Geheimer Bericht #22102023: Botschafter der 3. Enklave Azriel, Teil 1: SZ13480901
Es gibt ein Sprichwort unter den Ariels, das lautet: „Alles was schiefgehen kann wird schiefgehen.“ Die Auswirkungen dieses Sprichwortes erfuhr ich am eigenen Leib, obwohl die Geschichte sehr gut angefangen hatte. Die Friedensverhandlungen mit den Ignis sind sehr gut verlaufen. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten wurde ein Nichtangriffspackt geschlossen, der diesen sinnlosen Krieg vielleicht endlich beendet.
Ich musste unbedingt die Ergebnisse der Verhandlungen dem Oberkommando vorstellen, denn sie planten einen vernichtenden Schlag auf zivile Einrichtungen der Ignis. Das Holonet konnte ich nicht verwenden, es gab Leute, die davon noch nicht erfahren dürfen. Millionen würden sterben, wenn ich meinen Heimatplaneten nicht innerhalb fünf Tagen erreichte.
Nicht alle waren mit dem Ausgang der Verhandlungen glücklich. Extremistengruppen wollten den Vertrag, der sich an Board meines Schiffes befand, nicht in den Händen des Oberkommandos sehen und ihn samt meiner Wenigkeit vernichten. Schon kurz nach Verlassen des Orbits von Ouaua, dem Planeten auf dem die Verhandlungen stattgefunden hatten, wurde ich angegriffen. Erstaunlicherweise waren die Angreifer meine Landsleute. Ich musste einen Weg abseits der Hauptrouten einschlagen, um ihnen zu entkommen.
Das Oberkommando hatte ja bereits Zwischenfälle erwartet, deswegen wurde ich ausgewählt für diese Mission, doch die Warpstürme waren einfach zu viel für meine navigatorischen Fähigkeiten. Ich kam vom Kurs ab und wurde in ein Sonnensystem mit neun Planeten, zwei Asteroidengürteln und einer gelben Sonne gespült.
Mein Schiff war beschädigt, das Kommsystem zerstört und mir war der Treibstoff ausgegangen. Um die Beschädigungen zu reparieren müsste ich von außen an die Schiffshülle und der Raumanzug war auch nicht mehr funktionsfähig. Deswegen war für eine Reparatur eine Landung notwendig. Glücklicherweise zeigten meine Scanner, dass es auf dem dritten Planeten eine atembare Atmosphäre für mich gab. Somit setzte ich Kurs darauf.
Gut, dass mein Schiff ein älteres Modell war und es noch Rettungsschirme als Backupsystem hatte, sonst hätte ich die Landung nicht überlebt. Ich verbrauchte die letzten Tropfen Treibstoff, die noch im Rohrsystem war, um einen Landungsvektor anzufliegen, dann fielen die Haupttriebwerke aus. Ich raste auf die Tagseite des Planeten zu. Vom Orbit sah er wunderschön aus, doch ganz anders als Ariel.
Er war mit sehr viel Wasser bedeckt, bestimmt zwei Drittel der Oberfläche. Eine große Landmasse schwamm vor mir auf dem Ozean, die sich bis auf die Nachtseite erstreckte, die ich aber nicht sehen konnte. Mein Schiff fiel auf den nördlichen Rand einer Halbinsel zu, die wie ein Schuh mit großem Absatz aussah. Die Kontinente waren überwiegend von grüner Farbe bedeckt, was bedeuten musste, dass es hier ziemlich viele Pflanzen gab.
Das Ziel meines Kurses wurde vor der Scheibe meines Raumschiffs immer größer. Rote Flammen leckten an den Schutzschilden, die Temperatur im Cockpit stieg rapide an. Das Schiff vibrierte und ich wurde wild umhergeschleudert. Gut dass ich angeschnallt war. Vor mir wurde alles weiß. Kondenswasser beschlug die Scheibe.
