Seitenwind Woche 10: Parodie

Der Unbesiegbare

Ich bin der ultimative Bad-Boy mit dem lässigen Lächeln und dem verwegenen Blick.

Mein Motorrad brüllt unter mir, während ich durch die Straßen der Stadt brause. Die Mädchen flüstern meinen Namen und schmachten nach meiner Aufmerksamkeit.

Aber ich bin nicht interessiert - ich bin auf der Suche nach der ultimativen Herausforderung. Die Action lässt mich nicht los und ich werde immer wieder in die gefährlichsten Situationen geraten.

Aber keine Angst, ich komme immer als Sieger hervor. Ich bin der Bad Boy und ich bin unbesiegbar.

Der Wettlauf beginnt

Die Nacht kennt keine Schatten. Wenn die Dunkelheit alles bedeckt, umhüllt und verschwinden lässt, dann heißt es Abschied nehmen. Immer dann, wenn das letzte Licht verloschen ist, dann bricht sie an, die unheimliche Zeit. So auch jetzt, wieder einmal.

Mein Blick fällt auf das offenstehende Fenster und das Flattern der Gardine im Wind. Mutter ist noch nicht zurück, um das Fenster wieder zu schließen. Wie soll ich da einschlafen können. Niemals. Ich wage es nicht mich zu bewegen, habe meine Bettdecke bis zur Nasenspitze hochgezogen. Mein Atem geht flach und schnell.

Am Nachmittag haben sie es auf allen Kanälen gebracht. Jeder Radiosender berichtete darüber, und noch immer liegen mir die Worte des Sprechers in meinen Ohren.

Wie die Polizei von Skywalk County heute berichtete, kam es in der vergangenen Nacht zu mehreren Sichtungen von Unbekannten Flug Objekten, sogenannten UFOs. Mehrere Augenzeugen seien Beobachter von etwas Unerklärlichem gewesen, wie Deputy Miller uns in einem Interview mitteilte. Angeblich gebe es Vermisste. Wir halten sie natürlich auf dem Laufenden … Jetzt spielen wir erst einmal Werbung.

Mutter kommt nicht. Vorsichtig nehme ich meine Armbanduhr vom Nachttisch. Sie hätte schon längst wieder zurück sein müssen, um das Fenster zu schließen und mir einen Gute Nacht Kuss zu geben. Eine halbe Stunde ist vergangen, seit sie das Zimmer verlassen hat. Ich frage mich, ob ich aufstehen und nachsehen soll. Ich habe Angst. Was, wenn sie verschwunden ist? So wie die anderen.

“Er muss oben sein!”, höre ich plötzlich wie aus dem Nichts eine Männerstimme von unten. Schritte poltern die Treppenstufen hoch. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. In Gedanken rufe ich laut ihren Namen, doch sie kommt nicht. Wie auch? Wie gelähmt liege ich auf meinem Bett und wage es kaum zu atmen.

“Geh weiter hoch, ich nehme die Räume hier. Er muss irgendwo stecken. Los!”

“Warte, gib mir auch eine Spritze … Ich werde den Bengel schon erwischen.”

“Hier, nimm. Aber ramm dir das Zeug nicht schon wieder versehentlich selbst ins Bein. Ich hab keine Lust dich wieder zu tragen, hörst du?”

“Geht klar. Adrian? Adrian, mein Lieber, wo steckst du? Nah komm schon zu uns. Wir werden dir auch nicht weh tun.”

Ich erinnere mich an Dads Worte. Er sagte sie jeden Abend zu mir, bis er … er von seinem Einsatz nicht mehr zurück kam. Wenn es um dich herum finster wird, dann entzünde ein Licht in dir. Ich reiße die Bettdecke zur Seite und springe aus meinem Bett, rüber zum Stuhl. In Windeseile zwänge ich mich in meine Jeans, ziehe den Pullover über und springe in meine Schuhe.

“Adrian, wir kommen jetzt zu dir. Möchtest du nicht deinen Dad wiedersehen? Na, was denkst du, Adrian?”

Ich habe keine Ahnung was hier vor sich geht, wer diese Männer sind und was sie wollen. Alles, was ich weiß, ist, dass ich schnellstens weg muss. Das Fenster. Ich spüre, wie das Licht meines Dads in mir brennt, mir Kraft gibt. Alles andere zählt jetzt nicht. Wenn ich jetzt hier nicht rauskomme, dann würde ich Mutter nie wieder sehen. Alles andere wage ich nicht zu denken. Ich schiebe das Fenster hoch und klettere hinaus in die kalte Nacht.

Das Haus der Shattners liegt zweihundert Meter von dem unseren entfernt. Bis hierher höre ich das Bellen von Chep, dem Husky Rüden. Ich habe keine Zeit mir Gedanken darum zu machen, warum er ausgerechnet jetzt bellt. Ich muss weiter, klettere weiter nach links, Richtung Garagendach. Von dort würde ich leicht herunterspringen können. Über das Feld wäre es mir möglich in fünf Minuten Chep und die Shattners zu erreichen.

Als ich das Garagendach erreiche, durchbricht das fahle Mondlicht die Wolkendecke und macht die Sicht auf die Einfahrt frei.

“Nein! Nein … bitte nicht! Mutter! Oh Gott, Mutter …" schreie ich voller Entsetzen auf. Tränen schießen mir in die Augen. Mein Kopf droht zu zerspringen und mein Herz pocht wie verrückt. Nur wenige Meter vor dem Garagentor liegt sie regungslos am Boden. Ist sie tot?

“Er ist draußen, Joe. Der verdammte Bengel ist draußen!”, höre ich zeitgleich einen der beiden Männer aus meinem Kinderzimmer rufen.

“Warte, ich gehe runter und schneide ihm den Weg ab!”

Panisch springe ich vom Garagendach hinunter und lande knapp neben meiner Mutter, auf allen Vieren. Meine Hände fühlen sich an, als hätte ich sie in Öl getaucht. Sie sind schmierig, wie mit einem Gel überzogen. Es ist Blut. Das Blut meiner Mutter. Der Boden ist voll davon und in ihrem Schädel klafft ein großes Loch. Leblos liegt sie da. Sie ist tot.

Ich wage es nicht zu schreien. Instinktiv laufe ich los. Dads Licht ist immer noch in mir, ich spüre es. Ich muss es bis zu den Shattners schaffen. Chep, mein Junge, ich komme. Hörst du, ich komme. Gleich bin ich in Sicherheit. Als ich links Richtung Veranda abbiege rammt mich ein Körper und reißt mich zu Boden. Wir liegen beide am Boden und er hält mich am Hosenbein fest. Ich wirbele herum und trete so fest zu, wie ich nur kann. Wild schreiend fast er sich in die Magengrube und krümmt sich vor Schmerz.

“Warte, du Kröte. Wenn ich dich kriege, dann lege ich dich persönlich neben deine tote Mutter.”

Er lacht laut auf, doch das Lachen erstickt in einem schmerzerfüllten Krächzen. Er torkelt leicht, fasst sich immer wieder an den Bauch, spuckt und schreit erneut auf.

Ich drehe mich um und laufe so schnell ich kann. Zwanzig Meter … fünfzig Meter habe ich schon geschafft. Ich komme den Shattners immer näher. Nochmals drehe ich mich um und sehe den zweiten Widersacher aus dem Haus kommen.

“Bleib stehen, du Missgeburt! Hörst du, bleib stehen oder willst du, dass ich dir eine Kugel durch dein Spatzenhirn jage?”

Ich laufe unbeirrt weiter.

“Du hast es nicht anders gewollt!”, höre ich sie beide wie im Kanon rufen. Ich renne.

Plötzlich durchdringt ein gleißendes Licht die Wolkendecke, genau über mir. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, stolpere und gehe zu Boden. Ein Schuss ist das Letzte, das ich höre, dann verliere ich das Bewusstsein und tauche ein in einen seltsamen Traum.

Wie die Polizei von Skywalk County heute berichtete, kam es in der vergangenen Nacht zu mehreren Sichtungen von Unbekannten Flug Objekten, sogenannten UFOs. Mehrere Augenzeugen seien Beobachter von etwas Unerklärlichem gewesen, wie Deputy Miller uns in einem Interview mitteilte. Angeblich gebe es Vermisste. Wir halten sie natürlich auf dem Laufenden …

Freudentränen

Weiße Kristalle fallen vom Himmel, man nennt sie Schneeflocken. Wenn sie sich zusammenrotten, können sie zu gefährlichen Lawinen werden, denkt Jule.

Jetzt bedecken sie erst einmal Straßen und Bürgersteige, Autos, Buden, den kirchhohen Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz, Jule und ihren Vater.

Jule steht still, schaut dem Weihnachtsbaum zu, wie er so dasteht, bunt, wunderschön geschmückt, wie in jedem Jahr.

