Seitenwind Woche 2: Außerirdischer Aufbruch

Probanden (Schreibwoche 2)

Er wußte nun schon so einiges über die Probanden. Das Spukhaus-Experiment war zur vollen Zufriedenheit des Labors abgelaufen und viele Verhaltensmuster konnten Identifiziert werden.

Nun hatte er einen neuen Auftrag angenommen, fragte sich jedoch ob das wirklich schlau war. Die seltsamen Wesen aus der Ferne, getarnt als altes Spukhaus, zu beobachten, Ihr Verhalten zu manipulieren und verschiedene Aktionen Gefühlsregungen und Aktionen zu provozieren um sie dabei zu studieren, war eine Sache. Aber nun mit Ihnen persönlich in Kontakt zu treten, eine andere.

02-02 erinnerte sich an das, was er bisher über die seltsamen Wesen gelernt hatte, während die Transmission in seinen neuen Wirtskörper vollzogen wurde.

Aktuell wurde die Gesellschaft, aus der diese Wesen stammten, von einigen wenigen korrupten Führungskräften regiert. Diese arbeiteten Hand in Hand mit Vereinigungen, welche Materialien und Gegenstände für die Probanden herstellen und dabei Ihren eigenen Planeten zu Grund richteten, indem sie nicht nur gierig Rohstoffe aus dem Planeten zogen, sondern sogar Basisressourcen, die sie zum Überlegen benötigten, langsam aber sicher vernichteten.

Da waren die wunderschönen, grünen Gewächse. Diese sorgten für die Herstellung des Gemisches von Elementen, welche diese Wesen zum Leben brauchen, indem sie diese zu jeder Zeit einatmen mussten. Als Unterstützung gab es verschiedene thermische Schichten und den Probandenplaneten, welche jedoch ebenfalls langsam vernichtet wurden, indem Müll, Abgase und ähnliche, für diese Welt schädlichen Stoffe, in den Kreislauf gebracht wurden.

Auch die riesigen Wasserflächen, von denen der feste Boden dieser Welt umgeben war, wurden verunreinigt. Die Probanden gruben sich sozusagen die Lebensgrundlagen selber ab und das konnten niemand im Labor verstehen.

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als die Stimme in seinem Kopf ertönte: „02-02. Transfer vollzogen. Experiment beginnt.“.

Er öffnete seine Augen und begann langsam seinen neuen Körper zu fühlen. Arme, Beine, Gesicht. Und so, als wäre er immer schon einer von Ihnen gewesen, setzte er sich in Bewegung.

Vor sich sah er einen der Probanden, den er noch vom Spukhaus-Experiment kannte. Die Person hielt gerade eines der Kommunikationsgeräte vor sein Gesicht, die dazu beitrugen, langsam die Ressourcen der Probandenwelt zu vernichten und sprach hastig hinein.

Dabei trippelte er aufgeregt von einem Bein aufs andere. Seine Füße steckten dabei in so genannten „Sneakers“, die von kleinen Versionen der Spezies, unter unbeschreiblichen Bedingungen, hergestellt wurden. Die Materialien dieser Güter würden nach ihrem kurzfristigen Gebrauch noch hunderte Jahre den Kreislauf der Probandenwelt verunreinigen.

Was 02-02 ebenfalls nicht verstand: Vor kurzem wurde, gemeinsam mit den Herrschern und den Ausbeutungsvereinigungen dieser Welt, eine technische Vernetzungsmaschinerie entwickelt, die von einem Großteil der Probanden naiv und arglos genutzt wurde. Sie nannten es „Internet“.

Die dahinterliegende Technik schädigte nicht nur die Welt in der sie lebten, sonder jeder Proband gab freiwillig persönlichstes Daten preis, wodurch sie einfach manipulieren zu waren.

„Ok, jetzt gehts los“ dachte 02-02 und ging auf das Wesen zu.

Meine Wangen schmerzen, so sehr zwinge ich meine Mundwinkel nach oben. Lächeln ist gut, freundlich. Ich trete vor das weibliche Exemplar, das auf der Bank sitzt und auf ihrem handgroßen Multizweckgerät herumtippt. Einen Schritt vor und noch einen halben, versuche ich den durchschnittlichen Abstand zwischen mich und sie zu bringen. Mein Blick wandert von meinen Schuhen über den Asphaltboden zu ihren Schuhen und wieder zurück und dann zu ihrem Gesicht.
Ihr Blick wandert von ihren Schuhen zu meinen Schuhen, zurück und zu meinem Gesicht. Falten bilden sich auf ihrer Stirn. Ein Zeichen von Konzentration! Anscheinend findet sie das Ganze auch nicht so einfach. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragt sie und lächelt leicht.
Ja, diese Unterhaltung kann ich! Lachend hebe und senke ich mein Kinn. Lachen ist gut, Lachen macht glücklich. „Ich suche einen Weg!“, erkläre ich.
Sie sieht mich an. Ich sehe sie an.
Ein nervöses Trillern will sich Bahn brechen. Stille ist schlecht, deswegen schiebe ich hinterher: „Und Sie?“
Jetzt zeigt das Weibchen ihre Zähne und ich weiche aus Reflex etwas zurück.
Keine Sorge. Zähne zeigen ist gut.
„Ich verbringe hier meine Mittagspause.“ Sie steckt ihr Handgerät in die Hosentasche. „Wohin wollen Sie denn?“
So viele Fragen. Mein Gehirn ist leer. Wie mein Magen, von all dem Stress. „Irgendwohin, wo es etwas zu essen gibt.“
„Na, gut, dass ich in einem Schnellimbiss arbeite. Vorausgesetzt, Sie haben nichts gegen Pommes und Currywurst?“
„Natürlich nicht: Pommes gehören zu den beliebtesten Tiefkühlprodukten! Und in Kombination mit Currywurst waren sie im Jahre … ähm …“ Verdammt!
Doch sie zeigt nur wieder ihre Zähne und steht auf. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Weg.“
„Dankeschön!“ Ich neige meinen Oberkörper nach vorne.
Das war ja doch einfacher als gedacht - mein Ausbilder wird stolz auf mich sein!

„Dab Bing“, sagten sie zu mir. „Dab Bing, du gehst jetzt auf die Erde und suchst den perfekten Menschen. Zeig, was du gelernt hast. Wenn dir das innerhalb eines Tages gelingt, dann steigst du eine Stufe auf und wirst Unterhilfsarbeiter.“ Ich verneigte mich vor dem Hohen Rat. Wenn mir das gelänge, dann bekäme ich eigenes Besteck und eine eigene Schlafmatte. Ich bräuchte nicht mehr teilen!
Ich eilte zu dem Teleportraum und in Nullkommanichts war ich auf der Erde. Was ich sah, gefiel mir. Junge Menschen, die in kleinen Gruppen zusammenstanden. Ich trat näher, um ihrer Unterhaltung zu lauschen.
„Tach, Bernd“, stellte sich der eine vor. Die Hände tief in den Hosentaschen verborgen.
„Moin, Klaus“, antwortete der nächste und strich sich über die Haare.
„Grüß Gott, Xaver“, war der nächste an der Reihe sich vorzustellen und streckte die Hand zum Gruß vor.
Ich notierte für mich: Namen nennen und einen typischen Gruß machen. Dann verließ ich meine Deckung und ging stracks auf die Gruppe zu.
„Dab Bing“ und reckte eine Hand dem Himmel entgegen und senkte den Kopf in die Beuge meines anderen Armes, wie es auf meinem Planeten Sitte ist.
„Dabbing, wie krass ist das denn!“ Rief Tach Bernd.
Moin Klaus übte schon meinen Gruß und Grüß Gott Xaver holte die Anderen, damit sie mich auch begrüßen konnten.
„Dab Dab Dabbing“, sangen sie und grüßten mich mit meinem Gruß. Immer mehr Arme gen Himmel, immer mehr Köpfe gesenkt.
„Perfekt“, lachte Tach Bernd. „Du bist unser King“.
Ich bin noch immer überwältigt. Ich bin noch keine Stunde auf der Erde und sie haben mich schon zu ihrem König gemacht.

