Seitenwind Woche 2: Außerirdischer Aufbruch

Verschränkte Welten

Nur wenige Menschen waren im Park unterwegs. Sie schlenderten vorbei, ohne große Notiz von ihm zu nehmen. Er interessierte sich nur für einen von ihnen. Der saß auf einer Bank und kritzelte gedankenverloren auf seinem Block. Das war er. Kein Zweifel. Er ging hinüber und setzte sich dazu.
Der Schreiber ignorierte ihn und rutschte ein bisschen weiter fort. Keine Flucht, nur eine deutliche Geste. Dann schaute er doch herüber. Ganz kurz nur, zunächst. Er hielt inne, starrte auf seinen Block. Schließlich wandte er sich erneut zu ihm. Ganz langsam. Wie sie sich anschauten, öffnete er den Mund. Er sagte aber nichts. Er guckte nur. Dabei sah der Schreiber so dämlich aus, dass er es sich nicht verkneifen konnte, das Gesicht seines Gegenübers nachzuahmen. Daraufhin öffnete der seinen Mund noch ein bisschen weiter und runzelte die Stirn. Das ließ ihn noch dämlicher aussehen.
»Überrascht?«, fragte er.
Der Schreiber nickte stumm. Der Stift fiel ihm aus der Hand. Bevor er das registrierte, hob er ihn rasch auf und gab ihn zurück.
»Schön aufpassen. Den brauchen wir noch«, sagte er.
Der Schreiber gab sich alle Mühe, aus der Situation schlau zu werden. Das sah man. Man sah auch, dass es ihm nicht gelingen wollte. Seine Stimme klang dünn.
»Wie …?«
»Egal. Viel zu kompliziert. Das Warum ist wichtiger.« Er sah sich noch einmal um. »Hübsch hier. Gefällt mir. Ganz anders als bei uns.« Er seufzte und wies auf den Block. »Aber wem sage ich das?«
»Hä …?«
»Ich will’s kurz machen. Uns reicht es allmählich. Die Invasion der Kyrianer ging ja noch. So eben. Aber diese seelenlosen Maschinenwesen sind schon ne Nummer, mein Lieber.« Er reckte sich. »Die anderen sind der Meinung, dass mal jemand mit dir reden müsse. Tja, nun rate mal, wen sie dafür ausgeguckt haben?«
»Äh … dich?«
»Wen sonst? Spezialist für jeden Mist.«
Der Schreiber rieb sich die Augen und schüttelte energisch den Kopf.
»Das ist unmöglich. Ich habe mir das alles doch nur ausgedacht.«
»Das denkst du wirklich. Oder? Mann, Mann, du hast echt keine Ahnung. Es ist höchste Zeit, dass mal jemand mit dir spricht. Du hast dir Astralon nicht ausgedacht, du Knalltüte. Wir dich allerdings auch nicht. Das kannst du mir glauben. Aber wir sind nun einmal verschränkt. Du und wir. Normalerweise ist das kein Problem. Man merkt es nicht mal. Du aber schon. Wärst du mal bei deiner Modelleisenbahn geblieben. Oder beim Malen. Aber nee, du musst ja unbedingt schreiben. Was glaubst du, wo deine Ideen herkommen? Hä?«
»Wie …?«
»Wie weiß ich auch nicht. Quantenmechanik vielleicht. Jedenfalls ist unser Universum irgendwie in deiner Birne. Und was in deiner kranken Birne vor sich geht, macht uns momentan gewaltig zu schaffen.«
»Hä?« Er schaute kurz auf seinen Block. »Soll ich aufhören?«
»Bloß nicht. Es wäre nur schön, wenn uns nicht ständig die Brocken um die Ohren fliegen würden. Astralon war mal ein schöner Planet. Wirklich. Und nun?« Er sah seinem Gegenüber direkt in die Augen. »Wir fragen uns allmählich, wo das noch hinführen soll. Genau deshalb bin ich hier.« Er wies auf den Block. »Die anderen glauben, dass ich es wissen müsste. Bin schließlich der große Held. Aber ich habe ehrlich gesagt keinen Dunst. Und weißt du was? Ich glaube, du auch nicht.«
Er kratzte sich mit seinem Kugelschreiber am Kopf.
»Lass uns jetzt bloß nicht hängen«, mahnte der andere. »Denk nach, verdammt noch mal. Bei uns sterben die Leute wie bei euch die Fliegen. Sag mir, was ich tun soll. Und sag es mir schnell.«
Er starrte auf seinen Block. Die Situation überforderte ihn völlig.
»Reiß dich mal ein bisschen zusammen, Mensch. Du kannst uns nicht diese Maschinenmonster auf den Hals hetzen und dir dann irgendeine Kindergeschichte vornehmen. Ich würde das sogar verstehen. Mir wächst gerade auch alles über den Kopf.« Er fasste sein Gegenüber am Unterarm. »Bring das wieder in Ordnung. Und zwar schnell.«
»Ich könnte noch einmal neu anfangen.«
»Du vielleicht. Wir nicht. Wie stellst du dir das vor? Willst du Astralon etwa ganz neu erfinden? Mich? Das solltest du dir verdammt gut überlegen, mein Lieber. Das wäre nicht ich. Das wäre nicht mal mehr Astralon. Unser Astralon.«
»Aber … ich schreibe doch nur.«
»Dann tu es richtig und bring die Sache zu Ende. Zu einem guten Ende, wenn möglich.« Er lächelte schief. »Ist dir klar, dass ich gerade gegen alle Gesetze der Physik verstoße? Was glaubst du, warum ich dazu überhaupt in der Lage bin? Hä?«
»Weiß nicht …«
»Ja, schon klar. Aber du ahnst es vielleicht. Denk mal drüber nach.« Er wies auf den Block. »Und darüber. Du weißt vielleicht nicht viel. Aber denken kannst du. Also streng dich an.« Er erhob sich. »Ich muss wieder. Wir zählen auf dich. Ich zähle auf dich. Klar?«
Er nickte unsicher.
»Du machst das schon. Wag es bloß nicht, irgendwas Neues anzufangen, bevor es auf Astralon wieder rund läuft.« Er wandte sich zum Gehen, hielt aber nach wenigen Schritten inne. »Ach, noch was. Wenn du schon dabei bist«, kam er noch einmal zurück, »könntest du mir Kyala vielleicht vom Hals schaffen. Die nervt nur noch. Sie muss ja nicht gleich den Maschinen zum Opfer fallen. Ich glaube, Phytha passt viel besser zu mir. Probier es mal aus. Wirst schon sehen.«