Mit seinen tausend Lichtern strahlt er das Mädchen an. So, als wollte er sagen: „Sieh doch, hier ist Weihnachten, das Fest der Liebe“. Diese Einstellung kann Jule heute gar nicht teilen, denn von Liebe ist man hier ganz weit weg. Zwei Tränen laufen in Zeitlupe über ihre Wangen und bilden sogleich kleine Kristalle. >nur keine Lawine< denkt Jule und presst die Lippen zu schmalen Linien zusammen, um den nächsten Tropfen oder gar einer ganzen Horde davon den Austritt ins Freie zu verwehren.

Der Tag begann schon sehr merkwürdig. Wie an jedem Morgen des 24. Dezember rannte Jule in die Küche, machte einen Satz auf den kleinen Hocker vor dem Küchenfenster und schaute auf ein hölzernes Kästchen mitten im Schnee. Sie hielt Ausschau nach kleinen Fußstapfen. Elfenfüßchen, Zeichen darauf, dass der Weihnachtself sich seinen Keks und die Thermoflasche mit dicker heißer Schokolade geholt hatte. Damit würde er sich auf den Weg machen, um all die Kinder dieser Erde zu beschenken, manchen einen Traum erfüllen, anderen ein kleines Geschenk unter den Weihnachtsbaum legen. Genau so viel, dass alle Kinder sich geliebt fühlten.

Doch heute gab es viele Spuren, undefinierbar, ob die des Elfs dabei waren. Wird schon gut gegangen sein, denkt Jule, schlüpft in ihre Kleidung, den dicken Schneeanzug darüber und rennt nach draußen zu ihren Freunden.

Kleine rote Nasen schauen ihr entgegen, eine ist heute extrem lang, sieht fast so aus, als wüchse ein Ast mitten aus Michels Gesicht.

„Michel, hast du schon wieder gelogen?“ Trällert Jule ihm zu. Michel scheint in den Schnee hinein zu schmelzen, wird immer kleiner und kleiner. Jule kann gerade noch die Astnase festhalten bevor Michel in seiner Pfütze ertrinken würde.

„Sag sofort die Wahrheit, sonst lasse ich dich los.

„Ich habe dem Weihnachtself aufgelauert. Weil mir so kalt war, habe ich nur einen Schluck und dann die ganze Schokolade getrunken. Der Keks schmeckte auch so gut. Als der Weihnachtself mit seinen kleinen grün bestrumpften Beinchen und den roten beglockten Zipfelschühchen angetapst kam, habe ich mich so geschämt. Das konnte ich natürlich nicht zugeben und habe mich über ihn lustig gemacht.“

„Was hast du gesagt?“

„Nichts Schlimmes.“

„Was ist nichts Schlimmes?“

„Nur, dass er nicht so wichtig ist, weil er doch so klein ist. Naja, dann noch: > Du bist doch gar nicht mehr hip, seit es den echten Weihnachtsmann gibt. Der fährt mit dem großem Coco-Cola-Truck durch die ganze Welt, da kannst du nicht mithalten. Geh einfach nachhause, ich werde deine Schokoladenflaschen und Kekse schon einsammeln. Auf Wiedersehen“, mit wilden Armbewegungen habe ich ihn dann in den Wald zurückgescheucht und alles für ihn eingesammelt. Jetzt ist mir schlecht.“

Kälte bahnt sich ihren Weg, durch die Pfütze unter Michel, sie wird zur Eisfläche, eisig wird es in den Herzen der Kinder, lässt die Stimmen einfrieren. Sie wären nicht Kinder, wenn dies so bliebe.

Jules Worte finden als erstes einen Weg nach draußen. „Michel, wie dumm bist du eigentlich? Weißt du nicht, dass es viele Namen auf der ganzen Welt für die Weihnachtsbringer gibt? Jeder Name gehört zu einer Tradition. So gibt es das Christkind, den Weihnachtsmann, Santa Claus, und viele andere, alle haben ihre Aufgaben. Wenn eine oder einer ausfällt, fällt auch Weihnachten für die Kinder auf der ganzen Erde aus. Und unser Weihnachtself ist zuständig für? Na was meinst du?“ „ Keine Ahnung“ tropft es von Michels Astspitze.

„Hörst du endlich auf zu lügen? Das weiss doch hier jedes noch so kleine Kind.“

„Für die Tränen?“

„Für die Freudentränen, du Dösbaddel.“

Wenige Minuten später hat Michel seine volle Größe zurück und seine Nase wieder ihre rotzfreche Gestalt angenommen. Alle Aufgaben sind verteilt, Kekse und Thermosflaschen aufgefüllt in ihren Holzkästchen und die Kinder auf dem Nachhauseweg.

Der Marktplatz füllt sich, Menschen rempeln sich an, drängeln und beschimpfen sich. >Weihnachten liegt in der Luft< schallt es aus den Boxen neben dem Stand mit angebrannten Mandeln. Paradiesäpfel lösen sich langsam auf, sie fühlen sich nicht wie im Paradies. Die rote Glasur tropft, tropft, tropft, bildet eine Spur, rot wie Blut.

Aus den Augen der Kinder tropft es, tropf, tropf, tropf, Tränen voller Traurigkeit… Nur keine Lawine, denkt Jule und presst die Lippen aufeinander.

„Oh, du Fröhliche“ schallt es jetzt, Jule ist nicht fröhlich.

„Ihr Kinderlein kommet“, hört sie und rennt los, greift sich einen Freund, eine Freundin nach der anderen. Zusammen bilden sie einen großen Kreis um die dummen Erwachsenen, die nichts tun, außer traurig dazustehen oder zu streiten.

Sie singen ihr Lied für ihren Weihnachtself und plötzlich fällt der erste Tropfen aus der Baumkrone direkt auf Jule. Weitere folgen, der Weihnachtsbaum blinkt heftig, dann tritt Stille ein. Leises Klingeln erfüllt die Luft zwischen den tanzenden Schneeflocken, während ein kleiner Elf von Ast zu Ast hüpft und seine Freude in die Luft wirft. So, dass nun jedes Kind Freudentränen weinen kann.

Geschafft< denkt Jule und lässt ihre Freudentränen zu einer Lawine werden, die alle Traurigkeit verschüttet, Leider erwischt es auch den kleinen Elfen der vom Weihnachtsbaum abrutscht und mitten auf den Marktplatz klatscht. Der muss nun jeden Tag Freudentränen weinen…Und täglich grüßt das Murmeltier.

Die Köpfe der Männer drehten sich, manche Pfiffen, andere machten anzügliche Bemerkungen, doch sie schritt zielstrebig an ihnen vorbei auf den Eingang des Gebäudes zu. Enge Jeans, Lederjacke, Stiefel, bis fast unter’s Knie, lange, blonde Haare.

„Ist bestimmt eine Professionelle“, raunten sie sich untereinander zu.

Eine halbe Stunde später wurden sie zum Appell in den Innenhof gerufen.

„Ab sofort wird Major Mayer Ihre Einheit übernehmen“, verkündete ihr ehemaliger Truppenführer Gottlob. „Machen Sie mir keine Schande und zeigen Sie Ihre Bestform!“

Die Soldaten starten fassungslos auf die Frau neben Gottlob: Die Blondine, die sie vorhin beobachtet hatten.

„Zeigen Sie, ob Ihre Beine ebenso flink sind wie Ihr Mundwerk!“, durchbrach ihre rauchige Stimme die Stille. „30 Runden um den Platz, wer es nicht schafft, verzichtet heute auf’s Abendessen!“

Die Soldaten zögerten einen Augenblick, dann setzte sich der Trupp in Bewegung.

„Und ich dachte, wir hätten endlich Mal wieder etwas Spaß“, murmelte einer der Soldaten, „und nun müssen wir uns von Barbie rumkommandieren lassen.“

  • Wiedersehen

Nach dreizehn Jahren wieder im Dorf.

Mit wackeligen Beinen stolpert Maggie auf den Dorfkrug zu. Ihr Magen rumort. Verändert hatte sich nichts. Außer das jetzt am Eingang eine Coca-Cola-Fahne hängt.

Sie öffnet die Tür und erkennt ihn sofort. Er steht mit dem Rücken zu ihr hinterm Tresen. Maggies Magen hüpft. Seine Haare sind nicht mehr ganz so hell, aber immer noch so wuschelig. Er ist etwas breiter geworden. „Is zu.“, brubbelt Sascha und dreht sich langsam um.

Maggie wird wie der Blitz von einem Flashback getroffen. In Sekundenschnelle ist alles wieder da und sie würde am Liebsten rückwärts aus der Tür rennen. Aber dafür ist es jetzt zu spät.

Sascha verengt seine Augen zu kleinen Schlitzen und schaut sie fragend an „Maggie?“. Langsam kommt er hinter dem Tresen vor und auf Maggie zu. Für sie ist es wie in Zeitlupe und sie nimmt nichts anderes mehr wahr. Ein leises Rauschen spült ihre Ohren.

