.

Alle hassen mich …

Ich bin penetrant und unangenehm. Ich bin der Grund, warum die Schüler den Toilettenbesuch so lange wie möglich hinauszögern. Fast jedes Mal, wenn es jemand nicht mehr aushalten kann, höre ich Kommentare wie: „Ihh Pisse, wieder drei Wochen nicht geputzt!“.

Musenduft

Da sitzt er. Der dunkelblonde Schopf fällt strähnig über sein halbvoll gekritzeltes Notizbuch. Sein Leben! Meint er!
Es liegt neben seinem sterilisierten Aluminiumtablett, auf dem zahlreiche Mundwerkzeuge liegen. Neue Muster von Paradental Bestoff. Drei Packungen Pillen, Nelkenöl, Mikrobohrer und Diamant Schleifwerkzeuge noch verpackt. Daneben der offene Mund in Gips mit allen Zähnen, die man sich nur wünschen kann. In der Glasvitrine grinsende Zahnfäule und noch zehn abschreckende Muster aus Alabastergips. Seine rechte Hand notiert, was ihm linksgewickelte Hirnrinde diktiert. Er meint immer noch, es sei Eingebung und er trüge etwas dazu bei, außer mir seine Hand und 99% seiner tristen Hirnwindungen zu borgen. Ab und an hebt er wie benommen den Kopf und schnuppert ins Zimmer hinein, als würde hier Parfüm hergestellt. Dabei riecht alles nach Antiseptikum. Steril, reiner Alkohol. Abstoßend. Nun erschnüffelt er in die Region über seinem Schreibtisch, zuckt mit den abfallenden Schultern und nuschelt was von Rosen oder Flieder. Hmm, hmm, hmm.
Ich denke, Himmel nochmal, wenigstens das sollte doch sein deformierter Riechkolben noch trennen können. Es war echter Jasmin. Er weiß alles über Zähne, Kieferhöhlen, Nasenhöhle, Riechkolben und Karies, aber Zimt von Banane zu unterscheiden, nada. Chlorhexamed und Nelkenöl, da leuchten schon mal zwei drei Sensoren.
Zum Glück ist er die Ausnahme und auch mein schwerster Fall. Ich werde zu Erdbeerenduft greifen, will ihn ein wenig verwirren und auf andere Pfade führen. Ich singe fröhlich vor mich her: Strawberry Fields forever.
«Ja!», schreit er,«Das ist es! Ja! Ich hab’s!»
Er tippte jetzt direkt auf seiner Tastatur herum. Ich erschrecke, vor dieser Stephen King Kopie im Tastendelirium. Er schreibt was von, ihre Hand glitt in die Schale frischer Erdbeeren und mit einer strich sie über seine Lippen. Plötzlich schoss ein Stachel aus der Schale, silberglänzend wie ein 8mm Gracey Küvette. Sie drehte am Lachgas, löste seine Plombe im Prämolar 45 mit Inbrunst …
Junge, was läuft falsch bei dir?

Von Erdbeeren zum Zahnarztwerkzeug?
Himmel, was habe ich da wieder angerichtet. Was ist nur in seinem Kopf los? Ich wabere um seine Schläfen herum, sanft wie ein unsichtbarer Nebel, streichle ihn sanft, mische mich in seine zwanzig Lieblingsdüfte, versuche noch intensiver nach Vanille zu duften, als es Vanille selbst tut. So wie die Lebensmittelheinies das machen. Ich imitiere einfach die chemische Formel und schlüpfe als Konzentrat in seine Nasenhöhle. Ich wüte so ausgelassen, dass ich mich fast verflüssige. Lache kurz über mich selbst, äha,äha, es hallt hohl.
Ich rufe:«Nenn mich Duftwandler 2.0 und lache erneut, lauthals in Richtung Eustachische Röhre. Ich krieche direkt Richtung Ohr, diffundiere durch sein Trommelfell und schreie in der Ohrmuschel so laut ich kann: «Vanille! Vanille! Vanille, du Depp!»
Er fährt hoch, als hätte ihn ein Strom vom Zeh zum Ohr durchzogen. Es summt laut, so gut bin schon, bald kann ich in die Realität wechseln. Aber was will ich da? Er assoziiert Wespe. Schlägt sich selbst auf die Ohrmuschel, flucht und verflucht den selbstgeschlagenen temporären Tinnitus. «Was zum Hencker!»
Ah! Er checkt nichts, kann mal wieder seiner Intuition nicht trauen, naja, zu Recht, das würde ich an seiner Stelle auch nicht tun, Zahnarztsohn. Das sind die Söhne von Zahnarztfrauen, die sich freiwillig im Fernsehwerbungen zeigen, oder Zahnärztinnenmänner, die allerdings noch nie freiwillig im Fernsehen gesehen wurden.