Ich flog blind durch eine Wolkenschicht. Ich versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren, tun hätte ich eh nichts können. Mein Schicksal lag in Azmondias Händen. Ich schickte ein kurzes Gebet zu der Göttin. Die nächsten Sekunden würden über das Schicksal von zwei Völkern und über mein Leben entscheiden.
Der Boden war nicht mehr weit entfernt und kam immer näher. Ich sah ein neues Problem aufkommen, doch darum musste ich mich kümmern, wenn ich gelandet war. Mit aller Anstrengung streckte ich meinen Finger aus um die Bremsfallschirme und die Steuerdüsen zu zünden. Mit einem heftigen Ruck wurde der Flug angenehmer und der Fall langsamer. Erleichtert holte ich einen tiefen Atemzug. Ich hatte die ganze Zeit vor Anspannung die Luft angehalten. Vor mir lag eine gebirgige Landschaft, die mit Wäldern bedeckt war.
Trotz aller Bremskraft war ich immer noch viel zu schnell. Die Baumspitzen brachen ab wie Streichhölzer als ich mich dem Boden näherte. Ein weiterer heftiger Ruck und ich setzte auf. Ich denke, dass ich beim Aufprall kurz das Bewusstsein verloren hatte. Ich vermute, dass das Schiff noch einige Zeit weiter geschlittert war, bis es gebremst durch die ganzen Bäume schließlich zum Stillstand kam.
Als ich wieder zu mir kam, wurden mir zuerst die ganzen Schmerzen bewusst, die ich hatte. Ich spürte, wie heißes Blut über meine rechte Gesichtshälfte ran und meine Sicht behinderte. Laute Alarmtöne schrillten durch das Cockpit. Zahlreiche Warnleuchten und Fehlermeldungen blinkten auf den Displays auf.
Um aus dem Stuhl hochzukommen, stützte ich mich mit meinen Armen auf den Lehnen ab und stieß sofort einen Schmerzensschrei aus. Mein Arm war gebrochen. Andere Muskeln und meinen anderen Arm benutzend, konnte ich mich doch aus dem Stuhl befreien. Als ich stand, leerte ich schon mal meinen Mageninhalt auf den verdreckten Boden des Cockpits. Aber ansonsten schien es mir gut zu gehen.
Ich untersuchte die Konsolen, zumindest, die, die nicht beschädigt waren. Es war einfach wichtiger zu wissen, ob ich hier jemals wieder wegkommen würde, als mich zu verarzten. Durch den Aufprall wurde das Schiff zwar weiter beschädigt, aber bis auf die kritischen Systeme, die sowieso schon kaputt waren, hat sich nichts verschlimmert.
Wenn ich die Anzeigen richtig las, konnte ich mit ein bisschen Werkzeug, ein paar Kohlenstoffnanotubes und Magnesiumträgern und zehn Liter Helium als Treibstoff wieder starten. Leider waren die Schiffssensoren komplett unbrauchbar und der Scanner in meinem Kommunikator hatte nur eine Reichweite von ein paar Schritt, ich musste also zuerst das Zeug finden. Dafür musste ich das Schiff verlassen und mich umsehen. Es war nicht unmöglich.
Ich könnte natürlich auch versuchen das Kommunikationssystem zu reparieren und dann Hilfe rufen. Das Kühlmittel dafür ist ausgelaufen, ich bräuchte also flüssigen Stickstoff und die Spulen und ein paar Leitungen sind durchgebrannt. Dafür müsste ich mehrere Meter Supraleitungen finden. Das Zeug war schwieriger zu beschaffen und stellte mich vor drei weiteren Problemen:
Erstens, meine Angreifer könnten den Notruf abfangen, zweitens meine Retter könnten genauso durch die Warpstürme abstürzen und das schlimmste Problem von allen: Auf meinem Anflug, sah ich Anzeichen von Behausungen und Zivilisation. Der Planet war bewohnt.