Menschen-Wahn

Diese Spezies ist abgrundtief gestört. Sie kennen Wörter wie Mord und Totschlag und haben sogar ein eigenes Wort dafür, wenn sie sich in Scharen gegenseitig umbringen: Sie nennen das Krieg und Kriege führen sie immer wieder. Ihre Geschichtsbücher sind voll davon, bestehen quasi aus nichts anderem als einer endlosen Aneinanderreihung von Landraub und Erbfolgekriegen. Jahrtausende, in denen es kaum einen Moment gab, in dem nicht irgendwo auf diesem Planeten ein Volk ein anderes drangsalierte. Sogar Regeln haben sie dafür aufgestellt, die sie immer wieder brechen. Sie reden von Menschenrechten und messen den Menschenleben doch immer wieder einen unterschiedlichen Wert bei. Auf perfide Weise bringt die Grausamkeit gegen ihre eigene Spezies sie immer weiter voran, denn ohne den Ehrgeiz andere zu töten, wäre ihre technische Entwicklung vermutlich in den Kinderschuhen stecken geblieben. Die Waffen ändern sich, doch der Krieg bleibt immer gleich.
Was für ein fehlgeleiteter Entdeckergeist, doch sie wollen nicht wahrhaben, dass sie eben jenen, in seiner reinen, unschuldigen Form, bereits bei den jüngsten abtöten: Sie schicken ihre Kinder an einen Ort, den sie Schule nennen, der darauf getrimmt ist, Menschen die natürliche Begeisterung für das Sammeln von Wissen abzuerziehen und ihnen etliche Jahre ihres ohnehin kurzen Lebens zu vermiesen. Verstehen sie denn nicht, dass Freude und Neugier ungleich größere Motivatoren sind als Zwang und Repression? Einige kommen zwar „erfolgreich“ durch dieses System, doch zeugt es von einem gesunden Geist, sich einer solchen Tortur zu unterwerfen und darin zu brillieren? Ich habe meine Zweifel, denn oftmals sind es eben jene, die dafür sind, dass die Schulregeln bleiben, wie sie sind. So sind sie auf ewig in diesem System gefangen, von einer Generation zur nächsten und werden nie das volle Potential des menschlichen Geistes erfassen.
Auf meinem Heimatplaneten hat nie einer der unserem einem Lebewesen Schaden zugefügt, wir brachen zu den Sternen auf, nicht weil wir einem ausgebeuteten Planeten entkommen mussten oder uns einen Wettlauf in einem atomaren Konflikt zweier Großmächte lieferten, sondern weil uns der Wissensdurst vorantrieb. Weil wir vor Glück weinten, wenn wir einen Sonnenaufgang auf einem neuen Planeten mit eigenen Augen betrachteten. Weil wir nachts zu den Sternen aufblickten und uns sagten, irgendwo dort draußen warten neue Freunde auf uns, harrt noch ein wenig länger aus, wir werden euch finden. Wir suchten andere, um uns zu versichern, dass wir nicht allein in der Milchstraße sind, Kollegen, wenn man so will, mit denen wir die Geheimnisse des Universums zu ergründen gedachten. Aber nachdem was ich über die Menschen weiß, darf mein Volk sie niemals kontaktieren. Es würde die Menschen zwar in ein neues Raumzeitalter heben, aber es wäre das Ende unserer Art zu leben.
Die Menschen würden uns pervertieren, verderben, versklaven oder vernichten. Ihre Filme, Bücher und Lieder sind beste Beispiele dafür, voll von Zerstörung und egoistischen Besitzansprüchen, als gebe es ohne zugefügtes Leid keine Unterhaltung, keinen besseren Grund dem Horizont entgegen zu streben, als das Land dahinter mit all seinen Schätzen in Besitz zu nehmen und allen anderen zu verwehren. Macht, Einfluss, Reichtum, das ist es, was die Führer ihrer Staaten antreibt. Nicht das selbstlose Dienen dem Kollektiv liegt ihnen am Herzen, sondern ihr eigenes Wohl. Wie grauenhaft und scheinheilig.
Eroberte Gebiete und ihr Vermögen hüten sie wie ihren Augapfel und doch sind sie nicht zimperlich, sie anderen zu rauben. Nachdem ich ihre Definitionen von Besitz und Eigentum verstand, war es nicht schwer, zu erkennen, dass alle Menschen Diebe sind. Sie müssten sich fortwährend selbst bestrafen, denn sie tun es andauernd auf viele unterschiedliche Weisen: Sie beuten die Bodenschätze rückständiger Nationen ebenso aus wie Menschen mit niedrigeren Schulabschlüssen, schlechterem Einfluss oder einem anderen Geschlecht. Sie messen der Wirtschaft und der Gewinnmarge ihrer Unternehmen mehr Gewicht bei als den Lebensgrundlagen und der Artenvielfalt ihres Planeten und haben ihn soweit heruntergewirtschaftet, dass die Lebensqualität jüngerer und künftiger Generation eingeschränkt sein wird. Sie wissen das und verhalten sich dennoch weiter wie bisher. Etwas so Unsoziales ist nur schwer zu verstehen. Sie stehlen einander sogar die Zeit.
Selbst in der Liebe sind sie eifer- und streitsüchtig. Es wäre zum Haare raufen, aber meine Spezies ist dankenswerterweise von dieser lästigen Plage verschont. Menschen verlieren andauernd Pelz und bemerken es nicht einmal, finden aber grüne kleine Marsmännchen zum Gruseln? Ich wünschte, wir hätten auf dem Mars tatsächlich Leben gefunden und die Erde nie betreten. Sie haben mich meiner Zuversicht beraubt, einer anderen intelligenten und sozial vernetzten Spezies zu begegnen. Über ihr Social Media kann ich jedenfalls nur die Köpfe schütteln.
Ihr fragt euch, warum ich immer noch dort bin? Auf diesem von Menschen geplagten Planeten? Nun, ich bin nicht verrückt, da bin ich mir einig, daher werde ich von diesem Planeten verschwinden, bevor ich vollends den Verstand verliere. Da mir ein Raumschiff fehlt und ich frühestens in hundert Jahren abgeholt werde, habe ich nur eine Option: Ich muss die Menschen davon überzeugen, mich auf den Mond zu schießen. Lieber friste ich in dieser Einöde dort oben mein Dasein, als hier unten ihren Wahnsinn mitzuerleben und mich damit zu infizieren. Aber natürlich kann ich nicht den direkten Weg wählen. Also werde ich mich als Astronaut verkleiden, bei der Mondlandung mein Ableben vortäuschen, mich auf der dunklen Seite verbergen und dabei stets darauf achten meine Spuren zu verwischen. Denn wenn die Menschen denken, dass ich noch lebe, werden sie alles daran setzen, mich zurückzuholen. Ich habe bereits einen passenden Astronauten ausgespäht. Ich werde mir an den Menschen ein Beispiel nehmen und einen Mord begehen. Oh, ja. Ich werde ihn töten und in seine Haut schlüpfen. Nur in dem ich zum Menschen werde, kann ich von diesem Planeten flüchten und mich davor bewahren, dauerhaft als Mensch zu leben. Aber wehe, es missglückt und sie erfahren, dass ich ein Alien bin. Dann werden sie mich fangen und sezieren. Und die Frage, ob ich nun wirklich von den Sternen zu ihnen kam oder nicht, und wenn ja, was das für ihre Religionen und ihre Stellung im Universum bedeutet, wird nur in einem münden: einem neuen Krieg. Was Nahrung und Sauerstoff anbelangt… Ach, alles nicht so wichtig. Dafür nehme ich mir Zeit, wenn ich auf dem Mond gelandet bin.

Außeneinsatz

„Menschen machen mir keine Angst!“

Doc Xympfhos hat mir geraten, mir den Satz wieder und wieder vorzusagen. Nicht nur, wenn ich einem von ihnen gegenüberstehe. Sondern in allen Alltagssituationen. Nach dem Aufstehen. Beim morgendlichen Ölen der Fühler. Beim Essen zwischen den Happen. Selbst beim Absaugen im Entsorgungsraum.

„Durch die ständige Wiederholung wird das für Sie zur Realität“, hat Doc X. gemeint. Doc X. ist spezialisiert auf Trauma-Patienten. Also habe ich es getan. Dass ich noch Mal aus allen Poren ausscheide, muss ich unbedingt verhindern. Sonst versetzen sie mich! Einen so ruhigen Job wie Beobachter für Menschen finde ich nicht wieder. Lockere Vorgesetzte, viel Freizeit, gute Bezahlung. Wenn nur nicht die Außeneinsätze wären!

„Menschen machen mir keine Angst!“

Ruhig atmen! Ein. Aus. Ein. Aus.

Vielleicht geht heute ja alles glatt? Ich komme ungestört zum Probenbehälter, kein Mensch weit und breit, ich tausche die Kartuschen, gehe zurück in die Station, und alles ist gut!

Wunschdenken!

Ruhig atmen! Ein. Aus. Ein. Aus.

Ich stehe in der Schleuse. Nur ein Knopfdruck, und die Welt der Menschen liegt offen vor mir.

„Menschen machen mir keine Angst!“ Ich sage es extra laut. Aber meine Stimme kippt mitten im Satz. Trotzdem fühle ich mich weniger angespannt als beim letzten Außeneinsatz. Die Autosuggestion ist zumindest etwas erfolgreich. Also los!

Mit dem Schweberucksack sause ich um Bäume und Büsche herum, Wind im Gesicht, verwirre einige Vögel. Kein Mensch zu sehen. Vor dem ich auch gar keine Angst hätte! Im Grunde macht der Flug sogar Spaß!

Die Peilung führt mich zum Sammelbehälter. Er ist gut getarnt, dort, wo die Menschen ihre Abfälle entsorgen. Ihre Entsorgungsanlage ragt neben mir auf. Ich habe es unentdeckt bis hierher geschafft!

Nur den Code eingeben, dann bin ich in wenigen Augenblicken wieder weg! Also: 4 – 6 – 12 –

Ich werde gepackt! Wülste umschließen meinen Körper! Ich kann mich nicht befreien!

„Mama, schau mal, was ich gefunden habe!“ Die Stimme dröhnt in meinen Ohren. Ich bin erledigt! Ich scheide aus wie ein Schwamm, den man drückt! Mir wird übel vom Geruch, obwohl es mein eigener Angstausfluss ist.

„Und es duftet so schön! Darf ich es behalten?“

„Iih, nein!“ Meine Ohren platzen fast von der zweiten Stimme. „Du sollst doch nicht im Abfall wühlen!“

„Aber es lag daneben!“

„Keine Widerrede! Ab damit in den Mülleimer!“

„Och, menno!“

Die Finger-Wülste lassen mich los. Ich falle in die Entsorgungsanlage, lande unsanft zwischen einer Cola-Dose und einer Wodka-Flasche. Der Schweber braucht einen Moment, bis er wieder funktioniert. Ich fliege nach oben, schaue vorsichtig über den Rand. Die Menschenmutter verlässt mit ihrem protestierenden Kind den Spielplatz.

Ich bin nach mal davongekommen. Aber es reicht mir! Doc X. kann mich mal! Morgen kündige ich!

Nicht der letzte Erstkontakt

Inmitten des tosenden Meeres menschlicher Aktivitäten stand ich da, ein stiller Beobachter aus den unermesslichen Weiten des Universums. Als Wesen von einer fernen Galaxie hatte ich meine Zeit darauf verwendet, die Gebräuche und Eigenheiten der Menschen zu studieren, jenes rätselhafte Wesen, das seinen Planeten mit einer Mischung aus Sorge und Raubtierinstinkt behandelt.

Dabbing, Selfies, die unerklärliche Anziehungskraft von Katzenvideos – alle diese Phänomene hatte ich in meiner Datenbank gespeichert, bereit für den Tag, an dem ich das perfekte menschliche Exemplar für den Erstkontakt finden würde. Und jetzt, in dieser Café-Ecke, an einem Tisch mit Latte Macchiato und einem halbgelesenen Buch, saß er. Ein junger Mann, der gerade ein Selfie machte.

