Seitenwind Woche 2: Außerirdischer Aufbruch

Heute schon gedabbt?

Was für eine Frage! Würde ich sonst hier rumstehen? Natürlich nicht! Ungläubig schaue ich den Pinguin an.
»Geiles Kostüm! Gehst als Außerirdischer! Sieht echt aus.«
»Danke! Habe mir Mühe gegeben.«
»Jo, das sieht man. Schließlich ist heute Halloween.«
»Was du nicht sagst. Kanns endlich losgehen?«
»Nicht so schnell, wir warten auf Pit und Patte. Die haben das Zeug.«
»Verstehe!«
»Dein erstes Mal, oder?«
»Kann schon sein.« Langsam werde ich ungeduldig. Ich stehe am berühmten Pier 54, in New York am Hafen, dazu mitten in der Nacht, und habe das Gefühl, die Zeit würde mir unter meinen Tentakeln davon rennen. Warum dauert das nur so lange? Müssen sie das Zeug erst noch extrahieren?
»Deine Freunde lassen sich aber Zeit.«
»Nur Geduld, die kommen schon.«
Genau in diesem Augenblick biegen zwei schräge Gestalten um die Hausecke, der eine im Matrosenkostüm, der andere als Pirat verkleidet und steuern auf uns zu.
»He, Pingu! Ist das der Typ? Wow! Wahnsinns Kostüm!« Der Pirat lässt einen Goldzahn blitzen und grinst über beide Backen.
»Dann lasst uns loslegen.« Der Pinguin dreht sich um und watschelt vor mir her.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite erkenne ich eine düstere, abgewrackte Spelunke. Quietschend öffnet der Matrose uns die Tür und mit einer tiefen Verbeugung wie bei Hofe, bittet er uns hinein.
Erdiger Krautgeruch von Cannabis schlägt mir entgegen und vermischt sich mit den schweißigen Ausdünstungen der Menschen. Der schummrige Raum ist mit Kostümen jeglicher Couleur gut gefüllt. Ich staune! Wer kommt bloß auf die närrische Idee, sich als William Howard Taft zu verkleiden? Ich starre den Typen an, der an einer Wasserpfeife zieht und anschließend den Rauch von sich genüsslich wegbläst. Sofort fühle ich mich zurückversetzt ins Jahr 1912, der Tag, als die Carpathia am 18. April mit den Überlebenden der Titanic hier am Pier 54 einlief. Damals war ich schon einmal hier. Es war reiner Zufall. Das Sternentor hatte sich zu schnell geschlossen und so musste ich auf eine andere Gelegenheit warten, die Erde wieder zu verlassen. Um die Zeit zu überbrücken, bummelte ich durch die Gassen der Hafenanlage. Hunderte Menschen säumten Pier 54 und warteten auf die Ankömmlinge. Darunter auch der damalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, William Howard Taft.
Schon irgendwie verrückt, den damaligen Präsidenten, nach über hundert Jahren hier wiederzutreffen.

Wir wählen eine Nische aus und fläzen uns in die Polster.
Der Pirat beginnt, ein Ledertuch vor sich auszuwickeln. Darin, ein bernsteinfarbener geschieferter Stein.
»Das hier nennt sich Shatter! Du kannst kleine Stücke herausbrechen.«
Jetzt zieht der Matrose eine abgegriffene Schatulle aus seiner Jacke und öffnet sie.
»Das ist Live Resin. Es ist cool im Geschmack. Zur Extraktion wird nur frisches Cannabis verwendet.«
»Aber jetzt kommt das Beste!« Pingu lächelt verschmitzt, und so langsam fühle ich mich wie auf einem Basar. Dabei rennt mir wirklich die Zeit davon, denn die Botschaft, die mich heute Morgen erreichte, war eindeutig und unmissverständlich: »Cannabis ausgegangen! Brauchen dringend Ersatz! Haben keine Energie mehr! Benötigen deine Hilfe!«
Cannabis ist auf meinem Planeten eine normale Nahrung, so wie Salat und Gemüse hier auf der Erde. Für uns ist es lebenswichtig.
Pingu präsentiert auf seiner Hand weiße Kandisstücke.
»Das sind Crystalline. Es ist das reinste Extrakt und es besitzt den höchsten THC – Gehalt. Ein Zug davon und ich verspreche dir einen Flug durch das Universum und noch weiter hinaus.«
Ich muss grinsen. Was weiß Pingu schon vom Universum. Netter Versuch!
Während ich überlege, für welche Probe ich mich entscheiden soll, baut der Pirat die Wasserpfeife zusammen. Es zischt, als er die Flamme des Brenners entfacht und damit beginnt, den Nagel zu erhitzen. Kurz darauf glüht das Metall feuerrot auf. Dann bricht er ein kleines Stück vom Shatter ab, wartet ein paar Sekunden bis der Nagel die richtige Dabbing – Temperatur erreicht hat und platziert das abgebrochene Konzentrat geschickt auf dem Nagel.
Tief inhalierend nickt er zufrieden. Dann reicht er die Pfeife an mich weiter. Ich nehme einen tiefen Atemzug von dem konzentrierten Dampf. Schlagartig fühle ich mich wohler, ausgeglichener und entspannter. Gutes Zeug!
»Was brauchst du für den Anfang?«, fragt Pingu und reibt sich die Hände.
»Alles was hier auf dem Tisch liegt und einiges mehr.«
»Guter Witz!«
»Sehe ich so aus, als würde ich Witze machen? Kommt, erzählt es mir. Wo habt ihr den Rest von dem Zeug versteckt?«
»Das ist alles, mehr haben wir nicht.« Ich fixiere ihn mit starrem Blick. Pingu ist verunsichert. »Ehrlich, du musst uns glauben.«
»Euch glauben? Warum soll ich ein paar Nieten wie euch glauben? Gebt mir den gesamten Stoff, dann bin ich sofort verschwunden.«
»He Mann, das kostet dich aber ´was! Der Tod ist auch nicht umsonst.«
»Doch, für euch schon!« Blitzartig schießen meine Tentakeln vor. Bohren sich metallisch glühend in die Leiber der drei Männer. Kein Schrei ist zu vernehmen, nur blankes Erstaunen spiegelt sich in ihren Gesichtern wider.
Ich schaue mich um. Niemand hat von der Aktion etwas mitbekommen. Alle sind zugedröhnt und träumen von einer besseren Welt dort draußen, die nicht existiert. Ich lache in mich hinein. Wie naiv die Menschen doch sind. Sie kiffen sich den letzten Verstand weg.
Rasch taste ich ihre Körper nach weiterem Stoff ab. Unter der Mütze des Matrosen, in der Weste des Piraten und unter dem Frack des Pinguins werde ich fündig.
Dann entschwinde ich, unbeachtet und unerkannt.
Es ist Halloween …

Strandsparziergang

Auf einer Insel gelandet, streife ich nun an der Küste entlang.

„Ein schönen Fleck haben die Menschen hier“, staune ich und lasse meinen Blick über das Meer gleiten. Es funkelt in der Sonne. Obwohl ich eher Wasser meide, finde ich den Anblick schön.

„Josh“, höre ich eine Stimme rufen. „Josh, sieh was dort vorne am Wasser steht!“

Mein Ohr zuckt und ich drehe mich um. Das Herz rutsch mir fast hinunter… irgendwie so ne Redewendung haben die ja. Ich atme durch, drehe mich um und will mich gerade aufrichten, als mich der langhaarige Mensch, ein Frau, hochhebt und begutachtet.

Irritiert lege ich den Kopf zur Seite, während mein eines Ohr zuckt. Ich hänge in der Luft, gehalten von einem Menschen. Was für ein Erstkontakt, denke ich bei mir und schließe die Augen.

„Emma, schau in die Kamera“, höre ich den … äh … Mann sagen. Kurz um dreht sie sich, mich weiter halten, herum und lächelt. Ich hänge weiter in der Luft. „Was für ein Foto!“

Jetzt legt sie einen Arm unter meine Füße und ich finde Halt. Gut, denke ich und atme durch. Mit einem Mal gleitet die Hand des Mannes drohend über meinen Kopf hinweg. Doch statt mir Leid zu zu fügen, gleitet sie anschließend sanft über meinen Rücken.

Es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren. Kontaktaufnahme! Denk an die Kontaktaufnahme! Verdammt, sag etwas!

„Miau“, kommt aus meinem Mund, als ich diesen öffne. Verdammt, falsche Sprache denke ich bei mir und schüttle mich etwas. „Bitte entschuldigen Sie, junge Frau. So sehr Sie sich über meine Gesellschaft zu freuen scheinen, ist es mir doch etwas Unbehagen, dass Sie mich auf dem Arm tragen.“

Ich schaue den beiden Menschen ins Gesicht und weiß nicht, ob das nun gut lief oder nicht. Sie sind wie versteinert. Dann kommt das Gesicht der Frau näher an meines heran.

„Ja, Sie dürfen schreien, ich habe mit Ihnen gesprochen. Bitte setzen Sie mich vorher nur ab.“

Schweigend tut Sie, worum ich bat und fällt ohnmächtig nach hinten. In dem Moment kommt dieser Josh zu sich und fängt sie auf.

„Du kannst reden?“

„Ja, du doch auch!“

Für den ersten Strandsparziergang gar nicht mal schlecht.

