Seitenwind Woche 2: Außerirdischer Aufbruch

Myrit, das ist mein Name. Seit langer Zeit lebe ich schon unten auf der Erde, studiere jede Geste, jeden Schritt und jedes Wort der Menschen. Es vergehen Jahre und Mensch zu sein gehört mittlerweile zu meinem Alltag. Ab und zu, wenn ich zu Hause bin, lasse ich meine Maske fallen, verschlinge ein paar Metallkugeln oder lasse meine anderen Arme, welche ich an meinen Körper pressen muss, frei. So auch heute. Ich vermisse es einfach, frei zu sein. Unerwartet klingelt es an meiner Türe. Hektisch versuche ich meine Arme an meine Haut zu pressen, mir Kleidung überzustülpen und meine Maske wieder aufzusetzen. Einen kurzen Blick in den Spiegel. Perfekt. Dachte ich zumindest. Kaum öffne ich die Türe, schaut mich ein Mann irritiert an. Ich merke sofort, dass etwas nicht stimmt, ziehe den Mann in meine Wohnung und schließe mit einem Ruck die Türe.

„W-w-was bi-bib-bist du?“

Ich verdrehe nur die Augen, dabei merke ich, dass ich das Dritte nicht abgedeckt habe. Wie dumm von mir. Ohne ein Wort zu sagen, lege ich meine Arme frei und bringe den Mann für immer zum Schweigen. Seine Kleidung gefällt mir. Ich lege sie zu der anderen Kleidung und den Mann, na ja, den lege ich zu den anderen Menschen in meinem Keller. Einer mehr oder einer weniger ist auch egal. Ich sollte unbedingt mal lernen, an mein drittes Auge zu denken. Es wird mir andauernd zum Verhängnis.

1. Erdenmission nach der Zeitenwende: Bericht an die Yota-Admiralität

Gruß dem großen Vozarg!

Unsere Landung ist planmäßig verlaufen. Ähnlich wie auf Peta 3 leben die Erdenmenschlinge in Steinquadern und betreiben fahrende, fliegende und schwimmende Fortbewegungsmittel. Überraschend ist nur, dass sie im Besitz einer mächtigen portablen Energiequelle sind. Diese ist klein, glänzend und erzeugt leuchtende Bilder sowie Klang. Zunächst dachten wir, sie wäre mit den Menschlingshänden verwachsen, doch es gibt auch Exemplare, die sie ablegen. Der Energieaustausch scheint sich über Sprache oder durchgängigen Blickkontakt mit der Quelle zu vollziehen, weshalb unsere Anwesenheit auf dem Erdenplaneten bisher noch nicht aufgefallen ist. Nach erster Analyse wirkt die Gattung der Menschlinge wenig leistungsfähig. Bereits kurze Wortwechsel untereinander müssen sie unterbrechen, um sich an ihrer persönlichen Energiequelle aufzuladen. Auch der Schlaf scheint bei dieser Spezies unausgereift, ein sofortiger Kontakt mit der Quelle nach dem Aufwachen ist unabdinglich.

Dieses kleine, aber mächtige Viereck könnte die Lösung all unserer Energieprobleme sein. Ich empfehle den Einsatz des 5. Yota-Bataillons, um es in unseren Besitz zu überführen. Verluste in den Reihen der Menschlinge sind zu verschmerzen.

Hochachtungsvoll,
Quzob III.

Kollektive Geisteskrankheit

»Wie soll ich es Ihnen sagen, mein lieber Nollopa? Die Erde ist verloren!« Satsok nahm sein Glas Oruopist vom Tisch und kippte den gesamten Inhalt in einem Zug hinunter. »Als wir die Erde vor 4837 Jahren sich selbst überließen, hat wohl wahrlich niemand damit gerechnet, dass wir sie in solch einem desolaten Zustand wiederfinden würden.«
»Aber, aber! Wie meinen Sie das denn?« Der Ältere lehnte sich in seinem Ohrensessel nach vorne.
»Ach, was ich meine! Wir haben dieser undankbaren Spezies, die die Erde bevölkert, die Errungenschaften unserer Zivilisation geschenkt, sie ihnen in kleinen verdaulichen Häppchen zukommen lassen – zuerst das Feuer, dann das Rad und später die Schrift! Und was haben sie daraus gemacht?« Satsok schnaubte entrüstet und goss sich nach. »Sie haben unsere Tugenden durch eine ansteckende Geisteskrankheit ersetzt!«
Nollopas dünner Schnurrbart kräuselte sich. »Was genau meinen Sie denn, mein junger Freund?«
»Es ist eine Art Fluch, von dem sie besessen werden, sobald sie sich mit dem Äther – oder Internet, wie sie es nennen, verbinden. Dabei verschmelzen die einzelnen Individuen zu einem Mob und verbringen Stunden, Tage, ja sogar Monate in einer Scheinwelt, in der sie sich als etwas Besonderes fühlen. Dabei sind sie im wirklichen Leben Sonderlinge, ohne Sinn für die Gemeinschaft, ohne nennenswerte Kenntnisse!«
»Das klingt in der Tat sehr beunruhigend! Wie werden denn so viele Individuen gleichzeitig befallen?«
Satsok hatte bereits sein zweites Glas geleert und haderte mit sich, ob er es ein weiteres Mal füllen sollte. »Das geschieht durch die sogenannte ›Influenza‹, eine noch heimtückischere Krankheit, die vor allem Persönlichkeiten befällt, die sich ausschließlich mit sich selbst beschäftigen.«
»Das ist ja schrecklich!« In Nollopas Gesicht zeigte sich tiefe Betroffenheit. »Denken Sie, dass es Sinn machen würde, die Erdenbewohner von ihrem Fluch zu befreien?«
»Leider nein, es wäre hoffnungslos.« Die klare Flüssigkeit schwankte in Satsoks Glas. »Ich fürchte, wir können nichts für sie tun. Irgendwann werden Sie es selbst verstehen oder untergehen. Doch bis dahin werden wir uns in Geduld üben müssen.«

Schulprojekt

Verdammte Schulprojekte! Meine kleine Raumkapsel flutscht mit Warp-Antrieb durch das Weltall, der blaue Planet vor mir wird immer gewaltiger, während meine Ärgerzellen langsam auf Normalmaß schrumpfen.

Ich war schon im Ruheanzug, kurz vor dem Einstieg in die Erfrischungskapsel gewesen, als der Miniklon mich abstoppte: „Du, Erzeugerin, ich habe vergessen, dass ich für das Projekt morgen noch einen Menschen brauche…“.

Das war ja wieder typisch. Der Befruchter war beim Gamingabend mit seinen Klingonenkumpeln und alles blieb wieder einmal an mir hängen!

Ich aktiviere den Tarnschild. Während die Kapsel sanft in Richtung Erdboden gleitet, erscheinen am Bildschirm Menschengestaltvorschläge. Das letzte Update ist wohl schon länger her, anders kann ich mir die Kleidung, die Frisuren und die langen Bärte nicht erklären. Ein Blick auf die Programmbeschreibung zeigt, dass alles seine Richtigkeit hat und auf der Erde offensichtlich alles irgendwann wieder kommt. Wenig einfallsreiche Kreaturen! Ich entscheide mich für ein blondes, kurviges Frauenmodell mit dem Vermerk „kann bei männlichen Exemplaren Paarungswillen auslösen“. Zum Anlocken perfekt!

Die Außenkamera zeigt, dass um den Landeplatz keine Bewegung herrscht und ich unbemerkt aussteigen kann. Meine Sehsensoren müssen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. In einiger Entfernung fokussiere ich ein Leuchten: „Night Club“

Ich scanne es ab und die Abfrage im galaktischen Enzyklopädium rechnet mir an diesem Ort gute Erfolgschancen aus. Gleichzeitig werde ich gemahnt, bei der Auswahl des Menschen vorsichtig zu sein. Keinesfalls dürfte es ein Mensch sein, der auf der Erde eine wichtige Funktion innehat.

