Seitenwind Woche 3: Dufte

Der Wandler

Ich waberte durch die Welt. Der neue König. Niemand konnte mir entkommen. Seit drei Jahren terrorisierte ich immer mehr Menschen und es machte mir einen Heidenspaß. Egal wo ich hinkam, jeder nahm mich anders war. Ich war immer wieder verschieden, mal stärker, mal schwächer. Aber wo ich auch auftauchte, verzogen die Menschen das Gesicht. Mal nannten sie mich nasser Hund, mal war ich ein gammeliges, feuchtes Handtuch. Immer wenn die Luft kühler und feucht wurde, trat ich auf den Plan. Liebend gern in Bädern, Fluren, vor allem auf frisch gereinigten Fließen. Auch an gespülten Tellern und Tassen haftete ich gern. Ich war der Herrscher über den Ekel der Menschen und ich ließ nicht nach. Egal wie sehr sie sich zu helfen versuchten, ihre Reinigungsmittel änderten, ich kam immer wieder durch. Solange kühlere Luft und Feuchtigkeit ins Spiel kamen, war ich da. Interessanterweise nicht für alle gleichermaßen. Wenn zwei oder drei Personen in einem Raum waren, kam es oft vor, dass nur einer mich wahrnahm, aber das reichte mir, denn die Zahl meiner Unterdrückten, wuchs in den letzten drei Jahren immer mehr an. Bemerkenswerterweise nahmen die Menschen nur den Geruch dessen wahr, als das sie mich bezeichneten. Nie war ein nasser Hund oder ein gammeliges Handtuch in der Nähe.
Ihr fragt euch, wer ich bin? Ich bin der Duft, der von einer Coronainfektion übrig bleibt. Derjenige, der sich in bestimmten Gegenständen einnistet, die Menschen in den Wahnsinn treibt und doch bin ich so wandelbar, jeder Betroffene nimmt mich an anderen Orten und in anderer Komposition wahr. Gibt es mich also wirklich oder bin ich das Konstrukt eines verirrten Geruchssinns?

[Außer Konkurrenz, weil zu spät gepostet] Seitenweise

Ich bin in Staub und Gilb geboren, in den Bakterien, die Zellulose zersetzen. Zwischen feinen Holzpartikeln, Kleber und mitunter auch verriebenen Stoffresten. Zwischen den Seiten. Wenn du umblätterst, befreist du mich, lässt meine Moleküle in die Luft stieben. Nur wenige davon müssen dich erreichen, damit du mich wahrnimmst. Die meisten aber schweben weiter in der Luft und sinken langsam, unendlich langsam zu Boden.

Die Reise zurück in den Rosenpark

Eines Morgens wachte ich in einem Rosenpark mit zerrissener Kleidung auf und wusste nicht, was geschehen war.
Leute sprachen mich an, ob es mir gut ging und ob sie jemanden für mich anrufen sollen. Aber ich verneinte und wollte nicht.
Nachdem ich eine halbe Stunde dort rumgelaufen bin und immer noch nicht wusste, wo ich war, bin ich in einen Laden und hab gefragt, ob ich mal telefonieren dürfte.
So konnte ich dann die einzige Nummer anrufen, die mir einfiel. Es ging leider keiner dran. Aber während ich abgelenkt gewesen bin, hat die Dame im Laden, die Polizei und den Krankenwagen gerufen. Weil ich so verstört ausgesehen habe, meinte sie. Diese fuhr in der Zwischenzeit vor.
Die haben mich dann untersucht und befragt aber, da ich mich an nichts erinnern konnte und nicht wusste, wer ich bin oder meine Papiere bei mir Ware, haben sie mich erst mal mitgenommen. Die Polizei hofft in der Zwischenzeit auf vermissten anzeigen und geht diese alle durch.

Im Krankenhaus werden noch genauere Test und Untersuchungen gemacht. Mit der Gehirnerschütterung wollen die mich zur Beobachtung dortbehalten.
Die Ärzte stellen noch Prellungen, Verstauchungen und zu den Schürfwunden einen Rippenbruch fest. Bei den Verletzungen und der vorhandenen Amnesie muss ein traumatisches Ereignis passiert sein.

Was ist da nur vorgefallen?

Da nach einigen Tagen die Erinnerungen zurück sind, wurde beschlossen, eine Hypnose zu machen. Wir haben mit kleinen Entspannungsübungen angefangen, um das Vertrauen aufzubauen. Bis dann der Tag kam, wo vor ich solche Angst hatte. Mir das vergangene Geschehen, was passiert war wieder in meinem Kopf hervor zurufen.