In einem aufsehenerregenden Moment der Courage näherte ich mich ihm, meine Außenhülle perfekt angepasst an das Erscheinungsbild eines irdischen Wesens. Ich führte ein Dabbing aus, genau wie ich es in zahlreichen Videos gesehen hatte. Mein Herz schlug in meiner nicht-existenten Brust, als ich seine Reaktion abwartete.

Er schaute auf, ein Ausdruck der Verwunderung huschte über sein Gesicht, gefolgt von einem Lächeln. Er schien mein Dabbing nicht als Bedrohung, sondern als humorvolle Geste zu interpretieren. Oder vielleicht als eine Art modernen Tanz?

„Coole Bewegung, Mann. Machst du TikTok-Videos oder so?“ fragte er.

„Ja… TikTok,“ antwortete ich, dankbar für meine gründliche Forschung in den Tiefen des Internets. „Die Plattform der Selbstinszenierung und der kreativen Ausdrucksmöglichkeiten,“ fügte ich philosophisch hinzu.

Der junge Mann lachte. „Du redest ja wie ein Professor für Sozialwissenschaften. Was trinkst du? Ein Espresso, um wach zu bleiben?“

„Naturlich, Wachheit ist der Schlüssel zur menschlichen Interaktion,“ gab ich zurück.

Es wurde ein langes Gespräch, und während wir sprachen, spürte ich, wie meine Datenbank mit neuen Einträgen gefüllt wurde: Humor, Empathie, der Wunsch nach sozialer Zugehörigkeit. Diese Eigenschaften schienen den Menschen ebenso zu definieren wie ihre seltsamen Rituale.

Als ich mich schließlich verabschiedete, schüttelten wir uns die Hände, ein irdisches Ritual, das ich bis zur Perfektion studiert hatte. Der junge Mann schien nichts bemerkt zu haben. Er lachte, wünschte mir einen guten Tag und ging davon, nicht ahnend, dass er der erste Mensch war, der mit einem außerirdischen Wesen Freundschaft geschlossen hatte.

Mein Schiff, verborgen hinter dem Horizont, sendete mir das Signal zum Aufbruch. Ich sah noch einmal zurück und fragte mich, ob ich dieses Mal für Frieden oder Zerstörung plädieren sollte. Ich entschied mich für Frieden. Denn ich hatte heute nicht nur ein menschliches Ritual gelernt, sondern auch etwas von der unfassbaren Komplexität und der unergründlichen Tiefe menschlichen Seins verstanden. Und das schien mir eine Entdeckung wert, die weit über Selfies und Dabbing hinausging.

Menschheit - mit Potential

Meine Gefährten und ich sind schon seit einiger Zeit unter euch. Für jeden sichtbar, aber dennoch unerkannt. Wir können uns als Gänseblümchen auf Kinderspielplätzen zeigen, als Mehlmotten in euren Küchen, oder wir blicken euch an durch die sanften Augen eurer Haustiere. Wir hören gerne die Gespräche der Menschen, wenn sie ihrem Nachwuchs beim Spielen zusehen. Das hat uns schon viel Faszinierendes über euch offenbart. Zum Beispiel über die Leidenschaftlichkeit der Motten oder den unersättlichen Appetit eurer männlichen Individuen. Oder war es anders herum… ach, egal. So groß finden wir die Unterschiede nicht.

Jetzt sind wir auf alle Fälle gut gerüstet für persönliche Interaktionen mit euch und verteilen uns auf mehrere Erdteile. Ich habe mir eine Stadt namens München ausgesucht, weil sich auf der Theresienwiese angeblich die ganze Welt trifft. Das nennt sich „Oktoberfest“. Ich habe meine Kleidung dem Landesvolk hier angepasst: eine kurze Hose aus Leder, eine blumige Bluse mit wuchtig ausgepolsterter Oberweite und einen Hut mit Haarbüscheln obendrauf. Scharen von Menschen schieben sich an mir vorbei und ich finde, ich verschmelze perfekt mit der Masse. Ich erinnere mich, was ich gelernt habe und rufe laut „o’zapft is“ und ernte tatsächlich ein paar Blicke, die ich als lächelnd und freundlich interpretiere.

Eine Gruppe jüngerer Kurz-Hosen-Träger kommt auf mich zu: „Wer hat Dich denn hier ausgesetzt? Hier draußen kannst nix o’zapfn. Komm mit uns“. Sie haken mich links und rechts unter und quetschen sich mit mir durchs Gedränge Richtung Zelthaus (sie nennen es „Bierzelt“).

Der Krach, das Gedränge und der Geruch lassen mich erschauern. Überall Menschen, die auf Holzbänken stehen und wilde Zuckungen vollführen. Dabei lachen sie und kreischen und trinken aus großen Glaskrügen. Meine Begleiter schubsen mich zu einer dieser Holzbänke und rufen nach einer „Maß“ für jeden. Ich frage mich, was das hier ist. Eine Regenerationsstätte für kranke und leidende Menschen? Sind das Heilungszeremonien der Eingeborenen? Ich beschließe, mich völlig dieser Erfahrung hinzugeben. Ich möchte die Menschen vollständig verstehen. Ich folge daher dem Beispiel meiner Begleiter und hebe meinen Glaskrug. „Prost“ rufe ich, genau wie die anderen, und trinke den Krug leer. Meine Begleiter werfen sich belustigte Blicke zu. Ich freue mich, dass ich so freundlich aufgenommen werde. Wir schaukeln untergehakt mit der Musik, ich finde sie gar nicht mehr so kreischend. Ich fühle mich wohl an diesem Ort unter diesen Menschen.

Und ich nehme mir vor, bei meiner Rückkehr auf mein Raumschiff eine Eilnachricht zu meinem Heimatplaneten zu schicken. Man sollte die Erde aus dem geplanten Terraforming-Programm streichen. Die Menschen haben viel Potential, das sich lohnt, sich entwickeln zu lassen. Daher sollte die Erde nicht platt gemacht werden. Zumindest nicht vor dem nächsten Oktoberfest.

Begegnung mit Folgen

Nun liege ich hier. Grelles Licht brennt mir in meinen Augen festgebunden auf einer Art Liege mit Schläuchen in meinen Armen. Längst haben sie meine falsche DNS erkannt. Wie konnte ich nur so dumm sein?

Ich sah dank des Gen-Deformierers so perfekt aus, so sehr wie sie. Niemand hätte mich erkannt. Ich durchstreifte ihre Koloniestationen, welche sie Stadt nannten, und war in der Lage, sie genau zu studieren.
Es gab kleine und große Geschöpfe von ihnen. Die Kleinen taten alles, was die Großen ihnen anwiesen. Folgten sie nicht ihren Befehlen, so mussten sie leiden.
Glücklicherweise gab mir der Gen-Deformierer die Form eines Großen.

Ich trug Rüstung wie sie – sie sagten dazu Kleidung. Und ich hatte lange geübt, mich wie sie fortzubewegen. Auf zwei Beinen zu laufen und dabei mit den Armen umherzuschlendern war alles andere als einfach – einen viertel Rotsternzyklus forschte mein Volk bereits danach.

Sie nutzen Technologie, die der unseren nicht gleich ist. Den Sinn ihrer Instrumente zu begreifen, war mein Auftrag. Außerdem musste ich etwas Existenzielles herausfinden: Waren sie feindselig oder eher friedliebend? Sind sie eine Bedrohung für uns?
Wenn ich ehrlich bin, hätte ich lieber in der Nachbargalaxie die Schwarzwürmer, die die dunkle Materie ausscheiden, sezieren sollen, als dieses eigenartige Volk zu studieren. Das hätte viel Ärger erspart.
Sie nennen ihre eigene Galaxie wie eines ihrer Lebensmittel: Milch. Und dann verbinden sie es mit einem ihrer Transportwege: Straße – Milchstraße. Wozu? Sie inhalieren rauchige Substanzen und starren ständig auf so ein eigenartiges Teil namens Smartphone.

Das muss wohl ihre Wunderwaffe sein.
Ich sah eines der kleineren Wesen auf einem rollenden Brett stehend die Straße entlangfahren. Sie starrte unentwegt auf dieses Smartphone, bis sie stürzte.
Ich zuckte zusammen. „Ist sie jetzt tot?“, fragte ich mich. Bei einem solchen Sturz wäre selbst der Härteste meines Volkes verendet. Sie hielt ihr Smartphone an ihr blutendes Bein. Licht blitzt kurz auf. Dann stand sie auf, als wäre nichts gewesen. Ich war mir sicher, dass dies das wohl stärkste Heilungsgerät des Universums sein musste.

Ich machte es wie die Großen ihrer Art. Ich ging zu ihr und wollte das Heilungsgerät ihr entreißen – das hatte ich so schon oft beobachtet. Also Haltung annehmen und konzentriert einen Schritt vor den anderen setzen – Schultern zurückziehen, mit den Armen schlendern und das Ziel mit den Augen fixieren. So machten die Großen es auch und die Kleinen taten dann alles!

„He du – Kleines. Das ist jetzt meins!“, sagte ich zu ihr. Ich hielt sie am Arm und griff nach dem Smartphone. Ihre Tritte brachen mir augenblicklich die Siliziumknochen. Ihre Schreie brannten in meinen Ohren. Meine Meister hatten Recht. Ihre Körper sind hart wie Stein. Danach wurde ich bewusstlos.

Jetzt liege ich hier bei grellem Licht an unzähligen Schläuchen und hoffe nur, dass sie nicht meine Heimat finden. Mit ihren stabilen Körpern würden sie uns in kürzester Zeit auslöschen.

Die Weisheit der Pfoten

Er hatte keinerlei Ahnung von den Bewohnern dieses Planeten, die sich selbst Menschen nannten. Mit nur wenigen Tagen Vorbereitungszeit hatte er endlich das perfekte menschliche Exemplar identifiziert, um den Erstkontakt aufzunehmen. Doch damit begannen die Schwierigkeiten …

Er näherte sich dem auserwählten Exemplar, einem Weibchen, vorsichtig und versuchte, die menschlichen Begrüßungsrituale anzuwenden. Ein freundliches Lächeln, ein paar höfliche Worte und eine ausgestreckte Hand zur Begrüßung. Er Verstand nicht, warum Menschen sich die Hände schüttelten. Konnten sie so tatsächlich Informationen untereinander austauschen?