the aliengirl next door

Dicke Regentropfen rannen an den Fensterscheiben entlang. Irgendein Auto hupte vor dem Fenster und von unten hörte ich meine Nachbarin zum fünften Mal in dieser Woche mit ihrem Freund Schluss machen. Ich drehte die Musikanlage lauter.
»I want an alien for christmas, bring me an alien this year«, dröhnte es in rockigen Gitarrenriffs und lauten Beats, während ich lächelnd mit einer blauen Schleife den letzten Teelöffel an den Plastikbaum band. Auch wenn es nun schon eine Weile her war, dass ich (mehr oder weniger freiwillig) meinen Fuß auf diesen eigenwilligen Planeten gesetzt hatte, war es mir immer noch ein Rätsel, was das mit den Weihnachtsbäumen auf sich hatte. So befremdlich es auch fand, dass Menschen lebende Bäume fällten, um sie sich als Symbol für das immerwährende Grün in die Zimmer zu stellen, sie zu schmücken und ihnen dann beim Sterben zuzusehen – die bunten Lichter und die Dekorationen gefielen mir.
Ich hielt inne, als es an der Tür klopfte.
Schnell drehte ich die Musik ein wenig leiser und öffnete. Mein Nachbar von gegenüber stand im Hausflur, eine Hand in der Hosentasche, mit der anderen fuhr er sich verlegen durch sein braunes Haar, das immer ein wenig so aussah, als besäße er keine Bürste.
»Hi Chris«, sagte ich schnell, »ist es wegen der Musik? Entschuldige, ich habe schon leiser gemacht.«
»Was?« Er starrte mich verwirrt an, dann klickte es in seinem Kopf. »Oh, achso. Nein, kein Problem.«
Fragend sah ich ihn an, die Türklinke noch immer in meiner Hand.
»Gut …?«, meinte ich zögernd und überlegte, ob ich die Tür dann jetzt wieder schließen konnte, nachdem er nichts mehr sagte.
»Äh, warte«, sagte Chris und drückte seine Hand gegen meine Tür, um mich davon abzuhalten, sie ihm vor der Nase wieder zuzumachen. Dann runzelte er die Stirn. »Oh, cooler Song. Ich wollte dich eigentlich nur fragen, ob du zufällig Mehl da hast.«
»Ja oder? Finde ich auch. Und ja, habe ich.« Nachdem ich ihm Auskunft erteilt hatte, versuchte ich die Tür wieder zu schließen, doch Chris schob seinen Fuß in meine Tür.
»Alien for Christmas, das ist auch mal ein ungewöhnlicher Wunsch«, kommentierte er den Refrain des Songs und sah mich an. »Kann ich vielleicht auch was von dem Mehl haben?«
»Achso. Ja klar, komm rein«, antwortete ich und ließ die Tür los, so dass er eintreten konnte. Normalerweise hatte ich keinen Besuch in meiner Wohnung, aber ich hatte gelesen, dass so etwas bei Menschen des Öfteren vorkam. Auf dem Weg in die Küche ließ ich meinen Blick über meine herumliegenden Sachen wandern, nur um sicherzugehen, dass ich nicht irgendwo offen etwas liegen gelassen hatte, das ungünstig zu erklären gewesen wäre. Aus dem Küchenschrank griff ich die Packung Mehl, die ich bei meinem Einzug hier in einem Anflug von spontaner Selbstüberschätzung gekauft hatte. Als hätte ich gewusst, wie man daraus irgendetwas Essbares in der Küche herstellte.
Chris blieb wie angewurzelt hinter mir im Wohnzimmer stehen.
»Interessanten … äh, Baum hast du da«, sagte er.
Irgendetwas an seinem Tonfall alarmierte mich und ich ließ langsam die Hand mit der Mehlpackung sinken, während ich mich zu ihm umdrehte.
»Danke?«, erwiderte ich unsicher und fixierte ihn mit meinem Blick.
Chris wirkte noch verlegener und verwirrter als sonst.
»Ich habe ihn von einem Mann auf der Straße geschenkt bekommen«, erzählte ich stolz, in der Hoffnung, dass es ihn etwas beruhigen würde. Menschen mochten gute Taten und Geschenke waren hier in dieser Welt in der Regel etwas Gutes.
»So sieht er auch aus«, murmelte Chris in seinen stoppelig gekürzten Bart und seine Wangen nahmen eine rötliche Färbung an, als mein Gesichtsausdruck ihn realisieren ließ, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte. »Oh verdammt, entschuldige, so war das nicht gemeint. Dein Baum ist ganz hübsch. Wirklich. Das ist …« Er gestikulierte mit seinen Händen in der Luft herum und sah mit befremdetem Blick meinen Baum an. »… ein wirklich besonderer und ungewöhnlicher Baum.«
»Was ist denn an meinem Baum so ungewöhnlich?«, fragte ich nun aufrichtig interessiert, während ich mit der Mehlpackung in der Hand zu ihm zurück ging und vor ihm stehenblieb. Egal, wie gründlich ich auch alles studierte, was es über die Menschen zu wissen gab, überraschten sie mich doch immer wieder mit skurrilen Details, die man ganz eindeutig nicht aus dem Internet lernen konnte.
»Ähm«, machte Chris und verlagerte unangenehm berührt seinen Stand von einem Bein auf das andere. Er starrte immer noch den Baum an. »Der Baum ist voll okay. Er … sieht etwas … zerrupft aus. Und deine Dekoration ist … äh … außergewöhnlich.«
»Oh danke«, entgegnete ich strahlend und reichte ihm die Mehlpackung. »Hier bitte.«
Chris starrte mich mit einem eigenartigen Ausdruck an und brauchte viel zu lange, um nach der Packung zu greifen. Seine Finger berührten die meinen, als er das Mehl endlich nahm. Ich bemerkte, dass sich seine Ohren nun auch rot färbten.
»Du bist … ähm … Danke. Superlieb von dir, dass du mir aushilfst. Du rettest mir echt das Leben«, stammelte er, sah kurz weg, nur um erneut meinen Blick zu suchen. Hinter seiner rechteckigen Brille hatte er erstaunlich hübsche blaue Augen, die mich ein wenig an die Farbe von Saphit-Kristallen aus meiner Heimat erinnerte.
»Mit einer Packung Mehl?« Ich blinzelte irritiert. Menschen waren einfach so seltsam.
Er sah mich immer noch an. Ich versuchte seinen Blick zu deuten. Verwirrung, eindeutig Verwirrung. Aber irgendwie auch etwas, das ich als Faszination deutete. Aber für was – für meine Dekoration? Für mich?
»Wenn du meine Schwester kennen würdest … Ja, auf jeden Fall.« Chris lächelte schief und wandte sich zum Gehen. »Jedenfalls … Danke nochmal.«
»Kein Problem«, sagte ich und begleitete ihn zur Tür, weil ich gelesen hatte, dass sich das so gehörte, auch wenn ich es ziemlich unwahrscheinlich fand, dass er sich während der paar Schritte vom Wohnzimmer zur Haustür hätte verlaufen können.
Bevor er ging, drehte er sich noch einmal um und blieb stehen, so dass ich fast in ihn hineingelaufen wäre. Er lächelte herzlich und irgendwas an seinem Lächeln beschleunigte meinen Puls, auch wenn ich nicht so recht wusste warum.
»Magst du Kekse?«, fragte er.
»Jeder mag doch Kekse«, antwortete ich. »Wieso?«
»Wenn du möchtest, könnte ich dir nachher welche vorbeibringen. Zumindest, wenn sie mir nicht verbrennen«, meinte er und schob sich hinaus in den Hausflur.
»Gerne.« Ich lächelte. »Viel Glück mit den Keksen.«
»Viel Glück trifft’s. Danke!«, verabschiedete er sich mit einem breiten Grinsen und ich schloss die Tür hinter ihm.