Die haben in meinem ganzen Zimmer Rosen aufgestellt, damit mit es so duftet wie im Rosengarten, um es mir so leichter zu machen an den Tag zurück zukehren.

Legen sie sich zurück und entspannen sie sich und schließen sie die Augen. Arme an den Seiten auf der Unterlage abgelegt und die Beine ausgestreckt.
Armen sie tief ein und aus und noch einmal tief einatmen und ausatmen.
Sie merken wie die Arme und Beine mit jedem Atemzug schwerer werden und in die Unterlage sinken. Jetzt lassen sie mit dem nächsten Atem auch ihren Körper in die Unterlage fallen. Atem sie ganz ruhig und entspannt ein und aus.
Sie werden immer müder, während ich langsam bis fünf zähle, 1.2.3.4.5.
Jetzt befinden sie sich in einem Trace-Zustand und können an einen schönen Ort z.B in ihrer Kindheit zurückgehen.
Ich bin mit meinen Eltern im Garten beim Grillen und sitze auf der Schaukel.
Überall ist alles grün und voller bunter Blumen. Meine Mutter deckt den Tisch und schmückt ihn mit einer Blumenvase und Blumen aus unserem Garten.

Wenn sie jetzt weiter vorgehen, bis vor einer Woche, was ist an dem Tag gewesen?

Mein Freund Henrick und ich haben uns morgens verabschiedet und sind zur Arbeit.
Es war ein ganz normaler Arbeitstag, wie jeder andere Freitag. Ich hatte wohl auf dem hinweg schon ein mulmiges Gefühl, verfolgt zu werden. Dachte aber, ich bilde mir das nur ein und habe es dann über den Tag in meiner Arbeit wieder vergessen. Auf dem Heimweg war das Gefühl dann wieder da und ich lief so schnell, ich konnte zur Bushaltestelle. Schaffte es aber nicht rechtzeitig, da griff mich einer aus dem Auto und zog mich rein. Ich schrie auf und versuchte, mich loszureißen.
Ehe ich begreifen und konnte, was geschah, fuhren wir schon los und ich wurde bewusstlos geschlagen, gefesselt und geknebelt.
Ich weiß, dass ich kurz mal wach, gewesen bin und meine Augen versucht haben zu öffnen. Aber sie waren so schwer, dass sie gleich wieder zu gefallen sind. Dennoch konnte ich erkennen, dass wir in eine Art Garage waren, die zu einem Wohnhaus führt. Die haben mich an einen Stuhl gefesselt und geknebelt. Sowie mit Ketten an der Decke befestigt. Mit den Ohren konnte ich aber für ein paar Minuten mithören.
Sie sprachen von einem Banküberfall und benötigten noch eine Identität für eine Frau. Daher wollten die mich beseitigen und mein Pass stehlen.
Die Stimmen hörten sich nach einem slowenischen Akzent an.
Ich zitterte am ganzen Körper, vor Angst, Kälte und Schmerzen. Ich kann mich dran erinnern, dass das Auto hellblau war, als die mich reingezogen haben.

Holt mich hier raus, ich will hier weg, ich habe Angst, ich weine etwas aber dann geht es wieder.

Ganz ruhig, sie sind in Sicherheit. Ruhig ein und ausatmen.

Was ist dann passiert?

Die haben mich nach einer Halbenewigkeit losgemacht und mich in den Kofferraum gelegt. Ich bekam kaum Luft und musste mich zusammenreißen. Dann konzentriere ich mich aufs Abbiegen.
Zweimal links,
lange gerade aus und fünfmal halten,
einmal rechts,
eine Kurve,
einmal rechts und direkt wieder,
einmal links,
länger geradeaus und dann links über unebene Stellen.

Sie zehrten mich aus dem Kofferraum und schlugen auf mich ein aber ich war so kraftlos, dass ich mich kaum noch verteidigen konnte, daher war ich schnell bewusstlos am Boden und bekam nichts mehr mit. Dann kam ich Stunden später wieder zu mir, mit dem Geruch von Rosenduft in der Nase.

Haben sie keine Angst, sie sind in Sicherheit und in guten Händen.
Atmen sie weiter ruhig ein und aus und hören sie auf meine Stimme.
Ich zähle jetzt von fünf an rückwärts und wenn ich bei eins angekommen bin, wachen sie auf und fühlen sich erholt und ausgeruht, 5.4.3.2.1.