„Hab schon sowas gehört. Weißt ja, Dorf…Aber das du da gleich zu mir kommst, damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Konntest ja damals nicht schnell genug von mir wegkommen.“

„Schön dich zu sehen, Sascha“, murmelt Magie. „Wie gehts?“. In Maggie steigt Unbehagen auf. „Maggie wie solls schon gehen? Viel geändert hat sich hier ja nicht, haste ja alles nicht mitbekommen. Bist ja einfach weg.“

Die Schwingtür zur Küche schwingt auf und ein blonder Pferdeschwanz mit kurzer Jeans und kurz unter der Brust geknotetem kariertem Hemd kommt hereingeschwebt. Die Brust ist beachtlich. Maggie fällt es schwer, wegzuschauen. Blondi ist mindestens zehn Jahre jünger als Maggie.

Sie schmeißt sich Sascha an den Hals, küsst ihn lange auf den Mund „Schatz, ich fahr dann jetzt mal zum Friseur, kann dauern, weißt ja, Extensions.“ Die Klischeealarmglocke läutet in Maggies Kopf. ‚Und dann muss ich mir noch meine Fingernägel verlängern lassen‘, spinnt es in ihrem Kopf weiter. Sie rollt mit den Augen und hebt langsam die Hand. Murmelt ganz leise „Vielleicht sieht man sich noch.“ Maggie drehte sich bemüht langsam und lautlos um, um den Gasthof zu verlassen.

Draußen angekommen schnappt sie erstmal nach Luft. Gerade will sie sich sammeln, als die Tür hinter ihr auffliegt. Sie dreht sich um. Sie sieht Sascha fassungslos an. „Dein Ernst?“, platzte es aus ihr heraus.

Auf seiner Stirn bildet sich eine steile Falte. Wütend sieht er sie an. „Maggie, du hast mir mein Herz zerbrochen!!! Was willst du?!“, schreit es aus ihm heraus.

Rumms-Bumms

Im Grunde hat man in der Lebensmitte ja so langsam raus, wie das Leben so bumst. Man legt auch nicht mehr so viel Wert darauf, im Theater des Lebens im Vordergrund zu stehen, sondern schaut sich gern mal so an, wie denn die anderen so ihr Leben rumsen, und dann heißt es: Vorhang auf, Bühne frei!

Alles begann mit einem Rumms, dem Geräusch, das bei einem dumpf tönenden Aufprall entsteht. Nach so einem Bumms war die plötzliche Stille ein wesentlich eindrücklicheres Erlebnis als - o die selige - Weihnachtszeit. Ein junger Linksabbieger hatte unser von vorn auf ihn zukommendes, doch schon in die Tage gekommenes Micker-Fahrzeug, Verzeihung, unseren Silberpfeil Nissan Micra, übersehen. Aber da er den vorschriftsmäßigen Schulterblick nach hinten gemacht hatte, war er sich keiner Schuld bewusst, bestärkt durch seine Mutter, die daraus einen großen Bums machen wollte und gleich mal damit drohte, einen Rechtsanwalt einzuschalten.

Unser lieber Kleiner war nach einer harten Arbeitswoche, in der er mehr als sonst im Einsatz war, weil das Fahrrad gerade Pause hatte, wohl doch ein bisschen müder und reaktionsträger als sonst gewesen - wie immer auch dieser Rumms zustande gekommen war - jedenfalls reichte nicht einmal ein Doppel-Wumms an Bremsen aus, um den Totalschaden zu verhindern.

Möge er in Frieden ruhen! Und mögen sich nach dem mächtigen Bumms die beteiligten Versicherungen nicht allzu lange streiten, wer welchen Schaden zu begleichen hat!

Wir beschlossen, den Rumms auszusitzen bzw. die Folgen des von links und von jung verursachten Bumms in Ruhe auf uns zukommen zu lassen. Nichtsdestotrotz war uns klar, dass angesichts des Schadens in Relation zum Kaufwert, zum Alter und zum nächstes Jahr anstehenden TÜV-Risiko eine Beerdigung unseres Micra einer teuren Reparatur vorzuziehen war.

Da das gegnerische Fahrzeug bereits verweigert hatte, die volle Schuld für das Rumbumsen auf sich zu nehmen, war uns klar, dass es im Streitfall höchstwahrscheinlich auf einen Kompromiss hinauslaufen würde, nämlich dass jeder seinen eigenen Schaden würde bezahlen müssen. Das war uns bums. Wir entschieden wir uns nach dem lauten Rums für einen schnellen Bums!

Genau, ein Bumms auf den Rumms! Denn - rums di bums - haben wir uns doch tatsächlich gleich einen Tag später ein Neuen angeschafft. Getragen hatten wir uns mit diesem Gedanken ja schon einige Zeit, aber natürlich hatten wir gedacht, unsere kleinen Micra nochmals durch den TÜV zu bumsen und weitere zwei Jahre zu fahren, bevor wir dann entscheiden wollten, ob wir uns tatsächlich nochmals ein Fahrzeug wummsen wollen oder nicht.

Vielleicht hat ja die monatelange Fahrzeug-Abstinenz vor unserer Micra-Zeit mit allen Folgen der Un-Flexibilität, des beträchtlich höheren Zeitaufwands in öffentlichen Verkehrsmitteln und der Umstieg auf reinen Muskelbums bei unseren Einkäufen dazu beigetragen, dass wir einem Rumms-Bumms-Neuwagenquickie gar nicht so abgeneigt waren. Also überlegten wir 50-Pluser, dass es schon recht bequem wäre, so einen fahrbaren Untersatz für alle Rumms-Bumms jederzeit vor der Tür zu haben. Was soll ich sagen? Unsere Versicherung hatte wohl mehr Wummsbums als die andere und - rums! - knallten bei uns die Sektkorken:

Es ist geschafft, da steht er nun,

jung und kräftig,

um uns gute Dienste zu tun.

Glückwunsch neue Fahrbesitzer,

und ganz viel Freude

mit dem rotem Flitzer.

Ab jetzt heißt es frei und verwegen

Rumms, Bumms und Wumms

auf all unseren Wegen.

In einer kalten Winternacht in Bethlehem…

…schrieb die Schriftstellerin Marie an ihrem neuen Roman, als plötzlich ein Engel erschien und ihr sagte, dass sie ein Kind bekommen würde. Maria war verwirrt und wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte immer geglaubt, dass Schriftsteller keine Kinder bekommen konnten, da sie zu beschäftigt waren, um sich um sie zu kümmern. Sie fragte den Engel, wo sie das Baby zur Welt bringen sollte. Der antwortete: „In einem Stall, neben dem Papyrus-Lager.“ Marie folgte dem Engel und bald darauf gebar sie ihr Kind inmitten von Papyrus-Rollen. Die Schriftstellerin nannte ihr Baby Jesus und beschloss, seine Geburt in ihrem Roman zu verarbeiten.

Sie hat es ein wenig abgewandelt:
In einem kleinen Stall in Bethlehem gebar Maria, die Mutter von Josefine, ihr erstes Kind. Josefine wurde in Windeln gewickelt und in eine Krippe gelegt.
Der Vater, Jesus, und der andere Vater, Klaus, kamen, um das neugeborene Mädchen zu sehen. Sie waren von ihrem Anblick bezaubert und fielen auf die Knie, um ihr zu huldigen.
Sterne leuchteten am Himmel, und Engel sangen: „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!“
Die drei Weisen, die aus dem Morgenland gekommen waren, brachten Josefine Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Josefine wuchs heran und wurde eine gute und gütige Frau, die vielen Menschen Trost und Hoffnung schenkte. Und so wurde sie zur Königin des Friedens und der Liebe.

Und viel später:
Es war einmal eine Schriftstellerin namens Mary, die sich auf Weihnachten freute. Sie hatte gerade ihr neues Buch beendet und war bereit, es der Welt zu präsentieren.
Doch leider war Mary so beschäftigt, dass sie gar nicht bemerkte, wie schnell die Weihnachtszeit vorbeiging. Als sie am Heiligabend aufwachte, war sie schockiert, dass sie noch keine Weihnachtsgeschenke besorgt hatte.
Panisch rannte sie zum Einkaufszentrum, doch die Geschäfte waren alle geschlossen. Verzweifelt wandte sie sich an einen freundlichen Passanten und fragte, ob er ihr helfen könne.
Der Passant, der sich als Engel herausstellte, führte sie zu einem kleinen Buchladen, der noch geöffnet hatte. Dort kaufte Mary ihr eigenes Buch als Geschenk und war begeistert von der Idee.
Sie ging nach Hause und verbrachte ein wunderschönes Weihnachtsfest, umgeben von ihren Lieben und stolz auf ihr neues Buch. Sie beschloss, von nun an immer frühzeitig mit dem Geschenkekauf zu beginnen, damit sie nie wieder in solch eine stressige Lage geriet.
Und so lebte Mary glücklich und zufrieden und wurde zu einer der erfolgreichsten Schriftstellerinnen aller Zeiten. Amen.