Okay, okay! Er glaubt an sich, ist so, und die Hoffnung stirbt zuletzt, auch wenn sie bei ihm schon leichte zombiotische Züge trägt und sich nur noch schwer und schleppend bewegt. Ich bin an seiner Seite, seit er lebt, also mehr oder weniger lebt. Denn wie so viele von dieser Species wird er gelebt. Er lebt den Traum seines Vaters. Er lebt die Fehler seiner Mutter, die auch wiederum sein Vater sind. Er lebt eben im Bereich seiner Möglichkeiten, jedenfalls was das Schreiben und Dichten angeht. Deshalb hat er ja mich.
Seinen allwissenden duftipufftigen inspirierenden Nebel. Aufwachen! Ich strafe ihn jetzt mit Misthaufen, Westseite, vom alten Seeberger Hof. Ohhh! Er hat den Hof gehasst!
Er rümpft die Nase verächtlich, beginnt prompt über seinen rabiaten Opa zu schreiben, zuckt schon hernieder, sieht ihn vor sich, fuchsteufelwütend. Mistforkenwerfend. Dann gleitet er ab in Opas Erinnerung, seine alten Geschichten. Pfeifende Schüsse, Panzer und Patronenhülsen.
Stopp! Durchstreichen, weg damit!
Chlorphenol-Kampfer-Menthol dringt in den Vordergrund, Wurzelkanalbehandlung schwirrt in seinem Hirn herum. Junge komm doch endlich zu dir, denke ich. Schon stört sein Vater, bohrt mit der Küvette imaginäre Löcher in seinen Block. Ich schreie ihn an:«Es ist deine Hand! Dein Vater ist Geschichte! Zieh dir endlich den Nerv!»
Aber Vater schimpft herum. Schimpft auf alles, was der arme Junge je geschrieben, hat:«Schwachsinn und Eiterbeulen.»
Harald kaut gedankenverloren auf seinem Stift herum, schaut in den blauen Himmel. Sein Vater verdunkelt die verträumten Wolken, die ich extra mit musischem Zauber XXL belegt hatte. Aber Big Daddy schielt uns aus seiner Kumuluswolke mit übergroßem Facelook an und schreit:«Von nix kommt nix! Schreiben will der faule Zahn.»
Hab ich das gewollt? Nein! Wie bringe ich ihn nur dazu, an etwas Wundervolles zu denken? Sommer, Baden, Strand, Sonne, der Duft von dieser herrlichen Kokossonnencreme. Meersalz, Duftfahnen von süßem Apfelkuchen mit Sahne.
Er schreibt. Endlich! Hurra! Ein Hoch auf die Muse! Ein hoch auf Mich!
Er schreibt, von Krebsen, groß wie Handteller, die ihn kneifen, von eiskaltem Wasser mit Feuerquallen mitten im Sommer, von Sand in der Hose und in den Schuhen. Von Zecken aus der Wiese und Sonnenbrand, weil er wieder das Kokosöl mit Schutzfaktor zwei genommen hat, und von Apfelkuchen, durchgestrichen auf der Kioskkarte: Heute aus!
Mein letzter Turn für heute, dann passe ich. Ich schicke ihm positiv geladene Luftpartikel von seiner ersten Kusserfahrung. Es scheint tatsächlich zu funktionieren. Er schreibt von einer liebevollen Begegnung mit Maria. Wunderschöne Maria!
Als er sie umarmte und küsste, dann ansah und sagte:«Der linke Molar, scheint mir entzündet, das riecht man deutlich, sorry.»
Okay, ich vergaß, er ist Zahnarztsohn mit der edlen Ambition es seinem Vater zu zeigen!
«Ich breche das hier ab», sage ich, wie immer meist ungehört, zu ihm.
«Du solltest das auch tun, Harrald Ole Ohlsen!»
Er nickt stumm schreibend vor sich her, wie der Wackeldackel neben der umhäkelten Klorolle. Ich schaue auf die Küchenuhr. Gestandene sechs Stunden fliege ich nun wirklich duftig und mehr als bemüht, sozusagen endbemüht, um dich herum und verwandle mich in Düfte und Variationen, die dir helfen sollen auf neue Ideen zu kommen. Also Schluss für heute, bevor ich stinkig werde!
Seine Frau Maria kommt herein. Sie sprüht Desinfektionsmittel.
Sie lächelt Porzellanweiß und sagt:«Was riecht hier so penetrant nach Jasmin, Erdbeeren und Vanille?»
Sie reißt ihm den Block weg. Liest die Zeilen, reicht ihm den Kittel, zieht sein Hemd gerade und verzieht das Gesicht. Ernst und steinern.
«Dein Vater hat schon recht behalten. Schwachsinn und Eiterbeulen! Die Arbeit wartet!»