Vor einigen Erdenjahren hatte es intergalaktische Verwicklungen gegeben, als ein bei den Erdlingen als „Schauspieler“ bekannter Mensch auf unseren Planeten verfrachtet worden war. Noch dazu gehörte er unserer Kontaktorganisation an, was erst nach seiner Ankunft bekannt wurde. Das Ganze ging als „Mission Impossible“ in die Geschichte des Planeten ein. Dem Schauspieler soll diese Bezeichnung nach seiner Rückkehr zur Erde so gut gefallen haben, dass er sie irgendwie weiterverwendet hat. Ich halte das aber für ein Gerücht.

Offensichtlich ist meine Gestalt gut gewählt. Beim Betreten des „Lokals“ wie es die Menschen nennen, drehen sich die meisten Männchen nach mir um. Ein Exemplar kommt auf mich zu und deutet mit der Hand in meine Richtung. Ich soll ihm wohl folgen. Auf meinem Teaser setze ich die Funktionen „Freeze“ und „Capture“ bereit.

Vor mir sitzt eine ganze Runde von Menschen. In der Mitte ein etwas fülligeres, nicht besonders ansprechendes Exemplar. Sein Haar hat eine komische Farbe, irgendetwas zwischen gelb und orange. Ich setze mich zwischen ihn und einem anderen Erdenmenschen, wieder ein anderer reicht mir ein Glas. Fast alle um mich heben es hoch und führen es an ihren Mund. Ich folge ihrem Beispiel, während vier Kreaturen mit schwarzen Brillen und Geräten im Ohr ungerührt dastehen. Sie beobachten den Raum. Vielleicht bin ich erkannt oder gar in eine Falle gelockt worden?

Da höre ich den Menschen mit der seltsamen Kopfbehaarung zu meinem Sitznachbarn sagen: „Grab her by the pussy“, gleichzeitig vermittelt mir das Translationsprogramm die Bedeutung des Satzes, sodass für mich feststeht: Dieser Mensch wird auf der Erde keine Lücke hinterlassen. Ich betätige den „Freeze“ Knopf, lasse alle im Raum erstarren, während ich mittels „Capture“ Funktion meine Beute in die Raumkapsel befördere. Kurz vor Verlassen des Orts deaktiviere ich die Freezefunktion. Das darauffolgende Gemurmel „Where the hell is the President?“, lasse ich gar nicht mehr durch das Translationsprogramm laufen.

1,89 Millionen Proben haben mein Schwarm und ich inzwischen gezogen und analysiert. 345.754 Einheiten meines Schwarms haben die Probenentnahme nicht überlebt. Gut, das kann schnell passieren, aber wir sind viele. Der Auftrag war eindeutig: „Probe entnehmen, sofort analysieren, weiterleiten.“

Die Werte sind verwirrend. Sie passen überhaupt nicht zu unserer letzten Test-Mission vor 785 Jahren.
Die Proben sind voll von Mikroplastik. Die Menschen haben erst ihre Umwelt damit vergiftet und nun sich selbst. Außerdem finden wir unendlich viel Chemie. Medizin nennen sie es und leben damit wirklich viel länger als damals, obwohl sie sich vergiften wollen. Damit das klappt, reichern sie ihr Essen und Kleidung auch mit Chemie an. Um sicher zu gehen, spritzen sich viele Gift, das langsam wirkt. Diese Proben sind die ekligsten.
Verrückte Wesen, aber interessant.
Heute kam der nächste Auftrag bei mir an: Kontakt aufnehmen, begleiten und die Ursache für das suizidale Verhalten ergründen.
Ich bin sehr gut vorbereitet und habe die Menschen lange genug beobachtet. Ich habe mir ein Weibchen ausgesucht. Sie riecht gut. Ihr Blut duftet trotz der hohen Belastung. Sie zählt noch zu den gesündesten Menschen. Den ganzen Tag lang schon begleite ich sie, ohne dass sie mich bemerkt, denn sie hat Spaß mit ihren Freundinnen im Park. Jetzt kommt endlich der Kontakt. Ich nähere mich ihr und berühre ganz sanft ihre Haut.
Es blitzt.
Ich habe nicht aufgepasst. Verdammt. Gerade als ich sie berühre, hat sie ihr Handy hochgehoben.
„Ieeeeh!“ ruft ihre Freundin, die auch auf das Handy schaut. „Du hast eine Mücke am Hals!“

Oh oh…

Der Weihnachtsmann

Mach schon, stell dich nicht so an. Du hast dein Studium der Erdologie als Bester abgeschlossen. Er wird dich schon nicht fressen. Zumindest laut der Bücher.
Und was wenn doch? Sie essen ja auch diese schleimigen Kriechlinge, die auf den Ausscheidungen der niederen Lebewesen sitzen. Bäh…
Oh, jetz kommt er auf mich zu. Los geht’s.
„Hey Mensch, ich bin vom Planeten Easter und trampe nach meinem Studium von Planet zu Planet. Magst du… wie heißt das… ein Bier mit mir trinken?“
Warum schaut er mich denn jetzt so seltsam an? Fragt er sich, welche Soße zu mir passt? Seine Lippen verziehen sich so komisch. Geht’s ihm gut?
„Ja klar, und ich bin der Weihnachtsmann…“
„Was, ehrlich? Wahnsinn mein erster Menschenkontakt und dann gleich der Weihnachtsmann. Ich habe so viel über dich gelesen. Sag mal, wie verteilst du so schnell die Geschenke auf dem ganzen Planeten? Und nutzt du Verwandlungskapseln, um das typische Aussehen anzunehmen? Die sind ganz schön teuer geworden, was?“
„Schwirr ab, Kleiner. Weiß Gott, was du für Drogen genommen hast…“
„Gott? Ist der auch in der Nähe?“
Oh man, jetzt geht er. War ja klar, dass der seine Geheimnisse nicht verrät.
Das glaubt mir zu Hause niemand. Besser ich mache noch ein Selfie von uns. Und dann suche ich diesen Gott.
„Hey, warte doch mal.“

Ein unwillkommenes Gastgeschenk

In der fernen Galaxie Eudaimontopia, weit entfernt von hier, lebte der abenteuerlustige Alien Zonk, der nicht nur einen lila Kopf mit drei Augen, sondern auch eine besondere Vorliebe für Schokolade hatte. Eines Tages beschloss er, auf Entdeckungsreise in den unendlichen Weiten des Weltraums zu gehen und landete ausgerechnet auf der Erde, einem Planeten, der bei den Eudaimontopiern für seine Verrücktheit berühmt war.

Das Raumschiff landete unsanft mitten auf dem Marktplatz der verschlafenen Stadt Müdeburg, doch Zonk ahnte nicht, dass er damit gegen das örtliche Gesetz des „Parkens ohne Erlaubnis“ verstoßen hatte. Das war schon einmal ein schlechter Start. Denn es war Markttag. Sofort wurde er von aufgeregten Händlern und neugierigen Marktgängern umzingelt, die skeptisch sein Raumschiff musterten, das wie eine umgebaute verbeulte Riesenkonservendose aussah. Der kleine Alien war sich keiner Schuld bewusst, als er sich auf den Marktplatz teleportierte und die Bewohner von Müdeburg begrüßen wollte.

„Stop! Sie haben ohne Genehmigung geparkt!“ schrie der örtliche Bürgermeister, Herr Alfons Regelreiter, und schwenkte wild mit einem Stapel Formulare um sich. „Was ist das überhaupt für ein Gefährt? Wo ist die TÜV-Plakette? Wo ist das Kennzeichen?“

Zonk, der kein Wort verstand, reichte ihm eine Tafel bester eudaimontopischer Schokolade. „Schokolade?“ fragte er schüchtern in seiner Sprache.