Beethovens blutige Sinfonie

Ausgelassen hüpfen die Töne aus Beethovens Sinfonie No. 6 durch seinen Kopf. Wohlgeformte Viertel tanzen zwischen Achteln mit wehenden Fähnchen. Das Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande ist Ludwigs Lieblingsstelle. Die Kilos schmelzen beim Hören und er fühlt sich so leicht wie eine Elfe am Bach. Ein, zwei Amselpfiffe vermischen sich mit der Musik und dem Geplätscher seines kleinen, künstlich angelegten Feuchtbiotops mitten im Garten. Seine dicken Finger tanzen im Rhythmus der Posaunen auf seinem Bauch und auf den Saiten der Violinen fliegt er in die Sphären der musikalischen Glückseligkeit.

rrrrr … rrr … rerrr … Ludwig reißt die Augen auf. Herbert von nebenan hat den Rasenmäher angelassen. rroarrr … rrr … rerrr …

Der 3. Satz beginnt, Das lustige Zusammensein der Landleute. Ludwigs Brust hebt und senkt sich in schnellen Stößen. Er dreht die Musik lauter.

Herbert gibt Gas. … rrrr, ruarrrrrr, rerrrrr, rrrrr …

Der Himmel verdunkelt sich. Azurblaues Leuchten weicht grau-schwarzen Wolken. Ein erster Blitz zuckt im 4. Satz auf die Erde.
„Hoffentlich hat es den Herbert getroffen!“, schmeicheln sich schadenfrohe Gedanken zwischen die Musik.

… rrrrrrerrrr … rrroarrr … Herbert mäht schneller.

Ein, zwei Regentropfen fallen auf Ludwigs erzürntes Gesicht. Regine ruft von drinnen: »Luudwig! Es fängt an zu regnen!«
Genervt gibt er auf. Mit Gewitter und Sturm im Ohr und Regentropfen auf der Haut schlurft er vorbei am Geräteschuppen in Richtung hintere Haustür. Die Pauken im Ohr und der Rasenmäher nebenan wecken Mordgelüste.

Die Violoncelli erhöhen ihr Tempo. Ludwig macht auf dem Absatz kehrt und reißt die Tür zum Schuppen auf. Fein säuberlich aufgereiht stehen sie dort: Gartenschere, Motorsäge und – die Sense.
»Oohrrr! Das wird er verstehen!« Frohen Mutes schreitet er mit Pauken und Trompeten und der Sense in Richtung Kirschlorbeerhecke. Im letzten Winter ist ihm ein Strauch eingegangen und hinterlies eine hässliche Lücke. Ludwig zwängt sich und die Sense hindurch.

Mit Beethovens Allegro in den Ohren und einem schnellen Ave Maria auf den Lippen stürmt er auf seinen Nachbarn zu, hebt die Sense hoch zwischen die Regentropfen und macht Herbert einen Kopf kürzer.

Der 5. Satz beginnt. Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm. Vorsichtig und voller Erleichterung flüstern die Posaunen ihre Melodie in seine Ohren. Ludwig wischt sich die Blutspritzer aus dem Gesicht.


„Herbert! Herrrbeert!“ Elsa rüttelt an seiner Schulter.
Mit einem Satz springt Herbert von der Terassenliege und fasst sich an den Hals.
„Was ist denn nur los? Du hast dich so hin und her gewälzt und geschrien, als wollte dich einer umbringen!“ Elsa schaut mit großen Augen.
Erleichtert über den unversehrten Hals sieht er hinüber zu Ludwig, wie er mit Kopfhörern und musikalisch gestikulierend um seinen Teich herum spaziert.
Mit einem Blick auf die Wetterstation wendet er sich Elsa zu: „Es regnet sicher gleich. Vielleicht schneide ich den Rasen lieber erst morgen.“

Blöde Ablenkung

Wir sind auf dem Weg zur großen Entscheidung. Diese tolle Zeremonie, bei der 16-jährige sich aussuchen können, ob sie bei Vollpension woanders wohnen oder bei ihren Eltern bleiben wollen bis immer. Kann man seltsam finden, läuft bei uns aber so. Und zwar heute.

Lustlos trotte ich meinem Bruder hinterher. In einer Tour verheddert sich mein Fuß im Saum von diesem unsagbar hässlichen Rock. Macht nüscht, denke ich, dauert nicht mehr lange.
Gestern hat der werte Herr Bruder doch selbst gesagt, ich soll bei der Wahl meiner neuen Hood auch an mich denken. Ordnungsgemäß habe ich zerknirscht genickt und den Blick gesenkt, um zum x-ten Mal die Risse in den gar hässlichen Fliesen zu bewundern. Dass das überhaupt noch hält.

Jetzt freue ich mich schon auf sein doofes Gesicht. Beim Test haben sie gesagt, ich kann alles sein. Bissel peinlich berührt, als wäre das was dolle Ungünstiges. Ich persönlich find Multi ja cool. Also sage ich innerlich schonmal »Tschüss« zu den grauen Sackleinen, die ich permanent anziehen muss und freue mich auf bunte Klamotten, lustige Kumpis und ein Leben mit gewürztem Essen. Ganz ehrlich – da wo ich bin, bin ich falsch. Da wo ich hin will, bin ich´s auch. Aber da hab ich wenigstens meine Ruhe und was Nettes zu rauchen.

Auf dem Weg zu den Schalen der Entscheidung stolpere ich ein letztes Mal über den Saum. Hüstelndes Gelächter um mich herum. Mir wurscht. Ich konzentriere mich, mit dem Messer ordentlich in meine Hand zu schneiden. Sollte ja fix gehen. Danach nur noch kurz Blut in die Schale mit der Erde und auf in ein neues Leben. »Schuld eigen, wenn ihr Kinder nach ihrer Entscheidung fragt«, sage ich leise, bevor ich mir die Hand anritze.

Hinter mir wispert einer: »Na Puppe, weiter im Sacklook, gelle?« Wütend drehe ich den Kopf und funkle den Vollpfosten an. Plötzlich geht ein Raunen durch die Menge. Verdammt! Ich sehe gerade noch, wie mein Blut auf heißem Stein verdampft. Stinkt gewaltig – das mal nebenbei.

»D…d…das war aus Versehen. Darf ich nochmal?« Mit meinen größten und unschuldigsten Augen gucke ich den Aufsichtsmann an.
»Vergiss es. Du bist jetzt in unserer Armee. Mit Blut besiegelt.«

Fuck! FuckFuckFuck! Nix rauchen, nix bunt. Sport und Drill ein Leben lang. Kurz weicht jede Spannung aus meinem Körper. Aber dann, dann geht mir ein Licht auf. Jaaa, jetzt darf ich ja! Langsam drehe ich mich um. Ein paar Schritte nur und dann hau ich diesem Arsch im Publikum ordentlich eins in die Fresse.

Das Geräusch hätte ich mir schöner vorgestellt. Irgendwie hinterlässt meine Faust auf seiner Wange nur ein mittleres »Slitsch« und nen roten Fleck. Der Kerl plärrt zwar, aber doll ist nicht.

Auf dem Weg in meine neue Truppe fällt mir ein, dass das ein ziemlich guter Plot sein könnte. »Unbestimmte geht zur Truppe und rettet die Welt.« Oder so. Vielleicht liest das ja wer.

Ein betörendes Gefühl ergreift ihn. Ihr Gesicht direkt über ihm, kommt immer näher und näher.
In freudiger Erwartung schließt er die Augen – ein Kuss, etwas kräftig, aber vielleicht ist sie ja auch schon in Fahrt. Ihre Zunge fängt, an mit raschen Bewegungen sein Gesicht zu liebkosen.

Man, geht die ran, sind seine Gedanken. Nach Luft ringend, formt sein Mund einen Kuss zur Erwiderung, seine Augen ertrinken, die Zunge dieser geilen Frau bearbeitet sein Gesicht wie ein Propeller. Er kann nicht mehr, das ist zu viel des Guten! Er reißt die Augen auf und – Hugo?!
Sein Bernhardiner blickt ihn mit seinen treudoofen Augen an, macht „Wuff“ und springt vom Bett.

Auf dem Rücken liegend und mit klatschnassen Gesicht, dämmert es ihn, schon wieder, Hugo hat den Wecker gehört, er selbst natürlich nicht.

Seit seine Frau die Kinder an die Hände genommen hat, das Haus verlassen und ihm den Laufpass gegeben hat, war die Welt nicht mehr dieselbe. Wie er sie doch vermisst. Der Player spielt eine DVD in Dauerschleife ab, wo sie alle glücklich den letzten Urlaub, im Vorgarten verbrachten.

Er schwingt sich aus dem Bett, stößt die Flasche Whisky um, sie ist leer? Donnerwetter! Er läuft ins Bad, folgt dem Ruf seiner Blase. Bis Selbige die erfolgreiche Leerung meldet, hat er Zeit, sein Konterfei im Spiegel zu betrachten.