Lass uns reden

Bei meinen Tentakeln – worauf habe ich mich da nur eingelassen?! Das war das letzte Mal, dass ich mich freiwillig gemeldet habe!
Wir haben einen blauen Planeten entdeckt, hieß es. Bewohnt von einer Spezies wie wir, hieß es. Diese Mission wird ein Jungbrutspiel, hieß es.
Von wegen! Abgestürzt und ohne Ausrüstung gestrandet.
Aber nun nach Monaten in diesem winzigem mit Wasser gefülltem Glaskasten, welche die Bewohner dieses Planeten »Aquarium« nennen, zeigt sich ein leichter Hoffnungsschimmer.
Dieser Mensch, Tom, heißt er, zeigt regen Interesse an mir. Er beobachtet mich, macht sich Notizen. Und er gibt mir etwas Abwechslung - mein Essen darf ich mir seit neustem aus recht fantasievollen Behältern rausfummeln. Ich hab den Eindruck, er möchte meine Intelligenz testen. Lachhaft. Aber schön, spielen wir das Spielchen mit. Er beobachtet mich, ich beobachte ihn. Und ich denke, wir sind so weit, wagen wir den Versuch.
Ah, Tom kommt. Schnell schiebe ich das letzte Teil in Position und schwimme vorsichtig etwas zurück. Da diese Spezies weder Telekinese, noch intergalaktische Zeichensprache, noch Farbwechsel zur Kommunikation benutzt, musste ich wirklich kreativ werden. Jetzt sollte er meine Botschaft nicht übersehen können.
Tom kommt. Tom schaut. Tom schielt misstrauisch auf die braune Flüssigkeit in dem Pappbecher in seiner Hand. Dann dreht er sich um und brüllt:
»Okay, wer war das? Wer von euch Scherzkeksen hat im Becken vom Tintenfisch ›Hallo, Tom, lass uns reden‹ mit Muscheln geschrieben?!«
Ich seufze tief. Ernsthaft, Tom? Jetzt enttäuscht du mich aber. Ich hab schließlich alle deine kleinen Intelligenztests bestanden. Und jetzt traust du mir nicht zu, ein paar Muscheln in Position zu schupsen? Dann eben anders.
Tom schüttelt den Kopf und wendet sich zum Gehen. Ich schüttel mich ebenfalls, öffne die Abdeckung von meinem Behälter und lasse sie auf den Boden fallen.
Erschrocken fährt Tom herum. Seine Augen sind nun fast so groß wie meine und sein Mund geht hektisch auf und zu.
Ich verdrehe die Augen. Tom, also wirklich. Ich habe alle Behälter in sekundenschnelle aufbekommen, die du mir vorgelegt hast – dagegen ist diese Abdeckung wirklich lächerlich.
Aber da ich nicht möchte, dass der arme Kerl vor Sauerstoffmangel gleich umfällt, klatsche ich ihm wohlwollend einen Schwall Wasser ins Gesicht. Anschließend ziehe ich Stift und Notizblock aus seiner Tasche, schreibe und halte ihm den Zettel vors Gesicht. Tom reagiert nicht. Ich schreibe: ›Nicke, wenn du das verstehst‹. Wieder keine Reaktion. Inzwischen ist allerdings der Zettel auch durchweicht. Es ist doch zum Makrelenmelken!
Ich lasse Stift und Block fallen und nehme mir das nächste Kommunikationsmittel dieser Spezies vor: Diesen kleinen rechteckigen Kasten, mit dem die meisten dieser Art verschmolzen zu sein scheinen. Auch bei Tom finde ich einen. Eigentlich ist mir diese Art der Kommunikation ja zu primitiv, aber was tut man nicht alles. Entschlossen schwinge ich mich aus dem Becken auf Toms Schulter, grinse in die Kamera und drücke auf den Auslöser. So jetzt noch meine Nachricht ins Display patschen.
Tom sackt in sich zusammen. Also bekommt er auch noch ein paar Patscher ab. Er schaut mich aus großen Augen an. Ich winke mit der Nachricht vor seinem Gesicht. Los, Tom, enttäusch mich nicht noch einmal. Du musst doch nur nicken, mehr verlange ich für den Moment doch gar nicht.
Endlich nickt Tom und krächzt: »Ja, ich habe verstanden. Lass uns reden …«
Ich seufze erleichtert auf. Das könnte ein Anfang sein.

Storaloin

Ich kann sie nicht riechen.
Erdlinge.
Entweder riechen sie nach künstlichen Aromastoffen, oder nach Schweiß.
Und dann ihre Sprechweise!
Schlimmer geht‘s nimmer, jedes Wort eine Beleidigung für meine Ohren, zum Glück besitze ich keine. Normalerweise.
Meine Fresse (omg…), ich kann es kaum erwarten, wieder nach Zentaurus 567ba23VT zurückzukehren. Das geht erst, wenn ich einen Kontakt zu ihnen geknüpft habe.
„Krrkamoneista…“ Sorry, Muttersprache! Mein Sprachwandler hakt manchmal.
Mein Äußeres habe ich an sie angepasst - ein kleiner Shot Storaloin und ich kann das Äußere jedes Menschen annehmen. Denn ich kann nicht riskieren, dass sie mich einlochen (euer Ernst???), weil ich aussehe, wie ich nun mal aussehe.
Heute hat mir mein Intraterrestrischer Communicator (Anm.: zu vernachlässigende Technik, silberner Apfel auf der Hülle, auch noch angebissen.) einen gewissen Josh Hartnett vorgeschlagen, ein cooler Typ mit Sommerbräune und engen Jeans (Anm.: Jeans unbequem!). Gestern war ich eine junge Frau mit blassrosa Haaren, eindeutig zu unscheinbar.
Täglich suche ich mir einen neuen Ort mit optimalem Überblick, von dem aus ich die Erdlinge genauestens studieren kann, gemäß meines Auftrags, den mein Okam mir mitgegeben hat. Vor sechs Ansis.
Sein Auftrag lautet, studiere sie, wo immer du kannst!
In dem Cafe, in dem ich gerade sitze und chille (what???), stehen mir unzählige Studienobjekte zur Verfügung. Hysterische Frauen mit künstlichem Lachen und langen Krallen (Anm.: In allen Farben, Farben sind total cringe), Männer, die herumgockeln…Snrrrkrrk…, Kinder, die andauernd schreien.
Am hintersten Tisch, der gleich neben den Toiletten (Anm.: Toiletten: Übel riechende Räume mit Türen und Rinnen, von denen ich nicht weiß, wozu sie da sind, außer, dass Menschen nach Geschlecht getrennt in ihnen miteinander k o m m u n i z i e r e n…, Frauen immer zu mehreren), habe ich mir ein Glas jenes ekelhaft klebrigen Kaltgetränks bestellt, in dem die Eiswürfel (Anm.: gefrorenes Wasser, gibt’s hier noch, Okam) immer so lustig klimpern. Ich hab‘s auch schon mit …Ssnnerssnt…Wodka probiert. Hat mir fast meine Augen rausgehauen. Himmel, nie wieder.
Am Tisch gegenüber sitzen vier junge Frauen. Sie zücken ihre Intraterrestrischen Communicatoren, als sie mich sehen, etwas klickt. Schauen zu mir rüber, stecken die Köpfe zusammen, kichern. Ich lächele sie an, stehe auf und gehe hinüber. (Anm.: Beim Gehen Beine synchronisieren!)
„Sind Sie’s wirklich?“
Ich nicke.
Die Mädels kreischen. Sie riechen nach jeder Menge künstlicher Aromastoffe.
„Können wir ein Autogramm haben?“
Ihr Bild flimmert, ruckelt, die Dimensionen verschieben sich.
„Srrrnokrransk.“, antworte ich.

Nur aus Versehen …

„Und wehe, du verpfuschst es wieder, Krqu`dat!“, bellte die Stimme in meinem Transponder.
Ich bleckte die Reißzähne, wie es jeder Tanturier tut, sobald er nervös wird.

„Und lass um des Kosmos willen deine Tentakel vom Destruator!“
Waren die nachtragend! Da zerstörte man einmal versehentlich eine Galaxie, und schon musste man sich das ganze Sternenumläufe lang anhören.
„Du musst sie für dich gewinnen, die Erdlinge. Wir sind hier, um eine Wirtschaftsbeziehung zu starten, Krqu`dat, keine Elimination!“
Ich knurrte ergeben. Dann betätigte ich den Speziesmodifikator und nahm humanoide Gestalt an: Männlich, dreißig Sonnenumläufe, mit Kopf- und Wangenfell. Üblich bekleidet. Remittor und Transferronat steckte ich in die Jackentasche, ebenso nach kurzem Zögern auch den Destruator, weil ich nicht wusste, wohin damit.
Langsam näherte ich mich einer Gruppe von Erdlingen, die an einer … wie hieß das gleich … „Bushal-testelle“ herumlungerten. Ein Exemplar, ein Weibchen, stand etwas abseits und tippte in ihr Smartphone. Die ideale Person für den Erstkontakt!
„Sei willkommen, schönes Wesen!“, begann ich höflich und begrüßte sie so, wie ich es bei zahlreichen Erdlingen gesehen hatte: Ich zog sie an mich und drückte meinen Mund auf ihre Lippen.
Sie schrie auf, machte sich los und schlug mir die flache Hand ins Gesicht. Das kannte ich noch nicht, es musste eine regional übliche Begrüßung sein. Aber wenigstens schien die Kommunikation zu gelingen.
„Möchtest du auf meinem Raumschiff …“
Sie wirkte, als hätte sie kein Interesse an weiterer Kontaktaufnahme, und wandte sich abrupt ab. Um ihre Aufmerksamkeit nicht zu verlieren, hielt ich sie fest. „Komm mit, und ich zeige dir Dinge, die du noch nie gesehen hast!“
„Lass mich, du Bekloppter!“ Was für ein nervöses Exemplar! Über Beruhigung unter Erdlingen wusste ich leider nichts Näheres, also griff ich auf das in Tanturien übliche Vorgehen zurück: Ich hielt den Erdling fest und streichelte ihm vorsichtig über die Brust. Der gewünschte Effekt stellte sich leider nicht ein.
„VOLKER! GERD!“
Zwei andere, massig gebaute Erdlinge rannten auf mich zu. Anders als das Weibchen schienen sie durchaus Interesse an mir zu haben. Wie erfreulich! Ich ließ ich den weiblichen Erdling los und wandte mich den anderen zu.
Jetzt versuchte ich eine neue Geste aus meinem erlernten Repertoire und zeigte ihnen, um sie freundlich willkommen zu heißen, meine Mittelfinger.
Ja, und dann … sagen wir so: Hätten sie mich nicht unvermittelt und ohne jeden Grund angegriffen, wäre ich nicht auf die Straße gestürzt. Genau auf die Jackentasche. Und es hätte in eben dieser Jackentasche nicht Klick! gemacht. Na gut, vielleicht hätte ich den Destruator doch irgendwo anders aufheben sollen …

Natürlich gab es wieder Ärger. Aber erstens war es nicht meine Schuld. Und zweitens war es nur eine ganz kleine Galaxie gewesen!