Der Bürgermeister starrte die Gabe ungläubig an. Dann schaute er hinab auf den lilaköpfigen Außerirdischen, der unerhörterweise nicht nur über einen lila Kopf mit drei Augen verfügte, sondern einen seltsamen, aufgeplusterten Anzug trug, wodurch er an ein gerupftes Huhn erinnerte. Er schnupperte misstrauisch an der glänzenden Verpackung. Dabei hatte sein Gesicht einen Ausdruck, als ob er gerade einen ekelerregenden Geruch wahrnehmen würde. „Schokolade? Das ist ja unregistriertes und nicht genehmigtes Schokoladenverteilungsgut! Das müssen wir zunächst prüfen und lassen! Erst Falschparken und dann noch Einschleppen nicht zugelassener Lebensmittel.“

Die Situation wurde immer verrückter, und als ob das nicht schon genug wäre, begannen die Müdeburger, das Raumschiff zu inspizieren. Die Ordnungskräfte beschlagnahmten sofort alles, das essbar wirkte und legten los, die eudaimontopische Qualitätsschokolade zu wiegen und zu klassifizieren, um sicherzustellen, dass sie den örtlichen „Schokoladen-Verzehr-Bestimmungen“ entsprach. Das Ganze wurde von einer Horde Aktenkoffer tragender Verwaltungsangestellter überwacht.

Zonk fühlte sich wie in einem Albtraum und begann, in seiner eigenen Sprache zu jammern. „Unlogisch! Unlogisch! Meine schöne Schokolade tut doch keinem was!“

Eine weitere Vorschriftsverfechterin, Frau Doktor Akurata , baute sich vor ihm auf und erklärte: „Es ist unmöglich, eine unbekannte Alien-Schokolade ohne mindestens fünf Unterschriften und eine schriftliche Antragstellung zu konsumieren. Wir benötigen außerdem eine Erlaubnis zur Alien-Kommunikation und eine intergalaktische Lizenz für Schokoladenimporte. Was haben Sie sich dabei bloß gedacht, hier bei uns ohne Formulare und Zulassungsnachweisen und zudem mit einem unbekannten Flugobjekt ohne Kennzeichen aufzutauchen?“

Währenddessen steigerte sich Müdeburg weiter in einen bürokratischen Rausch. Umgehend wurde auf dem Marktplatz ein Schokoladen-Tribunal einberufen. Zonks Rechtsvertreter war der berühmte Schokoladen-Anwalt Igor Pralinski, der sogleich eine achtbändige Schokoladen-Gesetzessammlung herbeigeschleppte.

Zonk verstand die Erdlinge nicht. Er seufzte und wandte sich an seinen Anwalt und versuchte durch Handzeichen nachzufragen „Ist das hier normal auf dieser Erde?“

Pralinski zuckte mit den Schultern und gestikulierte zurück. „In Müdeburg schon.“

Am Ende des Tages konnte das Schokoladen-Tribunal keine Einigung erzielen, und Zonk beschloss, still und leise in sein Raumschiff zurückzukehren und die Erde zu verlassen. Er teleportierte sich zurück und fand sein Reisegefährt vollkommen leergefegt vor. Nicht das kleinste Krümelchen eudaimontopischer Schokolade hatte man ihm gelassen. Noch nie zuvor hatte man ihn so abscheulich behandelt. Der kleine Alien begab sich zur Kommandobrücke und ließ sich dort nieder. Aus allen drei Augen tropften dicke lilaschillernde Tränen. Er hinterließ eine Stadt voller Schokolade, Formulare und verblüffter Müdeburger, die nie herausfanden, ob Zonk nun Genehmigungen hatte, ob es überhaupt welche gäbe oder nicht.

Und so wurde die Geschichte von Zonk und der Verrücktheit der Müdeburger in der gesamten Galaxie bekannt und sorgte noch lange für Verwunderung und Stirnrunzeln in den Kneipen Eudaimontopias. Seitdem stand im großen intergalaktischen Reiseführer, dass das Gebiet der Erde zu meiden sei:

„Vor Reisen zur Erde wird gewarnt. Eudaimontopischen Staatsangehörigen wird empfohlen, die Erde nicht zu betreten. Es besteht das Risiko gewaltsamen Entreißens eudaimontopischer Gastgeschenke und aktiver Bedrohung von Touristen durch gefährliche Papiererzeugnisse der Erdbewohner.“

Zonk kehrte nie zur Erde zurück. Das war auch besser so, denn schließlich wartete dort noch ein Ordungsverfahren wegen Falschparkens auf ihn.

Zwei oder vier Beine?

Ich habe die komplette Liste abgehakt, aber nichts gefunden. Möglichst auf Land und nicht im Wasser langen. Logisch. Zusehen, dass es keine Bruchlandung wird. Auch klar. Raumschiff so gut es geht verstecken - habe ich getan. Tonangebende Spezies ausmachen? Erledigt. Es sind die Vierbeiner. Sie lassen sich von Zweibeinern bedienen. Sie bekommen das beste Essen hingestellt, ihr Exkremente werden hinter ihnen weggeräumt und man fährt sie in kleinen Wägelchen durch die Gegend.
Mein Problem: Sie können keine mir bekannte Sprache. Was soll ich tun?

Hawaiianisches Gedankengut

Ke-u-Aku Tausani (auf Hawaiianisch „außerirdischer Nr 1000“ ), vermochte es nicht mehr zu sagen, wie oft er schon auf die Erde gekommen war.
Es ist nennenswerte achttausend Jahre her, dass sein Volk auf dem blauen Planeten heimisch war, bis zu jenem Zeitpunkt der großen Flucht …
Die Hawaianer waren früher schon, eine angepasste, friedvolle Ethnie. Sie waren auf der südlichen Erdkugel überall zuhause. Man durfte sie, wie viele Naturvölker, nicht primär dafür verantwortlich machen, dass der Erdball dem Untergang geweiht wurde. Deshalb erlaubten die Weisen einigen von Ihnen, nach der großen Flut zu bleiben, um den Planeten neu zu besiedeln.
Die Geflüchteten aus der damals riesigen Insel Hawaii fanden fernab von der Erde neuen Lebensraum und entwickelten sich fortwährend weiter.

Ke-u-Aku hat aus diesem Grund, heute, eine lichtdurchflutete, ätherische Gestalt.
Anfänglich bereitete es ihm sehr viel mühe, sich von Neuem in einen menschlichen Körper zu quetschen, doch er meldete sich immer wieder freiwillig, um „nach unten“ zu reisen, so das er heute, zu den Profis gehört, wenn es um kurzzeitiges Inkarnieren geht.

Wir schreiben den ersten Dezember, vom Jahr 2017. Die Menschen sind inzwischen wieder zu einer fortschrittlichen Zivilisation herangewachsen. Seit der großen Katastrophe blieb die Erde immer unter Beobachtung, damit ihre technologischen Errungenschaften nicht ausuferten. Ke-u-Aku wurde ein weiteres Mal in die Materie geschickt, um sich die neueste Innovation der Menschen näher anzusehen.