Eine gewisse Ähnlichkeit mit Hugo drängt sich fast auf, man müsste sich rasieren, aber nicht heute.
Die Dusche spült den letzten Rest der Müdigkeit fort. Das Trockenrubbeln der blassen Haut bringt den Kreislauf in Schwung. Vergnüglich pfeifend steht er im Schlafzimmer und begutachtet sein Hemd, auf seiner Sauberkeitsskala von -5 bis +5, sein Urteil fällt eine 0.

Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass er wieder zu spät kommt. Sein Handy reist ihn aus seinen Gedanken. „Hallo?, Herr Kommissar, wir haben einen Fall…“.


Ein winziger Beitrag von mir. Hier habe ich einiges reingepackt, was ich so als Klischee empfinde. Zugegeben meist in Filmen. Ich will knallharte Krimis sehen/lesen und da interessieren mich die Probleme der Kommissare – nicht die Bohne. Aber gut – das ist Geschmacksache…

Das magische Portal

Mit offenem Mund sah sie zu, wie sich das Portal vor ihr öffnete. Das Rubinmulett ihrer Mutter schien gegen ihren Hals zu pulsieren. Aus den Augenwinkeln sah sie noch die posterbehangenen Wände ihres Zimmers, vor sich eine ganze Landschaft. Wiesen und Wälder und in weiter Ferne eine nebelverhangene Burg in den Bergen. Das konnte doch nicht wahr sein! Sie musste träumen.
Mit angehaltenem Atem trat sie durch das Portal. Augenblicklich fiel es in sich zusammen. Erschrocken drehte sie sich um. Das Zimmer war verschwunden. Hinter ihr waren nur Felder und der Eingang einer Stadt. Wie seltsam alles aussah! Wie im Mittelalter.
Doch bevor sie sich von dem einen Schreck erholt hatte, musste sie zur Seite hechten. Ein Ritter in dunkler Rüstung hätte sie auf einem schwarzen Pferd beinahe zu Tode getrampelt. In ihrem Schreck schossen ihr blaue Funken aus den Fingerspitzen. Aber das konnte nicht sein, das musste sie sich eingebildet haben.
„He, pass doch auf!“, rief sie. Der Ritter hielt an und starrte sie durch das heruntergeklappte Visier an. Sie wurde sich unangenehm ihres Äußeren bewusst: ein viel zu zierliches Mädchen mit blonden Locken, saphierblauen Augen in Jeans und T-Shirt.
„Du bist nicht von hier“, stellte der Ritter mit bedrohlicher Stimme fest." Ehe sie antworten konnte, hatte er schon sein Schwert gezogen. „Wir haben Befehl, jede auffällige Fremde sofort zum König von Valendasien zu bringen. Wir suchen nach der, die das Königsamulett trägt. Vielleicht haben wir endlich Glück und du bist die Eine, auf die wir schon so lange warten.“
„Ich komme ganz sicher nicht mit“, protestierte sie. „Und ich bin auch bestimmt nichts Besonderes.“
Die Schwertspitze legte sich kalt unter ihr Kinn. „Das werden wir ja sehen“, sagte er.

Die zersägte Jungfrau

Völlig beschwipst sah ich meine Welt durch eine rosarote Brille. Ich hatte mit meinen Mädels mal wieder viel zu viel Spaß gehabt. Torkelnd wollte ich zur Bar gehen, um mein halb volles Martini Glas auf füllen zu lassen, als ich auf einmal den seltsam ominösen, attraktiven Kerl sah.

Es war ein Mann mit einem schwarzen Zylinder, einem Umhang mit Glitzersternen und ein weißes Kaninchen saß auf seiner Schulter. Perplex schaute ich zwischen meinem halbvollen Getränk und dieser mysteriösen Erscheinung hin und her. „Ich muss wohl doch betrunkener sein als gedacht“, murmelte ich vor mich hin. Nach mehrmaligen Blinzeln, stand der Kerl mit Umhang, Zylinder und Kaninchen immer noch an der Bar.

„Ich trinke nie wieder Alkohol“, schwor ich mir feierlich auf dem Weg zur Bar.

„Machen Sie mir noch einen Martini“, bat ich den Barkeeper „denn ich sehe schon Zauberer“ erzählte ich ihm lallend.

„Sind Sie sich sicher, dass das eine gute Idee ist?“ meldete sich der seltsame Kerl mit dem Umhang zu Wort. „Es sieht ganz danach aus, dass Sie schon ein paar Drinks intus haben!“

Empört drehte ich mich zu ihn um „Das geht dich gar nichts an. Du bist doch der Freak mit dem Zylinder und den Umhang und nicht ich“ schnauzte ich den Mann an „Was ist dein Problem, du Möchtegern-Zauberer?“

„Mein Problem ist, dass meine Assistentin verschwunden ist“ murmelte der Zauberer vor sich hin. „Ich brauche dringend eine Jungfrau für den Trick mit der Kettensäge und dem Sarg“

„Du hast deine neue Jungfrau gefunden“ erzählte ich stolz. Denn mein Mund war mal wieder schneller, als mein vernebeltes Hirn denken konnte. Ausführlich musterte mich der Zauberer. Nach einem weiteren kritischen Blick, hatte ich auf einmal den Job als seine Assistentin.

„Sei morgen pünktlich um 10 Uhr im Zirkus auf dem Hauptmarkt“ brüllte mir der Magier noch hinterher, als ich mich freudestrahlend auf den Weg zu meinen Mädels machte.

Am nächsten Morgen wachte ich völlig verkatert und mit tierischen Kopfschmerzen auf. Während ich noch im Halbschlaf war, viel mir plötzlich ein, was ich gestern in meinem betrunkenen Zustand gemacht habe. „Das ist doch hoffentlich alles nur ein schlechter Traum gewesen“, schimpfte ich erschöpft vor mich hin, als ich mich auf dem Weg machte.

„Es freut mich sehr, dass du dich an unsere Abmachung erinnert hast, du kleine Schnapsdrossel“, begrüßte mich der Kerl mit dem Zylinder, als ich beim Zirkus eintraf.

„Wir werden jetzt „Die zersägte Jungfrau“ proben, denn die Nummer muss heute Abend auf unserer Show funktionieren. Da du jetzt meine Assistentin bist, hast du keine andere Wahl, als dich zersägen zu lassen.“, informierte mich der Zauberer. „Übrigens mein Name ist Finley“

Begeistert steckte mich Finley in den Sarg und holte die Motorsäge hervor. „Moment mal, was machst du da?“ Erschrocken sah ich Finley an. „Na ich zersäge jetzt den Sarg und somit auch dich, und danach setzte ich in den Sarg wieder zusammen und dann steigst du unversehrt wieder heraus. Sag bloß, du kennst die Nummer nicht“, sagte Finley fragend zu mir. „Doch na klar, kenn ich die Nummer. Es weiß doch jeder, wie die geht“ antworte ich trotzig.

„Na dann ist es ja gut.“ meinte Finley mürrisch zu mir.

Es ist eine ganz schlechte Idee, sich betrunken mit einem Zauberer einzulassen. Noch schlechter ist es, wenn man sich in seinen mürrischen Chef verliebt und die absolute Katastrophe ist es, sich von ihm in zwei Hälften zersägen zu lassen.

Der Morgen danach

„Guten Morgen! Grunzi, mein Kleiner, aufwachen! Aaaaaaaaah!!! Hilfe!!“
Plötzlich war es hell und sofort verspürte Grunzi heftige Kopfschmerzen. Schnell schloss er die Augen wieder.