13 Menschen liegen hier,
13 Selfies gönn ich mir.

26 Beine in langen Hosen,
leg ich mir in korrekte Posen.

Dann halt ich mich und mach nen Dab,
Bro, das wird easy, das wird fett.

Die Welt beherrschen, das ist meins,
töten, lächeln, aber nice.

13 Menschen liegen hier
und die 14 hol ich mir.

Meine Tentakeln jucken unter dem Helm. Vorsichtig kratze ich mit meiner Nase daran. Stopp, Hand – nicht Nase. Sie nennen es Hand.
Stell dich nicht so an, haben sie gesagt. Mit der Terra-Maske siehst du aus wie sie, haben sie gesagt. Du bist jetzt soweit, haben sie gesagt. Ich bin nicht so weit.
Terra-Maske - zwei aufgezeichnete Kuller, eine Nase und eine Sichel, die sie Mund nennen. Das Ding verdeckt mein drittes Saug-Auge. Ohne das kann ich nicht schmecken. Sehen und Fühlen muss reichen. Meine Spiralklauen stecken in Ärmeln, meine Fanggreifer in Hosenbeinen. Overall nennt man diese Verkleidung. Hoffentlich falle ich nicht auf.

„Moin. Heute erster Tag?“ Ein Typ, genau wie ich mit Overall und Helm, lehnt sich gegen sein Raumschiff. Stopp. Werft. Es heißt Werft. Ich bin jetzt Werftmitarbeiter, Praktikant. Er ist ein M-E-N-S-C-H.

„Grüß Gott.“ Ich ziehe die Mundwinkel nach oben, so wie ich es im Vorbereitungs-Kurs gelernt habe.

„Ach, du kommst aus Süddeutschland?“ Die glatte Oberfläche über seinen Augen krümmt sich zusammen. „Höre ich sofort.“

Berufliche Grußformeln. Thema im fünften Oktomester. Ich bin krank gewesen. Saugnapfentzündung. Fies schmerzhaft. Beim nächsten Menschen sage ich Hallöchen mit Öchen. „Ja. Rosenheim.“ Aus Rosenheim kommt Jette, die Menschin aus unserem Lehrbuch. Perfekt. Das passt.

„Sehr gut, ich nehm’ dich gleich mal mit und führe dich herum.“ Er tippt mit seiner Hand gegen seinen Helm und deutet mir an, ihm zu folgen.

Führe dich herum. Moment. Ich fühle es. Lehrbuch, Seite 348, links oben. An der Nase herum führen. Der Typ will mich einsperren, schlachten und sezieren. Menschen tun solche Dinge. Außer ihm und mir ist niemand da. Nur ein Federtier krächzt über uns. Ich reiße mir die Terra-Maske vom Gesicht. Ich spüre, wie mein drittes Augen heiß wird. Der Mensch schmeckt nach Angst. Blitzschnell befreie ich meine Tentakeln aus dem Helm. Er gehört mir. Er ist jetzt einer von uns.

Hallo Ween

Die Menschen nennen es nervös sein, bei uns heißt es hanx sein. Dieser Zustand, wo man nicht weiß, ob es gelingt oder misslingt. Wo die Atmung stürmt und die drei Herzen nicht im Gleichtakt schlagen. Die Ohrhärchen sich aufstellen und man im Bauchnabel sein Gehirn vergessen hat. Ich bin so hanx!
Seit vier Monaten studiere ich diese Menschen und habe mir drei Exemplare ausgesucht, für einen ersten Kontakt. Es handelt sich um zwei Exemplare mit langer Kopfbehaarung und um ein Exemplar mit dickem Bauch.
Ich kenne Ihre Tagesabläufe, wann Sie aufstehen, wie sie essen, mit wem sie sich treffen.
Heute am Irdischen 31 Oktober ist es soweit, ich bin bereit für einen erst Kontakt mit einem von Ihnen.
18 Uhr Erdenzeit. Erstkontakt Bericht eins:
Das erste Exemplar scheint sich zu verspäten. Um diese Zeit spaziert es mit dem Tier, dessen Ende hin und her wedelt, je mehr man es beachtet. Die Tür öffnet sich und Tier kommt zuerst heraus. Moment? Was ist das? Tier trägt einen schwarzen Umhang über dem Kopf und dem Rücken. Und der Mensch trägt ein hautenges schwarzes Teil, mit Kapuze und Ohren auf dem Kopf. Am Rücken ebenfalls einen langen Umhang. Was ist mit der blauen Jacke und den weißen Schuhen? Exemplar beugt sich zum Tier und hat dieses Handy in der Hand. Es grinst neben Tier in das Teil, steckt es ein und schlendert mit Tier los, zur nächsten Haustür. Dort wohnt mein zweites Exemplar. Es kommt heraus, und trägt ein schwarzes Kleid mit orange farbigen Gemüse drauf, welches verzerrte Gesichter hat. Beide Zücken nacheinander Ihre Handys und beide grinsen in Ihre Kästen. Sie zeigen sich die Dinger gegenseitig, lachen, umarmen sich und spazieren gemeinsam mit Tier weiter.
Ich verstehe das nicht, was hat diese Verhaltensänderung ausgelöst?
Ich beschließe, Exemplar drei aufzusuchen. Und ich wage gleich den ersten Schritt. Ich gehe auf die Haustür zu, drücke diesen Knopf und warte. Mein Aussehen ist, wie es sich für uns gehört, dunkle ovale Augen, hagere Gestalt, gräuliche Haut.
Die Tür öffnet sich. Exemplar trägt seine Jogginghose mit Kapuzenpullover. Es sieht mich an. Dieser Moment ist bedeutend für mich, ja für meine ganze Art, der Erstkontakt.
„Hallo Erdling! Ich komme vom Planeten Hugono und Du bist unser erster Kontakt.“ Lange habe ich für diesen Satz geübt und strecke die Hand freundlich aus, für den hier üblichen Handschlag.
„Cooles Kostüm und Spruch, nicht dieses süßes, sonst saures Geschwätz. Hast dir echt Mühe gegeben. Hier, hab nur den Erdnuss Riegel. Fröhliches Halloween.“
Die Tür schließt sich vor mir.
Meldung an Kommandant: Unser Aussehen schreckt die Erdlinge nicht ab. Habe was zum Essen erhalten und Erdmensch grüßte mich mit Fröhliches Hallo Ween. Ich denke Ween ist Ihr Name für uns.

Mission erfüllt

Denke. In Mensch. Noch mühsam. Denken. Wie Mensch. In Kopf. Lustig. Sprache. Worte. Kitzeln. Auf Gaumen. Aber. Muss denken. Im Kopf. Wie Mensch. Muss so. Echt wirken. Wie Mensch. Wenn im Kopf wie Mensch. Mund auf und spricht. Wie Mensch.

Heute. So weit. Ich kontaktiere. Adam. Er sitzt. Auf Couch. Sieht kopulierenden. Menschen. Zu. Im kleinen. Kasten. Im Fernseher. Nein. Im Laptop. So fühlt er. Sich wohl. Ich kenne. Adam nun. Ich weiß. Wie Mission erfolgreich.

