Seitenwind Woche 2: Außerirdischer Aufbruch

Es war zuuuu wild, Alter

Alter, auf meinem Heimatplaneten Cenedoxus hatte ich schon 'nen Plan von den Menschen und ihren voll schrägen Moves wie „dabbing“ und „Selfies“. Aber das live zu checken war einfach völlig verrückt, Mann.

Diese „dabbing“-Sache, wo die sich fast unterwürfig bewegen und die Arme komisch hin und her schmeißen – das war wohl deren Gruß unter den Jungs und Mädels.

Und dann diese „Selfies“ – Fotos von sich selbst mit den kleinen schwarzen Kästen, den „Smartphones“. Die Teile hatten hier alle, von Jung bis Alt. Die Leute hingen stundenlang an den Dingern, einfach nur am Scrollen.

Aber hey, ich war nicht hier, um darüber abzulachen. Mein Commander auf Cenedoxus wollte 'nen Report über die Menschen und wie deren Sache mit den Riten deren Hirn beeinflusst.

Also checkte ich die Lage auf’m Schulhof, da ging’s voll ab mit den Riten. Mein Versuchsobjekt war so 'n 1,80 m Kerl, dem seine Stimme ab und zu so krächzend oder schrill rausrutschte. Seine Homies nannten ihn Robbie. Der Typ trug fast nur T-Shirts mit Games-Logos, gerade prangte „Baldurs Gate 3“ auf seiner Brust.

Robbie stand da, „Smartphone“ in der Hand. Ich ging langsam hin, senkte den Kopf, streckte den Arm, machte 'nen „Dab“ – so derbe, wie ich’s draufhatte. Aber Robbie hat mich erstmal voll schräg angeguckt, und dann hat der Typ einfach losgeprustet vor Lachen.

Ich so: „Was hab ich vermasselt?“ Kratzte mich voll peinlich berührt am Kopf. Doch Robbie holt sein „Smartphone“ raus und fängt an zu quatschen: „Alter, Leute, ihr glaubt nicht, was grad abging! Einer hat gerade 'nen „Dab“ vor mir gemacht, als wär’s die neuste Sache. Das war doch so 2015, Mann.“

Checkste, mein „Dab“ war wohl gar nicht so lame, denn er hat das mit seinem „Smartphone“ aufgenommen.

Ein Grinsen huschte über mein Gesicht, und bevor Robbie sein „Smartphone“ wieder einstecken konnte, schnappte ich es mir und wollte 'n Bild von uns beiden machen, so als Freunde, Mann.

Aber Robbie checkt gar nicht und wird voll stutzig: „Was geht, Mann? Das ist mein Handy, klar?“ Der wurde richtig wütend und hat mich weggestoßen. Dabei hab ich doch nix Böses vor gehabt.

Er hat mich immer weiter gedisst, bis ich voll auf den Boden flog. Robbie ging voll animalisch auf mich los. Ich hab dann meine Telekinese rausgeholt, ihn weggestoßen und hab die Flucht ergriffen.

War echt übel, Alter. Sieht so aus, als wären nicht alle Menschen so freundlich, wie wir’s dachten.
Es war einfach zuuuu wild, sag ich euch.

„Xylenor, wir redest du denn. Ich verstehe dich ja gar nicht“ Zorvax schaute mich irritiert an. Anscheinend war ich ein wenig zu lang auf der Erde, wenn ich schon deren Sprachgewohnheiten übernommen hatte.

Beobachtung 1.0
„Hallo! Wie geht es dir?“
Beschwingt ging Xarl’pwosh auf den Menschen zu.
Dieser sah in jedoch nur verwirrt an und tippte weiter auf seinem Handy. Xarl’pwosh ließ sich davon jedoch nicht beirren. Er hatte sich in den Chroniken bereits ausgiebig über die Menschen informiert, nun konnte er es wagen, sich ihnen in menschlicher Gestalt zu nähern.
„Was machst du?“
Neugierig schnappte sich Xarl’pwosh das Handy des Menschen.
Empört schrie dieser auf. „Das ist meins. Gib es mir zurück!“
„Beruhig dich. Ich wollte doch nur mal schauen.“ Brüderlich klopfte er dem Menschen auf die Schulter, der unter der Wucht seines Schlages schmerzvoll aufstöhnte und ein noch finsteres Gesicht machte.
„Hmm“, machte Xarl’pwosh und drückte auf dem Display rum, bis sich die Kamera öffnete. Glucksend richtete er sie auf sich und den Menschen. „Das macht ihr doch, wenn ihr etwas Außergewöhnliches gefunden habt, nicht?“
„Hast du sie nicht mehr alle?“ Wutentbrannt riss ihm der Mensch das Handy aus der Hand und baute sich bedrohlich vor ihm auf.
Verwirrt sah Xarl’pwosh in an. „Was meinst du?“
Im nächsten Moment raste schon die Faust des Menschen auf sein Gesicht zu.
Rasch beamte er sich zurück auf sein Schiff.
Nachdenklich strich er sich über sein Kinn. Bei der nächsten Exkursion würde er sich bedächtiger nähern müssen.
Wer hätte gedacht, dass in diesen kleinen Erdenbewohnern so viel Aggression steckte?

Erstkontakt läuft nie gut

„Okay du schaffst das?!“, versuchte ich mir selbst genügend Mut zu machen.

Wovor sollte ich schon Angst haben? Immerhin habe ich mich auf diesen Moment in den letzten fünfzig, oder waren es schon hundert Jahren vorbereitet.

Sah dennoch noch einmal auf meine Checkliste (nicht auf ein Blatt Papier, sondern vor meinen inneren Auge – bin doch nicht so rückständig wie ein Mensch!)

  • Menschliche Gestalt erstellen -/
  • Menschliche Sprache lernen -/
  • Geschichte der Menschen – LANGWEILIG
  • Studium: Mensch -/
  • Name: Kevin (Hoffe es ist glaubhaft) -/

Müsste alles haben und gut vorbereitet sein.

Noch einmal atmete ich tief durch, bevor ich die Taverne betrat und am liebsten sofort meinen Verdauungstrack ausgespuckt hätte als mir die Luft entgegenschlug.

Mir kamen aber die Tränen – ich war einfach nicht gewöhnt, wie es roch nach dem Alkohol.

Zum Glück blieb die Säure genau da, wo sie hingehörte! In Mir!

„AH ein Neuer, willkommen im hinkenden Gaul“, kam es vom Besitzer.

Man war das ein Schrank von einem Typ – daneben sah ich aus wie ein Strich in der Landschaft und war auch viel kleiner (das nächste Mal werde ich den als Vorlage nehmen).

„Was führt euch her“, war das Nächste, was vom Wirt kam, während ich mich an den Thresen (oder war es Tresen???) setzte.

Nur um im nächsten Zug direkt vor mir auf das Holtz (Nein HOLZ) spuckte und mit einem dreckigen Lappen abwischte – zumindest war das gleich zu meiner Heimat.

Zur Begrüßung erstmal vor einen Hinspucken, man musste danach nur hoffen keins geklebt zu bekommen, weil man zu freundlich war, dabei oder direkt auf dieselbe Stelle gespuckt hatte.

„Nur ne Reise“, dabei überlegte ich, ob ich ebenfalls spucken sollte, oder war es dafür zu spät – man da muss man wirklich aufpassen!
„Ne Reise, also Stadttyp und eurer Name“, und erneut spuckte der Wirt auf den Tresen (jetzt richtig) um direkt darauf ein Glas voll mit Alkohol zu stellen.
Mir lief bereits am Rücken alles hinab – immerhin erwartete der ernsthaft eine Begrüßung (Aber in meinen Kopf klingelte etwas, nur was war mir nicht klar).

Erstmal ließ ich die Begrüßung bleiben, hatte man mir doch eine Frage gestellt. Und ich war gut erzogen das man eine Frage immer beantwortete, bevor man ebenfalls grüßte.

„Kevin“, gab ich stolz meinen Namen preis.

Und ich spuckte auf den Tresen, während ich das Glas nahm, um danach etwas davon zu trinken. Ob ich es aushalte – Kein Plan!!

„HASTE GRADE AUF MEINEN TRESEN GESPUCKT DU STADTTYP?“, donnerte der Wirt mit einmal los und erschreckte mich so sehr, dass der Alkohol komplett in meinen Rachen floss, und ich schluckte dies sogar…

Man oh man, anscheinend war der Tresen seine Stelle und ich hätte nicht drauf Spucken sollen. Vor allem – OH WEH!!! Mir fiel ein, ausgerechnet zu spät das die Menschen dies nicht als Begrüßung sahen!

Ich versuchte es zu glätten. Immerhin sah der Wirt aus, als ob er mir gleich eine überziehen will.

„War das keine Begrüßung von Ihnen?“ – was das Falsche war.