Das oberste Gebot lautete, keine Einmischung in Zivilisationen, die das interstellare Reisen noch nicht erforscht hat. Das ist das einzige Gesetz bei dem, bei Zuwiderhandlung, die Todesstrafe vollzogen wird. Ich denke nicht, dass ich die Materialien für meine Reparatur ohne Hilfe der Einheimischen bekommen hätte, doch ich wollte mein Bestes geben, den Einfluss meiner Anwesenheit so gering wie möglich zu halten. Immerhin hing mein Leben nicht nur in einer Weise davon ab.
Nachdem ich nun meine Wunden verarztet hatte, wollte ich mich auf die Suche nach den Materialen begeben. Beim Absturz war ich über eine Siedlung geflogen, die nicht weit von meiner Absturzstelle entfernt war. Vielleicht würde ich dort fündig werden und könnte auch mehr über die einheimischen Wesen erfahren. Zum Glück sind meine Flügel beim Absturz nicht verletzt worden, denn wie es aussah, war ich an einem Berghang in der Nähe des Gipfels gelandet. Zu Fuß würde der Weg um einiges mühsamer sein und länger dauern.
Geheimer Bericht #22102023: Botschafter der 3. Enklave Azriel, Teil 2: SZ13480901
Zwei Planetenrotationen waren bereits vergangen. Mir war aufgefallen, dass ein Tag auf Ariel ungefähr eineinhalb Mal länger dauert als hier. Aber ich hatte mittlerweile ein bisschen was erreicht, auch wenn es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein war.
Den ersten Tag hatte ich mit der Beobachtung der einheimischen, zivilisierten Wesen verbracht. Es gab auch eine sehr umfangreiche Fauna, mit deren Analyse sich ein ganzes Team von Wissenschaftlern ein Leben lang beschäftigen könnte. Ich hatte aber wichtigeres vor. Lange musste ich nicht suchen, bis ich welche von den Zivilisierten fand.
Es war sogar notwendig, sie von ihrem Weg abzubringen, damit sie mein Schiff nicht entdeckten. Mit einem Multifunktionswerkzeug, meinen Kommunikator und etwas Proviant im Gepäck war ich losgeflogen. Außerdem hatte ich in der Krankenstation ein Visier gefunden, dass es mir erlaubte Dinge zu vergrößern und verschiedene Lichtspektren zu sehen.
Die Luft hier war unglaublich angenehm und roch wahnsinnig gut. Leider kenne ich keine vergleichbaren Gerüche auf Ariel, somit fällt mir es auch schwer zu beschreiben. Das Fliegen fiel mir dagegen sehr leicht, ich denke, dass das an der dichteren Atmosphäre als zuhause liegt.
Nach etwa dreißig Stes sah ich die ersten Einheimischen. Es war eine kleine Gruppe von vielleicht zwei Dutzend Exemplaren. Sie folgten einem schmalen Pfad durch den Wald. Ich hoffte, dass ich so hoch über ihnen flog, damit sie mich nicht wahrnehmen können. Mit dem Visier konnte ich sie in mein Sichtfeld holen und beobachten.
Sie sahen gar nicht so viel anders aus, wie wir Ariels. Sie hatten einen Kopf, zwei Arme, zwei Beine, zwei Augen. Ihre Größe variierte etwas. Zwei von ihnen führten die Gruppe an und hätten einen ausgewachsenen Ariel in die Augen blicken können. Die anderen waren etwa einen Kopf kleiner. Ich konnte keine Flügel oder ähnliche Organe zum Fliegen ausmachen. Arme Wesen. Fliegen ist toll.
Mir fiel auf, dass sie einen Finger mehr hatten wie wir. Interessant fand ich auch, dass sie ihr Fell nur auf dem Kopf trugen. Wobei auch hier Unterschiede zu erkennen waren. Bei einigen war das Fell länger, es reichte teilweise bis zur Hälfte des Rückens, andere hatten ganz kurze oder gar keines am Kopf. Es sah so aus, als wäre es künstlich entfernt worden. Einer der zwei Großen hatte auch Fell um die Mundgegend.