„Nein, nein, hört mir doch zu, ich kann echt nicht mehr. Wirklich, ich habe es versucht. Ihr habt es doch gesehen. Gebt mir eine andere Strafe. Lieber sitze ich fünf Jahre allein im Turm, als diese Mission hier weiter durchzuführen. Ihr könnt nicht alle, die mal einen kleinen Fehler machen, hierher schicken um Kontakt mit diesen komischen Menschen aufzunehmen. Das ist nicht fair. Die sprechen nur mit ihren kleinen bunten Scheiben, nicht miteinander. Ich verstehe diese Welt nicht. 37 Mal habe ich Kontakt aufgenommen. Als alte Frau, die Hilfe braucht, als junges Mädchen ebenso. Als irgendwer, der nach dem Weg fragt. Als Verlorener, der nach einem Taler fragt. Als jemand von der Telefongesellschaft, der einen Vertrag andrehen will. Die Menschen reagieren einfach nicht, schauen meistens nicht mal hoch von ihrer Maschine. Oder sie werfen mir Worte an den Kopf, die ich nicht verstehe. Hier scheint jeder seine eigene Sprache zu sprechen. Die Alten, die Jungen, die Frauen, die Männer… Was also schlagt ihr vor? … Ein Versuch noch? … Dann aber lasst ihr mich wieder nach Hause?“ … Also wenn ich heute keinen Kontakt herstelle, darf ich die Mission abbrechen? … Ok. … Ja gut, ich versuche es noch ein einziges Mal.“
Eine verrückte Idee habe ich auch noch, aber das muss ich denen da oben ja nicht gleich erzählen. Will ich doch lieber wieder heim. Aber ich hab sie natürlich die letzten Tage lange beobachten können. Die Menschen. Und das könnte tatsächlich funktionieren. Mich kostet es jedes Mal ganz schön Kraft, mich in ein Wesen zu verwandeln, das kein Aufsehen erregt. Das interessiert ja niemanden. Zum Glück kann ich mich in meiner wahren Gestalt unsichtbar machen, um Kraft zu tanken. Sonst hätte ich hier nicht so lange überstehen können. Also jetzt die Verwandlung. Nein, noch kleiner und süßer. Ja, das passt. Mal sehen, ob die nette Frau aus dem letzten kleinen, niedlichen Haus in der Straße heute reagiert. Ha, da kommt sie schon. Ich setze mich einfach in ihren Weg. Was, sie weicht mir einfach aus. Gibt es ja nicht. Nochmal flitze ich um sie rum, einmal zweimal, sie stolpert fast über mich. Jetzt hat sie sich erschreckt, aber sie schaut mich an. Ui, der böse Blick wieder. Ich schaue ganz erschrocken und ängstlich - so fühl ich mich ja auch wirklich. Jetzt wird er weich – der Blick. Sie lächelt. Jaja… das wird was. Sie schaut mich jetzt richtig an und legt den Kopf leicht schief. Ich kopiere sie und lege auch meinen Kopf auf die Seite. Dabei staune ich so über ihr Verhalten, dass meine Augen ganz groß werden. Plötzlich fällt meine Zunge heraus, ich erschrecke mich darüber, aber sie freut sich, als wäre heute Weihnachten. Also gleich nochmal. Die Zunge raus, lächeln, ja… Sie schmilzt dahin. Ich freue mich, es hat geklappt. Sie sieht mich. Genau mich. Und sie scheint so erfreut. Sie beugt sich zu mir herunter und ich bin so überwältigt, dass ich mich voller Freude im Kreis drehe und mit dem Anhängsel am Po wackel, so wie ich es bei anderen gesehen habe. Ui, das macht Spaß. Sie kommt mir näher und hält vorsichtig ihre Hand hin, die ich einfach mal anlecke und dann streichelt sie mich. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen. Sie nimmt mich hoch und hui, das ist hoch. Ganz weich ist sie. Kuschelig. Ihre Maschine steckt sie in die Tasche der Jacke und dann ist sie ganz bei mir. Ja, volle Aufmerksamkeit. Sie schaut sich aufmerksam um, sucht scheinbar jemanden, aber dann zuckt sie mit den Schultern und geht wieder zurück nach Hause, das schön warm und gemütlich ist. Und sie nimmt mich mit. Einfach so. So einfach? Das gibt es doch nicht, da racker ich mich über Wochen ab und dann geht das so einfach? Sie stellt mir ein Schüsselchen voller Leckereien hin und redet mit mir. Sie redet wirklich mit mir und erzählt mir von ihren Plänen für den Tag. Sie legt mir eine weiche Decke hin, auf die ich mich gleich kuschel und ja, ich freue mich riesig, denn die Kontaktaufnahme hat mich so müde gemacht. Ich schlafe direkt ein. Doch als ich aufwache ist sie weg. Panik. Panik. Ich springe auf. Hektisch schaue ich mich um. Ich bin wieder allein. Da höre ich die Tür und sie ist wieder da. Ohne sich auszuziehen, kommt sie direkt zu mir, lacht mit mir und streichelt mich und erzählt mir von ihrem Tag. Dann nimmt mich an einen Strick und wir gehen gemeinsam spazieren. Sie erzählt und albert mit mir rum und wir lachen und wisst ihr was. Das ist cool. Das ziehe ich dem Turm doch vor. Aufgabe voll und ganz angenommen. Und wehe sie ziehen mich hier ab, es ist gerade so schön.

Die Patenschaft

Ich beeilte mich, in den Institutsraum zu kommen. Heute gab es eine Konferenz zum Thema: „Die Erdenbewohner – Fazit nach 200 Jahren Forschung“ und die Vorbereitungen warteten auf ein Upgrade. Dann war da Emily …

Ich bemerkte, dass meine Augenregion feucht wurde, dabei hatten wir Wesen der Galaxie Astralyndria keine Emotionen. Unser Institutsleiter meinte, dies würde ab und zu einmal vorkommen, wenn sich Astralyndrianer zu intensiv mit Forschungsobjekten befassten.

Es klopfte an der Tür, als ich mir mit dem Augengenerator einen kurzen Laserstoß verpasste.

„Xelara!“ Yan, mein Kollege, kam herein, schnappte sich einen ingwergelben Vitaminespresso aus der Vitalmaschine und schlug auf der Astraltrainingsbank die Beine übereinander. Anschließend beäugte er mich missmutig.

„Was ist?“, fragte ich ungeduldig. Der Generator klemmte. „Kommst du mit deiner Erdenwesen-Kindheitsforschung nicht weiter?“

„Nein, das ist es nicht … Du siehst heute wieder so umwerfend aus.“ Er strich sich über sein seidenweiches, schwarzglänzendes Haar.

„Ich habe so sehr Sehnsucht, mal was anderes zu sehen. Wir sind alle so schön, das ist doch langweilig. Nie ist mal jemand hässlich, klein, übermäßig groß, dick oder dünn, alt oder sehr jung. Unsere Körper sind so perfekt, unsere Haut ist makellos und die biolumineszierenden Muster …“

„Emily gehts nicht gut“, unterbrach ich seinen Monolog. „Sie wäre bestimmt froh, wenn sie sich nur wie wir in den Körperscan stellen müsste und dann sofort eine Analyse herauskäme, was ihr genau fehlt. Sie ist sehr gebrechlich geworden, sie hat wohl nicht mehr lange.“ Schon wieder sammelte sich Feuchtigkeit in meinen Augen und ich wandte mich schnell ab. Hoffentlich bemerkte Yan nichts, sonst wäre ich das nächste Forschungsobjekt an der Astral-Uni.

„Dass sie dich so spürt“, sinnierte Yan und nippte an seinem Drink.

„Ja, sie hat Pluto und Uranus direkt in der MC-Linie und daher rührt wahrscheinlich auch ihre extreme Hellsichtigkeit. All die Jahre habe ich sie begleitet, von Anfang an, wir haben alles zusammen durchlebt.“

Ich betrachtete mich im Spiegel und band die langen, blonden Haare zu einem Zopf. Meine Erscheinung war zu Yans Leidwesen perfekt.

„Vielleicht ändern wir das ja bald, wer weiß?“, überlegte ich. „Dann wirst du dich nicht mehr langweilen unter all den Schönen.“

„Da macht der Institutsleiter niemals mit, du weißt doch, wie stolz er auf unsere Unsterblichkeit ist, er hat viele Preise bekommen, weil er den Alterungsprozess aufhalten konnte.“ Yan hob zum Abschied die Hand und eilte mit federnden Schritten davon.

Später am Tag stieg ich in das Raumfahrzeug, stellte die Navigation auf „Erde“ und transferierte meinen Körper.

„Xelara!“

Emily hüpfte freudig aus dem Bett und schlüpfte in ihre Filzpantoffeln. Obwohl ihr Rücken schmerzte, tanzte sie munter hin und her. Dann tauchte sie ihre Hände in den warmen Lichtschein. Das war unsere Umarmung. Sie sagte mir, dass sich in meiner Anwesenheitein tiefer Frieden in ihr ausbreitete, alle Angst wich von ihr. Selbst die garstigen Askasiten vom Nachbarplaneten, die nur Sorgen und Schmerzen verbreiteten, waren machtlos. Etwas Licht konservierte ich für sie, aber es hielt leider nicht lange.

„Halte noch ein wenig durch“, hauchte ich ihr zum Abschied ins Ohr. „Bald bist du bei mir, ich muss nur noch einige Vorkehrungen treffen …“

Auf dem Weg in mein Raumfahrzeug bemerkte ich zwei Pfleger im Gang des Heimes. „Du, die Bewohnerin in der 204 hat wieder Halluzinationen. Gib ihr heute die doppelte Dosis.“

Ich beuge mich ein Stück vor, um an den drei Köpfen neben mir vorbeisehen zu können. Das menschliche Wesen starrt gebannt nach vorne, während seine Hand in einer braunen Tüte verschwindet, ehe sie prall gefüllt mit weiß-gelben, fluffig aussehenden Dingern wieder zum Vorschein kommt. Es steckt sich die Teile in den Mund. Rasch wende ich den Blick ab und sehe nach vorne, auf die Leinwand. Sie ist riesig, viel größer als die, die ich die letzten Abende gesehen habe, als ich dem Menschenwesen von einem Etablissement ins andere gefolgt bin. Und die Stimmung hier ist auch ganz anders. Auf der Bühne tut sich rein gar nichts. Neugierig suche ich mit meinem Blick die Reihen vor mir ab.
Ein kleines Menschenwesen hält eines von diesen Dingern mit einer Kugel oben dran in seiner Hand. Nur dass die Kugel eine andere Farbe und Konsistenz hat, als ich es gewohnt bin. Und jetzt führt es die Kugel auch noch zum Mund, als wolle es sich das Ding hineinstecken. Was haben die Menschenwesen hier heute denn alle nur? Ich springe auf. Wenn sich niemand traut, mache ich halt den Anfang! Ich klettere über die Sitze vor mir. Ignoriere die Rufe: „Hey!“ „Was soll das?“ Entreiße dem kleinen Menschenwesen das Ding in seiner Hand. Das große Menschenwesen daneben ruft: „Geht‘s noch?!“
Ich quetsche mich an ihm und den anderen in der Reihe vorbei und eile nach vorn. Währenddessen setzt endlich Musik ein. Ich klettere auf die Bühne, lasse mich nicht abschrecken von dem Gemurmel hinter mir. Wenn ich heute nicht endlich den Kontakt zu dem Menschenwesen aufnehme, sind meine sieben Tage abgelaufen und ich muss die Erde verlassen.
Ich sehe auf den Bildschirm, auf den Text, der am unteren Rand erscheint und frage mich, warum es nicht ein anderer sein kann. Einer von denen, die ich die letzten Nächte geübt habe. Ich schließe die Augen, lausche den Worten.
„Was soll das?“, höre ich von hinter mir.
„Ich seh‘ nichts!“
Warum sind sie heute nur so ungeduldig? Ich konzentriere mich weiter auf die Worte, die zu dem Text auf dem Bildschirm gehören. Versuche, die Melodie zu erkennen, den Rhythmus. Unmöglich. Egal. Ich öffne die Augen wieder. Lese den Text laut mit, versuche, ein bisschen Melodie reinzubringen.
„Ssssscht!“
„Klappe!“
„Geh von der Bühne runter!“
„Ist das dein Ernst?!“
Irritiert drehe ich mich um und sehe hinab zu den menschlichen Wesen. Nicht eines schaut begeistert drein. Mit dem Blick suche ich das Menschenwesen, dem ich gefolgt bin. Von der Begeisterung der letzten Abende ist nichts auf seinem Gesicht zu sehen. Dabei hat es gelacht und gejubelt, auch wenn die Menschenwesen auf der Bühne schief und krumm gesungen haben. Ich lasse die Schultern sinken. Dann das Ding in meiner Hand. Die Kugel plumpst auf den Boden. Ich spüre etwas Klebriges meine Finger hinunterlaufen.
Ein großes, muskulöses Wesen eilt auf mich zu. Vielleicht hätte ich doch nicht als erstes auf die Bühne gehen sollen. Ich starre auf meine klebrige Hand hinab. Da spüre ich ein Gewicht, das mich zu Boden reißt.
„Blöder Karaokekram“, murmle ich, während ich mich unter dem Menschenwesen winde.