Der Wirt wurde nur wütender und brüllte noch lauter. „ICH WIEß ZWAR NICHT WIE IHR IN DER STADT EUCH BEGRÜßT, ABER DAS IST NOCH IMMER MEIN LADEN! DA SPUCKE ICH WIE ICH WILL!“

Und wollte mir sogar gleich eine langen – nur handelte ich schneller (und leider auch unbedacht).

Nur Sekunden später bereute ich es den Wirt ausgeschaltet (der ist Tot) zu haben, den nun waren die anderen Gäste in der Taverne schlecht drauf.

Seufzend sah ich zu jeden einzelnen und ahnte bereits, worauf dies hinauslief.

War ja nicht das erste Mal, das mir so etwas passierte und ich danach ganze Planeten vernichten musste – immerhin durfte nie bekannt werden das ich es einfach nicht hinbekam nur den Erstkontakt friedlich zu gestallten.

Vom Rest ganz zu schweigen….

Nur ne gute Ausrede bräuchte ich, wenn ich den Planeten in die Luft jage – immerhin würde mir niemand mehr glauben das es Zufall war. Ich kam auf einen Planeten an und nur wenig später war der weg. Nicht mal die dümmsten auf meinen Heimatplanet würden dies glauben!

Naja, ich hatte ja noch etwa fünf Minuten zeit mir zu überlegen was ich den erzählte zuhause. Stand doch erstmal eine Schlägerei an, wo ich überleben musste.

Und dann noch die Zerstörung dieser Welt – vielleicht klappte es ja beim nächsten Planet mit dem Erstkontakt…

UFO.
Ich bin ein Außerirdischer, der sich auf der Erde auf einer gewagten Mission befindet. Mein Raumschiff ist getarnt als ein altes, verlassenes Haus, das tief im Wald steht. Von außen sieht es aus wie ein gewöhnliches Gebäude, aber Tatsächlich ist es ein hochentwickeltes Raumschiff, das es mir ermöglicht, die Erde zu sondieren und Informationen zu sammeln, ohne entdeckt zu werden. Mein Name ist unübersetzbar in die menschliche Sprache, aber Sie können mich „Khankraix“ nennen.

Während meiner Beobachtungen stieß ich auf einen kurzen Menschen, der eines Tages in der Nähe des Raumschiffes spielte. Ein Junge von schmaler Statur, drang kurz darauf unerwartet durch die Pforte meines Raumschiffs und rannte in meine Sicherheitsschleuse. Er zitterte vor Furcht und die Sensormaterie reagierten umgehend auf die Kontamination. Sofort wurden die Tiefenfrequenzen aktiviert und der Eingang versiegelt. Dem kurzen Menschen wurde dadurch der Weg nach draussen blockiert und verhinderten weitere Kontaminationen von anderen kurzen Gestalten, die sich bei ihm befanden.

Sein Wesen strahlte jedoch eine gewisse Energie aus, die meine Aufmerksamkeit erregte. Ich beschloss schon bald, Kontakt mit ihm aufzunehmen, um mehr über seine zu kurz geratene Statur zu erfahren.

Sein Herz pochte vor Aufregung, als er im Korridor in der Ecke hockte. Ich konnte seine Gedanken und Emotionen spüren, als er die unerklärliche Finsternis im Inneren des vermeintlichen Hauses erahnte. Um den Jungen auf mich aufmerksam zu machen, nutzte ich gelegentlich subtile Technologien in meinem Raumschiff. Ich projizierte geheimnisvolle Lichter und Töne in seiner Umgebung, die ihm allerdings mehr Angst zu machen schienen, als seine Neugier zu wecken. Nach Tagen ohne weitere Versuche, begann er schliesslich von selbst das verlassene Haus genauer zu untersuchen, in dem er etwas vermutete.

Der Junge war erstaunt und fasziniert von dem, was er sah. Er spürte, dass er nicht allein im Haus war, und das machte ihn nervös. Aber er zeigte bald keine Anzeichen mehr von Angst. Er wirkte mutig und stellte sich dem Unbekannten.

Der Junge reagierte erstaunt, als er meine Räume sah und er schien fasziniert von der räumlichen Gestaltung. Er war nicht abgeneigt, mit mir zu sprechen und schon bald nannte er mich „sein Zuhause“. Er zeigte sich interessiert, mehr über mich und mein Raumschiff zu erfahren.

Während meiner Forschung begann ich, die täglichen Rituale und Gewohnheiten des Jungen zu beobachten, um mehr über die menschliche Kultur zu erfahren. Einige seiner Handlungen und Bräuche erschienen mir seltsam und unnötig. Zum Beispiel verbrachte er viel Zeit damit, sein Gesicht und seinen Körper mit Wasser zu befeuchten, sowohl von aussen, als auch von innen. Zudem aß er immer wieder kleine Portionen von Nahrung, obwohl er offensichtlich nicht hungrig war.

Fast schon zyklusartig lag er regungslos da. Vielleicht eine Art Energieaussetzer oder eine Fehlfunktion in seiner Physik oder aufgrund seiner kleineren Größe. Die Frage, was ich mit dem Jungen vorhatte, war komplex. Ursprünglich war ich hier, um Informationen über die Erde zu sammeln, aber seine unerwartete Anwesenheit hatten meine Mission verkompliziert. Je mehr Zeit er in meinem Raumschiff verbrachte, umso mehr Informationen über die Menschheit offenbarten sich, die über meine bisher gesammelten Daten hinausgingen. Der Junge fand in mir, ohne Gewissheit davon zu haben, einen wesensfremden Vertrauten.

Die Zukunft unseres Daseins war ungewiss, aber ich war bereit, die Geheimnisse der Erde und der Menschheit weiter zu erforschen und gleichzeitig die Besonderheiten dieser Bindung zu ergründen. Unsere Begegnung hatte meine Mission und der Ideologien der Menschen auf der Erde desillusioniert.

Das Erdlein - so nah und fern

„Von der Mitte des Universums, ja da komm‘ ich her.
Ich sags Euch, es expandiert sehr.

Direkt neben dem Schwarm von Trabanten,
nahm ich das nächste Wurmloch zu Eurem Quadranten.

Ich will feiern, singen und saufen,
Und mal richtig durchschnaufen.

Auf der Erde – weiß doch jeder - lebt‘s sich extrem locker,
Yeah Baby, ehrlich – Ihr Menschen haut mich vom Hocker.

Ich liebe den Wein, die Sonne und das Bier,
Und die Ladys insbesondere, das glaubt Ihr mir!

Vorhin traf ich eine Göttin am Strand,
sie machte ein Selfie von uns beiden ohne ihr Gewand.

Oh man, das war gleich ein mega Trubel auf Insta,
die Follower liefen mir hinterher –
da suchte ich Schutz hier beim Barista

Ein paar Männer in Schwarz eilten schnell und besorgt,
versuchten mich zu ködern mit Keksen als wäre ich gestört.

Kenne die Kollegen echt gut,
Beim letzten Besuch, nahmen sie mir `ne Menge Blut.

Dank meines Kumpels bin ich entkommen,
ich sag’s Euch, echt - im Area 51 ist unsereins so gar nicht willkommen!

Ja Leute, jede Poetry hat mal ein Ende,
lieber hol ich die Göttin und …“

„…dann ließ der kleine verkleidete Mann das Mikro auf der Bühne fallen und lief hinten hinaus. Er hat den Poetry Slam gewonnen und die Bude echt gerockt. Aber niemand weiß, wer er ist und wohin er wollte. Es sah aus als würde er vor etwas weglaufen.“ Es klingelte. Martin, der Besitzer des Nachtcafes, schaute zur Tür und erkannte zwei hagere Gestalten.

„…Warte mal, da sind zwei Leute an der Tür. Glaub die sind vom Gesundheitsamt, so steif und dunkel gekleidet wie sie sind. Ich melde mich später nochmal.“ Martin legte das Handy auf den Tresen und ging, um die Tür zu öffnen …

X-ae-a12

„Mein gutgemeinter Tipp: Erdlinge suchen intelligentes Leben außerhalb ihres Planeten!“, singt X-ae-a11 fröhlich vor sich hin. Mit einem entsetzlichen Grunzen schließt sich die Multiversen-Schleuse hinter mir. Der Ton soll mich auf meinen Erdenbesuch einstimmen. Die Mission ist simpel: Dümmer stellen als ich mir vorstellen kann. Nicht auffallen. Gefahrenpotential eines sogenannten „Influencer-Individuums“ abschätzen. Nicht auffallen. Beobachten der Spezies auf mögliche Verhaltensauffälligkeiten. Nicht auffallen. Kornkreise erneuern mit der interstellar-gültigen Signatur „Betreten für außerirdisches Leben unter schrecklicher Lebensgefahr strengstens verboten“. Nicht auffallen. Durch ein Raum-Zeit-Portal einer beliebigen Untertasse meiner Wahl verschwinden. Dieser Teil gefällt mir bereits jetzt am besten.