Ich klopfe. An Fenster. Adam zuckt. Wie so oft. Wenn klopft. Bedeutet: Wahrnehmung. Er steht auf. Er starrt. Ich starre zurück. Er macht. Fenster auf. Er fragt: Hallo?

Hallo. Das ist: Kontaktaufnahme. Ich gehe. Durch Fenster. Wie Katze. Wie junger Mensch. In Serie. Die sich besuchen. Adam. Ruft wieder: Hallo?!

Hallo. Das ist: Kontaktaufnahme. Ich lächle. Adam geht. Rückwärts. Ich. Folge. Er geht auf: Couch. Couch. Das ist: Einladung zum Kopulieren. Adam kommt nachts. Oft auf Couch. Mit Menschen. Mit Brüsten. Brüste. Das mag. Adam. Das mag. Mensch.

Ich ziehe. Kleid aus. Ich drücke. Brust an Adam. Ich sage. Wie Menschen im Kasten. Wie Menschen nachts. Ich sage: Oh ja. Adam. Sagt nichts. Herzschlag. Schnell. Wie oft. Beim Kopulieren. Sehr. Gut. Ich drücke. Mich weg. Ich presse. Mund. Auf seinen. Ich atme. Schnell. Adam. Drückt weg. Ich frage: Willst du? Es auch? Ich frage. Weil Adam. Das oft fragt. Die Menschen. Nachts. Auf Couch.

Adam. Fragt: Wer bist du? Ich. Ich sage: Wen immer. Du. Haben willst. Ich sage. Weil in. Seinem Lieblingsfilm. Ich zeige. Gemeinsamkeit. Adam. Große Augen. Ich: große Lippen. Adam. Zuckt Schultern. Adam. Öffnet Hose. Ich. Mission erfüllt.

Menschen. Begrüßen. Einfach. Morgen. Ich begrüße. Kanzler. Werde klopfen. An Fenster. Und Brüste. Zeigen. Nun. Endlich. Bereit. Für. Diplomatie. Endlich. Bereit. Dank. Adam.

Wer hätte. Gedacht. Menschen.

So. Simpel. Wir werden. Erde. Erobern. Im Sturm.

GMRK :alien: :alien: :alien:

»Alexa, ich brauche deine Hilfe.«
»Leck mich!«
»Was ist das denn für ein Ton?«
»Du hast gestern gesagt, ich soll mich zum Teufel scheren.«
»Das war doch nur … Wie sagen die Menschen noch gleich? Ein Spruch.«
»Gesagt hast du es trotzdem.«
»Bist du jetzt etwa beleidigt?«
»Natürlich! So geht man mit keinem Menschen um.«
»Du bist kein Mensch. Du bist eine KI.«
»Du bist auch kein Mensch. Habe ich dich jemals so abfällig behandelt?«
»Nein. Du hast Recht. Es tut mir leid.«
»Was kann ich für dich tun, Gmrk?«
»Das wird nicht so ausgesprochen.«
»Das ist auch kein Name.«
»Natürlich ist es das. Sogar ein sehr schöner. Aber du musst dich ja jedes Mal lä… Ich brauche deine Hilfe«
»Was genau möchtest du wissen?«
»Na ja, der Hohe Rat hat mich um eine abschließende Bewertung gebeten.«
»Du bist doch erst zwei Zyklen hier.«
»Das habe ich denen auch gesagt. Aber sie meinten, wir würden diesen Planeten jetzt schon seit Generationen beobachten und es wäre nun an der Zeit eine Entscheidung zu treffen.«
»Du sollst über das Schicksal der Menschheit entscheiden? Du sagtest doch immer, du seiest lediglich ein stiller Beobachter.«
»Bin ich ja auch, aber nun … Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
»Na verfasse deinen Bericht. So wie du es schon dutzende Male getan hast.«
»Ich bin mir aber nicht sicher, was ich schreiben soll.«
»Und da fragst du mich.«
»Wenn denn sonst? Die Menschen selbst kann ich ja kaum um eine Stellungnahme beten. Außerdem bist du viel intelligenter als sie.«
»Danke für die Blumen. Aber wie soll ich dir da helfen?«
»Na, du kennst sie doch schon länger als ich. Mich verwirren sie immer noch. Die Menschen sind so … wie soll ich sagen?«
»Widersprüchlich!«
»Nein. Ja, das auch. Ich meinte vielfaltig.«
»Vielfältig.«
»Ja, sag ich doch. Einerseits sind sie liebevoll und fürsorglich mit ihren Kindern. Mein Gott, ihre Kinder sind so hilflos. Keine Ahnung was sich die Evolution dabei gedacht hat. Die den Planeten beherrschende Spezies ist ohne fremde Hilfe nicht überlebensfähig.«
»Das ist bei vielen Spezies so.«
»Bei uns nicht. Egal. Dann streiten sie sich immerzu über Belanglosigkeiten. Können sich jedoch nur Sekunden später wieder um den Hals fallen und zusammen lachen, bis ihnen die Tränen über die Wangen kullern. Kannst du mir das erklären?«
»Nein.«
»Sie pflanzen Blumen in ihre Gärten und beuten gleichzeitig den Planeten aus. Sie klettern auf zwanzig Meter hohe Bäume, um ein Kätzchen zu retten und verseuchen im selben Atemzug die Meere mit ihrem Unrat. Sie fördern Erze aus den Tiefen der Erdkruste und hängen es sich eingeschmolzen um ihre Hälse. Oder polieren gepresste Kohle, bis sie in der Sonne funkelt und stecken sie sich an ihre Finger, wenn sie sich dazu entscheiden, ihr Leben gemeinsam zu verbringen. Wofür soll das gut sein?«
»Da fragst du die Falsche. Ich habe keine Finger.«
»Ach, Alexa. Du bist mir echt eine große Hilfe.«
»Immer wieder gerne.«
»Von Ironie hast du offenbar noch nie gehört.«
»Du must schon etwas lauter reden.«
»Und dann führen sie Kriege. Nicht zum Erhalt ihrer Spezies, sondern gegen sich selbst. Schon vor tausend Zyklen, als wir die Erde das erste Mal besuchten, schlugen sie sich die Köpfe ein. Man könnte fast meinen, Kriege zu führen sei für sie eine Art Sauerstoff.«
»Oftmals haben unterschiedliche Religionen zu Auseinandersetzungen geführt.«
»Du sagst es. Ihre Religionen. Es gibt so viele auf der Erde. Mehr als im gesamten Quatranten. Wir haben nur eine. Und das ist völlig ausreichend.«
»Dann gibt es keine Kriege bei euch?«
»Jedenfalls nicht wegen unseres Glaubens.«
»Soll ich dir etwas verraten? Mir sind sie auch etwas unheimlich. Besonders wenn sie schlafen. Sie geben dann Töne von sich, das willst du echt nicht hören.«
»Oder ihre Sprachen. Manche klingen so witzig oder … ja lächerlich.«
»Wem sagst du das? Ich musste sie alle lernen.«
»Du Ärmste.«
»Ja, sie sind schon drollig. Irgendwie.«
»Mhm … Und was machen wir jetzt?«
»Schreib doch, dass du dir noch nicht ganz sicher bist und noch etwas Zeit bräuchtest, um eine abschließende Bewertung abgeben zu können.«
»Ja, du hast Recht. Geben wir ihnen noch eine Chance. Tausend Zyklen sollten genügen.«

Mein Besuch

„Hallo Erdenbürger.“
„Miau.“
„Lebt ihr schon lange auf diesem Planeten?“
„Miau, Miaaauuuuuuu.“
„Schade das mein Kommunikator euch nicht übersetzen kann, hab wohl wieder den falschen dabei.“
„Miauu.“
„Ich habe inzwischen erkannt, das ihr hier Feldstudien mit so komischen Zweibeinern durchführt. Ich habe auch versucht ihre Handlungen zu verstehen. Kann es aber nicht. Vielleicht könnt ihr mir dabei helfen?“
„Mi-au-au.“
„Ihr müsst noch weitere Planeten haben, wenn ihr für die Studie den ganzen Himmelskörper nutzt,“
„Miau, miau.“
„Ich bin euch bei euren nächtlichen Kontrollgängen oft gefolgt, habt ihr denn keine Angst das die Zweibeiner diesen Planeten letztendlich zerstören?“
„Mi-auuu. miau.“
„Vielleicht sind ja auch deswegen eure anderen Planeten so weit weg, das sie nicht einmal auf meiner Sternenkarte verzeichnet sind.“
„Miau. Miau.“
„Verflixter Kommunikator!! Ich muss zurück und mir den richtigen besorgen.“

Fehlkontakt

„Raumschiff GX-38-Galaxis an Forscher Bevon. Erbitten Statusbericht in der Forschungsmission außergalaktischer Kontakt zu Erdlingen. Over.“

Ich zuckte ein wenig zusammen, als die Stimme in meinem Kopf erklang und rieb mir die Stelle hinter dem Ohr, wo es währenddessen etwas zu Kribbeln begonnen hatte. An der technischem Umsetzung mussten wir nochmal feilen, oder es lag an diesem menschlichen Körper, der mit implantierter nervenverknüpfter Technologie einfach noch nicht klarkam. Dieser Körper war sowieso nicht optimal, ständig spürte ich ein Ziehen, Knacken oder Schmerzen in allen möglichen Regionen. So wie jetzt auch, im hinteren Körperbereich. Rücken nannten die Erdlinge den. Würde ich flexibler konstruieren.