Die Vakuumbox

Die Vakuumbox
Nimmt dem Gedicht den Geruch
Wuchtig Geruchdicht

Kurze Erläuterung: Die Gedichtform ist ein Haiku für die, die es nicht kennen. Gerne hätte ich mehrere Gedichte hochgeladen, allerdings wollte ich der Regel gerecht werden nur einen Beitrag hochzuladen, daher jetzt nur eins. Da es ein Haiku ist natürlich auch sehr kurz.

Du magst mich also nicht?
Schön.
Dann komme ich näher. Ganz nah. Krieche in dein Gehirn. Bis ins limbische System, voll von Emotionen und Trieben. Na, was haben wir denn da?
Geht schon los!

„Spacko auf zwei Uhr. Ey, Kleiner! Zwei Uhr! Setz die Fäuste ein, du Idiot!“
„Ich bin Pazifist!“
„Bist du dir da ganz sicher?“

Der Großmagier Fehl van Dreiben hat mich erschaffen, vor fast zweihundert Jahren. Mit mir Könige umgebracht, Feldherren und einem Künstler sein Ohr, Verzeihung, den Verstand geraubt. Und nun dieser Hänfling. Blass, dürr und nichts von Würde. Seine Hose schlackert in den Kniekehlen, das Haar ist verfilzt und er riecht fast so streng wie ich in Phase drei. Meine Phhhhaaaaa.

Nun gut.
Phase eins.

Ich überzeuge ihn vom Gegenteil. Ganz leicht. Jeder hat einen Trigger. Unsichtbar. Beim Hänfling ist es der Duft von Honigmilch. Seine Mutter hat ganze Arbeit geleistet. Noch und noch und nochmal hat sie ihn, ganz aus Versehen, mit der heißen, duftenden Milch verbrüht. Und er war doch noch so klein. Was für eine Mutter! Was für eine Steilvorlage! Ich rufe meinen Meister im Geiste und er verwandelt mich. In duftende Honigmilch. Heiße Honigmilch!

„Süüühße Hooooonigmilch!“ Kleiner! Noch mehr? Erinnerst du dich nicht? Willst dich nicht erinnern? Trau dich!

„Hooooonigmilch!“

Er kotzt. Bäumt sich auf. Schreit wie ein Stück Vieh, das abgestochen wird. Prügelt auf alles ein, der Pazifist! Fensterscheibe, Omagesicht, Vaterwampe.
Ich lehne mich zurück.

„Hooo.“

Seine Fäuste fliegen. Ich muss zweimal hinsehen. In sein Gesicht. In sein eigenes Gesicht. Augen, Nase, Jochbein.