„Heyyyy ihr lieeeebeen! Ich schwöre Alter-ich hab euch heute was gaaaanz Tolles zum Zeigen!“ Mir ist noch geringfügig übel, während sich unter mir der Erdenboden wieder verschließt. Ich stehe auf einem geometrisch ausgewogenen Rechteck, dessen unregelmäßige Behaarung sich anisotrop in einem durchschnittlichen 89,91 Grad Winkel, dem Sonnenlicht zu neigt. Gras.
Genau-so nennen die Erdlinge das.

Vor mir steht ein besonders laut sich artikulierendes Erden-Exemplar. Das Wesen fuchtelt vor ihrem farbenfroh angemalten Gesicht mit einem zylindrischen Stab herum, an dem sich ein ein kleiner Kasten befindet. Ein Smartphone. Diese Geräte haben in den letzten Jahren große Teile dieses Planeten erobert. An ihren wahren Vorteilen rätselt die Abteilung für „Erdenforschung und Gefahrenanalyse“ seit Langem. Bis jetzt konnte sie nur schwerwiegende Probleme und Konsequenzen heraus finden. „Ich bin hier am wuuunderschöööönen Waikiki-Park extra nur für eeeeuch!“, trällert dieser…Mensch vor sich hin. Seltsam. Laut meinen kosmonautischen Koordinaten, befinde ich mich in einem „Hintertupfing“ und nicht auf diesem…„Hawaii“. Zu frieden summt mein virtuelles Suchfeld mit eindeutiger Identifizierung in 911 Punkten. Dieser „Selfie-Stick“ war dabei ein Hauptkriterium. Vor mir steht ein wahrhaftiger „Influencer“. Gemäß „Erstkontaktaufnahmeprotokoll“, soll ich höflich, lässig und zu gleich „überwältigend charmant“ wirken. Ich versuche es mit einem… „Winken“. „Heeyyyy-fuck Mann! Nimm deine hässliche Pfote da weg! Ich dabbe hier vor zwei Millionen Followern!“, schnauzt das Wesen mir unfreundlich entgegen. Das hat ja wundervoll funktioniert. Perplex schaue ich die Person an, während sie sich mit einem Lächeln an den kleinen Kasten wendet. „Haaabt ihr mich auch so doooollleee vermissst wie ich euch?! Ja?! Eure allerliebste, knudellige Tabby23 ist wieder live! Meine Personality ist immer so aaauuutheeentisch!“ Kreischend dreht sich dieser Mensch um sich selbst, legt eine Hand unter den Mund und vollführt plötzlich rythmisch sich öffnende Bewegungen mit beiden Lippen. Aus den Chroniken über die „Schwachpunkte menschlicher Anatomie“ weiß ich, dass Erdlinge über den Mund Luft-Sauerstoff aufnehmen, wenn ihr Organ „darüber“ eine meist, Saison-bedingte Fehlfunktion aufweist. Die Techniken zur Wiederbelebung bei Atemnot…die habe ich-oh! Mit Schrecken stelle ich fest, dass ich diesen Teil bedauerlichweise verschlafen habe. „Lauter Luftküsschen für euch alle!“, unterbricht mich das Influencer-Wesen. „Ich bin immer authentisch! Also wirklich echt! Ich bin zu jedem lieb-denn man weiß ja nicht, was da drunter so vor sich geht in einem Menschen!“ Verblüfft sehe ich auf. Menschen wissen auch nicht, was in ihnen vor sich geht? Das erklärt so Einiges. „Hier bin ich mit meinem wunderhübschen Gast mit Namen-“ Das Individuum zieht mich grob an sich heran. „X-ae-a12“, gebe ich möglichst ruhig von mir. Mit weit aufgerissenen Augen starrt mich die Gestalt an. „Echt jetzt?! Voll krass! Elon Musks’ Sohn ist hier! Bei mir!“ Oh! Ich überlege, ob der Punkt meiner Mission: Kornkreise erneuern mit der interstellar-gültigen Signatur „Betreten für außerirdisches Leben unter schrecklicher Lebensgefahr strengstens verboten“, nicht doch wesentlich wichtiger ist, während das Influencer-Wesen weiter fröhlich diesen Kasten ankreischt…

Wasser!

Meine Tentakeln waren ausgetrocknet. Zu lange lehnte ich schon an einem Standchronometer für irdische Fahrzeuge. Ich war unsicher, ob Menschen auch ohne ihre Fahrzeuge nur auf diesen Arealen warten durften. Aber meine Haut schrie jetzt nach Wasser! Schon vom All aus hatte ich die Ozeane der Erde bestaunt. Etwa siebzig Prozent Wasseroberfläche, und ich intergalaktischer Trottel machte eine Notlandung.

Um nicht sofort aufzufallen, war ich in der vergangenen Dunkelphase in einen Metallcontainer gekrochen, wo die Bewohner des Planeten ihre benötigte Bekleidung aufbewahrten oder tauschten. Vielleicht wurde sie dort auch gereinigt und man holte sie später ab. Richtig durchschaut habe ich das nicht, aber ich habe darin geeignete Stoffstücke für meine Tarnung gefunden. Ob der Anblick eines Pentopoden Irritationen hervorrufen würde? Je zwei meiner Tentakeln teilten sich jetzt eine von zwei Stoffröhren, die oben miteinander verbunden waren und unten in zwei Gummibehältern steckten, auf denen sich Erdlinge außerhalb ihrer Fahrzeuge fortbewegten. Gut, dass es dunkel war und ich unbeobachtet Gehen üben konnte!

Je zwei weitere Arme steckte ich in ein elastisches Teil, mit dem man hier üblicherweise die Brust verdeckte. Da ich bisher noch keinen unbekleideten Menschen sah, ging ich davon aus, dass eine Vorschrift das untersagte. So wie bei uns das Blubbern von Methan ins Wasser nicht gestattet war, wenn man sich in Gesellschaft befand. Mit meinem fünften Arm umschlang ich meinen Kopf, den ich dann unter einem bunten Wollsack versteckte, aus dem nur meine Augen herauslugten.

Kaum war ich fertig, kam mir auch schon ein Humanoid entgegen – ein ausgewachsenes Weibchen. Also gut, den Mutigen gehört das All, sagte man bei uns, und ich trat mit gesenktem Kopf vor.

„Gruß an ihnen. Der Tag ist gut.“ Ich überließ mich ganz meinem Universaltranslator. Sie starrte mich an, antwortete jedoch nicht. Menschen hatten eine akustische, eine mimische und eine körperliche Sprache. Sehr kompliziert! Ich erkannte, dass ihr Gesicht sprach – nur konnten weder der Translator noch ich es übersetzen. Ihre winzigen Augen scannten mich von oben bis unten, dann traf sich die Haut in ihrem Gesicht in der Mitte unterhalb ihres lockigen Fells. Anschließend neigte sie den Kopf und sagte: „Sie sin´ aber net von hier.“ Mein Translator blinkte aufgeregt. Er hatte sie nicht verstanden und wusste nicht, ob es sich um eine Frage oder eine Bemerkung handelte. Ich wagte meine vordringlichste Frage zu stellen: „Wasser ich bitte brauche.“ Ich wogte inzwischen in den Gummibehältern wie Tang in den Ozeanen meiner Welt.

„Is ihne net gut? Da vorne is ’n Aldi, die haben au’ Wasser – alle Sorten.“ Sie deutete mit ausgestrecktem Arm vage in Richtung eines Gebäudekomplexes.

„Danke für helfen“, sagte mein Translator, und ich setzte mich schwankend in Gang. Meine Haut rieb inzwischen knisternd aneinander, so dehydriert war sie. Da sah ich dieses Aldi schon. Meine Freude war unermesslich. Mitten auf einem Platz vor den Gebäuden war es: ein großes, rundes Bassin randvoll mit kristallklarem Wasser, in der Mitte ein figürliches Monument – vielleicht etwas Heiliges – aus dem das Wasser wie ein Geysir in die Atmosphäre schoss. Ich befreite mich hastig aus den unbequemen Stoffen und zugleich von meinem Elend, als ich in das Aldi eintauchte. Gab es noch mehr Aldis auf der Erde? Hatte ich ein Indiz für unsere Vermutung entdeckt, dass Humanoide vor Urzeiten Wasserwesen waren?