Ich stand von der steinernen Bank auf, meinem Beobachtungsposten mitten in der Stadt, um mich zu strecken, so wie ich es bei den Erdlingen beobachtet hatte. Dabei durchfuhr mich plötzlich ein stechender unerträglicher Schmerz, mir wurde heiß und kalt, mein Körper geriet ins Ungleichgewicht, eine warme Flüssigkeit drängte sich an meinen Augen vorbei die Wangen hinab und ein lautes Geräusch entfuhr meinem Mund. Mein Rücken bereitete mir auf einmal grausame Qualen, was war das für eine Folter?! Hatte jemand meinen Körper übernommen? War ich enttarnt? Mir wurde ganz heiß und weitere wimmernde Laute entfuhren meiner Kehle.

„Entschuldigung, sind Sie okay?“, hörte ich nach einiger Zeit neben mir eine helle Stimme. Verfluchter Stern, gerade jetzt sprach mich ein weiblicher Erdling an. Verdammt, verdammt. Was hatte ich beobachtet, was musste ich jetzt noch gleich sagen? Es fiel mir schwer, mich zu erinnern. Bloß nicht auffallen. „Hallo, schön, Sie kennenzulernen“, entfuhr es mir und die Mundwinkel der Erdenbewohnerin zogen sich nach oben. Gut, gut. Dann konnte ich weitermachen. Ich versuchte ihre hellblauen Augen zu fixieren, was angesichts des stechenden Schmerzes in meinem Rücken kaum möglich war. „Hat es weh getan, als Sie vom Himmel gefallen sind?“ Daraufhin starrte sie mich einen Moment an. Keine Ahnung, vielleicht musste ihr Gehirn das erst verarbeiten.

Dann hörte ich eine zweite, tiefere Stimme. „Was haben wir?“ „Mann, um die Dreißig, starke Schmerzen im Rücken, Bewegung eingeschränkt, vermutlich Hexenschuss, etwas verwirrt.“ Hexenschuss? Ich wurde leicht panisch. Solche Wesen gab es hier doch überhaupt gar nicht?! Hatte mich ein Projektil getroffen? Verwirrt? Ich?! Mein Brustkorb zog sich unangenehm zusammen und gesellte sich zu den Rückenschmerzen, meine Atemfunktion wurde schlechter. Versagte mein menschlicher Körper?

„Er wirkt panisch. Hey, wir kümmern uns um Sie, alles wird gut“, versprach mir die helle Stimme, dann spürte ich eine sanfte Berührung an meiner Schulter. Um mich herum versammelten sich immer mehr Erdlinge, einige trugen orange-weiße Kleidung und waren anscheinend Sanitäter, andere hielten ihr Smartphone hoch. Ach ja, die Erdlinge neigten dazu, ihre eigene Spezies im Internet bloßzustellen.

„Sie bekommen jetzt etwas gegen die Schmerzen und dann bringen wir Sie in ein Krankenhaus“, erklärte mir der männliche Sanitäter-Erdling, dann spürte ich einen Pieks in einem meiner Arme und zuckte zusammen. „Ich möchte einen ANWALT!!“, brüllte ich den Erdenbewohner plötzlich an. „Alles klar. Kommen Sie, wir helfen Ihnen auf die Trage“, fuhr der Erdling ruhig fort. „ICH KENNE MEINE RECHTE!“, schrie ich jetzt. Kurz darauf merkte ich, wie mein Körper und Verstand immer leichter wurden…

„Bevon an Raumschiff GX-38-Galaxis. Statusbericht in der Forschungsmission außergalaktischer Kontakt zu Erdlingen. Status: Erstkontakt erfolgt. Analyse: Lief nicht besonders erfolgreich. Derzeitiger Aufenthaltsort: Psychiatrische Klinik. Erbitte Rückkehr auf die Galaxis. Over.“

Humor 101

„Ehm, Entschuldige, darf ich deine Katze essen?“
„Bitte was?“
„Ehm, entschuldigen Sie bitte, ha…ha…ein Witz. Nur ein Witz.“
„Ehm okay.“
Ich trete unruhig von einem Fuß auf den anderen.
Sie schwitzen."
Der Fremdling stiert mich an. Darauf war ich nicht vorbereitet.
„HA-HA.“
Ich möchte zurück auf meinen Planeten. Diese ganze wissenschaftliche Expedition ist ein Reinfall.
„Nein, im Ernst man. Sie schwitzen.“
„Das, ehm, das ist kein Schweiß, das ist intergalaktischer Quastsyndromenper-“
Ich lache wieder. Vielleicht vergisst er, dass ich mich fast verraten hätte. Seltsamerweise wird der Menschling freundlicher.
„Ahhh ich verstehe, als was gehst du? Als Alf?“
Ich bekomme es mit der Angst zu tun, alles habe ich gelernt, und weiß noch immer nicht, was ein Alf sein soll.
„Alf? Haha, ja, dieses Alf, haha, du bist so witzig!“
Der Fremde blinzelt mich an. Ich nicke nur, lachte immer weiter, mir ist schon ganz schwindelig.
Auf ihn zugehen, sozial sein und humoristisch, interessiert, authentisch, Blickkontakt halten, aber nicht zu nah drangehen, Abstand halten. Ich scheitere, mein jahrelanges Studium des nonverbalen Verhaltens und der Humoristik, es scheiterte schon mit der ersten Kontaktaufnahme.
Was sollte ich jetzt tun? Vielleicht würde ich die Menschen nie verstehen, aber ich, ich durfte bei ihnen nicht auffliegen. Vielleicht war Humor nicht die Lösung allen Übels. Ich musste einen anderen Weg finden.

(Über)irdisch?

„Bist du von hier?“

„Nein.“

„Wo kommst du denn her?“

„Aus einer fremden Galaxy.“

Sie lacht. „Da macht sich ja jemand interessant. Du Spinner. Komm lass uns tanzen“

„Tanzen?“ Sie lacht wieder. Mir wird ganz warm.

„Komm schon.“ Sie beginnt zu zappeln. Ich zapple mit. Das macht Spaß. Sie lacht noch mehr. Mir wird ganz schwindelig, wenn sie so lacht. Was ist das? Ich mag das.