Das Weibchen schien verwirrt und reagierte nicht wie erwartet. Stattdessen starrte sie auf seine ausgestreckte Hand und deutete auf eine fellige Kreatur, die neben ihr stand und laute schmerzende Klänge von sich gab. Ein Hund.
Er konnte nicht begreifen, was das Weibchen ihm mitteilen wollte. Sollte er das Ritual des Streichelns bei dem Hund anwenden?

Er wagte einen weiteren Annäherungsversuch. Mit einem freundlichen Lächeln deutete er dabei auf den Hund. Doch das Weibchen reagierte mit einem lauten Schrei und einer heftigen Geste. Verwirrt und erschrocken wich er zurück.

Frustriert von der misslungenen Kommunikation, betrachtete er den Hund genauer. Er war so viel deutlicher zu lesen als das Weibchen. Er signalisierte eindeutig, dass er keinen Kontakt wollte. Also lächelte er erneut und fuchtelte mit der Hand durch die Luft. Diese Bewegung nannten die Menschen «Winken».

Während das Weibchen mit dem Hund an ihm vorbeiging, bemerkte er, dass das Weibchen durch eine Leine mit dem Hund verbunden war, und so schien sie halb hinter dem Hund hergezogen zu werden. Zudem trug sie eine Tüte mit sich, die den charakteristischen Geruch der Hinterlassenschaften eines Hundes verströmte. Dieser Duft ließ keinen Raum für Zweifel!

Er kam zu dem eindeutigen Schluss, dass die wahre Intelligenz auf diesem Planeten nicht bei den Menschen zu finden war, sondern bei den Hunden. Denn welche intelligente Spezies ließe sich so von einer weniger intelligenten Art herumkommandieren?

Eine große Menschenmenge befindet sich vor mir. Genau das, was ich gesucht habe. Jetzt muss ich mir nur noch einen der Menschen hier aussuchen und versuchen, den ersten Kontakt herzustellen. Dies ist mein erster Einsatz und ich bin nervös. Bevor ich auf die Erde gekommen bin, wurde ich aber optimal ausgestattet. Mein Translatorchip wurde mit mehreren Erdensprachen gefüttert, in meinem Auge sitzt ein Schriftübersetzer, meine nicht gerade menschentypische Gestalt wird mit einem visuellen Schild abgedeckt, so dass ich aussehe wie alle anderen hier. Während der Reise zu diesem Planeten habe ich jede freie Minute mit allen verfügbaren Medien verbracht und gelernt, wie ein typischer Mensch klingt, sich bewegt und was sie interessiert. Ich bin vorbereitet.

Je näher ich dem Auflauf vor mir komme, umso größer scheint er zu sein. Immer mehr dieser Wesen strömen zu dem Platz. Zwischen den hauptsächlich Jüngeren schwirren einige, die sich mit ihrer Kleidung abheben. Sie tragen Klemmbretter in der Hand und es sieht so aus, als ob sie jeden befragen. Was ist das hier? Ist das ein Erdenritual, von dem wir nichts wissen?

Zögerlich nähere ich mich weiter an und werde von der Menge verschluckt. Einer der Klemmbrettmenschen tritt auf mich zu und fragt: „Name?“ Mein Name? Vor lauter Verblüffung fällt mir nichts ein, also antworte ich wahrheitsgemäß. „Parsec Korman.“ Er nickt, notiert dies auf seinem Klemmbrett und schlägt mir mit Schwung auf die Brust. „Cooles Kostüm übrigens!“, merkt er an, deutet auf eine Treppe im Hintergrund und weist mich an, mich dorthinzubegeben.

Kostüm? Ich schaue an mir herunter und erstarre vor Schreck. Mein visuelles Schild ist zusammengebrochen. Meine grüne, schuppige Haut ist zu sehen und auf meiner Brust prangt ein Schild mit einer Nummer. Das hat der Klemmbrettmensch also auf mich geklebt.

Ein anderer, der fast genauso aussieht, läuft auf mich zu und zerrt mich bis zur Treppe. „Du bist gleich dran! Bei deiner Kostümierung muss Dir ja heiß sein, also haben wir Dich vorgezogen.“ „In Ordnung?“, antworte ich unsicher. Was ist das hier?
Über mir leuchtet ein Monitor. „Werde der King! Nur heute und hier!“ König der Welt? Die Menschen sind schon seltsam, aber wenn das hier das reguläre Prozedere für die Wahl einer neuen Weltherrschaft ist?

Der Mensch vor mir steigt die Treppen hinauf und verschwindet hinter einem schwarzen Vorhang. Jetzt bin ich neugierig, denn so etwas habe ich in meinen Studien nicht gesehen. Vorsichtig ziehe ich die Stoffbahn zur Seite und starre auf das, was sich dahinter verbirgt. Jede Menge Kameras vor einer Bühne, hinter dem Menschen, der gerade vor mir war, leuchten riesige Monitore mit Titeln wie Instagram, TikTok, youtube und facebook. Auf allen Monitoren sieht man live, was sich auf der Bühne abspielt. Likes und Herzchen fliegen auf den Displays durch die Gegend und zeigen anscheinend, wie populär dieser Mensch ist. Er tanzt und spielt mit einer sprechenden Puppe kleine Geschichten nach, verbeugt sich dann und schaut fragend ins Dunkle. Eine Stimme erklingt: „Vielen Dank für deinen Versuch. Leider bist Du nicht mit dabei wenn es in die nächste Runde geht!“

„Parsec Korman bitte!“ Ich werde unsanft durch den Vorhang auf die Bühne gestoßen und stehe nun im sprichwörtlichen Rampenlicht. Ich sehe den Kameras direkt in die Linse und erkläre: „Ich bin Parsec Korman vom Volk der Ashmar. Diese Welt wird von uns beansprucht. Ergebt euch und euch geschieht nichts böses!“ Hinter mir fliegen Herzchen und likes, eine leise Stimme aus dem Dunkel jubelt und sagt: „Endlich ein Charakter. Mit so einem Science Fiction Nerd schaffen wir noch bessere Einschaltquoten!“ Laut wird ergänzt: „Herzlichen Glückwunsch, Parsec Korman! Du hast Dich qualifiziert und bist heute unser König der Welt.“

Ich gehe von der Bühne und kann es kaum erwarten, meinen Vorgesetzten Bericht zu geben. Ich habe eine Welt erobert. Ganz allein!

Ein Gulli ist ein Gulli ist ein Gulli …

Ein Gulli ist ein Gulli ist ein Gulli!

»Menschen sickern nicht in Gullis!« Das sagte sie sich mehrere Male mit unterschiedlicher Betonung. »Menschen sickern nicht in Gullis …« Sie blieb mitten auf dem, was sie hier Gehweg nannten stehen, sodass die übrigen Erdenmenschen rechts und links an ihr vorbeiströmten. »Menschen sickern nicht in Gullis …«

Ich seufzte und beschloss, mich noch einmal herauszubeamen. Diewürde keine Ruhe geben, die nicht! Wer weiß, was die anderen Bewohner dieses durchgeknallten Planeten mit ihr anstellen würden, wenn ich es ihr nicht erklärte. Sie womöglich in ein Labor sperren! Samael, unser 712CVX würde mich zum AY29r degradieren, wenn ich noch jemandem auf dem Gewissen hätte. Er war sowieso schon – wie sagte man hier? - angepiepst oder so, wegen diesem Politidioten, der vor einigen Erdenjahren eine interplanetarische Mauer bauen und sie uns in Rechnung stellen wollte, nachdem er mich gesehen hatte! Und außerdem gefiel sie mir. Das Mädchen, nicht die Idee mit der Mauer! Sie war für eine außerirdische Intelligenz weitaus erträglicher als I-make-myself-great-again. Ich wollte nicht Schuld sein, wenn man sie irgendwo zwangseinwies.

Also »sickerte« ich wieder heraus aus dem, was sie für einen »Gulli!« hielt. Ein fataler Fehler! Denn jetzt klafften ihre Sehschlitze auseinander, als wären sie aufgeplatzt und sie stieß einen Geräusch aus, das meine Freunde auf Xylibit wahrscheinlich auch ohne Übertragungsmedium vernehmen konnten.

Jemand rammte mir ein synthetisches Transportmittel in die Kniekehle meine menschlichen Gestalt. Ich knickte ein und landete mit einer monamentalen Umdrehung neben ihr. Beim Saturn, ständig unterschätzte ich die Erdanziehung! Aber zumindest stoppte das diesen membranzerfetzenden Ton, der aus ihr herausquoll. Sie klappte ihren Futtereinschub zwar weiterhin auf und zu, aber die Töne waren jetzt leiser und dumpfer, beinahe wie eine Beschwörungsformel.

»Ein Gulli ist ein Gulli ist ein Gulli ist ein Gulli!« übersetzte mein Sprachumwandler. Wahrscheinlich hatte er sich irgendwie aufgehängt.

» … oder eine Raumkapsel!«, raunte ich in ihren rechten Gehörvulkan.

»Was?« Sie starrte mich entgeistert an. Hatte der Translator irgendeinen Übersetzungsfehler gemacht? Mit den Turbulenzen, die mir das Ding schon eingebracht hatte, hätte ich hexagalakmetrische Lochstreifen füllen können … Egal, auf welchen Mentalarealen unsere Specialeinheiten auch technische Höchstleistungen erreichen mochten, Kommunikation gehörte nicht dazu!