Ich lache. Zum ersten Mal seit van Dreiben mich erschaffen hat lache ich. Es kitzelt überall! Davon will ich mehr!

Martinshorn. Ziel erreicht.
Gut gemacht, Kleiner. Nun sperren sie dich weg. Und Luwo hat freie Bahn beim Kauf der letzten Grundstücke.

Oh.
Sieh mal.
Eine echt blutige Nase!
Und, weint?
Der Retter.
So eine Lusche!

Wer in Phase eins stirbt, ist eben gleich tot.
Sorry Kleiner.

Ständig am Verduften

In den Supermärkten bin ich, der Weihnachtsduft nach Gewürzen, noch in den Tüten mit den Lebkuchen eingeschlossen. Je näher die Festtage im Dezember rücken, umso mehr Raum nehme ich in der Welt ein. Es beginnt in den Küchen der Haushalte und in den Bäckereien, von wo ich in die Welt hinausziehe. Ich habe dazu noch viele Geschwister, wie den Tannenduft der während der Weihnachtszeit in den Häusern bei vielen für Erinnerungen an vergangene Zeiten aufkommen lässt. Auch in den wärmeren Jahreszeiten ruft der Gang durch einen Tannenwald Erinnerungen an Weihnachten hervor.

Aus den Bäckereien nimmt mich der Wind mit den anderen Backwarendüften jeden Morgen auf eine Reise mit und manchmal nehmen mich Passanten auf der Straße wahr wenn sie morgens zur Arbeit oder von der Arbeit unterwegs sind. Mächtig wie der Wind bin ich nicht, jedoch bringe ich manche dazu in die nächste Bäckerei zu gehen. So wie die Düfte der Blumen die Insekten anlocken, so locken die Düfte der Bäckereien die Passanten morgens an.

Auf den Weihnachtsmärkten bin ich neben anderen Düften in besonders hoher Dichte anzutreffen bis wir nach dem Schließen der Stände vom Wind mitgenommen werden. Nur noch ein wenig Weihnachtsduft, ist durch die Ritzen der verschlossenen Stände wahrzunehmen wenn der Wind durchweht. Die Tannenzweige, welche die Stände der Weihnachtsmärkte schmücken versprühen dann den Tannenduft der zu Betriebszeiten wegen den anderen Düften kaum Beachtung findet.

In Wachs- und Räucherkerzen bin ich manchmal auch eingeschlossen. Dann werde ich durch die Flamme der Kerze oder die Glut in den Raum freigesetzt. Durch die warme Luft werde ich in den Raum verteilt und wenn das Fenster zum Lüften geöffnet wird nimmt mich ein Windzug mit auf die Reise in die Welt hinaus. Je länger ich mit dem Wind unterwegs bin, umso weniger werde ich wahrgenommen und von anderen Düften wie dem Duft nach Schnee überdeckt. In manchen Regionen auf der Erde leistet mir der Schneeduft und der Duft nach Tannen keine Gesellschaft.

Manchen Düften wie denen im Frühling begegne ich nicht in dem Umfang wie zu der Weihnachtszeit. In Gewürzläden kann man mich das ganze Jahr über antreffen und manche Tüten mit Lebkuchen werden vielleicht erst im Frühjahr leer oder halten sogar über ein Jahr wenn sie vergessen werden.

Alle meine Verwandten sind wie ich das ganze Jahr ständig am Verduften wenn sie nicht eingefangen werden.

DAMALS

Es war der 23. Mai 1789, als Meprosia ihren Oberkörper, leicht vornüber gebeugt, auf dem Brückengeländer abstützte und nach unten blickte.
Eine unsichtbare Pollenwolke waberte ihrem Gesicht entgegen. Einige der Kitzelmoleküle verfingen sich in ihrer Nase und lösten einen glitzernden Sekrettropfen aus, der funkelnd dem Wasserspiegel des Sees entgegen fiel.
Just in diesem Moment schnappte ein Frosch mit seiner Klebezunge nach einer Fliege.
Der Nasentropfen, der Meprosia fand den direkten Weg auf die Geschmackspapillen des Quaackjägers und ummantelten die Fliege mit der steifschleimigen Struktur des Sekretes.
Das geflügelte Sirrtier konnte durch mehrbeiniges Zappeln den Sekretstrang als Rettungsleiter nutzen und so dem zerstörerischen Verdauungstrakt des Frosches entkommen.