Bruchpilot

Vier spürte einen schwachen Luftzug an seinem Hinterteil, so als ob ihn jemand aus Versehen in Eile sanft berührt. Der gelbe Lichtkegel, welcher ihn gerade noch als Schatten in seiner Mitte duldete, verschwand im selben Augenblick. Es war stockdunkel und er war allein.
Eigentlich hatte er nur einen Scherz machen wollen, aber vielleicht war das einer zu viel. Die Wahl fiel auf ihn und jetzt gab es kein zurück mehr. Er wusste Zwei und Drei hatten Wetten laufen. Sie wetteten, dass er es nicht schaffte, das schlaueste Erdweibchen mit nach Hause zu bringen. Sie sollte den Beginn einer neuen Spezies einläuten, denn bei seiner Spezies war die Luft raus. Jeder kannte jeden. Na ja, man kann es sich vorstellen. Er wollte so schnell wie möglich wieder nach Hause. Augen zu und durch. Ängstlich fingerte er an seinem Translator, welcher ihm um den Hals baumelte. Über ihm - der Sternenhimmel. Wunderschön!
Von jetzt auf gleich befand er sich im freien Fall und landete krachend neben einer Feuerstelle.
„Bist du blöde oder was?“
Er knirschte Sand, sein Translator knisterte und der Rückholknopf wurde aktiviert. Ab jetzt hatte er genau zehn Minuten Zeit. Vier rückte seine Übersetzungsbrille, das neueste Modell CR39, zurecht.
Um ihn herum standen fünf Erdweibchen. Volltreffer. Eine von denen wird die Richtige sein. Alle waren im gleichen rosa Outfit. Sie trugen Schleier und auf dem Kopf ein Krönchen.
„Alter, was stimmt nicht mit dir. Bruchpilot, oder was? Wie siehst du überhaupt aus? Fasching war gestern.“
„Fasching war gestern.“ kicherten alle und klatschten sich ab.
Eine von ihnen, eine üppige Blondine, wuschelte ihm durch die Antennen. Mit ihrem linken Auge stimmte etwas nicht. Ihre Wimpern waren nach unten gerutscht und der Wind ließ sie leicht wackeln.
„Komm, lass Selfie machen.“ kreischte sie.
Alle anderen sprangen hinter sie und rissen die Arme diagonal in die Luft und die wulstigen Münder weit auf.
Die Blondine quetschte seinen Kopf zwischen ihre Brüste. Wunderschön, dachte er.
Gemeinsam schauten sie in eine kleine flache Box. Vier kannte sie noch aus der Erdgeschichtsstunde und aus dem Museum.
„Concealer!“ riefen alle im Chor.
„Digger lass mal die Braut los.“
„Wen heiratest du eigentlich morgen?“ fragte die Blondine. Auf ihrem Shirt stand BRAUT.
Vier`s Translator antwortete kratzig.
„D-I-C-H“

Kosmische Kritiken und Marotten

»Ich wusste es schon immer, dieses Supermodel ist nicht von dieser Welt!«
»Ja, ja …«
»Schau sie dir doch an: Diese unfassbare Figur, dieser elegante Gang – einfach umwerfend!«
»Ja, ja …«
»Was ist denn los? Findest du sie als Model nicht schön? Ich könnte ihr stundenlang zuschauen.«

»Doch, ich finde sie sehr schön, aber ich habe so langsam die Nase voll von deinem Geschwätz, Harrybeta. Zieh endlich diesen Fußballdress aus, stell das Bier wieder auf die Ablage und beame unsere Tochter nach oben, ehe die Erdlinge herausfinden, dass dieses Supermodel ein Alien ist.«
»Warum? Lass sie doch ein wenig Spaß haben, bevor wir nach Planetario zurückkehren, Astra.«
»Spaß? Seitdem wir die Erde beobachten, seid ihr beide mehr und mehr von den Marotten der Menschen beeinflusst worden.«

»Na und? Die Umgangsformen der Menschen sind gar nicht so schlimm.«
»Umgangsformen? Die haben gar keine Umgangsformen, das sind Primaten, die auf zwei Beinen gehen.«
»Hast du diese Erkenntnis auch in deinem täglichen Logbuch notiert, Astra?«
»Und ob ich es notiert habe, ich habe es sogar rot unterstrichen.«
»Ach, hör doch auf …«

»Tut, was ihr wollt, ich gehe jetzt duschen.«
»Ja, gehe ruhig duschen, bis keine Spur mehr von deiner grünen Haut zu sehen ist, dann habe ich endlich meine Ruhe.«
»Ach, halt die Klappe! Wenn wir auf Planetario gelandet sind, werde ich deiner Mutter alles erzählen, was hier passiert ist. Besonders aber die Geschichte, als du betrunken versucht hast, mit einem Kinderspielzeug zu kommunizieren.«
»Na und? Es hatte so viele bunte Knöpfe.«

»Ob sie bunt sind oder nicht, ist mir scheißegal.«
»… und DU willst mir vorschreiben, wie ich zu reden habe, Astra? Du sprichst doch schon selber so kariert, wie die Menschen da unten.«

Die Flucht der Aliens

„HX2388, sind Sie bereit?“

„Ähmm, bereite, äh, nein. Nein, bin ich nicht.“

„Nein?“

„Nein.“

„HX2388, Sie hatten sich freiwillig gemeldet und wollten unbedingt das Erste sein, das sich den Erdbewohnern zeigt. Nun machen Sie schon und zieren Sie sich nicht.“

„Ich ziere mich nicht, GFK1256, es ist nur so, auf das, was mich da erwartet wurde ich nicht vorbereitet.“

„Wieso? Was erwartet Sie denn da? Schlimmer als auf Gama-Galaktika wird’s schon nicht sein.“

„Doch, GFK1256, ist es. Glauben Sie es mir, es ist schlimmer.“

„Soll ich jemand anderen rausschicken?“

„Können Sie gerne versuchen, aber wenn die erstmal wissen, was ich weiß, dann beamt sich da keiner von uns raus.“

„Quatsch, HX2388, Sie sind ein Angsthase.“

„Wenn das so ist, beamen Sie sich doch selbst raus, GFK1256.“

„Mache ich, HX2388. Beamen Sie mir Ihr Wissen rüber.“

„Gerne.“

Siebenundzwanzig Millisekunden später.

„Oh ha, was ist das denn. Wo haben Sie das den her, HS2388? Das ist ja in der Tat mysteriös.“

„Und, GFK1256, beamen Sie sich jetzt raus oder nicht?“

„Nein, natürlich nicht. Ich wusste ja nicht, äh.“

„Sehen Sie, ich hatte es auch nicht gewusst. Haben Sie diese schrägen Vögel gesehen?“

„Vögel, ne, habe ich nicht. Nur Menschen.“

„Ja eben, GFK1256, Menschen. Alles schräge Vögel.“

„Warum machen die denn Fotos von sich selbst?“

„Hab gerade mal nachgeschlagen. Demnach sind sie krank. Hier steht sie leiden an Eitelkeit und nehmen sich selbst zu wichtig.“

„Das ist ja krass. Wie kann man sich selbst denn wichtig nehmen?“

„Das hat wohl mit der veralteten Methode zu tun, wie sie sich reproduzieren.“

„Sie meinen, sie kopulieren noch, HX2388?“

„Genau, GFK1256, genau das tun sie noch.“

„Krass, das haben wir ja schon zigtausende von Lichtjahren nicht mehr gesehen. Das ist ja ekelig.“

„Das ist es, widerlich. Und um möglichst oft zum Zug zu kommen, machen sie Foto von sich selbst, Selfies nenen sie die, und schicken sie dann überall rum. Als ob irgendwer das sehen will.“

„Kaum zu glauben, dass es sowas noch gibt. Jetzt stellen Sie sich aber mal vor, HX2388, sie hätten das nicht entdeckt, hätten sich in ihre Form mutiert und dann zwischen sie gebeamt. So gut, wie Sie aussehen, entschuldigen Sie bitte, dass ich das so freizügig sage, was hätten die dann mit Ihnen gemacht.“

„Stand auch in der Wissensdatenbank. Sex. Und wenn man Pech hat, Gruppensex. „E-kel-haft.“

„Warum haben wir das denn nicht vorher gewusst, HX2388?“

„Als wir bei Gamma-Galaktika waren, hatten wir noch keinen Zugriff auf ihre Datennetze. Immer, wenn wir mal eines angezapft haben, brach das gleich zusammen. Ist eben auch noch eine ziemlich alte Technik.“

„OK, aber was soll das denn mit diesem Dabben sein?“

„Dabbing heißt das, GFK1256, da rauchen sie sich die Birne frei.“

„Was denn, sagen Sie bloß, die haben noch gekifft? Wie schräg ist das denn?“

„Die können mit ihrem Leben nicht souverän umgehen, sagt die Datenbank. Die leben andauernd unter Anspannung, Stress nennen sie das, weil jede Situation immer auch ein Kampf ist.“

„Das hört sich nicht gut an, HX2388. Da können wir mal sehen, wie gut es uns doch geht, dass wir mit so einem Blödsinn nichts mehr zu tun haben.“

„Genau, GFK1256, und stellen Sie sich mal vor, Dabbing wird auch oft genutzt, weil es mit dem Kopulieren nicht klappt. Ähm, ich meine, nicht das Kopulieren selbst, sondern, weil sie nicht zum Zug kommen.“