Mitbewohner gesucht

„Scheiße, jetzt hab ich schon verschlafen und muss noch diesen blöden Zettel aufhängen. Hoffentlich meldet sich bald jemand. Keine Ahnung, wie wir die Wohnung ohne einen vierten Mitbewohner finanzieren sollen“ höre ich die Gedanken meiner Erdlingsdame in sich überschlagender Geschwindigkeit. Ha, sie suchen einen Mitbewohner! Das ist die perfekte Chance, hier Anschluss zu finden.

„Oh, ihr sucht einen Mitbewohner?“ Gespannt schaue ich dir junge Frau an, nachdem ich den Zettel zumindest alibimäßig gemustert habe. "Ja genau. Wenn du Interesse hast, komm doch einfach heute Nachmittag kurz vorbei. Ich bin dann Zuhause. Sorry, ich muss jetzt schnell weiter!“ Und schon rennt sie davon. Das weiß ich natürlich alles. Schließlich trinkt sie ihren Kaffee hier normalerweise viel früher. Um diese Zeit betritt sie normalerweise schon diesen riesigen Glaskasten, den sie als Uni bezeichnet und verlässt ihn montags bereits um 14 Uhr, um nach Hause zu gehen. Und abends geht sie dann zum Sport. „Bis heute Nachmittag dann!“ rufe ich ihr noch hinterher.

„Hi, schön dass du da bist, ich bin übrigens Anna. Komm doch rein.“ Während ich die Wohnung betrete und mich als Nico vorstelle, kommt ein hysterisch bellendes Etwas auf mich zugestürmt. „Keine Angst, das ist nur Tims Fußhupe.“ „Oookay“ etwas irritiert hebe ich meinen Fuß, um die Hupe damit auszuschalten. „Halt! Was machst du da?!“ „Ich dachte, eine Fußhupe…“ Das war anscheinend falsch. Sie sah mich etwas verstört an. Trotzdem führt sie mich weiter in die Wohnung. „Das ist das Wohnzimmer. Das auf dem Sofa ist Stefan - er wohnt ebenfalls hier.“ „Hey Nico. Anna, Tim hängt noch bei seiner Neuen rum und der Lauch sitzt wie immer an seinem Schreibtisch und zählt Erbsen, damit sein Auszug zum hundert Prozent korrekt abläuft. Bin ich froh, wenn der Freak hier raus ist.“ Anna führt mich zu dem bald freiwerdenden Zimmer. „Hi Lars, das ist Nico. Er möchte sich kurz dein Zimmer anschauen.“ „Äh ja, hi… Guck dich um, aber bitte leise, ich bin beschäftigt.“ „Ist das die Paprika? Sieht gar nicht so aus. Und die Bohnen, die er zählt habe ich auch nicht gesehen.“ Schon wieder sieht Anna mich so komisch an. „Schau dich einfach kurz um. Ich bin gleich wieder da.“ Kurz drauf höre ich es draußen murmeln. „Ja, also… Wir melden uns bei dir.“ sagt Anna und begleitet mich zur Tür. „Ciao Diggah!“ ruft Stefan mir hinterher. Diesmal schaue ich irritiert. "Sag mal, geht’s noch?! Bei deinem Körperumfang wäre ich mal ganz vorsichtig mit dem Urteil über andere!“ rufe ich und verlasse die Wohnung. Die Tür hinter mir fällt zu. Ich glaube, das wird nichts mit dem WG-Zimmer. Vielleicht besser so, ich fand diese Erdlinge mit ihrer Hupe auch eher befremdlich….

Begrüßungsworte
Es ist so weit, der Erstkontakt wird in die Wege geleitet. Mein Magen zupft den Mantel zurecht, der ihn und weitere Körperteile verdeckt, die mich von der menschlichen Spezies unterscheiden. Ich bin es nicht gewohnt, Kleidung zu tragen, aber die Menschen scheint es zu beruhigen. Vorsichtig gleite ich auf ein Männchen zu, das an einer sogenannten Bushaltestelle steht und zu warten scheint. Die Schleimspur, die mir folgt, ist den Menschen nicht bekannt und bleibt hoffentlich unbemerkt. Mit einem beherzten Wimperngriff ziehe ich mir den Hut tiefer über meine Stirn und verdecke somit meine dreiundzwanzig Augen, die den Menschen erschrecken könnten. Mit dieser Spezies muss ich sehr sanft umgehen. Ich verharre neben dem Männchen in einer aufrechten Position. „Was geht, Alter?“, frage ich und mache meine Stimme am Ende höher. So funktionieren Fragen. Das Männchen sieht mich kurz mit seinen lächerlichen beiden Augen von der Seite an und dann deutlich in die andere Richtung. Es verschränkt seine Arme vor der Brust. Menschen spiegeln sich, wenn sie einander mögen. Ich verschränke meine Beine vor der Brust und gucke in die gleiche Richtung. „Alles Tutti Frutti?“ Es räuspert sich und geht ein paar Schritte weg von mir. Ich gleite ihm hinterher. Diese Begrüßungen scheinen ihm nicht geläufig zu sein. Ich suche in meinem Wortschatz. „Ey, Schnecke, willste tanzen?“ Jetzt dreht es sich so, dass ich nur noch seinen Rücken sehen kann, und entfernt sich noch ein Stück. Ich zeige ihm auch meinen Rücken, gleite ihm hinterher und beobachte es. Welche Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme habe ich noch mitbekommen? „Ihre Fahrkarten bitte.“ Es dreht sich kurz zu mir um und sieht mich an. Seine Augen sind geweitet. Mein Magen zieht den Mantel fester zu. Es scheint mir zuzuhören. Ich gleite noch ein bisschen näher. „Darf es sonst noch etwas sein?“, frage ich und mein Hut rutscht mir vom Kopf. Das Männchen schreit und rennt weg. Dieser Erstkontakt ist gescheitert. Ich setze mich auf die Bank und warte auf den nächsten Menschen.

Oktoberfest

ChoqnaX-35 sah Vrur’Oh unsicher an.
„Und du meinst wirklich, dass das hier das richtige Setting für den Erstkontakt ist?“
Vrur’Oh zuckte mit den Schultern. Die Bewegung war noch ungewohnt für ihn, in seiner richtigen Gestalt besaßen Xernonier keine Schultern.
„War nicht meine erste Wahl“, meinte er, „aber bis zudieser Love Parade dauert es zu lange. Das wäre vielleicht etwas sicherer gewesen, so zugedröhnt, wie da angeblich alle sind. Da hätten wir vielleicht nicht mal morphen müssen.“
„Wir hätten eine längere Vorbereitungszeit gehabt.“
„Es muss reichen“, zischte Vrur’Oh, „die sind auch bei diesem Oktoberfest alle ganz schön beeinträchtigt, keinem wird auffallen, dass wir keine echten Menschenfrauen sind.“
„Und wenn jemand unter eines unserer Kleider schaut? Die werden merken, dass da etwas nicht stimmt.“ ChoqnaX-35 seufzte. „Wir hätten doch zumindest einmal einen von denen entführen sollen, das unterstellt man uns sowieso andauernd…“
„Halt die Klappe, da kommt einer!“
„Na, mein hübsches Kind, wer bist du denn?“
Vrur’Oh räusperte sich. „Vru… Vroni bin ich.“ Er kicherte. Ganz so, wie sie es bei anderen Menschen beobachtet hatten, die wenige Zeit später kopuliert hatten.
„Die Vroni, so so. Ja, so ein fesches Ding! Vroni, sag einmal, hat’s denn sehr weh getan, als du vom Himmel gefallen bist?“
ChoqnaX-35 riss verblüfft die Augen auf und auch Vrur’Oh war verwundert.
„Vom Himmel gefallen? Ähm… Nein, der Captain hat die Landung inzwischen eigentlich ganz gut drauf“, stammelte er.
„Der Captain! Schau an, Humor hat sie also auch, die Vroni!“ Der Typ taumelte unkontrolliert auf Vrur’Oh zu, konnte sich im letzten Moment aber wieder fangen. „Also, Vroni, ich dachte, Engerl gibt es nur im Himmel.“
„Na ja, Himmel, das ist jetzt keine wirklich konkrete Bezeichnung, nicht?“, murmelte Vrur’Oh. Diese Unwissenheit ging ihm auf die Nerven, musste man auf diesem Planeten bei 0 in der Univerographie beginnen? „Was du als Himmel bezeichnest, ist wahrscheinlich…“, doch der schwankende Mann fiel ihm in’s Wort: „Weißt, Vroni, ich bin grad am Überlegen, ob ich meinen Job schmeißen soll und Astronaut werden. Dann hole ich dir die Sterne vom Himmel.“
„Das wird wohl nicht möglich sein“, schaltete sich nun ChoqnaX-35 ein, der bemerkt hatte, dass Vrur’Ohs Geduldsfaden schon gehörig gespannt war. Aber bevor er fortfahren konnte, setzte der menschliche Erstkontakt schon wieder an: „Schau mal rauf, da,Vroni, zu den Sternen… So viele schöne Sterne… Sag, magst du mir einen runterholen?“ Er sah Vrur’Oh in die Augen und ließ seine Augenbrauen auf und ab hüpfen.
Vrur’Oh sah ChoqnaX-35 an, der schüttelte verständnislos den Kopf.
„Ich glaube, das wird heute nichts, lass uns zur Basis zurück. Die sind dümmer als wir geglaubt haben.“
ChoqnaX-35 nickte zustimmend. „Vielleicht sollten wir wirkllich mal einen entführen“, meinte er, als sie sich von dem torkelnden Mann abwandten und davonschritten.
„Ob wir so viel Unwissenheit überhaupt jemals kurieren können?“, fragte Vrur’Oh.
„Ich weiß nicht“, ChoqnaX-35 schüttelte den Kopf, dann fügte er nachdenklich hinzu: „Das erinnert mich an ein Zitat, dass ich in einem Erden-Geschichtsbuch gefunden habe. Muss wohl von einem etwas schlaueren Exemplar gewesen sein… Es ging in etwa so: Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

Endlich ist es soweit.

Xenever an Raumschiff, unerkannt gelandet, Atmosphäre ohne Gefahr, benötige keinen Schutz. Die Menschen sehen mich komisch an. Weiß nicht warum. Beginne jetzt mit Kontaktaufnahme, Ende.

Hallo Sie!

Wieso ich? Wer sind sie überhaupt?

Ich komme von weit her. Von ganz oben.

Verarschen kann ich mich selbst. Verschwinde!

Xenever an Raumschiff, was haben wir falsch gemacht. Kontaktaufnahme ist schwierig.

Raumschiff an Xenever, nicht aufgeben, weitersuchen.

„Guten Tag, mein Herr!“

„Ha, ha, ha, sie sind ja zum Totlachen.“

„Wieso denn das?“

„Gehen sie erst einmal nach Hause und ziehen sie ihr Nachthemd aus.“

Xenever an Raumschiff, In diesem Aufzug komme ich nicht weiter. Bitte hochbeamen!