(c) HerrWortranken

Und wenn es eng wird…

Ich bewegte mich in schnellem Tempo hinaus. Doch ehe ich meine volle Kraft entfalten konnte, hinderte der Verschluss mich daran. Wenn ich noch weiter hier verweilen musste, würde es unangenehm werden, denn ich wurde mehr und mehr.
Meine Verwandten kamen, die ich noch weniger mochte, als hier eingesperrt zu sein.

„Scheiße, Mann“, schimpfte ich, weil der Platz nun noch enger wurde.
„Zur Seite, Mann“, kam es hämisch zurück. Da seine Masse nun mal solide war, konnte ich nicht anders, als ihm auszuweichen. Ich stieg nach oben und landete in einem Raum, in den ich noch weniger rein passte. Gewebe dehnte sich, ein Aufschrei ertönte zur Antwort.

„Heiliges Blächle“, raunte es um mich herum.
„Nur noch zwei Haltestellen“, wurde gefleht. Um mich herum wackelte es, verkrampften sich Muskeln, ich wurde gepresst, was einen Laut abgab, da ich geteilt wurde.
Wenn ich dachte, dass es nicht schlimmer kommen könnte, rasten die Kollegen meiner Verwandten durch mich hindurch. Das Gefäß, in dem ich verweilte, stöhnte kläglich. Ich wusste, dass ich nicht mehr allzu lang hier bleiben musste, denn der Druck auf den Verschluss nahm zu. Also drängte ich mich zurück, an der braunen Flüssigkeit vorbei, bis dorthin, wo diese solide wurde und setzte mich an den Ausgang, dessen Zittern meine Vorfreude schürte. Als ich mit einem leisen Pfiff entwich, musste natürlich mein Verwandter auch den Kopf rausstrecken.

„Ihhhh, was stinkt hier?“ Hörte ich die ersten Kommentare, als zumindest ein Teil von mir draußen ankam und in die feinen Nasen stieg, die um den Mann herum standen, der immer noch den anderen Teil von mir beherbergte. Auf einmal ging die Türe auf, frische Luft vermengte sich mit mir, während das Gefäß, in dem ich eben noch war, zur Flucht ansetzte. War seine hellgraue Hose im Schritt etwas braun geworden? Huh, meine Verwandten konnten es wohl auch kaum abwarten, rauszukommen.

„Oha, der Typ hat sich vollgeschissen“, lachte jemand, während sich die Bustüren schlossen.

Sehr geehrte Spürnasenlehrlinge,
heute begrüßen wir in meiner Vorlesungsreihe »J«. Herzlich willkommen!

Der Deckel (Gummi grüßt mich) geht auf, ich strecke mich und eine Menge von Bekannten und Unbekannten strömt auf mich ein. Ganz schönes Durcheinander aus vollwertigen Düften und einfachen Gerüchen. Ich werde umhergewirbelt und ein Teil von mir verschwindet in diversen Nasen. Da kann ich dann die von mir erwartete Rede loswerden.
»Weil ihr alle nach Hund riecht, weiß ich, dass mein Behältnis immer noch bei diesem Professor ist, der mich eingesperrt hat.«
Plopp, da hat er es wieder geschlossen. Ein Teil von mir ist abgetrennt, es schmerzt jedes Mal. Ich bin so wenig, oft wird der Prof das nicht mehr machen können. Und so richtig weiß ich nicht mehr, was meine Geschichte ist. Wird mir sicher noch einfallen.
»Eure Düfte sind sich ziemlich ähnlich, eure Herrchen und Frauchen würden wohl sagen: ›Riecht nach Hund. Glücklicherweise trocken.‹ Aber eure Duftnoten sind unterschiedlich, und deswegen sind es Düfte. Im Gegensatz zu Gerüchen und Aromen, die nur eine Duftnote habe. Herrchen und Frauchen würden manchmal auch Gestank dazu sagen. Aber die können ja auch nicht riechen. Eure Hinterlassenschaften sind Düfte, komplex zusammengesetzt. Aber zugegebenermaßen einfältige, ich würde mich nie mit ihnen unterhalten können.
Und…«
Ich verliere die letzten Moleküle und weiß nicht mehr weiter.