War das gestern ein Abend gewesen! In Gross-Tadt hatte das Fest zu Ehren der dreihundertsechsundachtzig Götter stattgefunden!
Nicht dass irgendeiner in der Gegend an alle diese Götter glaubte, und es glaubten auch nicht sehr viele an ein- oder zweihundert von ihnen. Wahrscheinlich würden sich auch nur wenige finden, die an zehn oder fünfzehn der Götter glaubten. Genau genommen glaubten die meisten Leute nicht mal an einen einzigen Gott. Aber da jeder wusste, dass zumindest dreihundertfünfundachtzig der Götter hinterhältige, gewalttätige Monstren waren, die es ganz besonders auf kleine, dicke Zwerge abgesehen hatten, herrschte eine furchtbare Angst vor den Göttern.
Ich meine jetzt nicht solch eine Angst, wie man sie vielleicht vor einem Wolf hätte, der lechzend mit Schaum vor seinem mit messerscharfen Reißzähnen bestückten Maul über einem liegt. Nein, vielmehr Angst, wie sie Grunzi zum Beispiel immer vorm Größerwerden gehabt hatte. Der Nachteil am Größerwerden ist, dass man nicht größer wird. Das heißt, die meisten Wesen schon, aber eben die Zwerge nicht. Und das ist schon ziemlich peinlich.
Grunzi hatte oft diesen Traum gehabt, dass er eines Tages in eine nette Boutique gehen würde und alles, was es dort in seiner Größe gäbe, wäre ein Matrosenanzug.
Nunja, jedenfalls hatten also alle Zwerge weit und breit schreckliche Angst vor ungefähr allen Göttern und aus diesem Grund wurde alljährlich ein großes Fest zu Ehren der Götter gefeiert. Dabei wurden dann regelmäßig Geldbeträge in Höhen, wie sie sonst nur weltberühmte Schauspieler bei einem Blockbuster verdienten, für Opfergaben gespendet.
Um dann noch das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden, hatte man sich entschlossen, dass die Opfergaben ausschließlich aus Bier bestehen sollten, das man dann, weil‘s zum Wegkippen zu schade war, in die eigenen Kehlen goss. Das hatte zusätzlich den angenehmen Nebeneffekt, dass alle Zwerge ihre Furcht vor den Göttern völlig vergaßen.
Gestern Abend hatte nun dieses Fest seinen Abschluss gefunden und Grunzi hatte sich amüsiert. Der Höhepunkt des Abends war gewesen, als er eine Zwergin in seinem Alter gesehen hatte.
Allerdings war er leider nicht an sie herangekommen, da sie von einer riesigen Traube männlicher Zwerge umlagert worden war und es ihm nicht gelungen war, sich bei den Raufereien um die vorderen Plätze durchzusetzen.
Und dann war da dieser Elf aufgetaucht, der allen Ernstes zu den Zwergen gekommen war, um ihnen Gedichte über bunte, duftende Dinger, die man gelegentlich an oder in Wiesen antrifft, vorzutragen. Die Zwerge hatten unter den Tischen gelegen vor lauter Lachen und richtig spaßig war es dann geworden, als Grunzi angefangen hatte, schmutzige Witze über Elfen zu erzählen.

Doch, der Abend hatte sich gelohnt. Seltsam, dass ihm der Schädel so brummte, auch hatte er sich wohl ins falsche Bett gelegt, denn er hatte das Gefühl, dass die Hälfte seiner Beine sich außerhalb der warmen Decken und sogar außerhalb des Bettgestells befand. Grunzi schwang sich mit einem Ruck aus dem Bett und öffnete die Auau…
Da donnerte er herzhaft mit dem Kopf gegen die Decke, verlor das Gleichgewicht und fiel wieder ins Bett. Irgendwas stimmte hier doch nicht, hatte er sich aus Versehen in einem Karnickelbau verkrochen? Eigentlich sah das ganz nach seinem Zimmer aus und - ja, es war sogar sein Bett. Fragte sich nur, was das für lange, dünne, fleischfarbene Dinger waren, die da über den Bettrahmen ragten?
„Häääh?“ entfuhr es Grunzi, als er durch Betasten feststellte, dass es sich wohl um seine Beine handelte. Gestern waren die noch kurz, dick und behaart gewesen.
Er kniff die Augen zu und schlug seinen Kopf heftig an die neben dem Bett gelegene Wand. Dann öffnete er sie wieder, aber es sah alles noch so aus wie vorher, wenn man mal davon absieht, dass der Raum jetzt etwas Schwierigkeiten hatte, sich im Gleichgewicht zu halten und dass eben sein Vater mit einem Schlachtbeil in der Hand ins Zimmer gestürmt kam, gefolgt von seiner schreienden Mutter.
Hatte er etwa gestern Abend, als er schon ordentlich die Lichter an hatte, das letzte Klopapier genommen und kein neues hingestellt?
Der Vater blieb stehen, vollführte mit dem Beil mehrere Schläge in die Luft und einen in die Lampe und bellte: „Was machst du verdammter Nichtsnutz hier und wo ist unser Sohn?“
„Jetzt, mal ganz ruhig, Vati. Ich…“
„Vati? Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank!“, war die prompte Antwort von Grunzis Vater, der nebenbei versuchte den Schemel zu zerhacken.
Nun fielen Grunzi seine merkwürdigen Gliedmaßen wieder ein. Vielleicht wirkte das etwas verwirrend auf seinen Vater? „Ja, also, …ich weiß auch nicht genau weshalb meine Arme und Beine auf einmal so komisch sind.“
Sein Vater glotzte dämlich. „Lass die Sprüche, Elfengesocks und…“ - den Rest verstand Grunzi leider nicht mehr, da er vor Schreck aus dem Bett purzelte und mit den langen Gliedern gegen mindestens sieben Wände stieß. Als er sich wieder geordnet hatte, schaute er noch einmal genauer hin.
Tatsächlich! Das waren die Arme und Beine eines Elfen! Auch der Kopf fühlte sich seltsam an…
„Der ist ja noch vollkommen besoffen!“, war von seiner Mutter zu hören, gerade als Grunzi bei den Ohren ankam. Spitz!! Er stieß einen entsetzten Schrei aus! „Mammi, Vati, was ist mit mir los? Ich bin ein Elf!“
Die Eltern sahen aus, als überlegten sie, wo sie noch gleich die Zwangsjacke hätten.
„Aber ich bin Grunzi, euer Sohn und ihr seid meine geliebten Eltern! Mammi die nennst mich doch immer dein Knödelchen! Ich hab’ dreiundzwanzig Tage vor der Sonnenwende im Jahr siebenundfünfzig nach dem Krieg gegen die Horden vom Gahhhhrbrrrr dem Gräulichen, dem unsichtbaren Thronfolger von Febb, Geburtstag und bin damit jetzt… äh, äh, hundertfünfundfünfzig.“
Seine Mutter bekam einen Schreikrampf: „Nein, nein, wie schrecklich!“ Anklagend brüllte sie ihren Mann an: „Und ich hab’ dir damals gleich gesagt, du sollst nicht diesen Liebestrank nehmen! Jetzt ist der Junge magisch verhunzt!“

Hier kommt dein Titel hin (lösch die Zeile, wenn du keinen hast)

Ersetze diesen Text mit deinem Beitrag.

Hansi Hinterlader & Laura Wemser präsentieren: se6s

Wenn dir Shades of Grey zu bunt war und die Geschichte der O zu wenig Buchstaben hatte

Kapitel Love :kiss:
Wie schön; bin wach. Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen, krabble gähnend aus dem Bett und auf dem Weg ins Badezimmer, rutsche ich auf meinen Knecht Ruprecht Kuschelsocken aus und leg mich mit Schwung bis wenig elegant auf die Nase. Ich bin aber auch tollpatschig. Lach!

Leicht benommen schwanke ich ins Bad und bewundere mich im Spiegel. Ich liebe meine tiefgrauen Haare einfach. Sie gehen mir sogar schon bis über den faltigen Hintern und sehen immer noch unverschämt gesund aus.

»Deine großen, blauen Augen sind so tief wie hundert Bergseen«, sagte Lance letztes Wochenende zu mir, als er versuchte, mich auf dem Weihnachtsmarkt zu küssen, und er hatte damit natürlich nicht unrecht. Mein Schlafzimmerblick bringt Männer auch heute noch reihenweise um den Verstand. Besonders nach drei Tassen Glühwein.

Es klingelt. Das wird Bruce sein. Ich mache ihm auf und hab’ noch locker viel Zeit, mich für ihn schick zu machen. Bis mein Liebling mitsamt der Gehhilfe die Treppen rauf ist, habe ich zweimal geduscht.

Wenn ich mich nur entscheiden könnte! Beide machen mich ganz wuschig. Soll ich mich lieber dem liebenswerten, aber mittellosen Lance hingeben, oder lieber doch besser dem etwas älteren, dafür vermögenden Bruce in die Seniorenresidenz folgen?

Ich hoffe, mein leidenschaftlicher Bruce hat an die Duftkerzen gedacht. In unserem Alter ist Sex keine Frage der Ausdauer, sondern der passenden Beleuchtung.

Ich kann es kaum erwarten, dass er mich gleich in seine starken Arme nimmt und mich von Kopf bis Fuß mit Küssen beschenkt.

Heute Abend werde ich mich von seiner flinken Zunge verwöhnen lassen, nur bitte, lass ihn diesmal seine Brille dabeihaben. Ich will mir nicht schon wieder einen roten Punkt auf die Klitoris malen müssen. Auch wenns, zugegeben, ganz lustig war.

Dabei fällt mir ein: Warum zum Teufel liegt da eigentlich Stroh in meinem Waschbecken?

