Verschränkte Welten
Nur wenige Menschen waren im Park unterwegs. Sie schlenderten vorbei, ohne große Notiz von ihm zu nehmen. Er interessierte sich nur für einen von ihnen. Der saß auf einer Bank und kritzelte gedankenverloren auf seinem Block. Das war er. Kein Zweifel. Er ging hinüber und setzte sich dazu.
Der Schreiber ignorierte ihn und rutschte ein bisschen weiter fort. Keine Flucht, nur eine deutliche Geste. Dann schaute er doch herüber. Ganz kurz nur, zunächst. Er hielt inne, starrte auf seinen Block. Schließlich wandte er sich erneut zu ihm. Ganz langsam. Wie sie sich anschauten, öffnete er den Mund. Er sagte aber nichts. Er guckte nur. Dabei sah der Schreiber so dämlich aus, dass er es sich nicht verkneifen konnte, das Gesicht seines Gegenübers nachzuahmen. Daraufhin öffnete der seinen Mund noch ein bisschen weiter und runzelte die Stirn. Das ließ ihn noch dämlicher aussehen.
»Überrascht?«, fragte er.
Der Schreiber nickte stumm. Der Stift fiel ihm aus der Hand. Bevor er das registrierte, hob er ihn rasch auf und gab ihn zurück.
»Schön aufpassen. Den brauchen wir noch«, sagte er.
Der Schreiber gab sich alle Mühe, aus der Situation schlau zu werden. Das sah man. Man sah auch, dass es ihm nicht gelingen wollte. Seine Stimme klang dünn.
»Wie …?«
»Egal. Viel zu kompliziert. Das Warum ist wichtiger.« Er sah sich noch einmal um. »Hübsch hier. Gefällt mir. Ganz anders als bei uns.« Er seufzte und wies auf den Block. »Aber wem sage ich das?«
»Hä …?«
»Ich will’s kurz machen. Uns reicht es allmählich. Die Invasion der Kyrianer ging ja noch. So eben. Aber diese seelenlosen Maschinenwesen sind schon ne Nummer, mein Lieber.« Er reckte sich. »Die anderen sind der Meinung, dass mal jemand mit dir reden müsse. Tja, nun rate mal, wen sie dafür ausgeguckt haben?«
»Äh … dich?«
»Wen sonst? Spezialist für jeden Mist.«
Der Schreiber rieb sich die Augen und schüttelte energisch den Kopf.
»Das ist unmöglich. Ich habe mir das alles doch nur ausgedacht.«
»Das denkst du wirklich. Oder? Mann, Mann, du hast echt keine Ahnung. Es ist höchste Zeit, dass mal jemand mit dir spricht. Du hast dir Astralon nicht ausgedacht, du Knalltüte. Wir dich allerdings auch nicht. Das kannst du mir glauben. Aber wir sind nun einmal verschränkt. Du und wir. Normalerweise ist das kein Problem. Man merkt es nicht mal. Du aber schon. Wärst du mal bei deiner Modelleisenbahn geblieben. Oder beim Malen. Aber nee, du musst ja unbedingt schreiben. Was glaubst du, wo deine Ideen herkommen? Hä?«
»Wie …?«
»Wie weiß ich auch nicht. Quantenmechanik vielleicht. Jedenfalls ist unser Universum irgendwie in deiner Birne. Und was in deiner kranken Birne vor sich geht, macht uns momentan gewaltig zu schaffen.«
»Hä?« Er schaute kurz auf seinen Block. »Soll ich aufhören?«
»Bloß nicht. Es wäre nur schön, wenn uns nicht ständig die Brocken um die Ohren fliegen würden. Astralon war mal ein schöner Planet. Wirklich. Und nun?« Er sah seinem Gegenüber direkt in die Augen. »Wir fragen uns allmählich, wo das noch hinführen soll. Genau deshalb bin ich hier.« Er wies auf den Block. »Die anderen glauben, dass ich es wissen müsste. Bin schließlich der große Held. Aber ich habe ehrlich gesagt keinen Dunst. Und weißt du was? Ich glaube, du auch nicht.«
Er kratzte sich mit seinem Kugelschreiber am Kopf.
»Lass uns jetzt bloß nicht hängen«, mahnte der andere. »Denk nach, verdammt noch mal. Bei uns sterben die Leute wie bei euch die Fliegen. Sag mir, was ich tun soll. Und sag es mir schnell.«
Er starrte auf seinen Block. Die Situation überforderte ihn völlig.
»Reiß dich mal ein bisschen zusammen, Mensch. Du kannst uns nicht diese Maschinenmonster auf den Hals hetzen und dir dann irgendeine Kindergeschichte vornehmen. Ich würde das sogar verstehen. Mir wächst gerade auch alles über den Kopf.« Er fasste sein Gegenüber am Unterarm. »Bring das wieder in Ordnung. Und zwar schnell.«
»Ich könnte noch einmal neu anfangen.«
»Du vielleicht. Wir nicht. Wie stellst du dir das vor? Willst du Astralon etwa ganz neu erfinden? Mich? Das solltest du dir verdammt gut überlegen, mein Lieber. Das wäre nicht ich. Das wäre nicht mal mehr Astralon. Unser Astralon.«
»Aber … ich schreibe doch nur.«
»Dann tu es richtig und bring die Sache zu Ende. Zu einem guten Ende, wenn möglich.« Er lächelte schief. »Ist dir klar, dass ich gerade gegen alle Gesetze der Physik verstoße? Was glaubst du, warum ich dazu überhaupt in der Lage bin? Hä?«
»Weiß nicht …«
»Ja, schon klar. Aber du ahnst es vielleicht. Denk mal drüber nach.« Er wies auf den Block. »Und darüber. Du weißt vielleicht nicht viel. Aber denken kannst du. Also streng dich an.« Er erhob sich. »Ich muss wieder. Wir zählen auf dich. Ich zähle auf dich. Klar?«
Er nickte unsicher.
»Du machst das schon. Wag es bloß nicht, irgendwas Neues anzufangen, bevor es auf Astralon wieder rund läuft.« Er wandte sich zum Gehen, hielt aber nach wenigen Schritten inne. »Ach, noch was. Wenn du schon dabei bist«, kam er noch einmal zurück, »könntest du mir Kyala vielleicht vom Hals schaffen. Die nervt nur noch. Sie muss ja nicht gleich den Maschinen zum Opfer fallen. Ich glaube, Phytha passt viel besser zu mir. Probier es mal aus. Wirst schon sehen.«