Verduftet

Ah, habe ich gut geschlafen heute!

Ich recke und strecke mich, mache in paar Schritte vorwärts, schau mal kurz ums Eck.
Alles ruhig heute. Niemand zu sehen. Na, dann mache ich mal auf den Weg.
So ein kleiner Morgenspaziergang tut mir doch gut.

Oh, schau mal, da hat jemand einen Kürbis aufgestellt.

Was bist du für ein lustiger Kerl. Das Licht hinter deinen ausgeschnitzten Augen flackert ganz lustig hin und her. Aber deine Zähne sind etwas schief geraten.
Na ja, Schönheitswettbewerb gewinnst du keinen.

Ach ja, heute ist ja Halloween! Darum der Kürbis!

Aber, Moment mal. Gehen da nicht die Gespenster um?

Ja, aber Gespenster gibt es doch gar keine.
Das weiß doch jedes Kind.

Aber weiß das auch der Hund? Ich sehe gerade, wie er da so ganz entspannt in seinem Körbchen liegt. Was, wenn ich ihn man ein wenig in der Nase kitzle?

Langsam, ganz langsam schleiche ich näher.
Da, er bewegt sich. Seine Nase zuckt ein wenig.
Jetzt öffnet er ein Auge.
Huhu, hier bin ich!

Langsam schleiche ich über den Boden näher heran.

Da plötzlich bekomme ich einen Stups von hinten und werde direkt auf das Maul zu geschoben. Ich stemme mich dagegen, aber es hilft nichts. Immer näher kommt das Maul, die Nase, alles wirkt plötzlich so groß, so unheimlich.

Der Hund schreckt auf, zieht die Luft durch seine Nase ein, zieht mich dadurch noch ein Stück näher.

Ich versuche mich zurückzuschieben, doch es gelingt mir nicht. Der Hund öffnet sein Maul, ich sehe die riesigen weißen Zähne, den Schlund.
Immer näher kommt das große Loch!

Da fällt eine Tür hinter mir ins Schloss.
Und der Druck in meinem Rücken ist plötzlich weg.

Ich schiebe mich zurück.

Uff, das ist ja gerade nochmal gut gegangen.

Der Hund lässt sich auf das Kissen fallen und schnauft laut aus.

Wie ein Wirbel werde ich noch weiter von ihm weggestoßen und leg mich einfach auf den Boden, dort wo ich hin gefegt wurde.

Uff, das war knapp. Ich zieh mich lieber wieder zurück. Zurück in die Ecke, zurück zu den anderen. Da bin ich sicher.

Doch, halt, was ist das?

Der Hund steht auf, er kommt auf mich zu!
Er verfolgt mich. Hilfe! Wo soll ich hin?

Ich schmeiße mich in die Schüssel, in mein warmes Bett, das ich gerade erst verlassen hatte. Verkrieche mich unter die dicken Fleischstücke und presse mich ganz flach auf den Boden.
Ich zittere vor Angst. Was passiert den hier?

Oh nein, da ist schon die Schnauze über dem Fleisch, das Maul öffnet sich und verschlingt ein Stück nach dem anderen. Ich werde mitgerissen, lande mit dem Futter im Schlund des Hundes, verschwinde im schwarzen Loch. Versuche, mich von dem Fleischstück abzuschneiden. Aber es gelingt mir nicht.

Ich werde immer kleiner. Mir ist schon richtig flau.
Ich fühle mich so schwach.
Ich kann mich gar nicht mehr richtig spüren.

Da schießt plötzlich eine riesige Zunge aus dem Maul und schleckt meine kläglichen Reste auf. Ich bin mit dem Futter im Maul des Hundes verschwunden.