Ihre Köpfe waren sowieso das Seltsamste an ihnen. Sie hatten einen Fortsatz mitten im Gesicht. Auf jeder Seite stand ein Fleischlappen weg. Über die Funktion dieser Organe konnte ich nur wild spekulieren. Nur der Mund war wieder ähnlich wie bei uns. Ihren Körper hatten sie mit Kleidung bedeckt, wie es auch Ariels tun würden.
Die Wesen konnte ich grob in zwei Gruppen einteilen. Die Kleinsten von ihnen, bei denen auch die Muskeln nicht so stark ausgeprägt waren, hatten noch zwei Fortsätze nebeneinander auf der Brust. Beide waren gleich groß, unterschieden sich aber von Wesen zu Wesen. Bei den Größeren und Muskulöseren fehlten sie jedoch ganz.
Bei ein, zwei Exemplaren bin ich mir nicht sicher in welche Gruppe ich sie stecken würde. Ich nehme sehr stark an, dass es sich hier um geschlechtliche Unterschiede handelt, wobei ich nicht weiß welche Eigenschaften zu den Männchen und welche zu den Weibchen gehören.
Nachdem ich das Verhalten, aus dem ich nicht sonderlich schlau wurde, etwas beobachtet hatte entfernte sich eine Vierergruppe vom Rest. Es waren zwei Muskulöse und zwei Andere. Sie gestikulierten wild und zeigten in die Richtung, wo mein Schiff war. Das Kleinste von ihnen schubsten die anderen immer weiter durch das Unterholz. Jetzt fiel mir auch auf, dass es ähnlich wie mein Visier ein Gestell im Gesicht hatte, das seine Augen merkwürdig vergrößerte. Beim dritten Mal Schubsen fiel es hin und die anderen stießen komische Geräusche aus. Das Gestell sah verbogen aus.
Besorgt blickte ich zu meinem Schiff. Wenn sie noch weitergingen würden sie es finden. Ich musste mir dringend was einfallen lassen. Sollte ich sie erschrecken? Aber dann müsste ich mich Ihnen zeigen. Ich sah meine Ausrüstung an. Mir kam eine Idee. Ich wartete auf einen günstigen Zeitpunkt und schoss im Sturzflug ein paar hundert Schritt hinter sie. Kurz bevor ich auf dem Boden aufkam spreizte ich die Flügel, bremste den Fall und landete geräuschlos.
Mit dem Multitool schnitt ich drei Bäume an und gab ihnen einen Ruck, damit sie umfielen. Während des Falls knackten die abbrechenden Äste. Mit einem lauten Rumps landeten die Bäume und versperrten den einzig möglichen Weg durch das Unterholz. Ich wartete ein paar Stes. Ich betete, dass sie sich erschreckt hatten und sie nichtmehr kamen. Schließlich nahm ich meine Beschäftigung wieder auf und flog wieder in den Himmel. Erleichtert konnte ich von dort aus erkennen, dass alle vier, so schnell sie konnten, wieder zu der Gruppe zurück rannten. Azmondia hatte mich gehört.
Im weiteren Verlauf des Tages weckte das kleine Wesen mit dem Gestell im Gesicht immer mehr meine Aufmerksamkeit. Aus mir unbekannten Gründen hob es immer wieder den Arm, wenn die Gruppe Pause machte, einer der Großen deutete dann mit den zweiten Finger darauf und kurze Zeit später verzerrte sich das Gesicht und die Mundwinkel gingen nach oben.
Am Nachmittag kehrte die Gruppe zu ihrer Siedlung zurück. Ihre Behausungen waren sehr niedrig, hatten weiße Wände und dreieckige rote Dächer. Durch Fenster konnte man teilweise hineinsehen. Ich folgte unauffällig meinem Beobachtungsobjekt zu dessen Behausung. Auf dem Weg dorthin bemerkte ich, dass es sogar mehr von den großen Exemplaren gibt als von den Kleinen. Die Sonne ging schließlich unter und mein Exemplar ging nicht mehr nach draußen. Offensichtlich sind diese Wesen hauptsächlich tagesaktiv, denn immer weniger waren außerhalb der Gebäude.