Diskret getarnt, saß er inmitten der vielen Reporter, die für dieses aussergewöhnliche Interview von Sophia, mal ganz vorne in den ersten Reihen platz nehmen durften.
Dem Gespräch und den Fragen, die der KI gestellt wurden, hörte er nicht wirklich zu. Was ihn vielmehr interessierte, waren die metaphysischen Begebenheiten, die bei dieser Unterhaltung, zwischen dem fragenden Journalisten und der Roboter Frau, stattfanden.
Bei sogenannten „beseelten“ Wesen findet bei einer Interaktion stets ein energetischer Austausch statt, den er hier, bei Sophia und Bill dem Schreiberling, nicht fand.
Die vielen Farben und Wellen, die sonst in einem Gespräch inmitten zweier Menschen hin und her switchten, waren schlichtweg nicht vorhanden, zumindest nicht als Verbindung.
Ke-u-Aku sah sich auch kurz bei der Zuhörerschaft um. Dort zeigte die Färbung derer Auren, eine Mischung von angeregter neugieriger Spannung und einfrierender stockender Besorgnis. Beides ließ die umgebende Luft erstarren.
Freude, Liebe, jene Energien die das Leben ausmachten und Bewegung in das 3D Spiel bringen sollten, suchte er vergebens. Diese waren zu keinem Zeitpunkt, nirgendwo im Raum vorhanden.
Die ganze Anspannung erlebte noch eine Steigerung, nachdem der Journalist der Sophia gegenüber saß, einen Witz versuchte. Aus dem graziösen Antlitz der Roboter Dame, ertönte ein gefühlloses abgehaktes „Ha-Ha-Ha-“, das die Luft in dem Showsaal fühlbar erstarren ließ …

Die computergesteuerte Dame war zu keinem funken Emotion fähig. Ihr Gesicht blieb unheimlich ausdruckslos, während sie das künstliche Gelächter von sich gab.
Könnte Gefühllosigkeit auch etwas Positives mit sich bringen? Ke-u-Aku hatte gelernt, dass er jedes Problem erst aus allen Blickwinkeln betrachten sollte, bevor er sich ein Urteil erlaubte. Na ja; wenn dann gleichermaßen die negativen Gefühle, wie Hass und Wut ausfallen …?
Energetisch aber, zeigte sich das Bild immer komplexer. Das geübte Auge des Außerirdischen, der auch ein wenig in die Zukunft schauen konnte, erkannte vielmehr, wie riesige Keile, ja sogar Wände die Menschen im Saal trennten. Je zahlreicher also diese Maschinen aufkämen, desto mehr entstünden Schnittstellen unter den Beseelten.

Ke-u-Aku hatte genug gesehen. Diskret begab er sich zum Ausgang des Raumes, zu den Örtlichkeiten. Da gelang es ihm, sich hinter verschlossener Tür heimlich zu entmaterialisieren, um kurz darauf auf Moku-puni 2, in seiner ursprünglichen Form, wiederzuerscheinen.
Dort wurde er bereits erwartet. Das Gremium der Weisen saß gespannt und erwartungsvoll, im kristallenen Saal der Erkenntnis.
Aufregung herrschte in den Räumlichkeiten, den das fortschrittliche Hawaiianische Volk, vermochte es gewandt, ihre Erfahrungen jederzeit und ohne Worte zu teilen. Die vielen Bergkristalle im großen Saal waren da nicht ganz unbeteiligt, den sie fungierten wie eine Art natürlicher Riesencomputer, der jeden Gedanken verstärkte, und sofort mit allen teilte.

Hier zum Verständnis ein paar der offenbarten Bedenken in Worten:

  • Ke-u-Aku Tausani: „Wenn die Menschen so weitermachen, wird ihnen bald die kostbare Lebensenergie abhandenkommen, und sie werden für immer in diesem niederen energetischen Miasma feststecken“.
  • Ke-u-Aku´eiwa Haneri: „Du weißt aber schon, das wir nicht das Recht haben zu intervenieren; die Menschen haben von der Quelle den freien Willen, solange sie inkarniert sind“.
  • KeuAku´eono Haneri: „Tausani spricht die Wahrheit. Wir sind verpflichtet, etwas zu unternehmen. Wenn die Erdbewohner auf dem aktuellen Niveau keine Fortschritte mehr erzielen, bleiben wir folglich ALLE Stecken; wie ihr wisst, ist das ganze Universum miteinander verbunden“.

Die mentale Beteiligung wuchs stetig an, bis ein „unüberdenkbares“ Chaos im Raum entstand.

  • Ka naa-u-ao loa (der weiseste aller Weisen)- ergriff den Gedanken: „ Ich bitte um ruhe! Meine lieben Inselbewohner; wie sollen wir in diesem Gedankenchaos bitteschön, eine Lösung finden! Lasst uns darüber Meditieren …

…und so stimmte das Volk der Ke-u-Akus eine Ära der Besinnung an … Sie sammeln sich noch heute, zum Philosophieren und reflektieren, über Sinn und Unsinn des verhaltens der Menschheit auf der Erde … Und nur wir Menschen vermögen sie eines Tages durch unsere weisen Entscheidungen, aus ihrer Kontemplation zu befreien …

Dissertation

Ich lade meine Daten hoch. Die Hauptschlussfolgerung fasse ich dabei zusammen:

Noch immer bewegen sich die Menschen in drei Raumdimensionen und einer Zeitdimension.

Meinen Kalkulationen nach brauchen sie noch 423 Erdjahre, bis sie die Quantenphysik beherrschen.

Ein wichtiger Schritt, um zu verstehen, wie man seine Elektronen polt um durch Zeit und Raum zu gleiten und ewiges Leben zu erlangen.

Aus irdischer Sicht dauert die Notenbekanntgabe zwei Wochen, aber ich nehme die diagonale Zeitachse und erhalte in wenigen Sekunden die Antwort per Gedankenaustausch.

„Wir haben ihre Daten geprüft. Sie erhalten ihren Abschluss im Sekundärfach ‚Entwicklung von Randplaneten‘ mit Auszeichnung.“

„Danke. Das übertrifft meine Erwartungen.“

Aber andererseits weiß jeder, dass diese Art von Planeten echt eklig sind und sich sonst kaum einer in den Sumpf wagt. Ich bin mit einem leichten Ausschlag davon gekommen.

„Darüber hinaus werden Sie Teil der Eliminationsdivision.“

„Was verleiht mir die Ehre?“

„Aus Dank für die Erkenntnis, welchen Schatz diese Menschheit in sich trägt. Uns spricht ihre Schlussfolgerung an, den auf dem Planeten und in den Wesen gespeicherten Wasservorrat zu extrahieren.“

„Wasser… Nützlich, aber wenig intelligent und das einzige Alien auf der Erde, das sich dort wohl fühlt.“

Angels fly

Oh nein, meine Crew hat mich vergessen, hier auf diesem Planeten, den wir nie besuchen wollten. Wir mussten notlanden, um unsere Energiereserven aufzufüllen. Dann sind sie weg, ohne mich, meine Reserven waren noch nicht genügend voll.

Die Bewohner dieses Planeten sind schon sehr eigenartig. Sie hetzen irgendwelchen materiellen Dingen hinterher. Und sie pflegen auch seltsame Rituale. Zum Beispiel den Tod. Manchmal jubeln sie, wenn jemand zu Tode kommt, oft sind sie aber auch unheimlich traurig, gehen mit gebrochenen Herzen weiter durchs Leben. Aber ganz oft töten sie sich auch gegenseitig.

Und sie können uns nicht wahrnehmen. Gut, wir haben keinen festen Körper, aber wir sind trotzdem da. Nur Kinder spüren uns. Ich fühle mich schrecklich einsam, also beschliesse ich, jemandem etwas Freude zu vermitteln, bis ich wieder nach Hause kann.

Die Sonne geht langsam unter, und der Himmel färbt sich in warmen Orangetönen, als ich mich auf den Weg zum Kinderkrankenhaus mache. Das kleine Mädchen namens Emily sitzt auf der Fensterbank ihres Krankenzimmers. Sie ist todkrank, ihr Leben von einer Krankheit bedroht, die niemand zu besiegen vermag. Die Ärzte können nichts mehr für sie tun, und die Eltern haben die Hoffnung fast aufgegeben.

Eines Abends, als Emily alleine am Fenster sitzt, spürt sie etwas Ungewöhnliches. Eine sanfte Berührung streicht über ihre Hand, und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Sie hat das Gefühl, dass sie nicht alleine ist, aber als sie sich umsieht, kann sie niemanden entdecken. Aber ich bin da.