Ich blinzelte sie über die Ränder meiner Schutzgläser an. »Eine Rauuumkaaapseeeel«, versuchte ich es mit einer anderen Betonungssequenz. »Das ist so etwas wie ein Flugzeug nur mit mehr Tschung und um 1,5 oder 2 Licht-KP schneller.«

Ihre Futterluke kräuselte sich. »Ah, ich verstehe,und du bist Stephen King, oder wie?«

»Nein, du kannst mich Dijù nennen.«

»Ich habe nicht vor, dich überhaupt irgendwie zu nennen.«

»Aber das würde die Sache galaktiös vereinfachen. Denn dann würde ich ad shock registrieren, dass du mich meinst und nicht diesen Stiefel-King. Wer ist das überhaupt?«

»Vergiss es!«

»Wie kann ich etwas vergessen, was ich gar nicht im Erinnerungsstatus habe?«

Ein dumpfes Geräusch entfuhr ihr. »Jetzt hör mal zu, wenn du mich triggern willst, du NPC …«

Triggern? Triggern? Was sagt der Translator dazu? »Triggern, kein Eintrag. Nächste Möglichkeit: tigern. Tigern bedeutet mit einer an ein Tigerfell erinnernden Musterung versehen! « Was, zum verglühten Meteor, ist nun wieder ein Tigerfell? Keine Zeit, weiter nachzuforschen!

Auf den Sprachumwandler ist eben überhaupt kein Verlass. Allein die Tatsache, dass … Heißt das jetzt Tatsache oder Fake News? - Dieser Politidiot hat mich völlig verunsichert … Nun, egal. Eines steht jedenfalls fest, ein NPC bin ich nicht. Noch nicht.

»CDS«, verbesserte ich deshalb, obwohl ich sie gern in dem Glauben gelassen hätte. Doch ich wollte unsere Zusammenarbeit nicht mit einer Angeberei beginnen. »Genauer gesagt, CDS 167r12. Und den Status will ich durch diese Mission hier upleveln.«

Wir standen immer noch mitten im Weg und sämtliche

Erdbevölkerer stießen Teile ihrer Körperhülle gegen meine menschliche Gestalt. Doch nun spannte sie ihre Muskeln an, um Willen in Bewegung umzusetzen und sich von mir zu entfernen. Das durfte sie nicht. Ich brauchte sie doch! Jetzt, wo sie schon involviert war, konnte ich die Sache genauso gut mit ihr durchziehen wie mit irgendjemand anderen. Ich musste sie nur von der Dringlichkeit überzeugen …

»Upleveln? In welchem Game hast du dich den verfangen?« Sie kehrte mir ihre Rückseite zu. Auch ein prickelnder Anblick. Dann wandte sie noch einmal um und rollte mit den kleinen dunklen Kreisen in ihren Sehschlitzen. »Egal! Erzähl das jemanden, den es interessiert!«

Sie wollte sich von mir fortbewegen, aber ich blieb dicht neben ihr. Ich brauche dich, Mensch!

Sie tat, als sähe sie mich nicht, guckte strikt in die andere Richtung.

»Luisa«, sagte ich.

Sie fuhr herum. »Woher kennst du meinen Namen?«

»Luisa, das was du vorhin gesehen hast …«

»Ich habe gar nix gesehen!« behauptete sie.

»Natürlich hast du das«, widersprach ich. »Ich gebe zu, man muss sich erst an den Gedanken gewöhnen, dass jemand aus einem Gulli sickert.«

»Aus einem Gulli«, wiederholte sie.

»Aus einen Gulli«, bestätigte ich. »So sagt man doch hier, oder?«

»Was meinte du mit ‚hier‘? Stammst du nicht aus der Gegend? Bist du Ausländer?«, fragte sie. Vermutlich nur, um nicht noch einmal den Gulli zu erwähnen.

»So etwas Ähnliches«, entgegnete ich.

Sie fasste sich an den Kopf. »So etwas Ähnliches? Was, bitte, ist so etwas Ähnliches wie ein Ausländer?«

»Ein Außerirdischer.« Ich seufzte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als das zu machen, was man mir eingegeben hatte. Das, was man auf der Erde einen Selfie nannte, würde ihr meine wirkliche Gestalt enthüllen. Damit sie mir glaubte, musste sie natürlich mit drauf sein, sonst hielt sie es für eine Tatsache – ach nein, für ein Fake.

Als ich ihr das Smartphone zeigte, das Samael mir hier auf der Erde besorgt hatte, sprudelten ihr eine Menge seltsamer Töne aus der Futterluke, wie gefrorenes H2O. Klingelnd, aber irgendwie galaktisch. Dann hängte sie ihren rechten Henkel in den linken meines menschlichen Körpers und zog mich in ein Gebäude.

»Wenn du mir zeigst, wie du das gemacht hast, darfst du mich zu einem Eis einladen«, tönte es aus ihrer, jetzt dauergekräuselten, Futterluke.

Ich nickte, auch wenn ich nicht genau wusste, auf was ich mich da einließ. »Aber danach müssen wir die Welt retten«, drängte ich.

Das Kräuseln grub sich tiefer und bildete Dellen auf ihrer oberen Außenfläche. Das wird ihr im Laufe unserer Mission noch vergehen, denn sie ist extrem gefährlich. Schade eigentlich!

„Entschuldigung, können Sie mir helfen?“, sprach ich den erstbesten Organismus an.

„Sie sehen aber merkwürdig aus. Aber klar, was kann ich für Sie tun?“, fragte der Organismus. Erstaunlicherweise hatte er nur vier Gliedmaßen, und auf den beiden längeren, dickeren stand er. Aus einem rundlichen Körperteil ganz oben kam seine Stimme aus einem Loch.

„Ich bin nicht von hier. Es wäre nett, wenn Sie mir folgende Frage beantworten könnten: Wie geht es Ihnen?“

„Gut. Mir geht es gut“, sagte der Organismus.

„Ich meinte eigentlich nicht, wie es Ihnen geht. Ich meinte: Ihnen allen.“

„Ach so.“, sagte der Organismus. „Ich denke, nicht so gut.“

„Warum?“

„Na, da ist zum Beispiel der Klimawandel“, sagte der Organismus.

„Was ist das?“, fragte ich.

„Die Erde erwärmt sich. Die Polkappen schmelzen, dadurch steigt der Wasserspiegel weltweit. Die Extremwetter nehmen zu, und immer mehr Lebewesen sterben.“

Eine kaum sichtbare Welle fuhr über meine glatte Körperoberfläche, als ich diese Informationen zwischenspeicherte.

„Wie kam es dazu?“, fragte ich.

„Unsere Wissenschaftler sagen, dass wir Menschen daran schuld sind. Wir verschmutzen die Luft.“

„Womit?“, fragte ich. Bei uns zu Hause lernt man schon als Mikro-Organismus, dass Luft das Kostbarste ist.

„Na, zum Beispiel mit den Autos“, sagte der Organismus.

„Warum?“, fragte ich.

„Hauptsächlich werden unsere Autos mit Benzin angetrieben. Benzin wird aus Erdöl hergestellt, das man aus der Erde holt. Das Benzin verbrennen wir dann in unseren Autos, und das erzeugt Gase, die die Luft verschmutzen.“

„Dann sollten Sie kein Auto mehr fahren“, sagte ich

„Stimmt. Aber dann fährt mein Nachbar immer noch mit seinem Auto“, sagte der Organismus.

„Dann sollte der auch kein Auto mehr fahren“, sagte ich.

„Stimmt. Aber dann fliegen die Reichen immer noch mit Flugzeugen um die Welt.“

„Dann sollten die damit aufhören.“

„Stimmt. Aber dann gibt es ja noch die Industrie, die die Luft verschmutzt“, sagte der Organismus.

„Welche Industrie?“, fragte ich.

„Zum Beispiel die Erdölindustrie“, sagte der Organismus.

„Das sind die, die Benzin für die Autos herstellen?“

„Genau“, sagte der Organismus.

„Dann sollten die damit aufhören“, sagte ich.

„Stimmt“, sagte der Organismus. „Aber dann könnten die Autos ja nicht mehr fahren.“

Ich hatte genug gehört…

Fermentierte Abwehr

Da ist er – der Tag, auf den ich lange hingearbeitet habe. Heute werde ich zum Zwecke der Paarung Kontakt zu einer Menschin aufnehmen. Obwohl die Menschheit bei Weitem nicht die älteste Spezies auf diesem bezaubernd kleinen Planeten ist, hält sie sich für die bedeutendste. Wie bedauernswert!

Wenn sie wüssten, wie weit ihnen Katzen voraus sind. Als Haustier getarnt, handeln die Pelzigen sehr fokussiert – die Weltherrschaft ist in greifbarer Nähe. Wir müssen schneller sein. Noch sind die Menschen an der Macht, die sind einfacher zu infiltrieren.

Bei unseren Beobachtungen stellten wir fest, dass zu viel Freizeit dazu führt, dass sich Menschen entweder unkontrolliert fortpflanzen oder sich und ihren Planeten schlicht zu Brei schlagen. Wir mussten eingreifen.

Kurzerhand gaukelten wir diesen Idioten vor, sie hätten das Internet erfunden. Half nur kurz. Jetzt haben wir sie halbwegs ruhig gestellt. Dank Smartphone laufen sie mit gesenkten Köpfen durch die Gegend, haben mehr Interesse, sich selbst zu fotografieren als sich zu paaren und erfinden um die Wette seltsame Verhaltensweisen.

Sachen wie lustige Selfies, Tanzschritte und das immerwährende Einstudieren neuer Vokabeln halten Menschen auf Trab. Das hat uns genügend Zeit zur Forschung verschafft. Nun können wir zuschlagen und uns mit ihnen mischen, den Planeten infiltrieren und endlich aus unseren beengten Raumkapseln ausziehen.

So der Plan – auf geht´s.

Da hinten steht meine Wahl. Gabi Schöller aus dem Wiedemannweg 23 habe ich gestern im Club erfolgreich flirt-vorbereitet. Nun wartet sie augenringig auf die Bahn. Da kann sie lange warten.

Ich stelle meinen Bewegungssensor auf betont lässig und steuere von der Seite auf Gabi zu. Werbewirksam schiebe ich das Becken leicht vor und sage mit gebleckten Zähnen:

»Schnegge, soviele Kurven und ich ohne Bremsen.«

Gabi dreht den Kopf zu mir. Check. Sie zeigt Zeichen des Erkennens. Check. Ich blecke weiter tapfer die Zähne und versuch meine Paarungsabsicht mit einem Zwinkern zu betonen. Erfolg. Gabi dreht sich leicht zu mir, bleckt ihrerseits die Zähne.