Der Auftrag

Unsere Art wird sterben. Das System hat die Notwendigkeit definiert, das zu verhindern. Es wurde analysiert, wie wir unser Sterben verhindern und fortbestehen können:

  1. Die höchste Lebensform des Universums finden
  2. Den potenzialstärksten Typus dieser Lebensform erkennen
  3. Die Reproduktion dieses Typus analysieren
  4. Die erforderlichen Elemente der Reproduktion separieren
  5. Die Reproduktionselemente zur Basis transportieren
  6. Die Reproduktion assimilieren

Die Analyse hat ergeben, dass die höchste Form des Lebens auf dem Planet “Erde” existiert und sich selbst als “Mensch” bezeichnet. Zur Ermittlung des potenzialstärksten Typus von der Art “Mensch” wurden sämtliche Erzeugnisse des Menschen untersucht. Zehntausende “Spielfilme und Serien”, millionen “Bücher und Magazine”, trillarden “Dokumente”. Das Ergebnis war eindeutig. Der potenzialstärkste Typus der Lebensform “Mensch” ist der Typus “Mann”.

Das System hat mich mit den Punkten 3. - 5. beauftragt und mich dazu kreiert, einen weiblichen Menschen zu imitieren. Ssssssssst. Ich bin auf der Erde an einem Ort, der “Club” oder altertümlich “Disko” genannt wird. Dort bewege ich mich auf “weibliche” Weise im Stil “lasziv”, was das System als sicherste Methode bestimmt hat, um den Typus “Mann” zu akquirieren. Ich wurde darauf vorbereitet, dass mehrere Menschen des Typus “Mann” mich ohne vorherige Ankündigung berühren und spuckend in das Gebilde schreien werden, welches sie als “Ohr” wahrnehmen.

Ein “Mann” streckt mir eine Flüssigkeit entgegen, die mein Prozessor als “Drink” erkennt. Zuvor hatte der Mann eine weitere Flüssigkeit in den “Drink” gemischt, ohne, dass ich es sehen sollte. Alles läuft exakt so, wie das System mich darauf eingestellt hat und mein Sensor empfängt ein Signal, dass Menschen als “Zufriedenheit” definieren.

Etwas später liege ich auf der Rückbank eines Autos und simuliere Benommenheit. Der Mann ist gerade dabei die Textilien von meinem Gebilde zu entfernen, als das System mir die zugeteilte Aufgabe 3. einblendet: Die Reproduktion des Typus analysieren. Ich aktiviere die nötigen Sensoren und transferiere die Daten an meinen Prozessor. Stufe 3. erfolgreich abgeschlossen. Bereit für Stufe 4.: Die erforderlichen Elemente der Reproduktion separieren.

Zurück auf dem Basis-Planeten. Ich habe einen “Mann” gefunden, seinen Penis und seinen Hoden entfernt und beides dem Labor übergeben. Unsere Art wird nun eine Vielzahl “Männern” produzieren. Das Überleben ist gewährleistet. Auftrag erfüllt.

Zukünftiger Anführer?

Nach nun beinahe drei Erdenjahren habe ich endlich einen Erdling gefunden, mit dem sich die Kontaktaufnahme gelohnt hat. Ich glaube, ich habe in diesem Minierdling den zukünftigen Anführer dieses Planeten gefunden.
Zumindest würde ich ihn dazu ernennen, wenn ich denn an diesem Planeten hängen würde.

Eigentlich habe ich es nicht darauf angelegt, dieses Kind – so werden die Minierdlinge bezeichnet- anzusprechen, aber alle großen Erdlinge waren zu beschäftigt. Die meisten davon mit ihren Smartphones, wie diese elektrischen Kommunikations- und Zeitfressgeräte heißen.
Also setzte ich mich zu dem Minierdling auf den Randstein und fragte ihn, was er denn sei.

Hier gibt es nämlich nicht nur Frauen und Männer, wie auf meinem Heimatplaneten. Auf der Erde ist das alles komplizierter. Es gibt unendlich viele Untergattungen, bezogen auf die Hautfarbe, das Geschlecht, dem bevorzugten Geschlecht, den finanziellen Möglichkeiten und der Meinung.
Allerdings ist dies ein Thema, welches man nicht offen ansprechen und sich erklären lassen sollte, das habe ich bereits gelernt. Ebenso, dass ich zuerst abklären sollte, mit was für einer Untergattung ich es zu tun habe, weshalb ich dem Minierdling eben jene Frage stellte.

Seine Antwort lässt mich noch immer staunen und je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass die großen Erdlinge ihrem Nachwuchs endlich mehr Beachtung schenken sollte.

„Ich bin ein Mensch.“

Neuanfang

Mein vollständiger Name lautet: Gnathik Equiptlzos Aktlehmbzns, aber ihr könnt mich Gna nennen, so wie alle anderen auch. Eure Art wäre ohnehin nicht in der Lage, die Buchstaben auszusprechen, dafür fehlen euch ein paar weitere Stimmbänder und der Wille, euch mit neuem und fremdem auseinanderzusetzen. Vor einigen Tagen wurde ich auf euren Planeten entsandt. Nicht um Kontakt aufzunehmen und Freundschaften zu knüpfen, nein. Der Grund meines Besuchs ist weitaus offizieller.

Eure Uhr, so sagt ihr, steht fünf vor 12. Ich sage euch, es steht weitaus schlimmer. Eigentlich dürfte es euch gar nicht mehr geben. Euer Planet ist verloren, ihr seid verloren und doch wisst ihr davon nichts, nicht wahr? Ihr lebt weiter wie gewohnt, ahnt nichts von dem, was kommt und offen gestanden, waren wir alle erstaunt darüber, dass ihr noch atmet. Aus irgendeinem Grund seid ihr noch hier und zu eurem Glück haben wir es rechtzeitig erkannt.

Im Laufe der Jahrtausende haben wir schon unzählige Spezies gerettet. Mal waren es Bedrohungen aus dem All, andere Male Naturkatastrophen. Aber noch nie zuvor haben wir es mit eurer Art zu tun gehabt. Aus unerklärlichen Gründen habt ihr es geschafft, euch selbst zu bedrohen.
Unser Volk hat eine Regel: Leben muss geschützt werden, allerdings gibt es einen Haken. Nur das, welches es verdient hat, erhält das Geschenk des Neuanfangs. Ich bin derjenige, der herausfinden soll, ob ihr es wert seid gerettet zu werden.
Meine Mission ist klar: Ziele beobachten und einen abschließenden Bericht verfassen. Alles Weitere entscheiden dann meine Vorgesetzten.
Natürlich konnte ich nicht ohne Vorbereitungen zu euch kommen. Glücklicherweise verfügen wir über ausreichend Technologien, um Dinge zu kopieren. Es war kein Problem mich in einen auf zwei Beinen gehenden Fleischsack zu verwandeln, doch ganz unter uns: Ich vermisse ich jetzt schon meine sechs Beine.
Ich hatte die Auswahl zwischen zwei verschiedenen Körpern. Zugegebenermaßen irritierte mich das seltsam deplatzierte, baumelnde Ding des einen, woraufhin ich mich für den anderen entschied. Man sagte mir im Anschluss, ich sei eine Frau. Physisch dem Mann unterlegen, doch psychisch … da streitet ihr euch wohl schon seit eurer Entstehung. Das ihr überhaupt Unterschiede macht, wundert mich bei all den seltsamen Dingen allerdings nicht mehr.

Drei Erdentage ist es nun her. Seit meiner Ankunft beobachte ich euch. Und auch wenn eure Art einfach und primitiv erscheint, seid ihr dennoch komplex. Zu komplex, um nur durch Beobachtung eine Entscheidung zu treffen. Ich muss mit euch reden, euch kennenlernen und mir ein genaueres Bild machen. Glücklicherweise konnte ich bisher eine Gruppe relativ junger Exemplare aus der Ferne studieren. Ihr Verhalten glich dem, einfacher Primaten, es sollte daher ein leichtes sein, es zu kopieren.

Ich gehe eine sogenannte „Straße“ entlang, während meine ineffizienten, menschlichen Augen durch das begrenztes Blickfeld die Gegend studieren. Viele Menschen tummeln sich hier. So viel Leben auf einem Haufen, doch keiner schert sich für den anderen. Kälte und Leere umgibt euch. Immerhin, manche von ihnen bleiben stehen. Sie grüßen mich mit „Hey Schnecke, bock auf Sex?“.
Ich lächle freundlich, bleibe stehen, doch weiter komme ich nicht. Sie sehen mich nur panisch an und laufen davon. Einige von ihnen wechseln sogar ihre Farbe. Von weiß zu rot.
In der Ferne erspähe ich eine Gruppe von Männern. Sie sehen anders aus, als es meine Studienobjekte taten. Im Gegensatz zu ihnen tragen sie Hosen, die ihr Gesäß komplett verdecken und scheinbar benötigen sie, im Gegensatz zu den jüngeren Exemplaren, keine Metallketten um ihren Hals. Statt einer über der Brust hängenden Tragetasche halten sie rechteckige schwarze Kisten aus Tierhaut in ihren Händen. Ich nutze meine Chance und konzentriere mich. „Seid gegrüßt! Bock auf Sex?“

Etwas stimmt nicht. Die Männer starren mich an und einem von ihnen läuft ein Heißgetränk über die lächerlich empfindliche Haut. Ich gebe nicht auf, noch nicht. „Ey Digga, was geht was steht? Wetter ist lit heute, nh?“
Wieder ernte ich nur betretenes Schweigen. Nach ein paar Erdsekunden beschließt schließlich der größte von ihnen auf meinen Konversationsversuch einzugehen. „Geht es Ihnen gut? Brauchen Sie vielleicht Hilfe?“
Ahhh endlich. „Lass heute Abend steil gehen, kay?“
Die Männer beginnen zu lachen. Scheinbar habe ich sie überzeugt, denn der große Mann nickt den anderen aufgeregt zu. „Na, wenn das so ist, warum bis heute Abend warten? Wir können auch jetzt feiern.“
Ich habe es geschafft. „Stabil Digga!“
Sie nehmen mich rechts und links an den Armen. Es war einfacher als gedacht und ich freue mich, als sie mich in einen ruhigeren Teil der Straße ziehen. Ungestört reden, das war genau mein Plan.
„Sheesh hier gefällts mir. Jetzt, wo wir ungestört sind, kann ich euch ein paar Fragen stellen?“
„Fragen? Wir haben was Besseres vor. Wir feiern.“ Noch bevor ich ihm antworten kann, spüre ich seine Finger auf meiner Haut. Ihre Gesichter haben sich gewandelt. Nichts von den ausdruckslosen, leeren Hüllen ist übrig. Sie sind finster und gefüllt mit einer Dunkelheit, die dem des Alls in nichts nachsteht.
Sie tun mir weh und ganz unweigerlich fange ich an zu schreien. Dann bin ich weg.