Künstliche Beleuchtungen gingen an der Seite von grauen unnatürlichen Wegen an. Daraus schließe ich, dass die Einheimischen ihre Umgebung hauptsächlich durch Sehen war nehmen. Das brachte mir in der Nacht einen Vorteil. Vorsichtig inspizierte ich die Fenster. Schön langsam wurde ich etwas erschöpft von der ganzen Fliegerei.
Bei einem im Erdgeschoss wurde ich schließlich fündig. Fast konnte ich es nicht erkennen, da es sich zugedeckt hatte. Was mich noch mehr erstaunte war, dass ich etwas im Zimmer des Wesens entdeckte, dass mein Herz vor Aufregung höher schlagen ließ: Etwas, das aussah wie eine Datenkonsole. Ich beschloss am Tag darauf wieder zu kommen und das näher zu inspizieren.
Am nächsten Tag brannten mir die Flugmuskeln. So lange war ich schon lange nicht mehr am Stück geflogen. Dennoch kehrte ich zu der Behausung zurück. Aus ein paar Fetzen hatte ich schnell eine Verkleidung zusammengebastelt. Eine weite Robe mit Kapuze, die meinen Kopf und meine Hände bedeckte.
Wenn niemand genauer hinsah, dachte ich, würde ich von weitem als Einheimischer durchgehen. Ich landete diesmal etwas abseits der Siedlung und erreichte mein Ziel zu Fuß. Ein paar traf ich auf meinen Weg und sie stießen Laute aus, die ich nicht verstand. Ich denke, sie kommunizieren so miteinander.
Peinlichst darauf bedacht, dass mich am Gebäude niemand sah, zwang ich mich durch eine Öffnung auf dem Dach, die mir am Vortag schon aufgefallen war. Vorher hatte ich mich noch vergewissert, dass niemand zuhause war. Hustend und keuchend kam ich am Ausgang der Röhre an. Von oben bis unten war ich komplett schwarz. Der Zusammensetzung nach zu urteilen, waren es Verbrennungsrückstände.
Viele unbekannte Eindrücke brachen über mich herein, doch ich musste mich darauf konzentrieren, das Datenterminal zu finden. Es könnte mir helfen hier zu finden was ich brauchte. Meinem Orientierungssinn folgend fand ich schließlich den Raum, in dem das Wesen geschlafen hatte. Ich sah mich um.
Viel von den Wänden war mit Bildern bedeckt, die verschiedene Lebewesen zeigten. Endlich fand ich wonach ich suchte: Ein Bildschirm und daneben ein schwarzer Kasten, beides mit Leitungen verbunden. Ich ließ es von meinem Kommunikator analysieren. Die Maschine hatte keine Energie. Aber ich konnte ein paar Schalter erkennen, die ich willkürlich betätigte.
Nach einiger Zeit erwachte das Ding zum Leben. Vor Schreck stieß ich quaderförmige Dinge vom Tisch, die aus mehreren hundert einzelnen Blättern bestanden. Mein Kommunikator zeigte mir an, dass die Maschine auf Basis elektrischer Impulse funktionierte. Eine Schnittstelle des Kommunikators war kompatibel und konnte Daten abfragen.
Doch leider verstand ich die Sprache nicht. Zuerst musste ich meinen Kommunikator also nach Informationen über eine Sprache suchen, mit der er die Übersetzungssoftware füttern konnte. Meine anfängliche Euphorie schwand weiter. Die Rechenleistung des Kommunikators war nicht vergleichbar mit dem Computerkern eines Schiffes, deswegen würde das ganze Vorhaben einen halben Tag dauern.
Geheimer Bericht #22102023: Botschafter der 3. Enklave Azriel, Teil 3: SZ13480901
Schwermütig hatte ich den Kommunikator hoch oben, auf einen Kasten mit Tür aus Holz versteckt. Die Dinge, die ich vorher runterschmiss, weckten meine Aufmerksamkeit. Anfangs konnte ich die Schrift nicht lesen, doch anscheinend waren es Anleitungen für verschiedene wissenschaftliche Themen. Aufgrund der Bilder konnte ich nach einer kurzen Zeit grundlegende Zeichen entziffern.