„Ah, verstehe, wenn es mit den Selfies nichts gebracht hat, richtig?“

„Genau.“

„Jetzt haben wir aber ein Problem, HX2356.“

„Welches meine Sie GFK1256?“

„Wie rechtfertigen wir das gegenüber unserem Heimatplaneten?“

„Sie meinen, wegen des vergeudeten Ionenmaterials für den Antrieb?“

„Ja, genau das.“

„Das sehe ich nicht als Problem an. Wenn die erfahren, was da auf der Erde los ist, sind die froh, dass wir so vernünftig waren und uns aus dem Staub gemacht haben.“

„Dann war es ja gut, dass wir uns die ganze Zeit in der Deckung von dieser Steinschleuder hier gehalten haben, die sie Jupiter nennen. Jupiter, ich weiß gar nicht, was das bedeuten soll. Ohne Codenummer ist doch alles nix.“

„Ok, GFK1256, dann sollten wir nicht auch noch darauf warten, bis uns einer der Asteroiden die Außenhülle zerkratzt und sehen, dass wir hier wegkommen. Sonst kriege ich noch Depressionen.“

„Nicht auch dass noch, HX2388. Sollen wir dann mal schauen, ob es auf StellaMonova37 besser aussieht? Wir könnten gleich mal hinfliegen? Sind nur acht hoch sieben Lichtjahre.“

„Machen wir, GFK1256, machen wir. Vielleicht können wir dann ja doch noch mit erfreulichen Nachrichten und einem Erfolg nachhause zurückkehren.“

„Igitt, igitt, mich schüttelt es noch immer. Auf Nimmerwiedersehen und nichts wie weg hier.“

Versuch und Irrtum

Ein Alien auf der Strasse lief
Nach einem hübchen Weibe rief:
„Hey Bitch so warte doch einmal!
Du bist ja total assozial!“
Doch sie schaut nur erschrocken
„Du spinnst und willst mich foppen?“
Das Weite sie nun schnell noch suchte
Das Alien verstand nicht und leise fluchte.
„Solch Mühe geb ich mir zu kopieren,
der Erdleutlingen merkwürdig Manieren!“
Lief hechelnd sogleich auf allen Vieren
Zu Bello der vorm Friseur angeleint,
dort artig auf Herrchen zu warten scheint.
Es dauerte nicht lang da kam es schon
Den Blick gerichtet aufs Mobiltelefon.
Mit einer Hand nun das Alien streichelnd
Das war fürs dieses sehr tief ergreifend
Verstummte seitdem und lief schnell davon
Ging nur noch zu Leuten mit Mobiltelefon.

Bericht 5

Im Gegensatz zum roten Planeten ist auf dem blauen Planeten Materie außer Kontrolle geraten und vervielfältigt sich in kleinen Einheiten selbst. Es ist eine große Diversität entstanden. Aber nach unserer Prognose ist eine dieser Formen bereits dabei, alle anderen Formen und sich selbst zu vernichten. Danach wird wieder Ordnung sein.

Reise dritter Klasse

Alpha Centauri, Galaktisches Wurm-Terminal, transgalaktischer Transponder nach 3.Planet im System Sonne (vulgo Erde)

Morpher eingestellt. Linguatransformer eingestellt.

Wurmkapsel gesäubert. Schuss.

Wo bin ich hier? Alles drückt. Und stinkt. Gitter vorm Fenster. Tür verriegelt. Sie haben mir den Linguatransformer abgenommen. Gott sei Dank funktioniert mein Chip noch.

Ich hätte doch erster Klasse intergalaktisch reisen sollen. Der Molekülakkumulator war mal wieder fehlerhaft. Jetzt klebt mir immer noch mein Centaurenschweif am Hintern. Sehr lästig und da, wobei den Terrestriern Zehen sind, habe ich rechts meinen Huf behalten.

Terrestrier tragen Schuhe. Ich kann nur einen tragen. Falle auf.

Ein Terrestrier öffnet die Tür.

„Kommen Sie mit!“

Unartikulierte Laute, rau, unfreundlich. Ich lächele. Man macht das hier so, habe ich im Reiseführer gelesen. Besänftigen, ich sollte ihn besänftigen. Ich halte ihm die Hand hin und sage:

„Guten Tag, mein Herr!“

„Mach mich nicht an, du Macho!“

Klingt immer noch unfreundlich. Vielleicht war’s die falsche Begrüßungsformel. Es gibt mehrere. Ohne Linguatransformer schwierig.

„Namaste!“ Ich lege die Hände vor der Brust zusammen und verneige mich, lächele noch breiter.

„Ja, ja, schon gut. Pack mer’s!“, Terrestrier seufzt, „gemma!“

Das Wesen packt mich und schiebt mich vor sich her. Ich stolpere. Gehen ist schwierig und unelegant mit nur einem Huf und davon galoppieren kann ich so auch nicht.

Mir entfährt ein Wiehern.

„Du hast echt einen an der Mütze.“ Terrestrier schüttelt den Kopf, an dem ein kleiner Schweif baumelt. Interessant, die tragen ihre mickrigen Schweife am Hinterkopf. Manche jedenfalls.

In dem Raum, den wir betreten sitzt ein anderer Terrestrier hinter einem Tisch, der hat keine Haare auf dem Kopf. Vollkommen kahl. Eine Mutante vermute ich.

Er zeigt auf den Stuhl. „Setzen Sie sich!“ Wieder dieses Bellen. Ich lächele.

„Küss die Hand, gnädige Frau!“

„Werd’ nicht unverschämt, Bürschchen!“, brüllt er und läuft rot an. Tolles Phänomen.

Ich muss kichern. Es klingt wie ein leises Wiehern.

„Verarsch mich nicht.“

War anscheinend auch nicht die richtige Formel. Ein letzter Versuch.

„Salaam aleikum“, sage ich und schalte den Linguatransformer ein. Der hupt kurz. Erstaunliches Ergebnis.

Der Typ hinterm Tisch springt auf, das Pferdeschwanzwesen hinter mir drückt mir einen Gegenstand ins Kreuz, beide schreien.

„Auf den Boden!“ „SEK!“ „Herbert, schnell!“

Ich grabsche nach meinen Linguatransformer, aber Herbert ist schneller und wirft ihn aus dem Fenster.

Schon wieder verfluchte Schei…, wie sie hier sagen. Ich kann grad noch den Notfallknopf drücken, ehe sie mir die Hände auf den Rücken reißen.

Galaktisches Wurm-Terminal, Protokoll:

Notfallwurmung, defekter Morpher. Centauer trägt Schweif am Hinterkopf. Sonst komplett. Linguatransformer zurück geblieben. Teledestruktion empfohlen, Erde, 3.Planet im System Sonne.

GFAJ-1

„43R Cooot 2! – µ> 23/1aA!“
Phase 2 bestätigt. Ich tippte mir auf das menschliche Ohr. Die Verbindung war unterbrochen. Das Ding, das sie Uhr nannten, zeigte eine 1 und eine 2 an. Es war nun wichtig, in diesen Dimensionen zu denken, schließlich hatte ich eine Mission zu erfüllen. Ich schaute nach oben. Der Stern schien zu grell zu sein, für diese Augen. Welchen Sinn hatte diese Form der Orientierung dann? Egal. Kurz sammeln. Dann öffnete ich die Tür zum Restaurant. Phase zwei konnte beginnen.

Alle Tische waren besetzt. Darauf hatte ich gehofft. Um diese Uhrzeit nahmen sie alle Energie auf. Es war die Gelegenheit in Kontakt zutreten. Zum ersten Mal. Ich hatte mich für den 29-jährigen Joda entschieden. Nach hiesigen Maßstäben intelligent und gut aussehend. Nach allem, was ich gelernt hatte, waren das wichtige Faktoren, die den Aufbau von Kontakten erleichtern konnten. Hinten in der Ecke saß ein XX-Chromosom. In meiner Hose rührte sich etwas. Ein gutes Signal, wie ich wusste. Dann mal los.
„Guten Tag. Dürfte ich mich dazusetzen?“
Ich modellierte die Gestik, wie ich sie vor dem Spiegel geübt hatte, zog die Mundwinkel nach oben und machte einmal kurz das linke Auge zu. Sie schaute mit einem wenig geistreich wirkenden Blick von ihrem Buch auf, dann wanderten ihre Augen durch den Raum und zu mir zurück. Mein Lächeln schien nicht zu wirken. In den Filmen, die ich studiert hatte, war das immer anders.
„Bitte“, antwortete sie knapp und widmete sich wieder ihrem Buch.
„Ich bin Joda“, sagte ich, um abermals ihre Aufmerksamkeit zu bekommen.
Ich bekam sie. Schmale Augen. War das ein fragender Blick? Natürlich.
„Nein, ich habe keine Freundin und bin nicht verheiratet.“
„Hörzu Joda. Ich will ungestört lesen. Wenn du hier sitzen bleiben möchtest, lass die billige Anmache.“
Billige Anmache? Wieso billig? Und was machte ich an? Was sollte ich antworten? Ich versuchte es mit dem Gegenteil.
„Ich kann dich gerne auch teuer auslassen“, sagte ich, ohne zu wissen, was das genau bedeutete.
Ihre Haut zwischen den Augen formte Falten.
„Darf ich dich zum Essen einladen?“, hakte ich gleich nach. Ein Satz bei dem ich mir sicher war. Sowohl in Liebe auf den ersten Blick als auch in 10 Nächte mit dir reagierte das XX-Chromosom darauf positiv.
„Pass auf und mach deine Lauscher weit auf. Ich stehe nicht auf Männer und habe keine Lust, mit dir zu quatschen. Entweder du haltest deinen Schnabel oder du kannst dich verpissen. Comprendes?“

???