Meine Gedanken sind noch lange vor meinen Augen da. Ich spüre jeden einzelnen, zerbrechlichen Knochen in meinem geliehenen Körper. Es dauerte eine Weile, bis ich meine schweren Lider öffnen kann. Mittlerweile liege ich an der hektischen und lauten Straße, zwischen einem Haufen Papier und stinkendem Plastik. Sie haben mich neben ihren Abfällen liegen lassen.
Die Männer sind weg. Zurückgelassen haben sie Schmerz. Verloren sehe ich mich um. Hülle für Hülle geht an mir vorbei. Sie ignorieren mich, zwingen sich dazu, mich nicht ansehen zu müssen. Ein Gefühl, dass ich bisher nicht kannte, verschlingt mich. Ich bin alleine.

Ich beobachte sie. Mache mir Notizen und bedaure jeden einzelnen von ihnen. Ich habe meine Aufgabe erledigt. Ich möchte nach Hause.
Bevor ich verschwinde, erregt etwas meine Aufmerksamkeit. Ein kleiner Mensch, eines ihrer Jungen, wackelt mit seinen viel zu kurzen Beinen in meine Richtung. In der Hand hält das Menschenkind ein flauschiges Objekt. Seine unproportional großen Augen sehen mich an. Ich sage nichts, doch es lächelt trotzdem. Hinter ihm höre ich eine Frau schreien. „Mia, komm sofort her! Fass sie bloß nicht an, wer weiß, welche Krankheiten sie hat!“
Ich verstehe nicht, was die Frau meint, doch die Geste des kleinen Menschen erkenne ich. Sie drückt mir das flauschige Objekt in die Hand und verschwindet hopsend und voller Leben zu der wütenden Frau. Ich betrachte das Ding in meiner Hand und bemerke erst jetzt die Flüssigkeit, die unkontrolliert aus meinen Augen tropft. Das Menschenjunge dreht sich noch einmal nach mir um und winkt mir zu. Fast automatisch mache ich es ihm nach. Zwischen all den Körper war es der kleinste, der eine Seele beherbergt. Ich werde meinen Bericht entsprechend schreiben.

Vielleicht seid ihr nicht alle verloren.

Trotzdem irgendwie faszinierend, diese Erdlinge…

„Ich habe keine Lust auf die Erde zu fliegen“ sagte Xandar mürrisch und sah nachdenklich aus dem Fenster des Raumschiffs.

Vor ihnen lag der Planet, ein Ball, der immer riesiger wurde, je näher sie kamen.

„Wird doch bestimmt lustig“ kicherte Synthara.

„Was ist an den Erdenbewohnern lustig?“ schnaubte Xandar und Syntharas Augen begannen warnend rot zu leuchten, das taten sie immer, wenn sie beleidigt war.

„Wir haben sie jetzt sehr lange studiert, es wird Zeit und wir müssen eingreifen“ mischte sich Zara’Khan, die Anführerin in das Gespräch ein.

Xandar schwieg, ihm gefiel das ganz und gar nicht. Die Erdenbewohner waren ihm sonderbar und er verstand sie nicht.

Seit einiger Zeit liefen sie mit elektronischen Geräte durch die Gegend, die Strahlen aussendeten. Statt sich zu unterhalten, kommunizierten sie darüber. Entweder hielten sie sich die sogenannten „Smartphones“ ans Ohr, vor den Mund oder vors Gesicht und lächelten gekünzelt.

„Wir landen gleich. Ihr wisst, was zu tun ist. Verhaltet euch unauffällig“ erklärte Zara’Khan mit ernster Miene.

Das Raumschiff ruckelte, als es die Erdatmosphäre durchbrach und sie landeten leise fernab von der Zivilisation, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.

Sie stiegen aus dem Raumschiff und hatten eine menschliche Gestalt angenommen. Sie wussten, dass die Erdenbewohner vielleicht Angst bekamen, wenn sie mit ihrem ursprünglichen Aussehen auftauchten.

„Toll, hier ist weit und breit kein Erdling“, merkte Xandar an Zara’Khan gewandt an.

„Wie kommen wir zu den Menschen?“ fragte Synthara, die sich fragend umblickte. Überall um sie herum befanden sich nur Wald, Bäume und Felder. Die Nacht war hereingebrochen und die Sterne funkelten am Himmel. Inder Ferne konnte man Kauze rufen hören.

Zara’Khan drückte seitlich an ihrer Brille auf einen Knopf und es öffnete sich eine riesige Landkarte, die auch die anderen sehen konnten.

„Wer sind Sie und was machen Sie hier?“ rief plötzlich eine Stimme aus der Ferne, Zara’Khan drückte schnell den Knopf erneut und wandte sich um, um zu sehen, woher die Stimme kam.

Ein älterer Mann kam zielstrebig auf sie zugelaufen.

„Entschuldigen Sie, wir haben uns verlaufen“ erklärte Zara’Kahn.

„Verlaufen? In dieser Einöde?“ fragte der Mann argwöhnisch und beäugte Zara’Khan und die anderen. Dann fiel sein Blick auf das Raumschiff und seine Augen weiteten sich.

„Was zur Hölle ist das denn?“ er deutete auf das Raumschiff und schlagartig lag das blanke Entsetzen in seinen Augen.

„Willkommen auf der Erde. Ich wusste, irgendwann würdet ihr kommen“ sagte er ehrfürchtig und verbeugte sich.

„Was hat der denn auf einmal?“ fragte Xandar irritiert.

Zara’Khan seufzte.

„Ich hätte nicht damit gerechnet, dass wir so schnell enttarnt werden“ sagte sie schließlich.

Der Mann nickte eifrig.

„Aus welcher Galaxie stammt ihr?“ fragte er.

„Zephyrion“ erklärte Zara’Khan.

„Wieso freust du dich so? Normalerweise bekommt ihr Erdlinge doch Angst und rennt schreiend davon, wenn ihr Außerirdischen begegnet“ fragte Xandar.

„Ich habe mich eingehend damit beschäftigt und niemand hat mir geglaubt, dass noch anderes Leben existiert, geschweige denn, dass ihr uns auf der Erde besucht. Ihr müsst doch müde sein, wenn ihr wollt, dürft ihr gern unsere Gäste sein. Mein Name ist übrigens Gernot. Mein Enkel wird ausflippen, an Fasching geht er imer als Alien“

„Mein Name ist Zara’Khan. Das hier sind Xandar und Synthara“ stellte Zara’Kahn die anderen vor.

„Was ist Fasching?“ fragte Synthara neugierig.

„Das ist ein Fest, da verkleiden wir uns, tragen Masken. Da können wir dann sein, wer wir wollen und wir singen und tanzen“ erklärte Gernot.

„Faszinierend, ein bisschen wie wir“ sagte Xandar amüsiert und seine Miene wurde weicher.

„Hast du ein Smartphone?“ fragte er schließlich.

Gernot sah ihn zunächst irritiert an.

„Ja sicher, aber ich benutze es kaum, bei der neumodischen Technik komme ich noch nicht ganz mit“

„Führe uns zu deinem Haus“ sagte Zara’Khan bestimmend und Gernot ließ sich das nicht zweimal sagen.

Sie liefen ein Stück einen Hügel hinab und näherten sich vielen bunten Lichtern.

„Dort ist unser Dorf, wir sind eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig hilft. Jeder, der hier wohnt, trägt seinen Teil bei“

Xandar staunte. Er hatte bisher ein schlechtes Bild der Erdenbewohner gehabt, doch dies hier zeigte eine ganz neue Seite der Menschen. Sonst hatte er nur immer Krieg, Zerstörung und jede Menge Egoismus gesehen.

Gernot führte sie zu einem großen Holzhaus mit einem hübschen, bunten Blumenbeet davor.

„Liebling, ich bin wieder da“ sagte er fröhlich und vorsichtig traten die drei Außerirdischen hinter ihm ein.

„Zieht lieber die Schuhe aus, meine Frau Lorelai mag es nicht so, wenn ich den Dreck von draußen mit reinbringe“ erklärte er.

Xandar, Synthara und Zara’Khan taten, wie ihnen geheißen und zogen brav ihre Schuhe aus.

Das Holzhaus war sehr geräumig und gemütlich.

Schließlich kam ein kleiner Junge auf Gernot zugelaufen.

„Opa, Opa, da bist du ja wieder“ rief er fröhlich und umarmte ihn.

Augenblicklich begann es an der Stelle, an der das Herz sein sollte, bei den Dreien zu leuchten.

Der Junge hielt inne und starrte sie an.

„Wow“ flüsterte er.

„Das sind Außerirdische, sie sind endlich da“ sagte Gernot stolz.

Die kleinen Augen des Jungen weiteten sich.

„Wirklich?“ rief er beeindruckt und ging zu ihnen.

Xandar, Synthara und Zara’Khan verwandelten sich in ihre ursprüngliche Gestalt zurück.

„Ich träume“ sagte Gernot erfreut.

„Darf ich euch berühren?“ fragte der Junge ehrfürchtig.

„Natürlich“ sagte Synthara, die die Liebe des Jungen zu seinem Opa immer noch spürte.

Er ging zögernd auf sie zu und berührte Synthara, dann kicherte er.

„Ihr seid wirklich echt“ sagte er anerkennend.

„Nachdem die Echtheitsfrage nun geklärt ist, dürft ihr gerne zum Essen bleiben, Lorelai kocht vorzüglich“ sagte Gernot und sie setzten sich im Esszimmer an einen großen hölzernen Tisch, auf dem verschiedene Speisen aufgetischt waren.

Es roch köstlich, sogar Xandar, der zuerst eine Abneigung gegen die Menschen hatte, war beeindruckt von so viel Gastfreundschaft.

Nachdem sie das Tischgebet gesprochen hatten, machten sich alle über das Essen her.

Lorelai störte es überhaupt nicht, dass sie Außerirdische Gäste hatten und unterhielt sich mit Zara’Khan über „Selfies“, während der Junge Xandar „Dabbing“ erklärte.

„Wir danken euch sehr, ihr Erdlinge seid gar nicht so furchtbar“ sagte Xandar.

„Besucht uns doch jederzeit wieder, hier seid ihr immer willkommen“ sagte Gernot und schließlich machten sie sich wieder auf den Weg zu ihrem Raumschiff.

„Wir haben noch einiges vor, wir sind noch nicht am Ende unserer Mission“ sagte Zara’Khan, als sie wieder in ihrem Raumschiff saßen.