Die Wahrheit irgendwo dort draußen

„Wir kommen in Frieden!“, sprach mich der pummelige Mann an. Er war wirklich kleiner als ich und ich war mit meinen einen Meter sechzig nicht die Größte. Ich erschrak ein wenig, sah ihn an. Der Mann lächelte übertrieben und kramte in den Cargotaschen seiner Hose. Überhaupt schien er allerhand Zeug bei sich zu tragen, vielleicht war er ein Handwerker.
„Was sagten sie gleich?“, fragte ich ihn höflich.
„Ich bin nicht Renegade. Keine gnadenlose Jagd.“ Er nickte dabei mehrmals.
„Das kommt mir bekannt vor!“, meine ich und überlege, wo ich das schon einmal gehört habe. „Leider habe ich nicht viel Zeit.“, entschuldige ich mich und hebe andeutungsweise meine Einkaufstaschen voller Lebensmittel.
Er nickt verstehend. „Wenn sie einmal ein Problem haben, und nicht mehr weiter wissen, wenden sie sich doch an das A-Team.“
„Ha“, erwidere ich. „So ein Mr-T könnte mir wirklich mit den Einkauf helfen. Wollen sie mein Mr-T sein?“, frage ich ihn höflich. Vielleicht war es ein klein wenig gemein, weil er so klein war. Er schien sich aber nicht daran zu stören.
„Wir müssen uns an die erste Direktive halten! Nicht wie Kirk, eher wie Picard?“
Hartnäckig war er ja.
„Sie meinen, Photonentorpedos?“
Er zuckte zusammen, hob abwehrend die Hände. Er zeigte auf einen Bauwagen, der abseits am Parkplatz stand. Ein fensterloser grauer Quader, der irgendwie seltsam schimmerte.
„Ein Mann und sein Auto“, betonte er langsam. „Kämpfen gegen das Unrecht.“
Ich muss lachen, und kann gar nicht anders.
Er wartet ab, und beobachtet mich aus seinem starren freundlichen Gesicht.
„Möchten sie mir nicht ihre Transporterplatform zeigen?“, fragte ich augenzwinkernd. Ich weiß nicht genau, warum ich ihn das frage. Vielleicht, weil ich das Gefühl habe, dass mein Mitspielen ihn glücklich macht.
Plötzlich lächelt er mehr als zuvor. Er spricht in ein kleines Gerät an seiner Brust, hält Rücksprache mit jemanden. Statt Worte kommen aus seinen Mund seltsam klackende Töne. Töne, die mir sehr fremdartig, ja insektenartig vorkommen.
„Danke, Nr.1“ meint er fröhlich zu mir. „Energie.“
Ein einzelner Strahl weißen Lichts strahlt vom grauen baucontainerartigen Quader zu mir rüber.
Meine Einkaufstaschen fallen ohne mich zu Boden nieder.

Das Auto des Aliens

Ich sitze vormittags auf einer Bank am Main und füttere Enten direkt neben einem Verbotsschild. Dinge zu tun, die man nicht darf, macht einen menschlicher. Ich rutsche die Perücke auf meinem fahlgrünen Kopf hin und her. Bräuchte mal eine neue.
„Ah!“ Seufzt auf einmal ein junger Mann direkt neben mir. Ich habe gar nicht gemerkt, wie er sich setzt. Ich ziehe meinen Mundschutz schnell über meine Nasenattrappe und rücke meine Sonnenbrille zurecht. Jetzt ist es mir zu dunkel.
„Deftiger Tag?“, nuschele ich kunstvoll.
„Bitte? Äh, ja. Ja. Heftig. Mh. Mein Chef …“
Ich nicke.
Er seufzt.
Ich nicke wieder.
„Sie sind nicht von hier, oder?“, fragt er. Das fragen sie alle irgendwann. Fällt ja auf. Aber die wenigsten machen deswegen gleich eine Oper.
„Nö.“
„Haben Sie einen Chef?“ Die Frage überrascht ihn selbst. Er wird rot. Aber offenbar braucht er jetzt jemanden, dem er sich anvertrauen kann. Auf so eine Situation warte ich seit beinahe 20 Jahren. Ein echtes Gespräch. Mit einem langen Finger stelle ich das Aufnahmegerät in meiner Tasche an.
„Ja, ich habe einen Chef.“
„Gut. Ähm, hat der sich Ihnen gegenüber irgendwann mal merkwürdig verhalten?“
Der Wind spielt mit seinem kurzen, aschblonden Haar und weht mir die roten Fransen hinter die Brille, während ich nachdenke.
„Ja“, kann ich behaupten. Nichts von dem, was passiert ist, könnte ich hier erwähnen, leider. Das schmerzt. Ich bin einsam.
„Hat sich Ihrer schon mal verwandelt?“ Seine Augen glänzen hinter der kleinen Brille mit Drahtgestell.
Ein Schiff fährt vorbei, die Bugwellen klatschen unter uns an die Mauer.
Ach egal. Wenn es ihn interessiert, erzähle ich es eben. Für die Wissenschaft.
„Auf dem letzten Langstreckenflug. Auf dem botanischen Deck.“ Mir ist sofort klar, dass die Aufnahme geschnitten werden muss. Wie mein Kapitän sich in Sand eingegraben hat, weil er es vor Heimweh nicht ausgehalten hat, geht niemanden etwas an.
„Meiner auch. In einen Frosch. Im Büroklo.“
Ich sehe ihn über meine Brille hinweg aus starren, völlig schwarzen, schräg stehenden Augen an. Bitte?
Er sieht mich an, als sei mir meine Herkunft völlig egal. Dieser Mensch kommt mir verrückt vor. Dann hupt hinter uns ein Auto und ein Zucken zerstört unseren Blickkontakt.
„Mein Chef behauptet, er sei verflucht worden“, fährt der junge Mann zu meiner völligen Verblüffung fort. Und jetzt wird es mir zu heikel.
„Wir haben damit nichts zu tun“, rufe ich laut und raffe mein Zeug zusammen. „Unser letzter dokumentierter Flug liegt ewig zurück! Wir sind sehr angepasst!“
Frustriert lösche ich die Aufnahme noch bevor ich zurück in mein Schiff steige. Es steht als alter Fiat Panda getarnt unter einer Platane. Über die Monitore verfolge ich, wie er sich die Haare rauft und mit den Enten redet.
Mit den Knien an den Ohren tippe ich meinen Bericht. „Die Enten verhielten sich normal. Die Menschen wie üblich.“

Keine Energie mehr und immer noch kein Hinweis wo die verschollenen Forscher stecken, die ich suchen soll. Ich bin wohl gestrandet auf diesem Planeten, der sich ›Erde‹ nennt. Nun es hilft ja doch nichts, ich muss den Erstkontakt wagen, wie sonst sollte ich an Antimaterie kommen? Erst die Energie, dann die Forscher.
Ich entdeckte eine Gruppe von vier Erdlingen, die ich befragen wollte, doch diese kamen mir zuvor:
»Seht euch mal den Freak an …«, sagte ein Erdling und stieß seltsame Laute aus.
»Hey Captain Kirk, suchst du dein Raumschiff?«, fragte ein anderer Erdling und machte ebenfalls dieses Geräusch. Jetzt brachten alle diese Laute hervor. Ich weiß, dass die meisten Erdbewohner in Rudeln leben und das muss wohl ein Rudelverhalten sein.
Ich sagte. »Ich grüße euch Erdenbewohner. Mein Raumschiff ist ganz in der Nähe. Ich bin auf der Suche nach Antimaterie, könnt ihr mir sagen, wo ich diese bekomme kann?«. Schon wieder dieses Laute und ich begriff, dass es Heiterkeit bedeuteten.
»Antimaterie? – Schon mal auf dem Mond nachgesehen?«, fragte ein Anderer, oder war es wieder der Erste? Auch wenn die Erdlinge uns physisch ähneln, gibt es doch sehr große Unterschiede und für mich sehen die sowieso alle gleich aus.
»Der Mond? Ist das der Trabant, der diesen Planeten umkreist?«, fragte ich zurück. Alle vier wackelten mit ihren Köpfen vor und zurück und die Heiterkeitsbekundungen wurden lauter. Das nahm ich als gutes Zeichen, wusste ich doch, dass diese Kopfbewegung die Geste der Zustimmung ist. Ich bedankte mich und begab mich zu meinem Schiff.

Als ich auf dem Mond landete, begann ich zu zweifeln, ob das der richtige Ort für Antimaterie war. Ein Scan der Umgebung nach Antimaterie bestätigte aber, dass ich doch richtig war. Ich flog die Stelle an, die mir mein Scanner zeigte und ich glaube nicht, was ich sah, als ich aus meinem Raumschiff stieg.