Ich war beeindruckt, wie viel sie doch vom Universum wissen und doch noch nicht auf die Idee gekommen sind einen Warpantrieb zu bauen. Am Anfang waren die Umrechnungen am Schwierigsten. Ihr Zahlensystem basierte auf einer Zehnerpotenz, nicht wie unseres auf einer Achterpotenz. Ein weiterer Quantensprung in der Entschlüsselung ihrer Schrift, war die Entdeckung eines Periodensystems. Es war zwar nicht vollständig oder vielleicht hatten sie ein paar Elemente noch nicht entdeckt, aber es half mir die Wissenssammlungen besser zu studieren.
Was als nächstes passierte bereute ich sehr. Leider war ich so in meine Studien vertieft, dass ich das Wesen nicht hereinkommen hörte. Es stieß einen fast betäubenden schrillen Schrei aus. Ich selbst wurde davon so erschreckt, dass ich von meinem weichen Sitz herunterstürzte und instinktiv meine Flügel ausbreitete. Dabei stieß ich wieder ein paar Sachen um und die Wissenssammlung, in die ich vertieft war, fiel zu Boden.
Endlich stoppte der Lärm und es keuchte schwer. Außerdem fing es an zu zittern und die rosafarbene Haut wurde feucht. Sonst war es komplett erstarrt. Was sollte ich tun? Der Kommunikator brauchte noch ein bisschen zur Entschlüsselung der Sprache. Fürs erste faltete ich meine Flügel wieder zusammen. Ich konnte mir vorstellen, das alles was ihm unbekannt war, dem Wesen Angst einjagte. Außerdem war ich von oben bis unten komplett schwarz. Ich musste furchterregend aussehen.
Wegrennen konnte ich nicht, es stand direkt zwischen mir und meinem Fluchtweg. Kämpfen wollte ich auch nicht, da ich erstens, seine sonstigen Abwehrreaktionen, bis auf den Betäubungsschrei nicht kannte, wobei ich mir sicher war, dass ich aufgrund des Größenunterschieds im Vorteil war. Ich sah mich im Zimmer um. Da kam mir schließlich eine Idee. Ich hatte aber keine Ahnung, ob sie funktionierte.
Mir waren dünne Seiten auf dem Tisch aufgefallen und farbliche dünne Äste. Als ich die Bilder an der Wand beobachtete, wurde mir klar, dass diese das Wesen selbst fabriziert hatte. Also nahm ich einen schwarzen Ast und versuchte mich selbst zu zeichnen. Daneben versuchte ich das Wesen so gut es ging darzustellen. Beide Figuren gaben sich die Hand auf dem Bild. Die ganze Zeit beobachtete mich das Wesen dabei und rührte sich nicht vom Fleck.
Als ich fertig war zeigte ich ihm das Bild und streckte meine Hand aus. Ganz vorsichtig tat das Wesen es mir gleich. Als ihr Finger mein Fell an der Hand berührte, spürte ich, dass es angenehm weich und etwas kühl war. Es zuckte kurz bei der Berührung zusammen und die Mundwinkel gingen nach oben. Ich hatte das Gefühl, dass das ein Ausdruck von Freude bei den Wesen ist und es verstanden hatte, dass ich keine Bedrohung bin. Vielleicht konnte ich doch mit ihm kommunizieren.
Es wischte sich die Feuchtigkeit aus dem Gesicht und fing an aufgeregt Töne auszustoßen. Es bewegte auch den Mund, wie wir Ariels beim Sprechen. Bei meiner Beobachtung der Wesen am Vortag war mir aufgefallen, dass sie für Zustimmung den Kopf nickten und ihn bei Ablehnung schüttelten. Deswegen formte ich mit meinen Fingern einen Mund, öffnete und schloss ihn und bewegte meinen Kopf von links nach rechts, in der Hoffnung, dass es verstand, dass ich eben nichts verstand.