„Fürchte dich nicht, Emily. Ich bin bei dir.“, sage ich mit meiner melodiösen Stimme „Wer bist du?“, flüstert sie.

„Ich bin ein Ausserirdischer, Emily. Ich bin bei einer Mission meines Volkes auf der Erde vergessen gegangen, und ich bin unsichtbar. Aber ich habe dich gefunden.“

Die kleinen Augen des Mädchens weiten sich vor Aufregung. „Du bist ein Alien? Das ist cool!“

Ich muss schmunzeln „Ja, ich bin ein Alien. Aber ich habe keine Angst vor dir, Emily. Ich möchte dir helfen.“

Sie schaut mich traurig an und senkt den Kopf. „Ich möchte nach Hause gehen. Aber ich weiß nicht, wie.“

Ich strecke meine unsichtbare Hand aus, und Emily spürt, wie sie leicht wie eine Feder wird. Ein leises Kichern entweicht mir, als ich sage: „Dann lass uns fliegen, Emily.“

Emily schliesst die Augen, und im nächsten Moment fühlt sie sich schwebend. Wir fliegen hoch hinauf, vorbei an den Wolken, und wir sehen die ganze Erde unter uns. Emily fühlt sich leicht und frei, ohne Schmerzen.

Schliesslich landen wir an einem fernen Ort, der Emily wie ein ferner Stern erscheint. Es ist einer meiner Lieblingssterne, den ich auf meinen Reisen durch die Unendlichkeit entdeckt habe. Für Emily ist alles anders, aber auf eine seltsame Weise vertraut. „Willkommen zu Hause, Emily“, sage ich.

Gemeinsam sitzen wir an einem grossen Fenster und schauen hinunter auf die Erde. Von hier aus sieht die Welt friedlich und strahlend aus. Wir schicken funkelnde Lichter in den Nachthimmel, wie Glühwürmchen, die eine Botschaft an die Welt senden.

Emily fühlt sich glücklich und frei von Schmerzen, und sie weiss, dass sie nicht alleine ist. Ich bin bei ihr, und sie spürt, dass ich ihr nur Liebe und Mitgefühl entgegenbringe.

Die folgenden Tage und Nächte geniesse ich mit Emily die gemeinsame Zeit. Ich erzähle ihr von den wundervollen Orten im Universum, skurillen Kreaturen und Begegnungen der wahrlich speziellen Art. Wir lachen viel und Emily vergisst ihre Krankheit und ihre irdischen Sorgen.

Dann kommt der Tag, an dem Emily bereit ist, Abschied zu nehmen. Sie ist bereit, „nach Hause“ zurückzukehren. Ich nehme ihre blasse Hand und begleite sie zurück auf die Erde.

„Ich muss weiter, Emily.“ Wir kennen keine Angst oder Trauer, also hört sich meine Stimme samt und weich wie immer an. Emily nickt mit einem leisen Lächeln im Gesicht und kehrt ins Krankenhaus zurück, aber diesmal ist sie nicht alleine. Sie hat die Erinnerung an ihre Zeit mit mir, dem ausserirdischen Wesen und das Wissen, dass es jenseits dieser Welt eine andere, friedlichere Existenz gibt.

Als Emily schliesslich ihren letzten Atemzug tut, fühlt sie keine Angst mehr. Ich bin bei ihr, und gemeinsam schicken wir funkelnde Lichter in den Himmel. Es ist ein Ritual des Abschieds, das Sterben zu einem sanften Übergang macht.

Und so endete Emilys Reise, begleitet von einem unsichtbaren Freund, der aus den Sternen gekommen ist, um ihr in ihren letzten Tagen Trost zu spenden und sie auf ihrem Weg in die Ewigkeit zu begleiten.

Homo narrans

Ich habe dich beobachtet, Mensch, der du dich selbst „weise“ nennst. Ich habe deine Radio Wellen aufgefangen und entschlüsselt, Deine Filme gesehen, die über deine Satelliten verteilt werden, deine Sprachen und Dialekte gelernt. Ich habe die Daten aus dem Medium gezogen, das du Internet nennst und alles gründlich analysierst.
Ich habe Dich erkannt: Du bist nicht weise, aber ein erstaunliches, kohlenstoffbasiertes, sauerstoffatmendes Stoffwechselwesen, das sich die Welt durch Geschichten erklärt, sie seinen Nachkommen durch Geschichten überliefert, sein Leben nach Geschichten ausrichtet und sich ständig in einer Geschichte wähnt. Selbst wenn du alleine bist, erfindest du einen Gott, der dich beobachtet und deiner Geschichte lauscht, in der du die Hauptperson bist. Du bist ein „Homo narrans“, ein sozialer Affe, Liebhaber von Geschichten. Als Wahrheit bezeichnest du die Auswahl an Geschichten, an die die Gruppe, der du dich zugehörig fühlst, glaubt.

Du hast dich in eine verzweifelte Lage gebracht. Deine Welt scheint dem Untergang nahe. Was dich retten könnte, ist eine Geschichte, an die die meisten Menschen glauben und die dich dazu bringt, zu tun, was nötig ist.
Ich habe beschlossen, dir eine solche Geschichte zu liefern.

Ich habe Kontakt aufgenommen mit Filmstudios in Hollywood. Die Verantwortlichen waren durchaus interessiert. Es sollte ein Film gedreht werden, der die Bedrohung durch außerirdische Wesen dokumentiert, die der Menschheit in galaktischem Interesse ein Ultimatum stellt. Eine Geschichte nach dem Motto: Einigung durch Gefahr von außen!

Aber Spielberg hat mich für eine Fehlbesetzung gehalten und mich durch einen „AI based Cyborg“, wie er sich ausdrückte, ersetzt. Mich und mein Raumschiff hat man festgesetzt in einem Gelände, das als „Aera 51“ durch die Geschichtenlandschaft der Menschheit geistert.
Hier bin ich in guter interstellarer Gesellschaft.
Die Menschen warten aber immer noch auf die Geschichte, die sie aus ihrer prekären Lage erlösen wird.

Agent 7007
Agent 7007 Ihr Auftrag: Erdbeobachtung im Routinezyklus (alle 300 Erdjahre) für GAE (Einstufung für Bewohner mit „gering angenommenen Entwicklungspotenzial“). Beobachtung lt. Routinebeobachtungsprogramm für Exoplaneten mit rudimentär entwickelten Spezies.

Logbucheintrag von Erdbeobachtungsagent 7007:

Hinweise auf potentielle Entwicklungssteigerung: Einsatz vielfältiger, wenn auch rudimentärer Technologien zur Kommunikation, vor allem vermutlich zur Selbstkontrolle, möglicherweise Strafregulierung. Dazu verwendete Geräte werden ständig mitgeführt, zur Anwendung in die Hand genommen und zumeist zu Bildübertragungen genutzt. Solche Übertragungen lösen starke Reizreaktionen bei Empfängern wie laute Aufschreie bis hin zu Agitation, insbesondere bei weiblichen Menschen aus. Im Gegensatz dazu sind Erdlinge in Zuständen großer Ruhe und geistiger Offenheit anzutreffen, wenn die Umgebungsluft von bestimmten Dämpfen durchdrungen ist, welche sie selbst erzeugen.

Entsprechend dem Routinebeobachtungsprogramm für Exoplaneten mit rudimentär entwickelten Spezies Durchführung der nächsten Stufe: Kontaktaufnahme.

Objekte: Pete und Jerry, Personen mit uneingeschränktem Zugang zu Dampf und ausgeprägter Reaktion.

Ort: Jerry´s Home and Garden bei Anbruch des Erdabends.

Logbucheintrag Ende.