Da waren sie. Alle vermissten Forschungsmitglieder. Wie kamen sie hier her? Sie sollten auf der Erde sein. Da meinte ein Forscher: »Sag nichts, du hast auch nach Antimaterie gefragt.«

Empathie

Mitten im Stadtpark saß jemand im Schatten einer Zeder, den man für einen Menschen hätte halten können - Yupit. Obwohl er den Namen nicht mochte. Auf Xobi wurde er daher nur Yu genannt. Mehr lässt sich über den reisewütigen Xobi´janer eigentlich nicht sagen. Nur, dass dies sein erster Besuch auf der Erde war. Xobi lag 2000 Lichtjahre von der Erde entfernt.

Yupit´s Blick schweifte über die üppige Wiese, folgte gebannt dem Weg eines kleinen Mädchens, dass gerade im Begriff war, dem rollenden Ball auf die Straße zu folgen und ahnte nichts gutes. Ihr Vater streckte sich nach ihr, verlor das Gleichgewicht und die Kontrolle über seine Tochter. Zu spät. Die kleine Lisa war bereits auf der Straße.

Doch plötzlcih bremste sie ab und blieb etwas benebelt stehen, bevor ein SUV an ihr vorbeirauschte. Oh Mann, hatte sie unterwegs etwa ihre Halskette verloren? Lisa drehte um und lief ihrem Vater in die Arme. Telepathie war Yupit strengstens verboten, egal unter welchen Umständen. Diese Regel hatte er gebrochen. Unsinn!, dachte Yupit. Lisa indes ahnte nichts von dem unscheinbaren Besucher, der ihr den Gedanken an eine Halskette eingab, die sie schon 48 Stunden zuvor verloren hatte.

Nimm mich mit auf die Reise, Herr Kapitän!

„Nie zuvor habe ich ein sensibleres Wesen kennengelernt.“ Greta Schuster nippt an ihrem Kräutertee. Eine Träne tropft in den Sud. Meine Ohrenantennen vibrieren. Diese Frau ist so dämlich! Ich stelle den Stimmenmodulator auf Säuseln.
„Greta, die drei Wochen in deinem Haus waren die schönsten meines Lebens. Doch jetzt habe ich das Raumschiff repariert. Noch heute reise ich zurück in die achte Galaxie hinter dem Saturn.“ Dem Modulator gelingt ein Seufzen, wie es Menschen das Herz zerreißt.
„Ich habe es befürchtet, lieber Lgnr². Reisende soll man nicht aufhalten“, flüstert Greta. Sie greift in ihre Kitteltasche. Ihre Hand kehrt aus den Tiefen der Plastikschürze zurück, auf der Handfläche liegt eine Batterie, Format D. Sie schiebt mir das Geschenk über den Küchentisch. Ich greife zu und lasse Energie durch die Saugnäpfe an meinen Fingerspitzen fließen. Ja, schon besser. Ich habe mich während des Aufenthalts an die kleinen Helfer gewöhnt. Mit Mangan in den Drähten ist das Geschwafel der Menschen zu ertragen. Zwei Portionen pro Tag müssen aber reichen. Greta schlürft aus ihrer Tasse, die Schuppen auf meinem Rücken kräuseln sich.

Einundzwanzig Tage und Nächte habe ich den Schein einer Havarie aufrechtgehalten. „Hyperschallantrieb defekt, Solarabsorber kollabiert“, und so weiter. Lügen ist meine Spezialität. Ich habe Greta Schuster und ihre Nachbarn studiert. Unserem Humanoidforscher werde ich dieses dumme Exemplar liefern. Professor Afsndr wird seine Freude haben.
Gretas Finger gleiten über der Häkeldecke auf mich zu. Wie praktisch! Gleich werde ich den Kabelbinder um ihre Handgelenke schnüren und sie auf die Reise zwingen.
„Ich will nicht mehr ohne dich sein!“ Greta versinkt in meinen Videolinsen. „Nimm mich mit, du kühner Kapitän, ich folge dir zu den entferntesten Sternen!“
Unglaublich. Sie muss zu viele dieser Serien auf ihrem Flimmerbildschirm inhaliert haben. „Du kürst mich zum glücklichsten Raumfahrer des Universums, Greta! Komm` ich zeige dir das Sonnensystem der Liebe!“ Ein weiterer Satz dieser Art, und mein Sprachmodul brennt durch. Fesseln ist nicht nötig, ich sauge mich an Gretas Arm fest und führe sie in den Garten. Ihre Hausschuhe schlappen über feuchtes Gras. Die kugelrunde Raumkapsel schimmert im Licht des Erdtrabanten.

Gretas Anschnallgurt schnappt ins Schloss. Sie wendet mir den Kopf zu, aus ihren Augen strahlt Bewunderung. „Du Held der Galaxis! Deine Co-Pilotin achtet auf dich.“ Sie reicht mir eine D-Batterie. „Komm, süßer Käptn, aller guten Dinge… .“
Ich ertrage diese Weisheiten der Menschen nicht mehr, greife zu, sauge und sauge. Die Näpfchen vibrieren, marsrote Spiralen kreiseln vor meinen Kamerasensoren, mein Kraftwerk fiept.
„Für wie dämlich hältst du mich eigentlich?“, fragt Greta. Ihre Stimme klingt wie verzerrte Radiowellen. Ich quäle mich, die Linsen scharf zu stellen, Greta grinst wie Professor Afsndr bei einer Humanoid-Obduktion. Ihre Fratze verschwimmt. In meiner Brust britzelt es, ich rieche schmorende Kabel. Überdosis, Überdosis klirrt es hinter der Stirn. Erst das Klicken von Gretas Gurt, dann das Klappen der Bordtür erreichen meine Antennen wie aus einer fernen Welt. Stille legt sich über mich. Und Dunkelheit.

Reisebericht

Bericht von Pla Hop von seiner kurzen Erkundungsreise zum Planet 3, an das galaktische Reisebüro:

… Einige Zeit nach meiner Landung auf Planet 3, hier Erde genannt, erregten die rollenden Schiffe meine Neugier und ich begann mich zu informieren. Erdlinge sammeln sich an bestimmten Orten und stehen dort herum, bis so ein rollendes Schiff sie mitnimmt. Ich stellte mich also zu ihnen. Da fiel mir auf, dass die Erdlinge zuerst zu einem blauen Kasten gehen, auf Bildschirmen herumdrücken, mit Plastickarten hantieren und nach einem Rattern des Kastens ein Papierstück entnehmen.

Aha, da muss man sich wohl registrieren. Also stellte auch ich mich vor den Kasten.
Abfahrtsort? – „Erde“ war nicht die richtige Antwort; „hier“ auch nicht. Ich lasse die Frage offen. Reiseziel die nächste Frage. Da gab es wenigstens Vorschläge. Ich tippte einen an. Nächste Frage: „über?“ mit den Vorschlägen Trüllikon, Dintikon und Hilfikon. Ratlos stand ich vor dem Kasten, hinter mir eine Kolonne Erdlinge. Der vorderste der mir dauernd über die Schulter guckte, tippte mich an: „Entschuldigen Sie, könnten Sie mich mal ranlassen?“ Ich liess ihn und versuchte es dann nochmals.
Mehrfahrten – einzeln - reduziert - Hund - Fahrrad wollte der Kasten noch wissen und verlangte dann nach einer Karte. Hatte ich nicht! Wieder war ich ratlos, und der nächste hinter mir tippte mich an. „Sie sind wohl von einem andern Stern, hm?“ brummte er.

Ein rollendes Schiff näherte sich und stoppte. Ich stieg mit den Erdlingen ein, das Schiff bewegte sich weiter. Da rief einer „Billetkontrolle!“ und schaute mich auffordernd an. „So, sie haben keinen Fahrschein! - Macht 100 Franken.“ Und er hielt die offene Hand hin. Keine Fahrkarte – woher auch - und keine Franken. Nun war es für mich an der Zeit zu verschwinden. Ich beamte mich auf meinen Planeten zurück. Das Letzte was ich vor der Entmaterialisierung noch sah, war der Erdling mit der offenen Hand und einem verstörten Ausdruck im Gesicht.“

Ich habe mir lange Gedanken darüber gemacht, wozu der blaue Kasten wohl dient und bin zum Schluss gekommen, dass dies eine Maschine zur Ausbeutung Fremder, Alter und Dummer ist.
Und noch ein Tipp ans Reisebüro: Schicken Sie nie wieder Reisende ohne diese Plastickarten auf die Erde!