Ich stand auf und öffnete die Hose.

Ich, der Mensch und wer sind bitte die?

Ich stehe in einer menschlichen Behausung. Schäbig oder luxuriös vermag ich nicht zu sagen. Ein mir unbekannter Geruch in der Luft. Beißend, unangenehm, zum schneiden. Die Wände gelb, abblätterndes Material hier und da.

Gefäße stehen herum. Darin mir unbekannte Gebilde in eher weicherer Konsistenz.

An der einen Seite schwebt ein Kasten, auf ihm bewegen sich die besagten Zweibeiner. Ihre Behausungen sehen nicht intakt, irgendwie fehlerhaft aus.

Der obere Verschluss und Wände fehlen teilweise. Ich versuche sie anzufassen. Glatt. Alles glatt.

Die Haut der Menschen ist rot verschmiert. Das muss Blut sein. Kleinere Zweibeiner haben nasse Wangen. Das müssen Tränen sein.

Der Ort im Kasten wechselt. Am Himmel Flugkörper mit viel rot. Bewegen sich fort. Sehr schnell. Landen. Und nun, die Häuser sehen jetzt aus, wie im Bild zuvor.
Die selben Gesichtsausdrücke, schreiende Fratzen, Entsetzen in ihren Augen. Blut und Tränen.

Eine andere Kulisse. Viel Wasser. Die Behausung zur Hälfte nicht mehr sichtbar. Kein Blut diesmal. Aber wieder Tränen.

Ein Geräusch in der Behausung. Hinabfliessendes Wasser. Schritte. Näherkommend. Ich spüre, jetzt muss es schnell gehen!
Ich speichere das Gesehene und klettere aus der Öffnung im Gebäude. Das sind sie also, denke ich bei mir. Die Menschen.

Ich fühle mich noch nicht bereit für eine Zusammenkunft mit einem Zweibeiner.

Ich lasse meinen Körper entsprechend der Bilder anpassen. Mein Befehl wird ausgeführt.

Das Programm lädt. Ich betrachte den Fortschritt an einer spiegelnden Fläche an der Behausung. Ich erkenne mich immer weniger wieder.

„Mensch in Blut und Tränen“, erfolgreich geladen.

Ich trete hinaus aus dem Schatten des Gebäudes, in welchem meine Reise begann.

Hinter dem Haus, eine große Freifläche. Mit viel grün. Ich laufe ein Stück. Ungewohnt, dass ich mich so fortbewege.

Die Luft sieht hier klarer aus, als in dem glatten Objekt an der Wand. Ich stutze.

Es ist hell, der Himmel hier und da rosa getüncht. Es scheint sehr früh am Tage zu sein. Die Häuser hier sehen unversehrt aus.

Ich beschließe abzuwarten und weiter zu beobachten. Etwas üppiges grünes mit unzähligen kleinen Fächern bietet mir Deckung.

Wenige Exemplare der Spezies Mensch sind zu sehen.
Aber was ist das?
Sie sind nicht alleine!

Zweibeiner, die hinter kleineren Vierbeinern hinterherlaufen. Teilweise verbunden mit Seilen.

Die Vierbeiner lassen etwas hinten fallen. Die Menschen zücken kleine Säckchen, bücken sich und die braune Masse wird aufgehoben.

Ist das die Spezies, die sich die den Planet Erde untertan gemacht hat?

Ich stutze. Sind die Menschen hier unfrei und werden beherrscht von den viel kleineren Vierbeinern?

Kleine Kästen in den Händen der Menschen. Manchmal am Gesicht, manchmal davor.

Mir stockt der Atem. Wenige Schritte, direkt vor mir.
Ein Mensch geht neben einem Vierbeiner zu Boden. Der Zweibeiner kniet sich nieder. Ist das eine Geste der Unterwerfung?

Den Kasten in der einen Hand, den freien Arm legt er dem Vierbeiner um. Im Kasten wird der Moment konserviert.

Das kann ich aus meinem Versteck sehen. Der Zweibeinige schaut diesen soeben festgehaltenen Moment im Kasten an. Zuerst zeigt er Zähne, dann betrachtet er den Kasten genauer, dreht sich zögerlich um, blickt mir ins Antlitz. Und schreit laut.

Sein Gesicht sieht jetzt aus, wie das auf der glatten Fläche in der Behausung, aber ohne Blut und Tränen.

Ich fühle mich bereit und doch erfordert es Mut!

Ich trete heraus, Kontaktaufnahme.

Ich tue es ihm und den in der Behausung gesehen Menschen gleich und schreie, warme Tränen fließen mir die Wangen hinab.

Krakelianer

»Krakeluja!«, entfährt es mir. So habe ich es mir nicht vorgestellt. Allerdings muss ich zugeben, dass der Landeplatz nicht schlecht gewählt war. Ich hatte eine wunderbare Aussicht auf das Gelände. Das Krakedings, auf dem ich gelandet bin, ist voll mit grünen Krakelung. Ich schiebe einige beiseite, um nach unten blicken zu können. Das sind also Erdlinge. Sie wuseln unter mir umher und werfen Blicke zu mir hinauf. Einer der größeren umfasst meinen vermeintlich sicheren Krakedings und rüttelt daran, dass mir hier oben ganz schwindelig wird. Dabei stößt er knurrende Laute aus. Völlig unverständlich für einen Krakelanier. Ich protestiere gegen die unfreundliche Behandlung. »Ich komme in friedlicher Absicht. Ich will euch nur ein bisschen studieren.«
Anstatt nun respektvoll abzuwarten, rennen die Erdlinge kreischend davon. Nur der Obererdling bleibt ruhig und knurrt weiter. Das Knurren ist vielleicht nur eine andere Art der Begrüßung.
Ich bin kein Kämpfer-Krakelianer. Ich bin Wissenschaftler. Ich zünde den Krakekopter und lasse mich langsam vom Krakedings hinab. Das Gekreische der Erdlinge steigert sich noch. Der Obererdling weicht ein paar Schritte zurück. Dann beginnt er, auf seiner behaarten Erdlingsmitte zu trommeln, nimmt sich ein paar Krakebums und steckt sie sich in eine Öffnung ganz oben am Kopf. Ich notiere mir auf meinem Krakelion, dass ich möglicherweise eine Form der Nahrungsaufnahme entdeckt habe. Sehr interessant. Wieder trommelt der Anführer und dabei reißt er die Nahrungsöffnung weit auf und zeigt mir eine weiße Reihe von Waffen. An beiden Seiten sind diese Erdlingswaffen spitz und ziemlich groß. Aber sind es wirklich Waffen? Der Erdling beruhigt sich ein wenig und kommt vorsichtig ein paar Schritte auf mich zu. Er kann mich mit seinen beiden Tentakeln erreichen und streckt sie nach mir aus. Ein erster Annäherungsversuch? Vielleicht ist Obererdling ja ganz friedlich. Er berührt mein Krakedenk und ich habe Mühe, nicht zusammenzuzucken. Immerhin ist das mein wichtigestes Organ, ohne das ich nicht existieren kann. Aber es folgt kein Angriff. Stattdessen dreht er sich langsam um und ich sehe seine silbrig glänzende, gewaltige Rückseite. Die kleineren Erdlinge nähern sich jetzt wieder. Einer lässt sich ganz dicht beim Obererdling nieder und beginnt mit seinen Tentakeln überall rumzufummeln. Scheinbar findet er dort Nahrung, denn alle Augenblicke steckt er sich etwas in seine vermutliche Futterluke und schmatzt dann genussvoll. Neugierig hüpfe ich etwas näher, aber weiche respektvoll wieder zurück, als der Obererdling auf eine Weise brummt, die ich nur unfreundlich nennen kann.
Dann kommt ein ziemlich kleiner Erdling auf mich zu und fängt an, an mir herumzupulen. Seine Tentakeln sind am Ende in vier Abschnitte unterteilt, halt, da ist noch ein fünfter etwas unterhalb. Damit greift er nach meinem Krakedenk. Er wird mich ernsthaft beschädigen! Ich glaube, ich mag Erdlinge nicht, denke ich noch…

Dann wird alles schwarz.

»Krakel-eins an Krakel-zwei, bitte kommen!«
»Was gibt es, Krakel-eins?«
»Krakel-Siebenhundertzehn ist verschollen, können keinen Kontakt aufnehmen. Letzter bekannter Aufenthaltsort:
Erdlings-Breite: 53° 35‹ 41.532« N
Erdlings-Längengrad: 9° 56‹ 29.508« E

Wie der Hass, so die Liebe

„Unsichtbarkeitsmodus eingeschaltet“, melde ich an die Zentrale im Mutterschiff.