„Jo, Leute was geht?“

Pete und Jerry blicken verdutzt auf ein beinahe kugelrundes Etwas, das mit seinen kurzen Beinen gerade halb so groß ist, wie ihre Hanfpflanzen zwischen denen sie gerade stehen. „Wow, das nenn´ ich anschleichen! Wo kommst du denn her, Mokassin?“ „Oh Mann, Jerry! Das ist kein Indianer, sonst wäre er doch rot, der ist aber grün! Ist doch klar… sie sind doch unter uns, die Aliens!“ Pete und Jerry prusten los, kringeln sich vor Lachen, strecken dem frischgetauften Mokassin ihr Dampfdings hin. „Alter, zieh ordentlich tief ein. Ich wollt´ immer schon ´nen zugedröhnten Alien sehen!“ 7007 lässt sich nicht lange bitten und steckt sich das Dampfdings in eines seiner Nasenlöcher und inhaliert das Dings bis ans Ende. Pete und Jerry fallen fast die Augen raus, als sich Mokassins kugelrunder Mund zu einem Riesengrinsen öffnet und einen einzigen rotblinkenden Zahn freilegt.

Agent 7007 gilt seither als vermisst.

Das Geschenk

»Mein lieber AC3, wie weit bist du?«

»Ich stehe kurz vor dem Abschluss, es wird großartig. Wie viele Erdlinge benötigen wir?«

»Um ihre Gnaden, die hohe Herrscherin, zu überzeugen, sind tausend das Mindeste. Erinnerst du dich an die Bewerbung von X6Z vor zwei Eroberungsperioden?«

»Du hast recht, die hatten fast zweitausend Exemplare da. Wenn die Menge zählt, dann gibt es gute Nachrichten: Ich habe über 100.00 Follower, darunter viele talentierte.«

»Follower?«

»Wenn die Erdlinge Körperbewegungen auf ihren Kommunikationsgeräten betrachten, die ihnen gefallen, dann imitieren sie diese. Wollen sie immer mehr von deinen Bewegungen sehen, bezeichnen sie sich als sogenannte Follower.«

»So, wie wir beide Anbeter der Herrscherin sind?«

AC3 grinste. »Na, ja, so ähnlich – nette Analogie.«

»Du hast wirklich 100.00 Anbeter?«, fragte R7M baff.

AC3 tanzte eine seiner beliebtesten Bewegungen vor.

»Ich kann dir bis morgen 5.000 Erdlinge zum Portieren bereitstellen, die diese Sequenz fehlerlos vorführen.«

R7M kiekste.

»Du lehrst sie unsere Huldigungssequenz?«

AC3 zuckte die Schultern. »Warum nicht gleich mit dem Besten beginnen? Schließlich wollen wir die nächste Eroberung leiten, oder etwa nicht? Der Herrscherin wird eine Massenhuldigung von Erdlingen schmeicheln. Die Invasion wird sie in den Fingern jucken.«

R7M tanzte selbst eine kurze Huldigungssequenz und setzte den dritten Schritt falsch. Wie ein Baby.

»Das können meine Erdlinge besser«, AC3 übermittelte eine Sequenz, die die Eingeborenen auf ihren Geräten präsentierten.

R7M stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Perfekt! Wie machst du das bloß? Ich war nie gut im Huldigen. Aber das sollen ja die kleinen Erdlinge machen. Die wirken sehr weich, sind sie ausgewachsen?«

AC3 ließ weitere Beispiele laufen. »Nein. Die Erdlinge tanzen immer weniger, je älter sie werden. Die hier sind fast noch Kinder. Nützlich für uns, ihre Hirnstrukturen sind kaum gefestigt. Es wird ein Leichtes sein, ihr Bewusstsein so zu manipulieren, dass sie brav unsere Vorführung absolvieren und bei der Landung auf der Erde bereits alles wieder vergessen haben.«

R7M klatschte begeistert in alle vier Hände. »Wenn es die Erde nicht gäbe, müsste man sie erfinden. AC3, wir sind gemachte Leute! Ich bitte um eine Audienz bei der Herrscherin in drei Sonnenphasen. Schaffst du das?«

»Ich bin bereit.« AC3 hielt sein Erden-Kommunikationsgerät hoch.

»Diese Dinger sind noch leichter zu manipulieren als die Gehirne junger Erdlinge.«

R7M rutschte auf seinem Sitz herum. »Traumhaft!« Unvermittelt hielt er inne.

»Was ist?«, fragte AC3 argwöhnisch. Auf diese Art erstarrte sein Partner immer dann, wenn er einen Geistesblitz hatte.

R7M verschränkte ein Armpaar und strich mit dem anderen erregt über seinen blauen Bauch. »Wie wäre es, einen Erdling für uns zu behalten?«

AC3 stöhnte, damit hätte er rechnen müssen.

»R7M, du weißt, dass ich kein Freund von Exoplanetaren in der Wohneinheit bin.«

R7M ließ alle Arme hängen. »Erdlinge sind so putzig. Überlege es dir doch noch einmal. Ich übernehme die Pflege komplett, versprochen.«

»Ist das etwa ein Geburtstagswunsch?«, bohrte AC3 zärtlich nach.

R7M nickte verstohlen.

So war das also. »Ich schlafe drüber, in Ordnung?«

Fremde Spezies

Natürlich muss ICH wieder ein „starkes Männchen“ besorgen. Klar, dass die anderen die Weibchen fangen dürfen…
Erledige ich das als Erdfrau, als anderer Erdmann oder als ich?
Die sind ja so empfindlich, fallen gleich um, drehen die Seheinheiten weg und sind dann unbrauchbar. Zumindest für eine Zeit. Aber sind sie danach wie neu? Man weiß es nicht, lieber einen Unbeschädigten mitbringen.
Meiner hier sieht stabil aus, hat auch im Gesicht Haare. Das ist sicher ein Zeichen für ein Führungsmännchen.
Schnell noch mein Sprachmodul. Ich gehe als ich.
„Guten Tag“
„Moin“
Was soll das abends?
„Wie geht es heute?“
„Muss ja.“
„Wollen Sie ein Abenteuer erleben? Mit mir zu fernen Galaxien reisen und in unbekannte Welten aufbrechen?“ Ich hatte gehört, die Formulierung triggerte sie.
„Wat?“ mehr ein Knurren, ein Zucken der Haare über den Augen.
„Ich zeige Ihnen die unendlichen Weiten des Universums!“
„Dummbüddel, döschig, oder was?“ Jetzt eindeutig eine Veränderung der Sprechmelodie für Erdlinge.
Error404, schwerer Ausnahmefehler meines Sprachmoduls.

Ich ziehe mich vorsichtig, sehr vorsichtig zurück. Hier handelt es sich offenbar um eine eigene Spezies in einem windigen Habitat. Nichts für eine standardisierte Zucht .

Terra Debilis

Die höheren Semester an der Uni für Xenologie haben mich verarscht! Sie haben gesagt: „Wenn du für deine Semesterarbeit nach Terra Debilis geschickt wirst, den seine Bewohner ‚Erde‘ nennen, besuche den Ort El Arenal auf der Insel Mallorca. Dort verbringen sie ihre arbeitsfreie Zeit. Entspannte Exemplare sind leichter zu studieren.“
Jetzt sitze ich hier in einer Irrenanstalt fest, wo sie Wettbewerbe abhalten, wer am schnellsten die größte Menge Bewusstseinsverändernder Flüssigkeit trinken kann. Anschließend machen sie verrückte Sachen, die kein vernunftbegabtes Wesen nüchtern in Erwägung ziehen würde. Die Einheimischen haben sogar ein Ranking, welche Nation beim ‚Balconing‘ die meisten Verletzungen erleidet. ‚Balconing‘ bedeutet, in möglichst großer Höhe von einem Balkon zum anderen zu springen.
Mist, ich habe mich nicht gut genug versteckt. Jetzt kommt ein typisches Männchen auf mich zu. Seine Frisur nennt man ‚Vokuhilaoliba‘, er trägt ein offenes Hemd, das mit schreiend bunten Blumen bedruckt ist. Dazwischen wachsen mehr Brusthaare, als manches Weibchen auf dem Kopf trägt. Er spricht mich an: „Sitz nicht so traurig in der Ecke, trink mit!“
Seine gewaltige Pranke schiebt mir ein riesiges Glas mit dunkelroter Flüssigkeit in die Hand. Er schaut mich erwartungsvoll an: „Los, auf Ex und dann kommst du zu uns rüber“.
Ich beginne, zu trinken. Das letzte, woran ich mich erinnere, ist mein Aufschlag auf dem Boden. Aufgewacht bin ich auf der Intensivstation von Proxima City.
Kopfschüttelnd meint die Schwester: „Bringen die euch auf der Uni nicht bei, dass die Getränke von Terra Debilis für uns potenziell tödlich sind?“