Schneewittchen’s vergifteter Apfel

Der Pub war ebenso duster wie in höchstem Maße unseriös. Nur die dunklen Gestalten waren noch zwielichtiger, die an grob gezimmerten Holztischen überschwappendes Bier tranken, Karten spielten und alle eins gemeinsam hatten: Sie wollten bloß nicht dabei ertappt werden. In einer noch finsteren Ecke saß verträumt Schneewittchen. Sie biss gerade in einen vergifteten Apfel, der natürlich zum Anbeißen lecker aussah. Nur der Prinz-ein Coca Cola trinkender, amerikanischer Held mit Zahnpastalächeln, wirkte noch ein bisschen perfekter wie er da am Bartresen lehnte. Er hatte gerade wieder kurz die Welt gerettet noch bevor es Zeit für ein Mittagessen war. Selbstverständlich hatte sich die Alieninvasion ganz plötzlich ereignet, als er mitten in einem ganz besonders langweiligen Meeting mit seiner bösen Stiefmutter gesessen hatte. Aliens suchten sich auch wirklich immer diese Meetings aus, die jeder so schnell wie möglich einfach nur verlassen wollte oder Schulstunden oder erste Dates. In einem heldenhaften Zweikampf hatte der Prinz den furchtbarsten Alien des heutigen Tages besiegt, von dem vorher noch nie jemand gehört hatte. Morgen würde sich ein noch viel furchtbarer Alien mit noch hässlicherem Schleimgesicht auf den schwindelerregend hohen Dächern der Stadt mit ihm duellieren. Genauso wie übermorgen und dem Tag danach. Die leichten Blessuren auf Stirn und linker Wange verliehen dem Prinzen diese Ausstrahlung aus Sexyness und Verletztheit, die er nur in völlig nacktem Zustand, noch selbst übertreffen konnte. Seine wunderschönen, leicht melancholischen Augen, wanderten suchend durch den schmuddligen, lauten Ausschankraum. Wie gebannt fiel sein Blick auf Schneewittchen; ihre blutroten Lippen und den noch tiefer blutrot gefärbten Apfel. In diesem Augenblick durchschoss es den Prinzen wie ein Blitz. Zwei Dinge wusste er da plötzlich mit der Gewissheit eines Sherlock Holmes:
Erstens, diese Frau, die aussah wie aus einem Märchen entsprungen, war diese eine, nach der er so lange gesucht hatte-sie waren einfach füreinander bestimmt den Rest ihrer Leben glücklich und verliebt miteinander alt zu werden. Zweitens, war der zu neun drei vierteln bereits verputzte Apfel, natürlich vergiftet. Aus seiner langjährigen Erfahrung mit Aliens kannte er sich auch mit Verbrechen jeglicher Art aus-so wie Ärzte, eben auch von allem eine Ahnung hatten-vom Magengeschwür bis zum Pariser Stadtverkehr. Schneewittchen hatte den schweren, polternden Stiefelschritt des Prinzen bemerkt, der jetzt vor ihr stand und sie besorgt beäugte. Sie würde wohl gleich die Wirkung des Giftes spüren und ohnmächtig zusammenbrechen, damit der Prinz sie in seinen starken Armen auffangen könnte. Ein zarter Kuss, der wahren, reinen Liebe, die er in den letzten Sekunden für sie entwickelt hatte, würde sie wieder aufwecken und schließlich retten-pünktlich zum britischen Tee. Angestrengt kaute Schneewittchen besonders gründlich auf dem letzten Apfelstück herum. Sie hatte vor Stunden schon ein Antidot getrunken, das ihre beste Freundin, ein Genie mit drei Professorentiteln noch bevor sie den letzten Milchzahn verloren hatte, sofort erfunden hatte. Schneewittchen hatte der bösen Stiefmutter nicht getraut, als sie ihr plötzlich so nett einen Korb mit Äpfeln mit gegeben hatte. Schneewittchen würde nur eine leichte Migräne bekommen und als sie den siegesgewissen Blick des Prinzen sah, der romantische Abendessen im Kerzenschein mit Wundverpflasterung und endlose Anschmachtungen, versprach-da wollte sie diese Migräne plözlich ganz unbedingt haben.

Stechuhr

Klack klack.
Einstechen, wenn sie kommen, ausstechen, wenn sie gehen.
Klack klack.
Jede Minute, ja, sogar jede Sekunde wird erfasst.
Klack klack.
Wehe Sie kommen zu spät, das wird vom Lohn abgezogen. Denn Zeit ist Geld und beides wird nicht verschenkt.
Klack klack.
Klare Vorschriften, klare Anweisungen, an die sich jeder zu halten hat. Tag ein, Tag aus.
Klack klack.
Vertrauen? Natürlich vertrauen wir Ihnen, aber es gibt leider auch Personen, die sich bestimmt ihre Zeiten aufrunden. Wir gehen nur auf Nummer sicher, damit es für alle Beteiligten fair bleibt.
Klack klack.

Neueste Schlagzeile: Seit Einführung der Stechuhr gibt es mehr Überstunden als zuvor!
(Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Fragt sich nur, für welche Seite.)

Die Sterntaler

Es war einmal, ein ach so kleines Mädchen Namens Inopia, deren Eltern verstorben waren. Sie war so armselig, da sie nichts mehr besaß außer ihre Kleider. Von einem barmherzigen Mensch hatte sie einen trockenen Kanten Brot geschenkt bekommen, der wohl sonst im Trog gelandet wäre. Inopia zog hinaus in die weite Welt. Die Hoffnung auf ein besseres Leben, mit dem Vertrauen auf Gott im Herzen, wanderte sie durch das Land. Da sie nicht allein auf der Welt lebte, begegnete sie einem noch ärmeren Menschen. Dieser fragte nach einem Stück Brot. Sie musste es wohl stolz sichtbar vor sich her getragen haben, da der Fremde genau danach fragte. Da Inopia auf ihre Figur achten wollte, verzichtete sie auf den Kanten und schenkte es dem armen Bettler mit den Worten: „Gott segne es dir“, und lief weiter.
Aber sie war nicht das einzige Kind, welches allein durch das Land streifte. Ein jämmerlicheres Mädchen wie sie selbst, sprach sie an und wollte etwas, womit sie ihren Kopf bedecken konnte. Die Haare zu verdecken war diesem so wichtig, wenn man nichts mehr hat, außer sich selbst. Sie gab dem Mädel ihre Mütze und lief weiter, bis es dunkel war. Kurze Zeit später traf sie wieder auf ein heimatloses Kind, welches bitterlich fror. Irgendwo musste ein Nest sein, voll armer bedauernswerter Geschöpfe, die alle nur auf Inopia warteten. Das Kind war wohl nackt, da Inopia ihr sogar ihr letztes Hemd schenkte.
Nackt, ohne Essen, mitten in der Fremde und umgeben von tiefster Dunkelheit, waren wohl der Inbegriff von Frömmigkeit, wer sonst käme auf die Idee, sich der Gottgläubigkeit so verpflichtet zu fühlen.
Aber am ENDE wird sie reich entlohnt. Sterne als Taler fallen vom Himmel und liegen ihr zu Hauf vor den Füßen. Eine Sternschnuppe aus Leinen war wohl auch dabei, da sie mit einem neuen Gewand belohnt wurde. Nun ist es Inopia überlassen, wie sie all die goldenen Taler aufsammelt und mit ins Nirgendwo nimmt. Dort trägt sie "des Kaisers neuen Kleider". Reich und ohne finanzielle Sorgen vegetiert sie bis an ihr Lebensende, um festzustellen dass der echte Reichtum nicht mit Gold zu bezahlen ist. Dieser liegt tief im Herzen verborgen…

Dieses Thema hat mir echt Spass gemacht, da dies meine erste Parodie ist, seit großzügig mit Kritik. Lilly