Besser so. Unter mir tummelt sich - ich spucke dieses Wort in Gedanken angewidert aus - Leben. Ich hasse Leben. Leben muss vernichtet werden.

Leider kommt mir dieses Mal das Vergnügen zu. Vergnügen, weil ich es liebe, das zu zerstören, was ich hasse. ‚Leider‘, weil ich mich dazu in die Gestalt des Zerstörungsobjekts verwandeln muss. In das, was ich hasse. Nach der Vernichtung eines anderen Planeten hatte ich tagelang Diodenstörungen und kurzzeitige Festplattenausfälle. Seitdem vertrage ich keinen Meteoritenstaub mehr. Mein Lieblingsessen. Hass kann nicht nur den Feind zerstören.

Und ich muss in Feindessprache töten. Befehle ausgeben, die auf dem Planeten verstanden werden. Das wiederum habe ich nie verstanden. Aber ich bin am besten geeignet, weil mein Hass unendlich ist.

Inmitten einer grünen Fläche, von hohem Gewächs bewuchert, überall in Grüppchen gesammelt Planetenbewohner, setze ich mein Sonde auf. Ich versuche, den Gedanken zu verdrängen, dass ich gleich dieselbe abartige Gestalt annehmen muss. Allein das lässt meine Dioden in mir beinah verglühen. Wie sie doch naiv und töricht sind! Ihrem Irrglauben vertrauen, dass ihr unnützes Leben ewig Bestand hat.

„Landung beendet. Umwandlung beginnt in zwei Minuten.“ Das wird meine vorerst letzte Information ans Mutterschiff sein. In Menschengestalt und außerhalb der Sonde habe ich keine Möglichkeit mehr, Nachrichten zu senden. Stattdessen werde ich alles wissen über die Planetenbewohner, ihre Sprache und ihre Worte kennen. Die Mission muss in 15 Minuten über die Bühne gebracht werden. Danach zerstört sich meine Sonde von selbst, und ich hänge auf diesem verfluchten Planeten für ewig fest.

Ich scanne die Umgebung nach einem geeigneten Objekt. Für meine Umwandlung. Was mit dem Planetenbewohner passiert, sobald ich mich in ihn gewandelt habe, ist mir egal. Ansonsten würde er vernichtet. Was soll es also?

Objekt gefunden, meldet mein System. Allein, abseits, gedanklich weit weg von diesem Ort. So die Meldung. Ich fixiere es, sammle kurz weitere Informationen. Jung, dunkle Haare, braune Augen, Informatiker. Damit kann ich nichts anfangen. Egal. Vernichtung. Umwandlung aktiviert, ein Lichtstrahl, Explosion und…

„Oh…ich…oh…“ Schwäche. Schönheit. Genuss. Wie…so wunderbar, dieser Park, die Sonne, die Menschen, das Leben, dieses Mädchen…Lisa. Benommen schüttle ich den Kopf. Damit habe ich nicht gerechnet. Dass mein System nicht korrekt funktioniert. Etwas überlappt es.

Sie ist da.

Wer? Was? Wo? Als ob ich es nur spüre, dass sie da ist.

Hilfe, mein Herz beginnt zu rasen. Meine Beine sind…ist das normal? Laufen Menschen auf Gummi? Ich kann kaum aufstehen, aber ich muss. Weil sie kommt. Lisa.

Keine Gedanken mehr, kein System, alles komplett abgestürzt.

Sie sieht mich an. Steht da und schaut mich mit diesem Unendlichkeitsblau an. Unschuld, Sanftheit und Fröhlichkeit strahlen mich an. Lassen mein Inneres zerschmelzen.

Moment mal…mein Inneres? Ich bestehe aus … Flüssigkeit? Ich schmelze? So fühlt es sich an. Mein Gesicht verändert sich. Der Mund zieht sich auseinander. Öffnet sich. Sagt leise: „Lisa.“

Und sie strahlt noch mehr. Kommt nah, viel zu nah. Nein, nicht nah genug. Berührt mit ihren zarten Händen meine Arme, meine Schultern, meinen Nacken, meine Wangen. Ihr Gesicht, immer noch nicht nah genug, ich komme ihr entgegen, weiß, dass meine Lippen ihre berühren müssen…und tun es.

Und dann weiß ich, dass ich nur noch eines will: leben und lieben. Lisa.

Lange schon beobachtete ich dieses blaue Kleinod, diese Bastion des Lebens in der alles umschließenden, kalten Finsternis. Ich studierte den ewigen Tanz ihrer Kontinente, sah ihre Polkappen sterben und auferstehen und wurde Zeuge der Geburt unzähliger Spezies.
Dann sah ich Magma über das Land fluten, Asteroiden herabstürzen und das vielfältige Leben für immer vergehen.

Doch das Leben war zäh auf diesem Planeten, es entwickelte sich und wurde über alle Maßen beängstigend.

Ich musste mich überzeugen und betrat zum ersten Mal die mir so vertraute Welt.
Es war nahe. Zwei Beine, zwei Arme, Kopf mit Haaren – es waren die richtigen Proportionen. Es drehte sich zu mir, blickte mit zwei Augen, samt farbiger Iris und kleiner Pupille und lächelte kurz mit einem unter einer Nase mit zwei Öffnungen befindlichen Mund.

Millionen Sonnenläufe lang wachte ich mit forschenden Blick über diesen Planeten. Meine Herkunft? Längst vergessen im opaken Schleier der endlosen Weiten. Meine Spezies? Ich war immer allein.

Nun blicke ich auf dieser fremden Welt in dieses fremde Antlitz. Sehe die vertrauten Konturen, bemerke die wohlbekannte Mimik. Ich blicke in ein fremdes Gesicht und doch betrachte ich einen Spiegel.

Pan307

«Ab394 spicht! Terraorbit Station an Filamenterkunderin Pan307, erbitte Meldung?»
Sein Kristallgesicht flirrt auf meinem Holosreen.
«Bin vor Ort!», sag ich.
«Inkorrekte Übertragung!», sagt er,«Irgendwas rauscht bei Ihnen, oder ist der Nanidanzug nicht feinjustiert?»
Ich moduliere einen Harlekin um meinen Anzug und tanze in der Menge.
«Das ist kein Rauschen, das ist eine Feier!», sag ich.
«Bitte vollständige Meldung mit Koordinatenzuweisung noch bis 2035, wenn es denn geht! Mit Verlaub, Ihr Display spiegelt völligen Unsinn. Was ist das für ein farbiger Pulk. Ich überprüfe Ihr Quantengitter im Sichtfeld.»
«Prüfe schon selbst, Daten korrekt: 50° 56‘ 28.68 N 6° 57‘ 29.88 E. Deutzer Brücke», sag ich.
«Korrekt! Ja korrekt, aber was ist da los?», sagt er ungehalten.
«Wenn es Sie um ein Quantum tröstet, ich interagiere noch nicht, ich messe noch nicht, also fegen Sie die Mumie von Schrödingers Katze von Ihrer steifen Schulter, werfen sie in den Absorber und lassen mich hier arbeiten. Der farbige Pulk, nennt sich Zug!»
«Zug? Negativ! Bilddaten Zug werden gesendet, erbitte Vergleichsanalyse.»
Intergalaktisches Rauschen. Ab394 mal wieder auf kristallener Hartlinerebene, wie die Erdenbewohner es nennen: emotional verkapselt. 763 Raumlichtjahre engste Zusammenarbeit, denke ich, und noch immer kein Du! Ich hatte Erde und Trabant als Studienfach. In Skandinavien gibt es das Du schon grammatikalisch verordnet. Ich kenne Ab394 länger, als dieses Sonnensystem besteht, und immer noch, ist er kälter als die Eisklötze des Saturnrings.
Nenn mich Pan, hatte ich mal versucht, vor, hmm, knapp 375000 Jahren. Nahe des so romantischen Andromedanebels, mit Blick auf einen bald kollabierenden roten Riesen. Ein herrlicher Moment sollte es werden, ich dachte an unser intimes Feuerwerk, mitten in der Einsamkeit dieses Clusters, aber Ab blieb sachlich. Er hätte leicht in meiner rötlich schimmernden Kristallstruktur lesen können, doch seine blieb blau und kühl, wie immer. Die wärmsten Gefühle, die je in ihm flimmerten, glichen einem verwelkten Krokus auf der Erde, in kränklichem Violett.

Die Masse bebt und springt. Ich spüre, wie das Brückenmaterial vibriert und zittert, absorbiere jede noch so helle oder tiefe Frequenz. Sie nennen ihr Gehampel Tanz. Rollende Wagen mit Riesen aus Pappmaschee fahren mir fast über meine vier Füße. Bunte fröhliche Figuren schwingen um mich herum, schieben, pressen, umarmen mich, stopfen mir Dinge in den Mund oder bieten mir Flüssigkeiten an. Eine Figur umarmt mich und sagt:«Wo worst’e, de janze Zick? Küss de hück nit, küss de morje.»