„Trotzdem irgendwie faszinierend diese Erdlinge…“

Akteure: Zwei Hunde und ein Mensch

Logbuch einer Caniden

Mein Name ist Laika XII vom Schloßhof und ich entstamme einem alten Canidengeschlecht. Unsere Gründermutter lebte dereinst auf dem fernen Planeten namens Erde und ihr war die Ehre zuteilgeworden, an einem zivilisatorisch wegweisenden Experiment teilzunehmen. Man schleuderte sie in einer kleinen, technisch äußerst rudimentär ausgestatteten Raumkapsel in die Erdumlaufbahn und machte sie damit zum ersten erdabstammenden Lebewesen, das dies je geschafft hatte. Nur wenige Sekunden im All wurde unsere Gründermutter von einem sich arbiträr aufgetanem schwarzen Loch eingesogen und irrte so lange in ihrer kleinen Kapsel durch Zeit und Raum, bis sie schließlich auf unserem Planeten‚ Wolf 1069b, landete. Angekommen trat unsere stark von der Reise erschöpfte Gründermutter unserem heiligen Schöpfergott entgegen. Als das Leben aus ihr glitt, empfand der Schöpfergott großes Mitleid mit ihr und kreierte ihrem Vorbild nach unser Geschlecht. So stehe ich heute hier als stolze Canide und ausgerufene Erdbotschafterin und warte darauf, meinerseits in einer Raumkapsel zur Erde geschickt zu werden! Der Start ist nur noch wenige Sekunden entfernt. Während ich in den Kryptoschlaf gleite, frage ich mich, wie es den Erdencaniden ergangen sein mag. Im Bordgepäck habe ich Aufzeichnungen von unserer Kultur und technologischen Errungenschaften. Ich hoffe auf ein herzliches Pfotendrücken und auf einen regen Austausch zwischen unseren Kulturen. Dann öffnet sich meine Kryokammer. Ich setze meine noch zittrigen Pfoten auf Erdenboden und atme die etwas stickige Erdenluft. Aber es fühlt sich gut an. Durch die geringere Erdanziehungskraft fühle ich mich welpenleicht. Die Raumkapsel setze ich per Fernbedienung auf ‚stealth mode‘ und gehe auf Erkundungstour. Nur kurze Zeit später, und ich möchte fast meinen Augen nicht trauen, entdecke ich einen ECHTEN erdlichen Caniden! Er jagt offenbar einer stechend-gelben in der Luft fliegenden Scheibe hinterher! Was für ein wundervolles Fitnessprogramm! Wie von den erdlichen Caniden zu erwarten! Ich möchte mich direkt hinzugesellen und in einem Satz meine Fänge in die Scheibe graben. Aber ich besinne mich auf meine Mission. Langsam nähere ich mich dem Caniden an. Er nimmt meinen Geruch wahr und stellt die Ohren in einer solch ebenmäßigen Bewegung auf, dass es mir den Atem nimmt. Gleich geschieht der Erstkontakt! Seinem Aussehen zufolge gehört er den Schäfer-Caniden an, ein altehrwürdiges Geschlecht, also möchte ich Respekt zollen und senke etwas demütig den Kopf. Dazu wedele ich ein paar Mal mit der Rute, was er glücklicherweise als freundschaftliche Einladung deutet. Dann stehen wir uns endlich gegenüber und blicken uns in die Augen. Ich sage, „Seid gegrüßt“ und er antwortet mit einem tiefstimmigen „Wooof“. Was für ein wundervoller klang! Mein Herz springt auf und ab. Natürlich bin ich darauf gefasst, dass wir nicht denselben Dialekt sprechen. Aber das macht nichts, denn ich bin Meisterin im Sprachenlernen. In einer schnellen Wendung nähert er sich meinem Hinterteil und beschnüffelt es. Ich frage mich etwas beschämt, ob das hier zum guten Ton gehört, lasse mir aber nichts anmerken und wedele freundlich meine Rute weiter. Plötzlich erschallt ein schriller Ruf von irgendwo hinter uns und unterbricht das Begrüßungsritual. Ich wende meinen Kopf in Richtung des Schreis und erblicke eine mir nicht bekannte auf zwei Beinen laufende Lebensform. Sie scheint nur am Kopf bepelzt, der Rest ihres Körpers ist offenbar nackt und wird daher in Stoff gehüllt. Der Schäfer-Canide neben mir nimmt Haltung an und blickt in Richtung der unbekannten Lebensform. Ich kann sehen, dass der Zweibeiner die strahlend-Gelbe Scheibe von vorhin in einer Pfote hält, während er mit etwas Strickähnlichem in der anderen Pfote wedelt. Sind das die Fitnessgeräte des Caniden? Ob es sich hierbei wohl um den Bediensteten des Caniden handelt? Da ich keine feindliche Intention beim Zweibeiner erspüren kann, lasse ich ihn herankommen. Als er genau vor dem Schäfer-Caniden angelangt ist, steckt er mit entzückten Ausrufen seine langgliedrigen Pfoten in dessen Fell und knetet es einmal komplett durch. Massage zur Muskelentspannung! Wie von den erdlichen Caniden zu Erwarten! Fasziniert sehe ich dem Treiben zu und möchte eigentlich sofort Notizen über die Begegnung in meinem Logbuch anfertigen. Dem Schäfer-Caniden entgleiten einige genüssliche Hechellaute, was ich nur zu gut nachempfinden kann. Dann richtet sich die Aufmerksamkeit des Zweibeiners auf mich. Er spricht mich auf Dialekt an, hält mir seine Pfote vor die Nase und wartet kurz ab. Ich bin hin- und hergerissen, da sich mir hier ein völlig neues Begrüßungsritual offenbart. Was für eine Entdeckung, schwärme ich und lecke ihm meine freundschaftlichen Absichten bezeugend über die mir dargebotene Pfote. Sogleich betastet der Zweibeiner vorsichtig meinen Hals und Nacken und besieht sich meine Ohren. Keine Angst, ich bin ein kerngesunder Canide. Keine Krankheiten, keine Parasiten. Aber mir ist bewusst, dass er diesen provisorischen Gesundheitscheck auch im Sinne seines Herren durchführt. Das ist die Erde! Wie zu Erwarten! Hochprofessionell! Zum Abschluss tätschelt der Zweibeiner fast schon mütterlich meinen Kopf und legt mir das Strick-Geflecht um. Aus seinem Stoffgewand holt er ein pfotengroßes technisches Instrument hervor. Ich beäuge es mit meinem technisch geschultem Blick und stelle fest, dass es keine Bedienelemente besitzt, sondern allein durch Berührung operiert. Beeindruckt starre ich genau in ein winziges kreisrundes Objekt, das am Rücken des Gerätes befestigt ist, und höre, wie es einmal ‚Klick‘ macht. Faszinierend, denke ich, und würde mir gerne solch einen Apparat für eine nähere Untersuchung ausleihen.
Der Schäfer-Canide neben mir erhebt sich und ich verstehe, dass wir nun gemeinsam Aufbrechen werden. Ich fühle mich in der Welt der Erdencaniden angekommen und freue mich wie ein Welpe. Der Zweibeiner sagt wieder etwas Unverständliches und steckt dem Schäfer-Caniden etwas ins Maul. Dasselbe hält er mir vor die Nase. Es riecht etwas streng, aber ich erkenne, dass es sich dabei um etwas Essbares handelt und nehme es behutsam mit meinen Zähnen auf. Es schmeckt nach Trockenfleisch. Aber natürlich! Ein Protein-Snack! Nach extensiver sportlicher Betätigung genau das, was ein Canide zur Auffrischung benötigt! Faszinierend! Kauend und schmatzend folge ich den beiden in den Sonnenuntergang hinein. Was der Zweibeiner wohl noch alles kann, frage ich mich und kann mich vor Aufregung kaum zügeln.

Ertappt

Er richtete sein Metallviereck auf mich. Die anderen Menschen taten es ihm gleich. Scheiße. Sie hatten mich. Gleich würden sie los schießen. Licht kam aus den Vierecken heraus. Ich kniff die Augen zusammen. Bereit zu sterben. Gleich müsste ich tot sein. Sie hatten mich im Dickicht enttarnt. „Ey du, geh aus der Hecke endlich weg!“ rief jemand. „Man verkleidet sich doch nicht mit Fell und komischen Hörnern und setzt sich dann in eine Zierhecke! Was bist du denn für einer?!“ rief jemand anderes. Anscheinend war ich noch nicht tot. Ich öffnete meine Augen wieder. Konnten mir ihre Metallvierecke nichts anhaben? Waren sie eine unterlegene Rasse, die es zu unterwerfen galt? „Und das Blumenbeet hast du auch noch zertrampelt!“. Er hielt sich jetzt sein Metallviereck ans Ohr. Wollte er Selbstmord begehen?! Wieso würde er das Licht auf sich selbst richten! Wie groß waren die Minderwertigkeitskomplexe dieser Rasse? Nur weil seine Waffe nicht gegen mich funktioniert hatte, musste er sich doch nicht gleich selbst umbringen! „Wir sind hier im Goethe-Park und so ein Typ hat die Hecke und das Blumenbeet platt gemacht. Ja genau. Er ist noch hier. Wir haben alles auf Kamera.“ Er redete ununterbrochen mit sich selbst. Würde das auch mit mir passieren? Er hatte schließlich das Metallviereck vorher auf mich gerichtet. Niemals! Ich kann noch mit anderen reden: „Menschen! Unterwerft euch! Legt die Waffen nieder! Ihr habt selbst gesehen, dass sie wirkungslos waren!“ rief ich aus voller Brust. Mein Fell vibrierte unter meiner starken Stimme. „Das muss ich livestreamen! Das geht viral!“ Alle richteten wieder ihre Metallvierecke auf mich. Sie hatten noch nicht aufgegeben.

EWBF -Everything will be fine

Der außerirdische Beobachter, den wir Xixalu nennen, langweilte sich auf seiner fernen Planetenwelt und beschloss, die Erde zu erkunden. Er hatte alle möglichen skurrilen menschlichen Verhaltensweisen studiert, von „Dabbing“ bis zu Selfies, und war bereit für seinen ersten Kontakt.

Eines Tages erblickte Xixalu Dave, einen kerzengeraden Typen, der gerade in der Fußgängerzone ein Selfie machte und dabei wild „gedabbt“ hatte. Für Xixalu war das die perfekte Gelegenheit. Er näherte sich Dave, zog eine wilde Dabbing-Pose und fing an, Selfies mit einem seltsamen Gerät zu schießen, das wie ein blinkendes UFO aussah.

Dave war erst schockiert, dann aber amüsiert. Er dachte, er habe den lustigsten Touristen der Welt getroffen. Also nahm er Xixalus Hand, umarmte ihn und meinte: "„He du Swaggermaut, was ist das für 1 Life. Xixalu, der die Menschensprache noch nicht ganz beherrschte, nickte enthusiastisch und begann, mit drei Armen High-Fives zu geben.

Dave fand Xixalus seltsames Selfie-Gerät exorpitant. Was für eine Trommel? Er machte Dutzende von Fotos von sich und seinem neuen Alien-Freund. Er schickte sie an all seine Freunde und die Bilder gingen sofort viral.

In den nächsten Tagen unternahmen sie wilde Abenteuer. Xixalu trug die schrägsten Klamotten, probierte Dinge wie „Taco-Pizza“ und versuchte sich im Bungee-Jumping (nur aus Versehen, als er einen Baum hinaufkletterte). Steve führte ihn in die Welt der Menschheit ein und zeigte ihm, wie man das Leben in vollen Zügen genießt.

Schließlich realisierte Xixalu, dass er keinen Weltzerstörungsplan aushecken musste. Die Erde und ihre verrückten Bewohner waren zu faszinierend, um zerstört zu werden. Statt dessen beschloss er, ein intergalaktisches Selfie-Abenteuer zu starten, indem er auf verschiedenen Planeten mit seinen neuen menschlichen Freunden witzige Fotos machte und sie im ganzen Universum bekannt machte. Es war die coolste Reise, die er je unternommen hatte, und Dave und Xixalu wurden die besten Freunde des Universums. Es war der Wendepunkt im Leben der Menschheit.