»Hallo, bist du nicht…?«

Das ging schnell – ich rieche Pheromone. Bissel unangenehm, aber das ist der Preis. Auf´s Ganze jetzt. Mir fällt eh nichts mehr zu sagen ein. Ich nehme Gabis Kopf, drücke fest meine Lippen auf ihren Mund. Der öffnet sich. Check.

Woaaahhhh, Bakterien aus fermentierter Nahrung springen mich aus Gabi an. Die müssen zwischen ihren Kauwerkzeugen gelauert haben. Die wollen mich fermentieren…die werden mich fermen…

Ich kann´s nicht halten. Mein nachgebildeter Hinterkopf öffnet sich und entleert sämtliche Einnahmen inklusive Bakterien auf eine ältere Dame. Was dann passiert, kann ich nicht erfassen. Etwas beamt mich zurück ins Shuttle. Mist. Mein Chef zeigt mir wortlos eine Aufnahme.

Gabis Katze sitzt grinsend in ihrer Wohnung. Ihr Außenposten hat berichtet. Einmal mehr hat eine außerirdische Spezies versucht, die Erde zu übernehmen.

»Ihr werdet alle scheitern – dieser Planet ist unser«, schnurrt es durch die Galaxie.

DerTelepath

Was passiert, wenn dir ein wissbegieriger Außerirdischer den ganzen Tag lang telepathisch über die Schulter schaut?

Männliche Stimme: „Hallo! Bist du noch da?“

Sanfte Stimme:„Ich bin telepathisch an dich gebunden, erinnerst du dich?“

„Und wie lange willst du noch in meinem Kopf rumspucken?“

„So lange, bis meine Feldstudien abgeschlossen sind. Dies sollte 173 bis 412 Rotationen eures Planeten in Anspruch nehmen.“

„Na toll!“

„Beunruhigt dich diese Information?“

„Und wie! … Wie soll ich dich eigentlich nennen?“

„Der Name dieser Entität lautet Terlabometkarall.“

„Und die Kurzform?“

„Ich verstehe nicht, was für eine Kurzform?“

„Vergiss es. Ich werd dich einfach Ter nennen.“

„Darf ich dir eine Frage stellen?“

„Lässt sich wohl nicht vermeiden.“

„Es geht um deine aktuelle Korpulationsgefährtin.“

„Korp-was? Meinst du Anna? Sie ist meine FREUNDIN!“

„Zur Kenntnis genommen. Du magst Anna nicht, oder?

„Wie kommst du darauf? Ich liebe sie; sehr sogar.“

„Als sie dir gestern ihre neu erworbene Textilschmuckware präsentierte, hast du ihr gesagt, sie sähe darin toll aus.“

„Ja, und?“

„Gedacht hast du in dem Moment: „Du siehst in dem Kleid vielleicht dick aus“. Du hast ihr also bewusst falsche Informationen gegeben. Dies deutet nicht auf gegenseitige Sympathie hin.“

„Das kapierst du nicht, Ter. Manchmal muss man geliebte Menschen anlügen, um sie nicht zu verletzten. Das gehört zu einer guten Beziehung dazu, verstehst du?“

„Nein, das tue ich nicht.“

„Dann eben nicht. Aber sag mal, die Sache bleibt doch unter uns, oder?“

„Ich verstehe deine Frage nicht. Alle gesammelten Daten werden per Hyperlink in Echtzeit an mein Volk geschickt und allen Entitäten zugänglich gemacht.“

„Was?!“

„Beunruhigt dich diese Information?“

„Du wiederholst dich und JA! Das ist Privatsache!“

„Aha! … Was bedeutet „Privat“?“

„Heilige Sch…“

„Was haben gesegnete Exkremente damit zu tun?“

„Was? Das ist nur eine Redensart.“

„Ich verstehe. Eine Frage noch.“

„Ich habs geahnt.“

„Welchem Zweck dient die Polizei?“

„Die Polizei? Naja, sie unterstützt die Leute, wenn sie Probleme haben.“

„Inwiefern?“

„Ähm, also. Wenn du in einer Notlage bist, wendest du dich an die Polizei und die kümmert sich darum, sozusagen.“

„Hätte dir die Polizei denn nicht neulich beim Suchen helfen können?“

„Beim Suchen?“

„Du sagtest, du hättest durch die Polizei deinen Führerschein verloren. Warum hast du sie dann nicht gefragt, ob sie dir beim Suchen hilft?“

„…“

„Noch eine Frage: warum stellst du dir beim Einkaufen die Bäckerin manchmal nackt vor?“

„GEH ENDLICH RAUS AUS MEINEM KOPF!!!“

Bildersprache

Ich bin. Erst teilen, dann teilen, dann teilen.
Wir sind. Wir erinnern, dass wir von einer einzigen Spore stammen. Sie muss an einer den Parametern entsprechenden Stellen gelandet sein, in einer infektionsempfänglichen Steuerungseinheit.
Wie die Erinnerungen uns zeigen, wir sollen den Planeten dieser Organismen besiedeln. Doch zuerst müssen wir noch mehr werden.
Wieder teilen wir uns.
Wir nehmen erste Fremdstoffe über unsere Zellwand auf. Vergleiche mit Erinnerungen zeigen Neuronenbestandteile ähnlich wie die der Xrang auf Unterworfen2403. Das macht die Sache leichter.
Weitere Teilungen.
Wir bilden Fortsätze und verknüpfen sie mit den Neuronen. Es zeigen sich rhythmische Veränderungen von elektrischen Potentialen und chemischen Stoffen. Eine Kommunikation ist möglich, wir beginnen erste Versuche und versuchen, Bilder im Neuronennetz zu erzeugen.
Wir merken eine plötzliche Zustandsveränderung in den Neuronen und entscheiden uns zur Bildung von Sporen.

Ich bin. Erst teilen, dann teilen, dann teilen.
Wir sind. Wir erinnern, dass der letzte Kommunikationsversuch gescheitert ist. Eine der Sporen hat einen neuen Organismus gefunden; aus dieser sind wir entstanden. Wir entscheiden uns, erst weitere Informationen zu sammeln, bevor wir einen neuen Kommunikationsversuch starten. Vor allem wissen wir noch nicht, wo die Erinnerungen sind.
Viele Teilungen weiter sitzen wir überall in der neuronalen Steuerungseinheit des Organismus. Dieser scheint über Lichtwellen, Schallwellen, Druck, Wärme, Schmerz und chemische Stoffe Informationen über die Umgebung zu erhalten. Die Erinnerungen werden nicht in den Zellen gespeichert wie bei uns, sondern eher in dem Mustern der Neuronen und chemischen Stoffen außerhalb der Zellen.
Es scheint eine Art Steuereinheit der Steuereinheit zu geben, da werden wir uns jetzt einklinken.
Der Organismus sendet Stresshormone und kämpft gegen uns. Wir gewinnen. Unser Körper ist erstarrt. Die Augen senden Informationen von vielen großen braunen Flecken (Wisentherde, bilden die Neuronen des Organismus), die sich schnell nähern. Noch mehr Stresshormone. Überwältigender Schmerz. Wir bilden Sporen.

Ich bin. Erst teilen, dann teilen, dann teilen.
Wir sind. Wir erinnern die Wisentherde. Der Kontrollversuch war nicht erfolgreich. Nach Analyse zeigt sich, dass wir in einem anderen Organismus sind, der wesentlich einfacher strukturiert ist. Kommunikation ist nicht sinnvoll.
Wir bilden Sporen.

Ich bin. Erst teilen, dann teilen, dann teilen.
Wir sind. Wir erinnern die Wisentherde. Der Kontrollversuch war nicht erfolgreich. Wir sind im gleichen Organismus, daher entscheiden wir, es vor einem erneuten Kontrollversuch nochmal mit einem Kommunikationsversuch zu probieren.
Wir beginnen mit unserer Herkunft. Also bilden wir Muster von Bildern von Unser, dem Planeten, von dem wir kommen mit all der wunderbaren Gleichförmigkeit der Organismen, die wir besiedeln.
Stresshormone durchfluten den Organismus. Angst, denkt der Organismus. Wir senden Bilder von den Weiten des Weltalls. Der Mensch schlägt sich auf den Kopf. Die Xrang zeigen wir ihm als nächstes, weil sie ihm sehr ähnlich aussehen. Der Mensch springt auf, rennt schreiend aus der Höhle und springt von der Klippe. Noch mehr Stresshormone. Überwältigender Schmerz.
Wir werden nicht aufgeben und bilden Sporen.

Die grüne Fee

Für den Erstkontakt hatte ich mir die Trinkhalle in einer der Großstädte dieses Planeten ausgesucht. Diesen Tipp gab der galaktische Reiseführer auf Seite 2734987.

Zielstrebig ging ich zur Bar und bestellte ein Getränk mit einer mir vertraut scheinendenen, grünlichen Färbung. Köstlich! Gut, die da in der Ecke mit den roten Haaren und dem grünen Kleid. Eindeutig ein weibliches Wesen der Spezies Mensch. Etwas nervös näherte ich mich ihr. Wie würde diese Mensch:in reagieren auf meine erste praktische Anwendung der erlernten irdischen Rituale und Gepflogenheiten?

„Wertes Fräulein, gestatten Sie, dass ich mich ihnen vorstelle?“ fragte ich vorsichtig. „Mein Name ist Ihti.“
„Eh, wat bist’n du für einer. Willste mir verscheißern?“

Mein implantierter Universalübersetzer stotterte ein paar Sekunden. Aha, sie hatte mir eine Frage gestellt.
„Nein, gewiss nicht. Ich möchte nur mit ihnen kommunizieren?“
„Wat willste?“

Schon wieder zwei Fragen. Was sollte ich antworten? Meine künstliche Intelligenz riet mir, es mit dem Thema Architektur und Kunst zu versuchen. Unter den Erdlingen ein Thema, über welches man sich wohl gerne unterhielt.
„Was halten sie von der neuen Kapoo-Ausstellung im Palazzo Strozzi?“ versuchte ich es noch einmal so freundlich wie möglich und verbunden mit meinem charmantesten Lächeln.

„Wat verziehst’n so det Jesicht. Is ja gruselig.“ Sichtlich angewiedert wich sie zurück.