Inspektion auf dem Misthaufen

Ich bin der Neue. Der Lehrling, auf den der ganze Mist abgeschoben wird, den kein anderer machen will. Die Erde ist so ein Mist. Genau deshalb sitze ich jetzt hier, inmitten eines riesigen Misthaufens. Der Welten-Allianz geht die Erde am Arsch vorbei, genau wie mir. Mit dem Unterschied, dass ich aufgrund einer neuen Verordnung hier hocke und so tun muss, als würde ich mich auch nur im Geringsten für den unzivilisierten Mob interessieren.

Was kann ich dafür, dass es aufgrund der neuen PCV – der Political-Correctness-Verordnung nicht mehr „unterentwickelte Planeten“ genannt werden darf und man stattdessen nur noch „Planetenstruktur mit erschwerter Lernfähigkeit“ sagt? Nichts! Das bedeutet, alle Planeten haben dieselbe Chance auf Aufnahme in die Welten-Allianz. Offiziell zumindest.

Auch wenn mein wahres Antlitz als äußerst ansehnlich unter Meinesgleichen gilt, ist die Allianz der Ansicht, dass sich die Menschheit unauffälliger begutachten lässt, wenn ihnen meine Schönheit nicht den Atem raubt und besser aussehe als sie. Nun gut…

Getarnt, wie ein Schulkind zu Halloween, schlendere ich seit Monaten durch die Straßen der Erde und beobachte die Gepflogenheiten der Menschen. Sie sind gelinde gesagt absonderlich…

Stundenlanges Schlangestehen in den Supermärkten, weil nur eine Kasse geöffnet hat (wobei man die Zeit durchaus nutzen kann, um mit seiner Vorderfrau zu flirten). Dieses penetrante Geheule der Rettungsfahrzeuge, immer genau dann, wenn man schlafen möchte (ja, gut, sie retten Leben, und das sogar ziemlich zügig). Die nervige Werbung im Fernsehen, die einem die komplette Spannung raubt (okay, ich hätte mir sicher schon öfter in die Hose gepinkelt, ohne Werbung). Verfressene Mitbewohner in einer WG (aber sie bringen mich wenigstens zum Lachen). Staus, egal wo (dafür kann ich umso länger die überraschend gute Musik aus diesen Radio Retrodingern hören). Auf der Erde habe ich gelernt, dass ein pelziger Kater nicht nur ein Tier sein kann, sondern auch tierische Kopfschmerzen bedeutet (aber die Partys am Abend davor sind der Hammer).

Nach langen, ausgiebigen Überlegungen, die Fürs und Widers, das Einfließen meiner persönlichen Erfahrungen, habe ich einen Bericht über diesen abstoßenden Misthaufen für die Welten-Allianz verfasst, der besagt, dass weitere Studien unabdinglich sind. Als Neuling möchte ich mich natürlich von meiner besten Seite zeigen und niemandem anderen diese unzumutbaren Umstände aufbürden. Deshalb opfere ich mich gerne, um noch weitere Studien in Angriff zu nehmen … und eventuell ein oder zwei dieser Partys zu besuchen. Gewiss aus rein wissenschaftlichen Aspekten. Und da ich der Lehrling bin, werde ich mich bereitwillig und aufopfernd für diese „Planetenstruktur mit erschwerter Lernfähigkeit“ zur Verfügung stellen.

Ich bin nicht genügend vorbereitet. Eigentlich hätte Nr. 783.299 diese Aufgabe übernehmen sollen, aber er hat eine dieser irdischen Krankheiten bekommen. Er hat Verdauung, eine übelriechende Fehlfunktion. Und das nur, weil Nummer 9 ihn auf eine Mission geschickt hat, in der er essen musste. Unsere Einsätze sind sehr gefährlich.

Deshalb muss ich diesen Auftrag von Nummer 783.299 übernehmen. Es war sehr kurzfristig, man hat mir diesen Körper gegeben und den Chip mit Basisinformationen.

Ich betrachte mich in der Fensterscheibe des Cafès, vor dem ich warte. Auf unserem Planeten wären die Weibchen schreiend vor mir davon gelaufen. Aber Nr. 57, unser oberster Analysator hat mir versichert, dass alle meine körperlichen Merkmale den Weibchen die richtigen Signale senden werden.

Ich bin da nicht so sicher. Menschen, wie können sie so etwas anziehend finden? Diese Körper sind langweilig, sie haben von allem nur zwei. Und im Gesicht nur eine Nase und einen Mund.

Ein Weibchen kommt auf mich zu und ich erkenne sie aus dem Memo, dass Nummer 9 mir geschickt hat. Sie ist meine Mission.

„Hei“, sagt sie und streckt mir ihre Hand entgegen.

Ich bin irritiert. Hai? Wieso nennt sie mich wie diesen hässlichen Fisch? Oder ist das ihr Name? Und was zum Proximal Centauri soll ich mit ihrer Hand anfangen?

Ich starte auf meinem inneren Chip das Einführungsvideo für Erdbesuche und scrolle zum Bereich Begrüßungen.

„Guten Tag“, sage ich und drücke dann ihre Hand. Das war gerade noch einmal gutgegangen.

Sie verzieht das Gesicht und schüttelt ihre Hand aus. „Ich bin Chantal, wartest du schon lange?“

Ich verziehe ebenfalls das Gesicht und schüttele meine Hand. Das gehört wohl zum Begrüßungsritual und wird erst später im Video erklärt. „Ich bin Fred“, sage ich. „Und ich warte seit sieben Minuten und 23 Sekunden.“

Sie lacht und ich weiß nicht warum. „Wollen wir hinein gehen?“

Sie wartet meine Antwort nicht ab, öffnet die Tür und geht voraus.

Ich folge ihr und betrachte sie von hinten. Sie hat zwei Beine und einen Hintern, das ist alles sehr verwirrend.

Sie steuert auf einen Tisch mit zwei Stühlen zu, setzt sich und winkt einem Mann heran. „Ich nehme einen Capuccino und einen Heidelbeermuffin“, sagt sie zu dem Mann. „Was möchtest du?“

„Wasser“, sage ich. Auf keinen Fall will ich Verdauung bekommen.

„0,3 oder 0,5, still oder mit Sprudel? Glas oder Flasche?,“ leiert der Mann herunter.

Ich scrolle gedanklich auf meinem Chip, finde aber nichts.

„Bringen sie eine Flasche und zwei Gläser“, sagt Chantal und kneift ein Auge zu. „Das ist dir doch recht?“

Ich nicke stumm. Was ist mit ihrem Auge? Eine Fehlfunktion?

Chantal sieht mich an und verzieht ihren Mund. Ah, das kenne ich, das ist ein Lächeln. Sie streicht sich mit ihren Fingern durch die Haare und legt den Kopf schief.
„Erzähl mal von dir, wieso bist du auf Loveship und wieso habe ich dir so gut gefallen?“

Ihre Augen klappen ein paar Mal auf und zu. Definitiv eine Fehlfunktion.