Integriertes Übersetzungsmodul zeigt Bildstaben: Das Wesen will küssen. Menschen tun dies, um die Fortpflanzung einzuleiten. Ausschüttung von Hormonen und Temperaturanstieg. Durchblutung regional wichtiger Extremitäten.
«Kristall und humanoide Biomasse, bisher unbekannte Kombination!», sag ich, aber das Wesen ist wenig beeindruckt von meiner Analyse.
«Was ist los?», rauscht Ab394, von weit weg und doch so nah.
«Alles okay, ich teste Flüssigkeiten und soziale Netzstrukturen. Es sind kommunikative Schwarmwesen, die sich, moment…», ich schluckte einen großen Schluck aus dem Plastikbecher. Mein Gegenüber, das sich wie eine Figur um 1860 mit Zylinder und langem Gehrock, sowie Gehstock, gekleidet hat, prostet mir lächelnd zu. Das, was sie Wodga nennen, rinnt wie ein offenes Feuer in die atomare Struktur meiner emulierten Verdauungsorgane. Innen beginne ich zu leuchten. Das passiert mir sonst nur in der Nähe von Ab394.
Prost! Von allen Seiten erneut, Prösterchen! Ein altgeschichtlicher Ritus den eine Erkundungseinheit, wie ich, nicht ignorieren darf, ohne Auffälligkeiten zu provozieren.
Display Bildstabenanzeige erklärt Zuprosten: Zuprosten ist eine wesentliche soziale Komponente, bei gemeinsamer Flüssigkeitsaufnahme. Alles um mich herum rauscht! «He!»,schreit ein Weißblauer und reißt mich herum, schiebt mich zurück in die johlende bunte Erdlingsmenge. Ein großer Wagen rauscht vorbei und die Figuren werfen Dinge nach mir. «Pass up, du Jeck!»
Man schiebt mich zurück hinter die Absperrung aus weißrotem Flatterband.
«Humanoiddaten: OCHCaClPKSNaMa», meldet Ab394.
«Sie sind mehr, als die Einzelteile ihrer chemischen Elemente, du Jeck!», sag ich aus einer spontanen Laune heraus, ja fast böse und denke sogleich über diesen analytischen Emotionslegasteniker im Orbit nach. Was an ihm ist es, dass meine Neutrinos umlenkt und meine atomare Kristallstruktur leuchten lässt. Er ist mir weder Welle noch Teilchen. So anschmiegsam wie Chrom und so interessant wie Antimaterie. Wenn ich das Pulsieren seines Kristalls nicht fühlen würde, hätte ich den Verdacht auf eine illegale KI, denn die benehmen sich ebenso.
Dann schießt es mir in die Gitterstruktur. Humor! Er hat diese Art, mich zum Lachen zu bringen. Und das, obwohl Lachen bei uns über 713 Raumlichtjahre als verboten galt. Er ist mutig! Die Angst vor dem Lachen verstand damals jeder, weil es schon von klein auf an in den Kristallschulen gelehrt wurde. Strukturansteckende Emotionen. Kristallvirismus, der unter Strafe standen. Elemente, deren Besitz unter Strafe standen, als wir noch vom Cluster regiert wurden.
«Lächeln!», schreit mir jemand dorthin, wo diesen Wesen sogenannte Ohrmuscheln wuchern. Wir benötigen dergleichen nicht. Hören durch Vibrationen, filtern durch Schwingungen. Etwas blitzt mich blind!
«Schau!», sagt der Welpenmensch mit dem Zylinder,«Cooles Selfie, oder? Gib ’ma Nummer rüber und check das ab!»
Mein Gesicht zeigt kristallinen Gleichmut bei völliger Unwissenheit.
«Na Handy, du Jeck! Handynummer. Komm schon Babe.»
Der Mensch kriecht förmlich in mein Kostüm und sucht meine Kleidung ab, nach etwas, das er Handy nennt.
Handy: Kommunikationsmittel auf Terra seit den frühen 1990er Jahren.
«Alaaf!», rief eine Horde Jecken. Musik erklingt, Menschen lachen, eine Schwingung aus Freude erfüllt die Umgebung. Da reisen wir hunderte von Lichtjahren, finden endlich eine Species, die Freude empfinden kann.
Jetzt verstehe ich. Endlich verstehe ich, denn das hatte ich bereits erlebt, auf Epsylon Beta drei, dem friedvollsten und mittlerweile heimeligsten Planeten im Andromedasystem. Praktisch in der Nachbarschaft, gegenüber.

Dies hier, ist eine bunte Revolution. Die Waffe heißt Freude. Der Auftrag greift zu Hundertprozent. Erkundung und Hilfe. Hier kann ich helfen. In mir entsteht in Millisekunden das Raster. Kristall zu sein ist umwerfend nützlich, denn wir sind die Meister der ehrlichen Strukturen. Innerhalb von drei Generationen würde dieser Planet frei und friedlich sein. In kristallinen Gittern gibt es keine Lüge.
«Komm runter Ab394! Parke die Station. Nimm den Christallporter. Planet im Umbruch!»
«Ein Befehl Pan 307? Es muss ernst sein, ich folge!»
«Der Code A-L-A-A-F. Wir bleiben eine Weile hier, du Jeck!», sag ich, bereits angesteckt vom terrestrischen Freudenvirus.
Ich greife mir den jungen Herrn mit Gehrock, Handy und Zylinder und wir verschwinden küssend in der Menge. Dieser Planet wird AB394 ganz gewiss heilen, wir werden Unmengen von Kindern haben, werden lachen und lieben.

Es fand die Schnelligkeit, mit der sie sich physisch bewegen konnten, etwas beängstigend. Sie nutzten ungelenk ihre eigenen Extremitäten dafür, oder die vielen Objekte, die es hier überall gab. Sie eilten durch ihre fremdartige Welt und deren dünne Gashülle. Immerzu. Verschwendeten Kinetik und Zeit. Ihr Sehvermögen, einfache Glaskörper, waren dafür denkbar schlecht geeignet. Aber sie bekamen es hin. Die Aufhebung der atomaren Bindung war dieser Spezies noch nicht bekannt. Sie konnten noch nicht durch Raum und Zeit reisen. Das erschwerte die Kontaktaufnahme unter akzeptablen Bedingungen.

Die Eigenrotation des Planeten war eine Hilfe. Der Zentralkörper dieses Systems würde hinter dem topozentrischen Horizont verschwinden und seine thermonukleare Strahlung für wenige Stunden auf der anderen Seite verteilen. Einige der seltsamen Lebewesen würden pausieren und Energie generieren.

Darauf wartete es, ruhte seine Ommatidien aus, indem es den Untergang des Zentralkörpers beobachtete. Durch hunderte von Einzelaugen mit 200 Bildern die Sekunde. Die Ränder honiggelb blutete ihre Sonne aus, sickerte in den Zenit und war verschwunden. Dieser Planet hatte so viel zu bieten. Die vorherrschende Spezies hatte das wahre Potenzial nicht mal ansatzweise erfasst. Die Zeit für eine Kontaktaufnahme war gekommen. Es reckte die Mandibeln in die Höhe. Empfing die Signale von den anderen. Alle waren soweit.

Sein Ziel hielt sich in einem der seltsamen Objekte auf, eine Ansammlung kleiner Räume. Hässliche Gebilde in geometrischer Anordnung. Es sah zu dem dunklen Rechteck im oberen Drittel der Behausung. Dort musste es hin. Im selben Moment teleportierte es zur Öffnung und inspizierte den kleinen Raum. Das kleine Wesen atmete Gas ein und aus, langsam und gleichmäßig. Ihm hafteten eigenartige Gerüche an. Einen Augenblick später saß es auf dessen Brust.

Ein Außenstehender hätte nicht viel gesehen. Ein schlafendes Kind im Spongebob-Schlafanzug. Etwas auf dem Oberkörper, kleiner als eine Ameise. Nur hässlicher.

Linkisch stakste es Richtung Kopf. Dort gab es Möglichkeiten für eine Kontaktaufnahme. Öffnungen. Es begann, seine Gliedmaßen mit Sekret zu benetzen. Die Drüse am Hinterleib sirrte vor Anstrengung. Wo seine unzähligen Beinchen auftraten, blieben feine Härchen zurück. Sie wurden davongetragen und eingeatmet. Langsam und gleichmäßig.

Es näherte sich dem Gesicht, glitt links am Mund vorbei und kroch vorsichtig in die Nase. Dockte an die Geruchsnerven an. Betäubte den Bereich. Glitt tiefer hinein. Eine letzte, fischige Bewegung. Der Planet würde bald ihnen gehören. Seinen Schöpfern.

Kontakt.