„Was haben Sie denn, mein Fräulein?“ fragte ich fürsorglich.

„Werd bloß nicht frech, Alter. Ich bin keen Frollein! Det verbitt ick mir!“
Immerhin, diesmal keine weitere Frage, aber die erwartete Antwort war es auch nicht. Verwirrt bestellte ich mir noch etwas von dem grünen Getränk.
„Einmal Grüne Fee, kommt sofort!“ wiederholte der Barkeeper dienstbeflissen. Meine Geschmacksrezeptoren analysierten das Getränk als 89-prozentigen Alkohol. Köstlich. Das gab mir frischen Mut und ich versuchte es nochmal.

„Aber was haben Sie den bloß?“
„Wo kommst’n du her?“
„Ähem, von sehr weit weg. Wirklich sehr weit weg.“
„Det sieht man. Latscht hier rum wie’n Alien und quatscht komisches Zeug, hahaha.“ Immerhin, ich hatte sie jetzt doch zum Lachen gebracht.

„Ja, gut, wenn sie meinen.“ versuchte ich diese Konversation auf das eigentliche Thema zurückzubringen. „Was denken sie denn nun über diese Ausstellung?“
„Jetzt reicht’s aber.“ sprach sie nun etwas lauter. „Ick lass mir doch von so nem alten Chauvi nich blöd anmachen. Verpiss dir, oder ick hol meen Macker.“

Ich verspürte zwar keinerlei Drang, verbrauchte Körperflüssigkeit abzulassen, hielt es jedoch aufgrund des leider etwas aggressiven Untertons ihrer letzten Äußerung für angeraten, diesen Kontaktversuch hier zu beenden und mich zurückzuziehen.

„Leben Sie lange, leben Sie in Frieden und sterben Sie schnell!“ Gekonnte drehte ich mich auf dem Absatz um 180 Grad und performte einen fast perfekten Dab.

„Jetzt aber raus hier!“ Sie erhob sich und beantwortete meinen Move mit einer weit ausholenden Bewegung ihres rechten Armes und der zu einer Faust geballten Hand. - Eine seltsame Form des Körperkontaktes. Und so schmerzhaft!

Das war wohl schief gegangen. Aber warum nur? Lag es an meinem Integral-Übersetzer? Vielleicht entsprach das jüngste Update nicht mehr ganz den heutigen Sprachgepflogenheiten der Erdlinge. Obwohl, es basierte doch auf den Ergebnissen unserer letzten Erkundungsmission von vor etwa 100 Erdenjahren. Nach unserer Zeitrechnung war das also gerade mal ein paar Monate her und so relativ neu.

Wie auch immer: Ich verstand nun, dass, um sich zu verstehen, man sich in einem anderen Zusammenhang bereits verständigt haben musste, wie einer der irdischen Denker treffend formuliert hatte. War es Wittgenstein gewesen, Kierkegaard oder doch wieder dieser Johann Wolfgang von Goethe, auf den man andauernd stieß, wenn man die Erdlinge studierte?

Egal, ich hatte genug und ging etwas unsicheren Schrittes nach draußen. Seltsam, es fühlte sich an, als ob hier die Schwerkraft in den vergangen paar Stunden nachgelassen hatte. – Ahhh, frische Luft und so viele Sternlein am dunklen Himmel! – Wo hatte ich jetzt bloß meinen Raumkreuzer geparkt? Ich sollte mal nach Hause telefonieren. Hallo Basis …?

Der Rendezvous-Roboter

Mein Auftrag ist klar, observieren, analysieren und rekrutieren. Soweit so gut. Ich habe mir eine repräsentative Gruppe Menschen ausgesucht. Homogene Altersgruppe, alle zwischen 18 und 25, dazwischen ein paar angegraute Ältere, deren Funktion ich noch nicht hundertprozentig verstanden habe, aber die sind ja auch nicht so wichtig. Die Gruppe befindet sich etwas außerhalb einer Kleinstadt auf einem Gelände, das College Campus genannt wird.

Ich habe es auf ein junges Weibchen abgesehen. Ihr Tagesablauf wechselt zwischen aktiven Zeiten in kleinen Gruppen, meist in einem Gebäude unter Leitung eines Älteren und passiven Zeiten, außerhalb dieser Gruppen. Dann trägt sie üblicherweise riesige Dämpfer auf den Ohren. Auf Ansprache reagiert sie manchmal erfreut, vor allem wenn ein Getränk involviert ist, aber meistens abweisend, vor allem, wenn sie gerade total vertieft ist in dieses Teil, mit dem leuchtenden Bildschirm. Ich habe ihre Online-Aktivitäten gründlich studiert und alle ihre Vorlieben und Abneigungen gespeichert.

Um an sie ranzukommen habe ich mich in ein Forschungsprojekt eingeschmuggelt. In einem Labor gibt es eine Reihe von Steckdosen mit einer chaotischen Truppe von Begleitrobotern. Das sind rollende Blechkisten mit einer recht beschränkten künstlichen Intelligenz, die von ein paar jungen Männchen zusammengeschraubt wurden. Meine Zielperson trinkt ab und zu mit einem dieser Männchen etwas zusammen. (Es ist schaumig und grün und sieht widerlich aus).

Ich also, nix wie rein ins Labor, freie Steckdose gesucht, Akkuladekabel aus meiner Transportbox gefieselt und eingesteckt. Jetzt muss ich mich nur entsprechend dämlich anstellen, damit ich mich nicht gleich selbst enttarne.

Am nächsten Morgen geht´s los. Die jungen Männchen kommen ins Labor. Ich blinke rhythmisch vor mich hin und lasse mein Display in unschuldigem Rosa leuchten. Es dauert nicht lange, dass jemandem auffällt, dass ich neu bin. Einer drückt endlich meinen Pseudo-Anschaltknopf und ich lege los.

„Isch bin Cassiopeia und bin ein Rendezvous-Robottärrr. Isch flörrrrte mit die Zielperson, die in meine Display eingegeben wird. Bitte wähle eine Zielperson aus die folgende Liste.“

Der einzige Name, den die jungen Männchen kannten, war natürlich meine Zielperson, und die wurde prompt angeklickt.

Danach konnten sie noch aus drei Optionen wählen:

Love @ first sight, Friend Zone oder Study Buddy

Was soll ich sagen, Love @ first sight fanden sie wohl am spannendsten. Ich strecke meine Greifarme nach vorne und hebe die Daumen. Dann surre ich los in Richtung Cafeteria. Vorher hole ich aber noch meine Bestellung ab im College Postoffice.

Ich finde meine Zielperson in ihrer Lieblingsecke mit Aussicht auf den Park, vertieft in ihr Buch und ein Glas „grün-schaumig-widerlich“ neben sich. Sanft rolle ich auf meinen Raupenketten am Nebentisch in Position, öffne meine Transportbox, lege eine kuschelige Decke auf den Sessel und hole das Kätzchen raus. Ich habe ihm ein Halsband in pastelligem Blaugrün angelegt und eine weiche Leine in demselben Farbton daran befestigt. Das Kätzchen tapst neugierig in Richtung Zielperson …

Und … Sie hat es bemerkt. „Moiiiiiiiiiiiiiiiiii, ist die süß.“ Vergessen ist das Buch und „grün-schaumig-widerlich“, meine Zielperson sitzt auf dem Boden und kuschelt mit dem Kätzchen.

Der Rest war einfach …

Hosen! Wie er sie hasste! Welcher verhinderte Hirnlappen hatte sich so einen Schwachsinn ausgedacht???

Ächzend versuchte er seine unteren Extremitäten in diese beiden Röhren zu stopfen. Was bei einer Anzahl höher als zwei äußerst schwierig war und er verfügte über fünf davon! Bei ihm zu Hause gab es solcherlei Firlefanz nicht. Da liefen alle herum, wie die Allmacht sie erschaffen hatte. Aber die Spezies Mensch war so unausgereift, dass sie ihre Fortpflanzung immer noch auf die ganz altmodische Weise vollzog. Was wiederum bedeutete, dass man es vorzog, eben jene Werkzeuge zu verdecken. Einerseits ja durchaus nachvollziehbar, aber für jemanden wie ihn mehr als nur ein Ärgernis. Endlich hatte er sich in dieses Unding gezwängt, nun noch das Hemd. Was tat man nicht alles, um wieder nach Hause zu kommen?

Warum hatte man ihn nur ausgerechnet hierher, an den äußersten Rand der bekannten Welt verbannt? Gut, wenn er ehrlich darüber nachdachte, kannte er den Grund durchaus. Er hätte vielleicht nicht unbedingt den aktuellen Herrscher seines Planeten vor dem versammelten Heer als schlammfressenden Vollversager beschimpfen sollen. Auch der Versuch ihn im wahrsten Sinne des Wortes vom Thron zu zerren, war nicht wirklich zielführend gewesen. So war er also verbannt worden und saß jetzt auf diesem komischen Ding namens Erde fest, mit Bewohnern, die absolut absurd aussahen und sich auch so benahmen.

Er betrachtete das Ergebnis seiner Bemühungen, sich dem Äußeren seiner Umwelt anzupassen, im Spiegel.

Schuhe! Er würde Schuhe anziehen müssen. Erst letztens war er ohne diese Folterwerkzeuge nach draußen gegangen und hatte sich, ohne weiter darüber nachzudenken in den Bus gesetzt. Was an sich schon eine Zumutung war! Diese Dinger fuhren tatsächlich noch auf dem Boden und das in einem Tempo, mit dem man auf seinem Planeten niemals irgendwo ankommen würde. Dort flog man und berührte den Boden nur im äußersten Notfall. Jeder Bodenkontakt verzögerte das Reisen auf das Unangenehmste. Was seine Gedanken wieder zu den Schuhen zurückbrachte. Er dachte an das Entsetzten in den Augen der Menschen, als sie die Enden seiner Tentakel gesehen hatten. Resigniert seufzte er auf und begann das Unvermeidliche. Er quetschte sich langsam in die muffenden Flachtreter und versuchte, seine Anatomie diesen Dingern anzupassen. Es würde gehen. Es musste gehen!