Mit gebannten Augen starrte es meine Hand an und hörte auf zu reden. Botschaft angekommen. Es nahm mir das Blatt aus der Hand, das ich gemalt hatte und fügte über die Figur, die es darstellte Zeichen hinzu. Es tippte auf die Zeichen und sagte etwas, dass sich wie „Mimi“ anhörte. Anschließend tippte es energisch auf meine Figur. Zuerst zeigte ich auf das Wesen und versuchte die Töne nachzumachen. Nach drei Versuchen nickte es. Ich deutete auf mich und sagte „Azriel“, es schaffte es schon nach dem ersten Versuch.
Seine Intelligenz beeindruckte mich. Wir versuchten so gut es ging über Gesten und Zeichnungen zu kommunizieren. Es lernte meine Sprache schneller als ich seine. Hin und wieder nahm es die Wissenssammlungen zu Hilfe und zeigte mir verschiedene Sachen. Ich lernte, dass die Wesen sich selbst Menschen nennen und manche meiner eingehenden Vermutungen waren korrekt.
Der Mensch vor mir, war noch nicht ausgewachsen und ein Weibchen. Die Kleine begutachtete neugierig meine Flügel und strich mir über das Fell in meinem Gesicht, das immer noch schwarz von dem Ruß war, durch den ich gerutscht bin. Als sie das bemerkte holte sie einen mit Wasser getränkten Lappen und machte mich sauber. Ich versuchte sie nach dem Helium zu fragen doch, dafür reichten meine Gesten und Zeichenkünste nicht aus.
Also überbrückte ich die Zeit und erzählte ihr, wo ich herkam und machte deutlich, dass ich so schnell wie möglich wieder dorthin zurück müsste. Es war wirklich ungewohnt, nur mit Händen und Füßen zu kommunizieren. Nach einer Weile, lernte ich die Bedeutung von einigen ihrer Gesichtsausdrücke. Wenn die Mundwinkel nach oben gingen, war sie glücklich. Zeigten sie in die andere Richtung, war sie unzufrieden.
Falten zwischen ihren Augen zeigten Wut oder Frust und wenn sie dieses komische Gackern ausstieß freute sie sich sehr. Sie fragte mich, nach der Bedeutung der Farbe in meinem Gesicht. Die zwei roten Streifen, die sich längs über den vorderen Teil meines Kopfes zogen, zeigten den Rang, den ich in meiner Militärzeit hatte. Leider fehlte mir auch hier der Einfallsreichtum, ihr das zu erklären also malte ich einen großen muskulösen Arm auf das Blatt und sie verstand, dass es Stärke bedeutete.
Auf einmal wurden wir durch ein lautes Piepen aus unserer Unterhaltung gerissen. Der Kommunikator hatte seine Berechnungen beendet. Ich holte ihn runter und aktivierte das Sprachprogramm. „So jetzt kann ich endlich richtig mit dir reden, hoffe ich. Verstehst du mich?“ Fing ich einfach an zu fragen.
Ihre Augen weiteten sich voller Erstaunen. Ihr Kehlkopf bewegte sich. „Ja… ja… Wie?“ stammelte sie. „Das ist jetzt unwichtig. Weißt du was Helium ist und wo ich es herbekomme?“, fuhr ich fort. Ach endlich eine anständige Kommunikation, ohne sich ständig überlegen zu müssen, wie man was verständlich macht. „Natürlich, aber für was brauchst du das?“, fragte sie neugierig. „Das Leben vieler Wesen hängt davon ab. Mimi kannst du das mir besorgen, ich brauche zehn Liter davon.“, antwortete ich eindringlich.
„Wir pumpen damit Luftballons auf. Morgen ist Jahrmarkt, da sollte es was geben. Ich glaube du musst mir aber dabei helfen es dir zu besorgen.“ Als ich ihre Antwort hörte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Vielleicht ging doch noch alles gut aus. Ich würde einfach mein Raumschiff wieder flott machen und keiner würde mitbekommen, dass ich gesehen wurde. Ach, wenn es doch nur so einfach gewesen wäre.