Tag 1:
Protokoll 1:

Ich habe mein Schiff getarnt 10 Paqs von der nächsten Siedlung entfernt in einem bewaldeten Gebiet gelandet, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf mich zu ziehen.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten meine menschliche Form zu halten, gelang mir eine Justierung der isomorphen Injektion.
Nun sollte ich in der Lage sein 18 Stunden lang meine Form zu halten. Danach muss die Injektion neu justiert werden, was die restlichen 6 Stunden des irdischen Tages erfordert.

Meine erste Begegnung mit einem außerirdischen Lebewesen auf diesem Planeten, war höchst interessant.
Vierbeiner, braunes Fell, graziles Aussehen. Auf dem Kopf, zwischen den Ohren stand etwas ab, dass wie Knochen aussah. Das kleinere Wesen, dass dieses begleitete, besaß diesen Auswuchs nicht. Entweder handelt es sich hierbei um eine etwas andere Art, oder dieses Merkmal wird erst später in der Entwicklung ausgebildet.
Diese Wesen scheinen keine Angst vor mir zu haben. Sie sind sehr neugierig und riechen an mir.
Erste Kommunikationsversuche schlugen fehl. Ich schlussfolgere dass es sich vermutlich um eine niedere Lebensform handelt oder sie mich einfach nicht verstehen konnte. Der Universalübersetzer konnte die Sprache des Wesens auch nicht entziffern.

Protokoll 2:

Ich habe den Sonnenuntergang beobachtet. Der Himmel war in ein sonderbar schönes Rot getaucht.

Protokoll 3:

Es ist Nacht. Die isomorphe Injektion lässt nach, daher kehre ich in meine natürliche Form zurück.

Ich höre verschiedene Wesen Laute von sich geben und einige sind auch auf mich zugekommen und haben sich berühren lassen. Auch hier schlugen Verständigungsversuche fehl. Meine Vermutung erhärtet sich, dass es sich um die Fauna dieses Planeten handelt und sie nicht zu höheren Hirnfunktionen fähig sind.

Tag 2:
Protokoll 4:

Ich entschließe mich in die Siedlung zu gehen. Wenn die Informationen aus der Sonde der Menschen korrekt waren, dann müssten sie dort zu finden sein. Zumindest deuteten die Orbitalscans auf bestehende Infrastruktur hin, die für gewöhnlich auf intelligentes Leben schließen lässt.
Auf den Weg dorthin begleiten mich stückweit einige der Lebensformen, denen ich an Tag 1 begegnet bin. Sehr interessant. Diese Wesen strahlen eine gewisse Friedfertigkeit aus und sind dennoch majestätisch. Vielleicht sollte ich ein paar Exemplare zu weiteren Untersuchungen oder als exotische Haustiere mit auf Xilara nehmen.

Protokoll 5:

Ich bin am Rande der Siedlung angekommen und halte mich noch etwas versteckt hinter einem Gebäude. Als ich durch eines der Fenster spähe, muss ich schnell feststellen dass mein Äußeres von dem der Menschen abweicht.
Sie scheinen ihre Körper zu bedecken. Nur der Kopf und die Hände sind sichtbar.
Auch die Menschen die ich außerhalb des Gebäudes sehe, haben sich bedeckt.
Sehr eigenartig. Ist das ein spezieller Brauch, oder hat das Bedecken des Körpers irgendeinen Nutzen?

Die Antwort auf diese Frage muss leider warten. Ich muss zuerst mein Aussehen anpassen.

In der Nähe eines weiteren Gebäudes steht ein Gebilde, netzartig, an dem diese Bedeckungen herunterhängen.
Diese könnte ich vielleicht verwenden. Ich hoffe nur, dass dies kein Schrein, oder heiliger Ort dieser Rasse ist, den ich dadurch entweihen würde.
Vorsichtshalber werde ich den Großen Athu um Vergebung bitten wenn ich wieder Zuhause bin.

Protokoll 6:

Diese Bedeckung anzulegen ist schwieriger als ich dachte, aber ich habe es geschafft. Nun steht einem Erstkontakt vermutlich nichts mehr im Wege.

Protokoll 7:

Mein erstes Studienobjekt sitzt auf einer Art extrem breiten Stuhl neben einem Baum. Lange Behaarung, schmal, mit zwei Beulen am Oberkörper. Ich kann nur spekulieren welchen Zweck dies haben könnte, ohne sie genauer untersuchen zu können.
Das Alien hält ein kleines Kästchen in der Hand und streicht mit dem Finger immer wieder darüber. Sehr eigenartig.
In der Entfernung sehe ich ein weiteres Alien auf das Erste zukommen.
Dieses Alien sieht anders aus. Kurze Behaarung, aber dafür auch im Gesicht, was das andere nicht hat. Auch keine Beulen sind zu sehen, dafür ist der Oberkörper deutlich breiter und der Körper deutlich größer. Ich vermute das dieses das Weibchen sein muss. Die Männchen sind auf allen Welten die ich kenne, klein und schmächtig. Warum sollte es sich auf diesem Planeten anders verhalten?
Mein Scanner zeigt auch unterschiedliche Physiologie an.

Wenn das wirklich ein Weibchen ist, dann sollte ich mein Aussehen noch mal angleichen. Groß, muskulös und behaart. Dann dürfte ich ein ansehnliches Exemplar eines weiblichen Menschen abgeben.

Das Weibchen geht auf das sitzende Wesen zu, dass ich als Männchen identifiziere.
Moment. Es schleicht sich von hinten an. Das Männchen hat es noch nicht bemerkt. Es wird diesem Alien doch wohl nichts antun?
Ich bin im Moment nur Beobachter. Einzugreifen würde das Ergebnis verfälschen.
Das Weibchen packt den Kopf des Männchens von hinten und hält dessen Augen zu.
Daraufhin dreht es sich zu dem Weibchen um und presst ihre Körperöffnung auf die des Männchens.
Die Reaktion des Männchens auf die Handlung des Weibchens scheint nicht gewalttätig zu sein. Es fließt kein Blut, noch entsteht ein Kampf. Könnte das eine Art Begrüßung sein, wie sie bei Menschen üblich ist?

Diese Theorie muss ich testen.
Ich sehe mich eine Weile um und entdecke ein anderes männliches Exemplar mit auffällig großen Beulen. Ich komme immer noch nicht dahinter wozu diese Beulen gut sind.

Protokoll 8:

Ich gebe zu Protokoll, dass es sich bei der in Protokoll 7 beobachteten Handlung NICHT um eine Begrüßung handeln kann. Das Alien an dem ich das ausprobiert habe, hat mir ins Gesicht geschlagen.

Protokoll 9:

Als ich mir die Beulen bei einem anderen Exemplar ansehen wollte um dessen Nutzen herauszufinden, wurde ich mit Gegenständen geschlagen, beworfen und deren teils überaus starke Weibchen die sie begleiteten haben auf mich eingetreten. Da ich mich in mehreren Punkten geirrt habe, bin ich mir auch nicht mehr so sicher, ob ich mich nicht auch bei den Geschlechtern getäuscht habe.

Protokoll 10:

Ich komme zu dem vorläufigen Schluss, dass weitere Nachforschungen über die menschliche Rasse mit entsprechenden Exemplaren ausschließlich auf unseren Schiffen unter kontrollierten Bedingungen und Sicherheitsvorkehrungen stattfinden sollte um weitere Übergriffe zu vermeiden.

Was die Fauna des Planeten angeht, hat sie sich bisher als friedfertig und neugierig gegenüber den Xilarianern erwiesen. Sie ist wenig intelligent, eignet sich aber sicher für weiterführende Studien.

Die intelligente Spezies - oder doch nicht?

Ein einsames Jahr ist es her. Mit einem leisen Eindringen in die Erdatmosphäre vorbei an allen Radaren, bin ich in einen tiefen Wald geschlittert und abgestürzt. Der kleine Aufprall löste ein mittelschweres Erdbeben aus. Glücklicherweise blieb ich unentdeckt. Nur ein kaum wahrnehmbarer Krater verriet meinen unbefristeten Besuch auf diesem winzigen blauen Planeten. Meine kleine Nussschale, wie ich sie liebevoll nenne, lag brach. Es würde sicherlich Monate dauern, sie zu reparieren. Liebevoll versteckte ich sie in einer Höhle.

Ich fing an, meinen neuen Übergangsplaneten zu erkunden. Mein Auftrag war ganz klar. Alle auf dieser blauen Murmel auszulöschen und sich den Planeten zu krallen. Voller Eifer stürzte ich mich in diese seltsame Welt. Alle Spezies studierte ich bis ins kleinste Detail. Es gab welche mit vier Beinen und mit Flügeln. Manches kroch, manches schwamm und wiederum anderes flog um mich herum. Von überall summte, brummte und zwitscherte es. Ein wahrlich lebendiger Planet. Im Gegensatz zu unserem, der sich mittlerweile in einen heißen Planeten verwandelte, auf dem regelmäßig Tornados, Elektrostürme und Hitzewellen randalierten.

Warum ich hier war? Sicherlich nicht um neue planetarische Freundschaften zu schließen. Nein, ich war hier, weil bei uns Wasserknappheit herrschte. Euer Planet ist noch saftig genug, um uns über Wasser zu halten, bis wir einen anderen Planeten finden. Während ich also meinen morgendlichen Bericht abgab, kamen sie in Gruppen. Noch nie zuvor hatte ich solche primitiven Zweibeiner gesehen. Sie waren schlaksig, lang und kaum beharrt. War das etwa schön? Es gab sie in zweierlei Ausführung, männlich und weiblich. Jedenfalls die, die vor mir standen. Sie hielten seltsame Stäbe aus Kunststoff in ihren merkwürdigen Extremitäten. Überall hörte man Click, klack. Sie verzogen ihre Fratzen so seltsam, dass man ihre Beißerchen sehen konnte.

Etwas Lautes erklang ganz in meiner Nähe und ließ den gesamten Wald erbeben. In völliger Panik sprang ich auf den Boden mit dem Gesicht mitten in diese braune Plörre direkt vor mir. Dieser Geruch kam mir so vertraut vor. Vorsichtig leckte ich daran. Mmh, lecker, schmeckt, wie Schokolade.

Das nannten sie wirklich Musik? Sie begrüßten sich mit einem seltsamen Tanz. Ich glaube, sie nannten es Dabbing. Immer wieder machten sie ihre wilde Gesichtsakrobatik und posierten vor diesem seltsamen Ding.

Die Neugier packte mich und ich schlich mich an sie. Als sie mich erblickten, erschraken sie. Ich stand vor ihnen, ohne Haare, lang und schlaksig und begrüßte sie mit ihrem Gruß. Ich beugte meinen Kopf auf einen Arm und den anderen richtete ich etwas in die Höhe. Sie starrten mich entsetzt an. Na gut war wohl nicht genug? Ich nahm einen ihrer seltsamen Sticks und schoss sogenannte Selfies. Ich orientierte mich an meinen Vorgängern. Die Fratze verrenken, den Bauch einziehen, ein ungemütliches Hohlkreuz bilden, die Beine verknoten, den Kopf nach oben richten und dabei elegant und lasziv dreinschauen.