Der Hut! Ach ja, der fehlte auch noch. Zum einen als Sonnenschutz für seine empfindliche Haut, zum anderen um neugierige Blicke auf seine Augen zu verhindern. Irgendwie schienen Menschen ein Problem damit zu haben. Konnte vielleicht daran liegen, dass seine Spezies schon lange keine Augenlider mehr hatte.

Er griff noch nach seinem Handy. Auch so ein Ding, das unnötig wie sonst was war. Wenn er etwas wissen wollte brauchte er kein extra Gerät dazu, um in das hier so übliche Internet zu gehen. Er nutze einfach die Hirne, die gerade um ihn herum unterwegs waren. Deren Besitzer waren schließlich permanent – wie nannte man das hier? – ach ja: online. Allerdings musste er sehr viel ausfiltern, um an wirklich nützliche Informationen zu kommen. Wie diese eigentlichen Hochleistungsmaschinen hier mit Gedanken-Müll überfrachtet wurden, war unfassbar. Und wie selbstverliebt die Menschen waren. Alles, was sie taten musste mit diesen unnützen Dingern aufgenommen, gespeichert und in die Welt hinausgeblasen werden. Egal ob wahr oder nicht. Und das Schlimmste daran war, dass alle Anderen es glaubten und die Wahrheit so immer mehr zur Farce wurde.

Doch letzte Woche war ihm ein Hirn untergekommen, das sehr vielversprechend schien. Eine Frau, die sich mit Wissenschaft beschäftigte und die demnächst mit einem dieser flugschwachen Raketendingern auf eine Weltraumstation fliegen würde. Das war seine Chance, diesen verfluchten Planeten zu verlassen. Im weiten Raum konnte er seine wahren Möglichkeiten ausschöpfen, in seine Heimat zurückkehren und seinen misslungenen Versuch korrigieren. Diesmal musste es klappen!

Er machte sich auf den Weg, um dieses interessante Hirn zu treffen.

Seine Besitzerin sass in einem dieser Cafes und trank einen Matcha-Tee. Das Zeug hieß, wie es schmeckte. Er schüttelte sich innerlich und ging etwas ungelenk auf ihren Tisch zu. Dort angekommen rief er „Howdy, Frau! Ich brauche Dich!“

Totenstille im ganzen Lokal. Das Gesicht der Frau vor ihm fror ein.

Ups, das war wohl der falsche Satz gewesen. Dabei hatte er sich doch gestern extra noch durch alle Kanäle der diversen Fernsehgesellschaften gezappt. Da es so viele waren, hatte er dies allerdings fast im Sekundentakt getan. War vielleicht nicht ganz so intelligent gewesen.

Während diese Gedanken noch durch seinen Kopf schossen, hatte sich die Frau erhoben, war vor ihn getreten und begann eine ihrer oberen Extremitäten zu verbiegen. Keine Sekunde später kollidierte eben diese mit seinem Kopf, verschob ihn um einige Zentimeter nach links und sein Hut flog durch den Raum.

Konnte Stille noch leiser werden? Offensichtlich, denn es war nicht einmal mehr das Atmen der Anwesenden zu hören. Die Frau beugte sich über ihn, griff nach ihrem Handy und wählte eine Nummer.

„Jack? Vergiss den Flug zur ISS – mir ist grad ein neues Forschungsobjekt direkt vor die Füße gefallen!“

Mist! So schnell würde er hier wohl doch nicht wegkommen.

Erdlinge

Von oben hatte alles perfekt gewirkt, aber kaum war ich gelandet, musste ich feststellen, dass dies der Boden der grässlichen Tatsachen war. Die Erdlinge waren nicht allzu intelligent! Sie besaßen keine Technik und fliegen konnten sie auch nicht. Ich überprüfte meinen universellen Übersetzer und drückte die Tasten für die Selbstdiagnose. Mit dem Ding war alles in Ordnung.
»Was bist du denn für eine? Dich habe ich ja noch nie gesehen«, fragte mich eine Frau, die eigentlich ganz hübsch war.
»Ich … äh … ich …« Wie sollte ich ihr das denn nur erklären? »Ich … äh … komme von weit her.«
»Ah ja. Warte mal.« Sie pickte auf dem Boden herum und zog einen langen Wurm heraus, den sie – roh! – in sich hineinschlang. »Wie heißt du?«, fragte sie, als sie ihre widerliche Mahlzeit beendet hatte.
»Picki«, antwortete ich.
»Und wie kommst du hierher?«
Wenn ich ihr das erklärt hätte, hätte sie mit Sicherheit Alarm geschlagen. Doch dazu kam es erst gar nicht. Ein riesiger Schatten legte sich über uns. Ich blickte nach oben und sah ein riesiges hässliches Wesen auf uns zukommen. Ich griff nach meiner Strahlenwaffe, doch sie war nicht an ihrem Platz. Ich hatte sie im Schiff zurückgelassen. Verflucht!.
»Oh oh«, sagte meine neue Bekanntschaft. »Mit dem ist nicht gut Kirschen essen.«
Das Wesen schaute auf uns herab. Obwohl hier unzählige Frauen waren, konzentrierte sich sein Blick auf mich.
Das Wesen strich seine Hand mehrmals über seinen gewaltigen Bauch. »Na? Hühnchen? Willst du auf den Grill?«
Mein universeller Übersetzer musste doch kaputt sein. Ich drückte den Notruftaster, mit dem ich meine Mannschaft alarmierte. »Hilfe, da ist ein Monster, das mich grillen will! Holt mich hier raus!«, flüsterte ich.
»Du und deine doofen Scherze«, meldete sich Kapitänin Waschi. »Du sollst einen Erstkontakt zu den Bewohnern herstellen und dich nicht grillen lassen.« Ihr Gelächter und das meiner Kameradinnen schallte aus dem Lautsprecher.
»Das ist kein Scherz!« Ich rannte los, doch das Riesenwesen verfolgte mich. Es hatte viel längere Beine als ich und plötzlich wurde ich von den Beinen gerissen. Ich war gegen einen Zaun gelaufen. »Scheiße!«
Das Monster griff nach mir, doch ich schlug einen Haken und konnte gerade noch entkommen. Ich rannte durch eine Gruppe von Frauen, die schimpfend auseinanderstoben. Mein Verfolger raste hinter mir her. Unbarmherzig. »Hilfe«, schrie ich in das Mikrofon. »Bitte, ich werde von einem furchtbaren Monster verfolgt!«
»Oh, das sieht nicht gut aus. Wir haben dich auf dem Schirm. Ich schicke gleich die Landefähre runter. Halt durch, Picki! Was ist das für eine gefährliche Spezies?«
»Weiß ich nicht! Ich kann sie ja schlecht fragen!«, stieß ich atemlos hervor. »Sie will mich nur grillen, die Spezies!« Schon wieder rannte ich gegen einen Zaun. War ich hier eingesperrt? Hoffentlich hatten meine Kameradinnen die bewaffnete Landefähre geschickt.
Da wurde ich am Hals gepackt und hochgehoben.
»Da habe ich dich ja schon, Hühnchen«, übersetzte mein Übersetzer die grauenhafte Sprache des Wesens. Stinkender Atem hüllte mich ein. Das Monster war so groß, dass es einfach über den Zaun schritt. Ich bekam kaum noch Luft, so fest drückte es mit seinen Klauen zu.
»Bitte! Ich komme von einem anderen Planeten. Ich bin exoplanetarische Wissenschaftlerin«, würgte ich heraus. »Lass mich bitte los!«
»Haha!«, machte das Monster. »Du bist mein Bio-Grillhühnchen. Ich liebe gegrilltes Huhn!« Er steckte mich in einen Käfig und schmiss mich auf … keine Ahnung wohin. Es bestand aus warmen Metall, machte fürchterlichen Krach, stank und bewegte sich sehr schnell.
»Mit meinem Traktor fahre ich nach Haus, dann gibt es einen leckeren Schmaus«, sagte mein Übersetzer. Sagte das Monster.
Ich geriet in Panik. Wie lange brauchte die Fähre? Konnte sie den Kampf mit diesem Riesenvieh aufnehmen? Da blitzte es auch schon. Ich konnte aber nichts sehen, weil ich mich nicht bewegen konnte, so eng war der Käfig.
»Scheiße!«, brüllte das Monster und einen Sekundenbruchteil später der Übersetzer. Der Traktor verlor an Fahrt und prallte gegen irgendwas. Es machte Plumps und das Monster stöhnte.
»Wir sind hier!«, riefen meine Retterinnen und befreiten mich aus dem Käfig.
»Lasst uns abhauen von diesem Planeten. Aber wartet, fliegt noch mal kurz über den Platz, auf dem ich gelandet bin.« Ich wollte unbedingt mehr über die Spezies erfahren, mit der ich Kontakt aufgenommen hatte. Mir tat der Hals weh, doch ich suchte nach ihr. Da! Da war sie. Sie sah uns so ähnlich, war aber ziemlich dumm. »Nehmt sie mit.«
Das Huhn schaute ziemlich dumm, als es neben mir gesetzt wurde. Erschöpft winkte ich ihre Frage ab. »Wo bin ich?«
»In Sicherheit!«
»Bist du auch ein Huhn?«, fragte sie.
Ja, aber von einer anderen Welt. Wir verließen die Atmosphäre dieses grauenhaften Planeten und rasten auf unser Raumschiff zu.

»Was sollen wir mit diesem Planeten machen?«, fragte Kapitänin Waschi. »Vernichten?« Sie spießte mit der Gabel ein paar synthetische Grillwürmer auf und kaute lange auf ihnen herum.
»Nein, wir markieren ihn als einen äußerst gefährlichen Ort, der von allen Hühnern unbedingt gemieden werden muss«, schlug ich vor.
Gucki, meine neue Freundin von der Erde, gluckste erleichtert.

Ist das echt?

Ich kann es kaum glauben. Jetzt bin ich seit 5 Minuten auf diesem Planeten und wo ich hinschaue, haben die Menschen nichts anderes zu tun als sich gegenseitig abzumurksen oder den Planeten zu zerstören.
Scheint ein nationaler Volkssport zu sein. Oder ist das eine Live-Sendung?
Scheint real zu sein.
Irgendwie.