Krimi am Land

„Herr Krumbauer?“
„Wer will das wissen?“, brummt es hinter dem aufgeschlagenen Sportteil der Tageszeitung hervor.
„Grüß Gott! Ich bin Lilli Roth, ihre neue Aspirantin“, stelle ich mich bei meinem neuen Vorgesetzten vor.
Er klappt den Sportteil zusammen und nimmt die Füße vom Sekretär. Sein Blick mustert mich von oben bis unten. Murmelt etwas, das ich nicht verstehe. Das Handy am Schreibtisch beginnt im Folgetonhorn eines amerikanischen Streifenwagens zu läuten.
„Wer stört?“, blafft Krumbauer ins Gerät. Stille. „Willst Du mich verarschen? … Wo seid Ihr? … Alles klar, wir sind in fünfzehn Minuten bei Euch. Greift nichts an. Eh schon wissen.“ Krumbauer schaut mich an, als ob er vergessen hätte, wer ich bin und was ich hier zu suchen hatte. Schüttelt den Kopf und sagt: „Sie werden sich jetzt vielleicht wundern, aber wir haben einen Mord.“
*
Wir fahren zu dem idyllischen kleinen Weiher des 1400 Seelen-Ortes. Die Sonne scheint. Wie kann jemand in so einer Umgebung bloß jemanden umbringen?
Der Inspektor hebt das Absperrband der Spurensicherung hoch und geht vor. Ein nackter dürrer Männerkörper steckte kopfüber im schlammigen Uferbereich. Es schaudert mich bei dem Anblick. Die Leiche ist wie ein verkehrt Gekreuzigter an den Pfeilern des Bootsstegs gebunden. Die Arme seitwärts an den Steg gefesselt. Über und über weist er Hieb- und Stichwunden auf. Als hätte jemand versucht, ihm ein makabres Tattoo zu verpassen. Als ich bemerke, dass der Tote keine Geschlechtsorgane mehr hat, kommt mir beinahe das Frühstück hoch. Der Revierinspektor sagt trocken: „Also, nach einem Unfall schaut mir das nicht aus.“ Er wirkt nachdenklich und massiert seinen Dreitagesbart. „Dann schauen wir nach, wer das ist.“
Das Gesicht des Toten ist voller Schlamm und Seegras. „Das ist der Gustl Löbinger, oder?“, bespricht er sich mit dem anwesenden Amtsarzt.
„Ja. Eindeutig.“
„Kommen Sie mit, Fräulein Roth! Wir befragen jetzt die Tatverdächtigen.“
Ich ärgere mich still über das Fräulein.
„Wir müssen die Angehörigen verständigen. Seine Schwägerin arbeitet im „Güterverkehr“. Wir schauen dort einmal vorbei.“
*
Wir halten vor einem rosa gestrichenen Haus mit eindeutigen Beschriftungen.
„Das „Güterverkehr“ ist ein Bordell?“ Fragend schaue ich meinen Vorgesetzten an.
Wir betreten das Lokal. Es riecht nach kaltem Zigarettenrauch und Alkohol. Die Fenster sind mit Folie beklebt, so dass kaum Tageslicht ins Innere fällt. Alles wirkt schmutzig und ungemütlich. Ich frage mich, wie bei so einer Umgebung Erotik aufkommen soll. Eine Frau in einem Hello-Kitty-Hausanzug steht hinter der Theke.
„Sepp! Du bist ein bisschen früh dran.“ Sie begrüßt den Revierinspektor mit zwei Küssen auf die Wangen. Er erzählt ihr von dem Toten und fragt: „Woran ist eigentlich seine Frau, deine Schwester gestorben?“
Sie ist am Grab unserer Mutter von deren Grabstein erschlagen worden. Er bemerkt meinen fragenden Blick. „Löbinger ist wegen seiner Frau aus der Kirche ausgetreten. Was besonderes Aufsehen erregt hat, er war nämlich Pfarrer.“
„Wie bitte?“
„Das Glück hat leider nicht lange gehalten. Dann ist der Unfall passiert. Seitdem hat er sich total zurückgezogen.“
Zehn Minuten später sitzen wir wieder im Wagen. „Wo soll ich hinfahren?“ Krumbauer neben mir tippt auf seinem Handy herum. Aus den Augenwinkeln erkenne ich irgendwelche Sportergebnisse. „Glauben Sie, der Mord hat einen religiösen Hintergrund? Ich meine wegen der seltsamen Art und Weise, in der die Leiche am Steg festgebunden war?“, erkundige ich mich neugierig.
„Möglich.“ Krumbauer sieht auf seine Armbanduhr. „So. Feierabend, Frau Kollegin. Heute gibt es ein wichtiges Spiel, das will ich nicht versäumen.“
*
Ich sitzte noch immer unschlüssig im Streifenwagen. Dann beschließe ich, noch einmal zum Tatort zu fahren. Ich habe keine Lust auf meine neue Wohnung. Dort warten nur eine Unmenge an Übersiedlungskartons auf mich.
Ich stelle den Streifenwagen ab und gehe eine Runde um das Bootshaus. Auf einem der Büsche glitzert etwas. Ich schaue genauer hin und finde ein Armband. Hello Kitty. Ich hole ein kleines Plastiksäckchen aus dem Streifenwagen und tütet das Schmuckstück ein. Dann fahre ich damit zum Amtsarzt.
*
Krummbauer sitzt in seiner Lieblingshaltung am Schreibtisch. Füße auf dem Tisch, Handy in der Hand.
„Das Labor hat angerufen. Auf dem Armband haben sie die selbe DNA gefunden wie unter den Fingernägeln der Leiche. Wir fahren noch einmal zum „Güterverkehr“.
Während der Fahrt verliert Krumbauer kein Wort. Die Sportergebnisse auf seinem Handy sind wieder interessanter. Erst vor Ort kommt ein kurzes Lob: „Gute Arbeit, Frau Kollegin.“

Beim „Güterverkehr“ treffen wir auf weitere Fahrzeuge der Spurensicherung und dem Einsatzkommando. Wir betreten das Lokal. Die Puffmutter ist ungeschminkt.
„So Ludmilla, hast du uns etwas zu sagen? Vermisst du vielleicht etwas?“
Sie schaut Krumbauer müde an.
Er legt ein Blatt vor sie auf den Tisch. „Das ist ein Durchsuchungsbefehl. Wir haben da so ein Gefühl, als ob wir in deiner Gefriertruhe ein paar spezielle Eier finden könnten. Hast du übrigens schon von moderner DNA-Analyse gehört? Inzwischen kann man kleinste Hautpartikel an allen möglichen Gegenständen feststellen. Außerdem vermisst du das hier sicherlich.“ Er zieht das Tütchen mit dem Armband hervor.
Ludmilla stützt den Kopf auf beide Hände und beginnt zu weinen. „Er ist vorgestern hierher gekommen. Zuerst hat er sich ganz normal mit mir unterhalten. Wir haben was getrunken. Ich habe zu viel erwischt. Irgendwie habe ich ihm gebeichtet, dass der Grabstein damals, der Birgit erschlagen hat, nicht von selbst umgekippt ist. Da ist er aufgesprungen und hat mich geschüttelt wie ein Wahnsinniger. Ich habe ihm gebeichtet, dass ich es nur aus Liebe zu ihm getan habe. Doch er wollte nichts von mir wissen. Das wollte er nie. Ich habe meine Schwester ganz umsonst um die Ecke gebracht. Ich war so wütend.“ Sie springt auf und wirft den Stuhl dabei um. „Er war auch wütend. Ich hatte Angst, er bringt mich um. Da habe ich ihm den Pokal vom Kegelverein auf den Kopf gehauen. Dann habe ich das Orangenmesser von der Theke geholt und habe meinen ganzen Frust an ihm ausgelassen.“
„Und die Genitalien?“
„Die habe ich im Garten vergraben. Wenn man so lange in diesem Gewerbe arbeitet, wie ich, wünscht man sich sehnlichst, die Dinger einfach abzuschneiden. Das ist das Einzige, was ich nicht bereue.“

Titanic

»Kannst Du mir verzeihen?«
Sie schaute ihn über den festlich gedeckten Tisch hinüber an mit einem leicht unterwürfigen Blick und legte sodann ihre Hand auf die seine, vorsichtig, ohne jeglichen Druck. Leicht wie ein Vogel lag sie da. Durch den Stoff ihres eleganten Handschuhs hindurch spürte sie seine vertraute Wärme, die eine für diese Situation doch unerwartete Erregung auslöste.
Die Kapelle spielte »Heaven, I´m in heaven«, und der ganze Speisesaal schien ganz langsam zum Ausgang hin zur Seite zu kippen.
Er schnippte achtlos mit der rechten Hand ein paar Weißbrot-Krümel vom Smoking, fragte sich im gleichen Moment, woher er die Lässigkeit für diese Geste nahm, und bedeckte sogleich ihre Hand, die immer noch auf seiner Linken ruhte.
Im Hintergrund waren Schreie zu hören, doch er richtete seinen Blick ganz auf ihre Augen, atmete tief durch, sie beide zwangen sich dazu, in diesem Blick zu versinken, wohl wissend um die unwiderbringliche Einmaligkeit dieses Augenblicks.
»Aber natürlich, meine Liebe,« sagte er.
Das Schlagzeug setzte aus, weil es Richtung Tür rutschte, der Musiker allerdings mit seinem Hocker bei der Band blieb.
»Dann kannst du es jetzt auch einmal sagen. Sag es, ich muss es einmal hören, was haben wir nun noch zu verlieren?« Sagte sie und stürzte den Rest des Champagners herunter und setzte das Glas mit einer theatralischen Geste ab.
Ein markerschütterndes Tuten erklang, schwarzer Rauch zog am Fenster vorbei.
Zwei Paare liefen panisch zum Ausgang.
»Nun denn,« sagte er jetzt laut, denn die Kapelle versuchte den fortschreitenden Ausfall einzelner Instrumente durch Lautstärke wettmachen zu wollen.
»Ich liebe dich!« rief er und dann gleich ein zweites Mal »ich liebe dich!«
Er hatte sich besiegt und sank erschöpft auf seinem Stuhl zusammen.
»Warum nicht gleich so?« Dachte sie amüsiert, »warum muss erst eine Katastrophe eintreten, um wesentlich zu werden?«
»Und ich liebe dich auch. Alles andere hat keine Bedeutung.«
Und schon rutschten sie mit dem Tisch und der ganze Raum rutsche und das ganze Schiff legte sich schließlich auf die Seite.