Prompt war ich einer von ihnen. Das Selfievirus hatte mich gepackt. Meine Pläne, diesen blauen Planeten zu besiedeln, schmiss ich über Bord. Ich war jetzt einer mehr von dieser primitiven und selbstverliebten Spezies genannt Mensch.

Mission zum millionsten Mal fehlgeschlagen. Wir haben Tom Tarnus, einer unserer besten Beobachter an die primitiven Erdlinge verloren. Ruhe in Frieden.

Befehl ist Befehl

Ich werde die Menschen wahrscheinlich nie verstehen.

Nach der Zeitrechnung der Erde habe ich sie über 3000 Jahre lange beobachtet und studiert. Sie haben langsame Fortschritte gemacht, aber immerhin Fortschritte.

Nach meinem Bericht an die Zentrale wurde beschlossen, dass ein Versuch gestartet werden soll, sich mit ihnen fortzupflanzen. Mir ist rätselhaft warum, aber Befehl ist Befehl.

Doch genau das Thema Fortpflanzung ist bei den Menschen ein ganz spezielles Thema. Bei den verschiedenen anderen Spezies „Tiere“ genannt, ist es einfach. Aber der Mensch macht es kompliziert.
Sie haben eine Angewohnheit, die sie „Sex“ nennen. Verwirrend. Sehr verwirrend. Sie betreiben diesen „Sex“ nicht nur zur Fortpflanzung. Ganz im Gegenteil, sie verhindern die Fortpflanzung sogar bei diesem Akt.
Sie sagen, sie machen diesen „Sex“ zum Vergnügen. Das bezweifle ich jedoch sehr stark. Die Geräusche, das Schwitzen und Verrenkungen der Körper … .
Ok meistens dauert es nicht sehr lange, aber es könnte auch einfacher gehen.

Die männlichen Menschen, scheinen ab ihrem vierzehnten Lebensjahr, nichts anderes mehr im Kopf zu haben. Es gibt sogar Lernvideos, die sich „Pornos“ nennen. Eigenartiger Weise werden diese heimlich angesehen.
Meiner Ansicht jedoch, sind diese Lernvideos sehr unrealistisch.
Die weiblichen Menschen haben erkannt, dass dieser „Sex“ ein gutes Mittel ist, die Männchen zu kontrollieren. Deswegen ist Vorsicht geboten.

Meine Studien haben gezeigt, dass wenn man ein Weibchen zum sogenannten „Orgasmus“ bringen kann, die Machtverhältnisse sich wieder ändern.

Da ich mich als Männchen, keiner unnötigen Gefahr aussetzen möchte, bin ich nun auf der Suche nach dem mysteriösen „G-Punkt“.

Wünscht mir Glück.

Donald Trumpsolensis :alien:

Ich sitze in meinem Raumschiff im Anflug zur Erde und kann es kaum fassen. Seit mehr als 25 Debbels beobachte ich nun schon die merkwürdigen Erreger, die diesen Planeten befallen haben, das sind immerhin schon 4500 Erdenjahre. Jetzt endlich wurde mein Antrag auf eine Forschungsreise hierhin bewilligt. Hoffentlich nicht zu spät. Diese Homo Sapiens, oder die Wasndas, wie wir sie nennen, haben sich, seit ich sie entdeckt habe, rasant vermehrt. Meine Ersteinschätzung war, dass die Erreger nicht bedrohlich für die Erde sind. Doch sie haben sich zu einer aggressiven, zerstörerischen Art entwickelt. Sie schwächen den Planeten nicht nur, sondern drohen ihn gänzlich zu zerstören.

Das gilt es zu verhindern. Immerhin hat der planetare Rat zu viel Steuergelder darin investiert, die Erde zu terraformen, um sie zu einer Arche für die Opfer des Planetenkollision von 1739482pT zu machen. Die einstigen Bewohner der Erde, die Dinosaurier, hatten das Terraforming leider nicht allzu gut vertragen, weshalb diese wiederum nach Alyx Feruti umgesiedelt werden mussten. Die Erde war dafür zu einem wahren Vorzeigeprojekt des friedlichen Zusammenlebens von tausenden Alienarten geworden. Hier lebten seither Salzwasseraliens mit Kiemen und ohne, wie Haie, Wale, Schildkröten, Quallen und dergleichen, Süßwasseraliens wie Fische, Frösche, Aale und Krebse, Sandaliens wie Springmäuse, Kamele, Skorpione und Schlangen, Waldaliens wie Gorillas, Faultiere, Koalas, Füchse, Rehe und Pandas, Grasaliens wie Grashüpfer, Ameisen und Käfer, Himmelsaliens wie Vögel, Bienen und Schmetterlinge und viele, viele mehr.

Doch seit diese Erreger auf der Erde waren, war es vorbei mit dem friedlichen Zusammenleben. Natürlich waren auch unter den auf der Erde angesiedelten Alienarten Fleischfresser dabei. Doch Sie nährten sich nur in solchem Maße vom Fleisch anderer, wie es die aufgestellten Regeln für die Erde erlaubten. Auf diese Art wurde eine Art natürlicher Kreislauf des Zusammenlebens der Arten geschaffen, der die Erhaltung einer jeden Art ermöglichte. Doch die Homo Sapiens hielten sich nicht an den Kreislauf des Lebens. Sie betrieben nicht nur Raubbau an der Erde, sondern rotteten auch noch eine Alienart nach der anderen aus.

Inzwischen sind fast mehr Alienarten durch die Erreger gestorben, als bei der Planetenkollision selbst. Nie hätte ich gedacht, dass es einen so aggressiven Erreger geben könnte. Ich muss die Homo Sapiens näher studieren um herauszufinden, wie ich den Planeten von ihnen befreien kann. Das Leben zu vieler Arten steht auf dem Spiel.

Schon von meinem Kontrollzentrum auf Pixel 4a aus habe ich das schlimmste, aggressivste Exemplar der Homo Sapiens ausgekundschaftet. Zu diesem werde ich heute fliegen und dessen Schwächen erkunden, falls es denn welche hat.

Ich lande mitten auf einer Art Wiese, die jedoch alles andere als natürlich zu sein scheint. Das Gras ist ganz kurz und wirkt fast glatt. Keinerlei Alienarten sind hier zu sehen. Sie scheinen diesen Ort zu meiden, da sich hier der Erreger regelmäßig aufhält. Überall in der Wiese sind Löcher, in die seltsame Fahnen gesteckt sind. Welchen Sinn soll das haben? Sind dies vielleicht Nistplätze der Homo Sapiens? Aber nein, die Löcher sind viel zu klein und meinen Beobachtungen nach vermehren die Menschen sich nicht in Erdlöchern, sondern in eckigen bauten aus Stein oder Holz.

Ich erschrecke, als ich eine Stimme hinter mir höre: „Was tun sie da, sie können nicht auf dem Golfplatz parken. Sie sind kein Amerikaner, oder?“

Ich drehe mich um. Hinter mir steht exakt das Exemplar der Homo Sapiens, das ich treffen und studieren will. Es ist deutlich an seiner blond-orange wirkenden Kopfbedeckung zu erkennen, die ein wenig an menschliches Kopfhaar erinnert, dieses vielleicht sogar imitieren soll. Es ist der Homo Sapiens Donald Trumpsolensis, der hier vor mir steht. Dieser war nachweislich eine Zeit lang tongebend unter den Erregern und scheint auch jetzt noch, obwohl nicht mehr so viele der anderen Homo Sapiens seinem Beispiel folgen, doch für einen Großteil von ihnen eine Art Anführer zu sein.

„Sind Sie über die Mauer gekommen? Sind Sie aus Mexiko? Hier dürfen keine Mexikaner spielen. Amerika first!“, wirkt das Exemplar nun wütend.

„Ich, nein, ich bin, äh, ein Forschungsreisender“, erwidere ich unsicher, denn ich weiß nicht, was mit Mexiko gemeint ist.

„Pah, Wissenschaftler. Ich glaube nicht an Wissenschaft“, spukt der Donald Trumpsolensis mir nun vor die Füße.

Ich spucke zurück, was der Homo Sapiens mir übel zu nehmen scheint. Dies ist wohl doch keine offizielle Art der Begrüßung.

„Hören Sie mal“, versuche ich es mit der Wahrheit, „ich bin ein Alien vom Planeten Pixel 4a und ich bin hier, um mehr über Sie zu erfahren.“

Der Donald Trumpsolensis sieht mich an. „Und ich dachte schon, Sie wären zu lange in der Sonne gestanden, wegen ihrer ledrigen Haut.“

Meiner Meinung nach ist seine Haut viel ledriger als meine, aber das sage ich ihm natürlich nicht.

Der Mensch holt ein kleines, schwarzes Gerät aus der Tasche und sagt: „Komm her mein Alienfreund, wir machen ein Selfie“.

Obwohl mir das Gerät suspekt ist, trete ich zu dem Homo Sapiens hin und dieser macht damit eine Art Miniaturabbild von uns. „Das Poste ich jetzt im Internet“, sagt er und scheint mich in den darauffolgenden 15 Minuten vollkommen vergessen zu haben, denn er blickt nur noch auf das kleine Gerät, tippt und wischt darauf herum, knurrt unverständliche Wörter vor sich her, lacht plötzlich auf, knurrt dann wieder, wischt wieder herum und immer so fort.

Ich räuspere mich. Der Mensch blickt mich an. „Entschuldige, diese Dinger lassen einen irgendwie alles um einen herum vergessen, selbst wenn ein Alien vor einem steht.“

„Ihr seid doch jeden Tag von Aliens umgeben“, antworte ich, woraufhin er mich so anblickt, als hätte ich den Verstand verloren.

„Du kennst dich auf der Erde wohl nicht richtig aus, hm? Ich werde dir alles erklären, während wir eine Runde Golf spielen“, sagt er und reicht mir einen länglichen, metallischen Stock.

Tatsächlich erzählt er mir während dem zugegebenermaßen sehr spaßigen Spiel, bei dem sich auch erklärt, wofür die Fahnen und die Löcher sind, alles, was er über die Erde und die Menschen denkt über die Tiere, wie sie die anderen Aliens nennen, den Artenschutz und auch darüber, was er tun will, wenn er als sogenannter Präsident wiedergewählt wird.

Nach unserem Golfspiel steige ich wieder in mein Raumschiff und fliege beruhigt nachhause. Dank Donald Trumpsolensis weiß ich nun, dass ich selbst nichts gegen die Homo Sapiens unternehmen muss. Ich muss keinerlei biologische, chemische oder physische Waffen einsetzen, um die Erreger für immer auszumerzen. Nein, das Gespräch hat mir gezeigt, dass ich nur eines tun muss, um die Homo Sapiens innerhalb kürzester Zeit auszulöschen: Ich muss einfach nur Donald Trumpsolensis dazu verhelfen, wiedergewählt zu werden.