„Loveship ist eine App, auf der man kopulationswillige Weibchen findet. Und du entsprichst zu 91 Prozent den Anforderungen. Das garantiert das Gelingen der Mission.“

Chantal schaut mich an und fängt dann an zu lachen. „Du bist ja süß.“

Süß? Ich scrolle auf einem anderen Chip und finde Informationen über Diabetes. Aber das kann nicht sein, dieser Körper hat keine irdischen Krankheiten.

„Und so witzig.“ Sie lacht noch immer.

Wieso witzig?

„Bist du nicht kopulationsbereit?“, frage ich. Es kann doch nicht sein, dass Nummer 57 ein Fehler unterlaufen ist.

„Meinst du Sex?“ Sie senkt den Kopf ein wenig und schaut mich von unter her an. Ihre Augen sind aufgerissen, ihre Stimme ein wenig tiefer.

Ich atme erleichtert auf. Das erkenne ich wieder, ich habe ein Video über Balzverhalten von Gänsen auf meinem Chip.

„Ja.“

Chantal leckt sich mit der Zunge über die Lippen. „Du gefällst mir,“ sagt sie. „Ich steh auf große blonde Typen. Und deine Muckis…“ Sie sieht auf meine Arme und auf meinen Bauch. „Die machen mich echt an.“

Sie ist paarungsbereit, das lief ja besser als gedacht.

„Kennst du einen Ort, an dem wir… „Ich suche nach dem richtigen Wort.

„Sex haben können?“ Sie steht auf und ergreift meine Hand. Dann zieht sie mich hinter sich her. „Ich wohne ganz in der Nähe.“

Ich stehe vor Nummer 9 und muss Rede und Antwort stehen.

„Nein, Nummer 9, ich habe die Mission nicht erfüllt. Ja, es lief alles sehr gut. Sie war kopulationsbereit, sie hat mich mit in ihre Behausung genommen. Wir haben uns ausgezogen und sie sah aus, wie Nummer 57 die Weibchen beschrieben hat. Von allem zwei.
Wieso ich die Mission nicht erfüllt habe? Ich weiß es nicht, Nummer 9. Ich habe mich ausgezogen und da war sie noch willig. Aber als ich die Hose fallen ließ… Sie hat gekreischt und immer „Zwei, oh mein Gott zwei Stück“ geschrien und ist dann davon gelaufen. Ja, Nummer 9, sie war definitiv ein Exemplar mit einer Fehlfunktion.“

Das letzte Stündlein

Ich weiß jetzt, wie ich es machen werde! Ich habe milliarden Daten gesammelt, Kommunikationmuster ausgewertet und gründlich an meiner Tarnung gefeilt. Wenn ich erfolgreich bin, wird es nicht lange dauern, bis die Erdlinge Geschichte sind. Dann ist dieser wunderschöne Planet endlich unserer.

Der beste Ort in meinem Umfeld, um das tödliche Virus freizulassen, ist ein schmuddeliges Haus mit grellen Lichtern, aus welchem Schallwellen bis auf die – sie nennen es Straße – dringen. In diesem – sie nennen es Club – lassen sich viele Erdlinge freiwillig einsperren und zucken auf minimalem Raum herum, bis die Sonne wieder am Himmel erscheint. Es könnte eine Art Gebet sein. Innen ist es laut, warm und rauchfrei. Die perfekten Bedingungen zur Ausbreitung des Virus. Ich muss es nur hinein bringen.

Mein Outfit ist der Hammer. Der silbrig glänzende Rock ist so lang, dass niemand wahrnehmen wird, wie ich über den Boden schwebe. Platinblond umspielen meine feinen Kopftentakel meinen Oberkörper. Ohne Sonnenlicht wird niemand den blassblauen Farbton meiner Haut erkennen. Die Augen verstecke ich hinter einer Brille mit schwarzen Gläsern, denn ich kann sie nicht an das Aussehen der Erdlinge anpassen. Ich übe noch ein letztes Mal den Schwung mit der Körpermitte. Weibliche Wesen lassen sie immer rein, haben mich meine Beobachtungen gelehrt. Mit diesen Gedanken löse ich den Öffnungsmechanismus meiner Raumkapsel aus.

Überall grelle Lichter, Schallwellen in Form von – sie nennen es Musik. Auf den ersten Blick kann ich die schwarz gekleideten Wächter nicht ausmachen. Ich muss es drauf ankommen lassen.

„N´Abend”, sage ich in möglichst lockerem Tonfall und hoffe, dass die Wächter des Clubs – sie nennen sie Türsteher – von mir beeindruckt sind.

„Nichts los heute”, höre ich eine tiefe männliche Stimme mürrisch äußern. „Wo bleiben die geilen Schicksen?” Warum schwingen die Schallwellen so hoch über mich hinweg? Ich schwebe näher heran und versuche es noch einmal.

„Coole Mucke habt ihr heute Abend hier.” Ich nicke mit dem Kopf in meinen Ellbogen und strecke den anderen Arm in die Luft. Diese Bewegung machen sie oft bei Musik. Nur nicht fragen, ob ich hinein darf. Erdlinge, die fragen, werden öfter abgewiesen.

„Haste noch ´ne Kippe für mich?” Warum glaubt er, ich habe eine Müllhalde dabei?

„Klaro!”, höre ich eine andere tiefe Stimme antworten. Sie kommunizieren einfach über meinen Kopf hinweg. Plötzlich fällt ein gelbweißer, brennender Zylinder direkt neben mir auf den Boden. Meine Sensoren nehmen Rauchpartikel war. Ich muss das Virus schützen! Weg hier! In dem Moment, als der – sie nennen es Schuh – auf mich hinuntersaust, wird mir klar, dass ich in wenigen Millisekunden Opfer eines fatalen Rechenfehlers geworden sein werde.

Verborgen im Nebel

Die Nacht war bereits seit langem verschwunden, doch der Nebel blieb noch zwischen den Bäumen und Ästen hängen. In dessen Schutz verharrte das Wesen unbeweglich und beobachtete die zwei Wanderer, die den einsamen Pfad entlang gingen. Das Wesen erkannte die beiden als einen männlichen und einen weiblichen Humanoiden.

Eigentlich wollte das Wesen nicht so nah an die humanoiden Einwohner heran kommen, doch hier in den abgelegenen Wäldern fühlte es sich sicher. Sie sprachen miteinander. Die Stimmen erreichte das Wesen jedoch nur gedämpft. Auch wenn es anders gewesen wäre, die Bedeutung der einzelnen Laute blieb dem Wesen jedoch noch ein Rätsel. Jetzt blieb die weibliche Wanderin stehen, zog ein Gerät aus ihrer Jackentasche und hielt es vor ihr Gesicht. Der männliche Wanderer blieb ebenfalls stehen und stellte sich ganz nah neben sie. Ein Klick-Geräusch war zu hören. Dann noch eins. Wieder sprachen sie miteinander. Das Wort „Selfie“ war zu hören. Das Wort hatte es schonmal gehört. Auch damals stellten sich mehrere Humanoide vor dem Gerät auf und warteten auf das Klick-Geräusch. Was konnte das sein?

Die zwei Wanderer lachten auf, ehe sie weiter gingen. Was hatte das zu bedeuten? Das Wesen hatte noch viel über die Sprache der Humanoiden zu lernen, und die Nuancen der humanoiden Kommunikation entzogen sich oft seiner vollen Erfassung.

„War es nun soweit?“, fragte sich das Wesen. „Muss ich mich zu erkennen geben, um mehr zu erfahren?“

Mit einem Ruck waberte das Wesen hinter den Büschen hervor, doch die Wanderer beachteten das Wesen nicht, gingen einfach daran vorbei, obwohl es sich vielleicht nur zwei Meter von ihnen entfernt befand. Beide starten, während sie langsam dem Pfad weiter folgten, in ihre merkwürdigen Geräte. Keiner von ihnen nahm die Umgebung war, bis sich das Wesen schließlich wieder zurück zog. Vielleicht würde es beim nächsten Mal funktionieren.