Hallo Lisa, wie fühlen sie sich? Gut, danke.
Bitte lassen sie die Rosen wegräumen, die erinnern mich zu sehr an das Ereignis, schluchzt, schluchzt.

Sie haben das sehr gut gemacht, wir können den Polizisten jetzt eine Spur geben, in welche Richtung sie suchen müssen.
Alles wird wieder gut.

Sie werden jetzt aber erst mal gesund und erholen sich.

Die Spannung geht weiter aber dazu ein andermal.

Der Duft verflüchtigt sich, aber die Wirkung bleibt bestehen! Damit schließt sich der Thread für Einreichungen. Ihr habt noch eine Woche Zeit, um eure Favoriten mit Buch-Likes zu würzen. :books: Der Beitrag, der uns alle am meisten betört, gewinnt ein Papyrus Autor 11. Unter allen Nasen, die geschnuppert haben, verlosen wir eine weitere Version.

Am Freitag, den 10. November, küren wir die Gewinner. :cherry_blossom:

Duft und CO

Oh Mist, jetzt hat es wieder schlechte Laune! Und ich muss es ausbaden, wenn es in einem Affentempo umherflitzt, hoch und runter, zack zack, nach rechts und links, oh je. Es tut das, um seine Wut abzureagieren. Und ich hänge untrennbar hinten dran, da gibt’s kein Vertun. Leider! Es fühlt sich an wie auf einer dieser schrecklichen Achterbahnfahrten, die manche freiwillig unternehmen. Nur bin ich dabei nicht angeschnallt. Keine Ahnung, wie ich mit dem Schleudertrauma den morgigen Tag zu überstehen soll.
Dabei war alles so viele Jahrhunderte gut! Weder Mensch noch Tier können meinen Duft wahrnehmen, und so konnte es stets unbemerkt tun und lassen, was es wollte. Klammheimlich steigerte es sein Volumen, von den gefährlichen 0,6 auf tödliche 1,3 Prozent in der Atemluft, so wenig mit so großer Wirkung. Wie hatte es sich oft gefreut, wenn wieder ein Coup gelungen war!
Damals sind wir beide miteinander gut ausgekommen. Heute sieht unser Zusammenleben anders aus. Immer noch legt es sich auf die Lauer, auf Opfer hoffend und der Schönheit des Todes entgegenfiebernd, um am Ende fulminant in einem Knall auf dem Haus zu fahren und dessen Hülle in alle vier Himmelsrichtungen zu verteilen. Doch inzwischen, vor dem spannenden Teil mit dem Husten, und den lustigen kirschroten Gesichtern piepst dann diese technische Spaßbremse, und die Zweibeiner reißen hektisch die Fenster auf und rennen weg.
Okay, ich kann ja nachvollziehen, dass das frustrierend für das CO ist. Logisch nehmen diese Wutausbrüche zu, seit es mehr Warngeräte gibt. Und erst dadurch ist es so böse, niederträchtig und gemein geworden, dass wir garnicht mehr miteinander sprechen. Aber wenn mir ein kleiner Schrei entfährt wie eben, verbessert sich seine Laune etwas: Dann steigert es sein Tempo nochmal, um wenigstens mich zu ängstigen. Es macht ihm einfach Freude, andere leiden zu sehen. Aber noch mehr Spaß hätte es am Töten, nur bei mir geht das natürlich nicht. Aber das Tempo hilft ihm wenigstens, sich abzureagieren.
Trotz meiner Beschwerden, den seelischen Grausamkeiten und der vielen Schleudertraumata gibt es traurigerweise keine Scheidung – das wurde einfach vergessen zu regeln. Das finde ich so was von ungerecht! Aber ich habe trotzdem einen Plan: Im nächsten Leben suche ich mir einen standorttreuen, von Zweibeinern geliebten Lebenspartner aus! So eine Rose zum Beispiel, bei der kann man bestimmt sorglos, ungefährdet und gemächlich als Duft-Anhängsel sein Dasein genießen. Oder?

Die Geschichte ist wirklich wunderschön… mir kitzelte die Nase von dem Staub, der sanft-rauchige Geschmack des Whiskeys kratzte in meinem Hals. Und auf meinen Wangen spürte ich die Tränen der Melancholie. :tumbler_glass: