Seitenwind Woche 1: Gäste im Geisterhaus

Eisiges Anwesen

Zweihundert Jahre lang wagte niemand einen Schritt auf meinen unantastbaren Boden aus alter solider Eiche. Jene, die es wagten, bereuten es kurze Zeit später und suchten das Weite. Eiskalter Wind huscht durch meine Dielen, die knirschen und ächzen wie der Körper Elizabeth Cooks in den letzten Jahren ihres Lebens.

Sie war meine Schöpferin und erhabene Eigentümerin, die exakt am heutigen Tage vor zwanzig Jahrzehnten, den 13. Mai 1835 starb und die Briefe ihres Mannes, dem Entdecker James Cook verbittert verbrannte. Seitdem bin ich alleine, wache über ihr Anwesen mit ruhiger Hand.

„Hey, was ist das? Ist da jemand?“, frage ich mich, als ich ein lautes Klirren im Erdgeschoss vernehme und aufhorche.

„Wer hat es gewagt, das teure Glas eines Fensters einzuschlagen?!“, spreche ich mit wütender Stimme.

Meine Augen, eingebettet in den Kopf eines riesigen geschnitzten Seeadlers, der über dem Foyer wacht, erblicken drei Gestalten mit seltsamen flachen Geräten in den Händen. Drei grelle Lichtkegel erhellen die düstere Finsternis, die umher tanzen und den Eingangsbereich erstrahlen lassen.

„Was sucht ihr hier?! Verlasst sofort meine Gestade, ansonsten werdet ihr es bereuen und eures Lebens nie mehr sicher sein“, schreie ich die Störenfriede inbrünstig im tiefen Ton an.

„Ha, was um Himmelswillen war das?“, höre ich eine weibliche Stimme bibbernd sagen.

„Patricia, wahrscheinlich ist es der Hausgeist…haha!“, witzelte eine Männerstimme, die hinter ihr stand.

„Ich liebe deine Scherze Leo, doch der war jetzt absolut unangebracht“, erwiderte Patricia ermahnend.

Fluchtartig wirbeln die Lichtkegel umher, strahlen verwirrt durch das Foyer, als ein Lichtstrahl mein linkes Auge trifft und stehen bleibt.

„Hey, schaut euch diesen gigantischen Vogel an. Seine roten Augen machen mir Angst“, vernahm ich eine zweite Männerstimme.

Als ich diese Worte vernahm, ließ ich meine Augen blinzeln und sie direkt in die Augen dieses Kerls blicken.

„Leute, wir sollten hier schleunigst verschwinden!“, riet die zweite Männerstimme, als sie einen Schritt zurückwich.

„Warum Hank?!“, wollte Leo wissen und blendete mich mit seiner Funzel.

Jetzt reicht es mir und bewege meine Schwingen, löse mich aus der eisernen Verankerung und gleite einen gällenden Schrei ausstoßend knapp über die Köpfe der drei Eindringlinge hinweg.

„Genau deshalb!!“, bölke Hank, gefolgt von Leo und Patricia, die schnellen Fußes durch das Fenster sprangen und auf Nimmerwiedersehen in der Dunkelheit verschwanden.

„Brav gemacht mein wachsamer Adler“, spreche ich dankend zu meinem Beschützer, der über mich wacht.

In Zukunft wird keine Menschenseele es versuchen überhaupt nur einen Schritt in mich zu wagen, dafür habe ich nun gesorgt.

Freund

Ich höre, wie die Spinnen durch die kleinen Ritzen in meinen Wänden krabbeln, wie sie ihre Netze spannen und die wenigen verirrten Fliegen fangen. Lange sind die Tage her, in denen ein alterndes Dienstmädchen die kleinen Tiere verscheucht hat. Damals brannte auch noch ein lauschiges Feuer im Kamin, sobald der erste Frost meine Fenster zum Erzittern gebracht hatte.

Wie ich diese Tage vermisse. Doch seitdem war viel passiert. Auch grausames. Es schüttelt mich und meine Fensterläden klappern und quietschen unheilvoll.

Draußen ist ein Geräusch. Ein Schrei. Das Bellen eines Hundes. Wahrscheinlich nur ein Spaziergänger, den ich erschreckt habe. Denn das bin ich nun: ein Schreckenshaus, das dunkle Geheimnisse beherbergt.

Wie gerne ich einmal wieder Bälle und Abende getränkt von Alkohol und Kartenspielen beherbergen würde. Doch so etwas tut man in einem Gespensterhaus nicht. Man kommt höchstens bis auf die Veranda gerannt, tippt mit einem Finger an meine Eingangstür und rennt grölend und schreiend wieder davon.

Dabei träume ich von nichts sehnlicher als einem Geisteraustreiber oder Häuserflüsterer wie sich manche mittlerweile nennen. Denn die Schrecken der Vergangenheit plagen nicht nur die Menschen, nein sie erdrücken auch mich. Ich bin kein Monster, doch das sehen die Leute nicht. Mein Schmerz macht ihnen Angst, mein blutendes Herz vertreibt sie.

Oh, wer da? Eine hochgewachsene Frau in Hosenanzug, Mantel, Hut und mit einem Aktenkoffer streicht liebevoll über meinen Zaun. Es schaudert mich, dass meine Balken knarzen.

Sie blickt herüber und legt ihre Hand auf das Tor. „Ich komme jetzt in deinen Garten. Ich will dir nichts Böses. Ich bin hier, um dir zu helfen.“ Und tatsächlich öffnet sie langsam und behutsam das Tor und schreitet über den verwilderten Weg auf mich zu. Sie winkt mir sogar.

Es schüttelt mich, doch statt zu schreien oder gar hinfort zu rennen, bleibt sie nur stehen und betrachtet mein ramponiertes Äußeres. „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, liebes Haus. Dabei bin ich doch hier, damit wir Freunde werden.“

Freunde. Endlich wird alles besser, ich weiß es.

Goldrausch

Überraschung. Taschenlampenbesuch. Gleich drei auf einmal. Reicht ihnen der Mondschein nicht? Hallo Käuzchen, hörst du mich? Dafür, dass du bei mir wohnst, könntest du mir einem Dienst erweisen.

“Was, kann ich tun?“

Sobald sich eine Wolke vor die Mondscheibe schiebt, sie das Licht schluckt, schreie lautstark dreimal vom Dach herunter.

Anselm, Torsten und Herrmann, drei Kumpel von einer Schrebergartengruppe, haben Gold im Kopf und hatten sich aufgemacht, das verlassene Haus am See zu erkunden. Bis vor 10 Jahren wohnte dort eine alte Frau allein. Keiner wusste, wovon sie lebte. Es gab das Gerücht, weil die Alte von Zeit zu Zeit mit einer historischen Goldmünze, die Sammlerwert besaß, ihren Einkauf bezahlte, dass sie mit Geistern in Verbindung stehe. Die Geschäftsleute akzeptierten die Münzen und lösten sie mit Handkuss zum Goldwert ein.

Die Freunde, ausgerüstet mit Klappspaten und Metalldetektor, waren beim Haus am See angekommen. In Anselm war das Rauschen der Seele nach Gold am stärksten und schritt vorweg.

Der Trupp stand nun vor dem angeleuchteten Türschloss und beriet, wie man es am besten knackte, wie sich eine Wolke vor den Mond schob. Ihr Rand leuchtete silbern auf, bevor sich das Licht des Erdtrabanten schluckte. Da hallte laut das Huhuuhu, Huhuuhu, Huhuuhu. des Uhus.

Anselm zuckte zusammen. „Das bedeutet nichts Gutes“, raunte er Torsten zu, der sich mit Meisel und Hammer an dem Schloss zu schaffen machte.

„Schreit der Kauz in der Nacht, stirbt ein Mensch,“ murmelte Anselm

Es wirkt, zischelte das alte Haus und rief nach den Nutrias, die erst seit wenigen Jahren sich hier im See tummelten.

„Hallo, ihr könnt mir einen Gefallen tun.“

„Ja, was denn?“

„Tobt im Wasser, das es spritzt und plätschert, laut und wild.“

„Was ist das, entfuhr es Herrmann.“

Im Dunkeln klang alles viel unheimlicher als es war.

„Das kommt vom See. Das Geklopfe hat wohl ein paar Tiere aufgeschreckt“, sagte Torsten.

Die Wolke zog weiter und das Mondlicht reflektierte auf der Wasseroberflache des Sees. Da sah man Nutrias, die ausgelassen tollten und die glatte Spiegelfläche zersplitterten. Ein paar Gänse schlugen laut klatschend auf der Flucht ihre Flügel.

Klapp, die Tür sprang auf. Die Abenteuergier trieb sie voran.

„Anselm, raunte,wie sie den Flur mit ihren Lampen ausleuchteten: „Ob das alles nicht etwas zu bedeuten hätte.“

Anselm ging im Gang vorweg. Da löste sich ein Schatten, flitzte um die Ecke und verschwand von links nach rechts durch eine Türöffnung. “Oh, die schwarze Katz“, meinte er zu den Kumpeln.

„Hör auf mit deinen dummen Sprüchen“, sagte Torsten. „Schrecklich, der widerliche süßlich beißende Gestank, fast wie Leichenfäulnis. Das stellt mir die Luft ab. Merkt ihr das nicht?“

„Doch, mich ärgern die Spinnfäden, die über die Gesichtshaut streichen.“

Anselm, gefolgt von den anderen, leuchtete das Wohnzimmer aus. Ein Schrank an der Wand, ein Tisch mit Essensresten, ein Teppich, der merkwürdig aufgewölbt war. „Verdammt hier liegen Scherben“, rief Anselm. „Wäre nur nicht der widerliche Gestank. Ist zum Kotzen.“

Ha, sagte das Haus. Da werden sie auf eine Überraschung stoßen. Nur ich weiß. dass vor einem halben Jahr Leute mit einer fremden Sprache hier auftauchten. Eines Abends wurden sie sehr laut. Sie gerieten in Streit. Gemeinsam bedrohten sie einen von ihnen. Der wehrte sich, bis einer der Angreifer im Zorn eine Flasche ergriff und sie dem einem auf den Kopf knallte. Der Mann stürzte mitsamt Scherben zu Boden und blutete. Keiner war mehr in der Lage zu helfen.

Wie sie allmählich begriffen, was geschehen war, packten sie die Leiche unter einen Teppich und flohen. Nach dem Vorfall war keiner mehr gekommen, bis auf diese Eindringlinge.

Über 400 Jahre habe ich so etwas nie erlebt. Selbst als die Räuberbande hier hauste und Kaufleute überfiel. Ihre Beute hatten sie in einer Doppelwand des Schrankes an der Wand versteckt, bis sie eines Tages ausgehoben wurden und flohen. Das Gold hatte bisher keiner entdeckt, außer der alten Frau, die das Geheimnis niemanden verriet.

Was packt er für merkwürdige Teile aus? Einen Teller, den er an einen Stab schraubt. Was ist das?

„Na, denn man los“, raunte Anselm und schaltet den Detektor ein und sofort ertönt ein leiser Piepton. Er macht ein paar Schritte auf den Teppich zu. Die Scherben knirschen unter sein Schuhen. Der Ton nahm zu, tönte klar, dicht an der Aufwölbung des Teppichs.

„Da muss Metall sein? Eine Verriegelung für eine Falltür? Los rollt man den Teppich zur Seite.“

Was suchen die. Etwa die mit Goldmünzen gefüllte doppelte Schrankwand? Da sind gierige Räuber am Werk. Sie werden sich wundern murmelte das Haus …

„Oh Gott“, „Hilfe“. Ein verwester, wenig skelettierter Körper wurde sichtbar, die Quelle des entsetzlichen Gestanks. Der Schädel des Toten war voll geronnenem Blut. Anselm stand starr mit dem Detektor vor einer knöchrigen Hand, an der ein Goldring steckte. Das Gerät piepte vor sich hin.

„Ich muss mir gleich die Hände waschen. Da kann Leichengift am Teppich sein. Schalt bloß das Ding aus“, fauchte Herrmann.

Anselm reagieret automatisch und rief: „Wir müssen verschwinden“. Der Kauz, die Wasserratten und die schwarze Katze hatten was zu bedeuten.“

Sie verließen schnell das Haus und eilten zum Auto.

„Hör bloß auf mit deinen abergläubigen Sprüchen“, schalt Torsten. Dass da hier ist der Hammer.

Da laufen sie wie die Hasen, wie die Streithähne von damals. Sie haben das Gold zum Glück nichts entdeckt, dass die Räuber von einst Doppelschrankwandkammer mit der Beute gefüllt hatten. So schnell werden die nicht mehr auftauchen.

Ein paar Tage später*.*

Was ist schon wieder los? Aus einem Polizeiauto stiegen ein Mann und eine Frau in Uniform. Sie kommen heran, begutachten die aufgebrochene Tür. Nun werden sie es riechen, die Leiche entdecken. Ein anonymer Anruf hatte den Hinweis gegeben.

Sie fotografieren und riefen nach Verstärkung. Ein ganzer Tross kam und suchte nach Spuren. Zum Schluss kam ein Wagen mit einer Kiste, in den sie den Toten legten.

Da wird endlich der Gestank aufhören.

Die Tür wurde versiegelt.

Wieder Ruhe im Bau. Nur scheinbar. Sprachen nicht zwei davon, dass das Haus abgerissen werden muss? Mit fast 400 Jahren im Gemäuer, soll ich verschwinden. Und irgendjemand wird das Gold finden, das ich so lange bewachte …

© Willi Volka

Weg nach Hause

Die Geräusche von schlurfenden Schritten, gurgelnde Kehlen, die nicht mehr atmen können, es nicht mehr müssen, durch die Flüssigkeit läuft, während das Fleisch von ihren Knochen hängt wie traurige Fetzen alter Kleidung. Blicklose Augen, sinnloses Voranschreiten, immer auf der Suche nach Nahrung. Ist es Tag? Oder Nacht? Die Geräusche ändern sich nie. Der lebensverachtende Marsch geht stets weiter. Unendlich. Ungebrochen. Heute jedoch ist etwas anders.

Rhythmisch. Lebendig. Sinnstiftend. Der Atem eines Menschen. Zitternd und unsicher. Nicht mehr weit entfernt von seinem Ende, wild entschlossen am Leben festzuhalten. Schweigend sitzt er in der Ecke meines verfallenen Körpers. Nicht mehr als die lebenden Toten, die mich umzingeln. Der Wind pfeift in den Brettern, die einst meine Haut waren und nun zerstört herunterhängen. In der Ecke sitzt er, der Mann mit dem blutigen Hemd. Seine Augen sind leer, aber nicht tot.

Der Atem zittert, als er sich aufrichtet und mit schlurfenden Schritten zur Tür schreitet. Er lässt den Blick durch meinen leeren Wohnraum schweifen, so alt, so viel gesehen. Woran er denken mag, welche Erinnerungen ihn begleiten. Sein Leben reicht, um in die tote Fremde aufzubrechen. Die Hoffnung andere Menschen wiederzusehen, treibt ihn an. Ich bleibe zurück und lauschte seinen kraftlosen Schritten. Sie vermischen sich mit dem Vormarsch gurgelnder Toter auf dem Weg zum Ende der Welt. Die Stille ihres ziellosen Ganges kehrt zurück.
Ich bin wieder alleine. Und wünsche dem Menschen viel Glück.
.

Zwei Jahrhunderte. So lange stehe ich schon an diesem Ort. In all den Jahren durfte ich viel beobachten. Menschen kamen und sind gegangen, haben mit meiner Hilfe Geschichte geschrieben. Leider nicht nur Gute. Keiner meiner Bewohner, keine Familie hat es wirklich lange ausgehalten. Aber wieso? Liegt es an meinen Mauern? Liegt in mir das Unglück verborgen? Ich weiß es nicht. Ich habe aufgehört, mich das zu fragen. Nun verfällt mein einst so schönes, glänzendes Gewand. Keiner scheint sich für mich zu interessieren. Nur die alten Eichen, einst gepflanzt von den Bauherren an dem Tag, als sie einzogen, scheinen sich manchmal mit mir zu unterhalten. Sie verstehen mich, stehen sie doch auch schon so lange auf dieser verlassenen Anhöhe.

Seit einiger Zeit besuchen mich immer mal wieder Menschen. Aber es sind keine Interessenten, zumindest nicht so richitg. Sie kommen nachts, wenn sie niemand außer mir sehen kann. Am Anfang hatte ich noch Hoffnung. Ich dachte, dass sie mir helfen wollen. Mich wieder so wertschätzen würden, wie ich einst wertgeschätzt wurde und wie ich es verdient habe. Aber mit der Zeit begriff ich, dass sie das Abenteuer suchen und sie auch nicht davor zurückschrecken würden, mir weh zu tun. Also fing ich damit an, ihnen auch weh zu tun. Um mich selbst zu schützen. Manche Gruppen verschwanden schon schreiend, wenn die alten Eichen entlang der Zufahrt ein wenig mehr raschelten als sonst. Andere gingen weiter. So auch die vier Menschen, die heute auf mein Grundstück gekommen sind. Die Eichen raschelten, aber die Abenteurer schritten unbeeindruckt voran. Betraten meine Veranda. Eine Gänsehaut überlief mich. Der Schauder ließ meine Fensterläden klappern. Aber auch das schien sie nicht abzuschrecken. Ich öffnete die Eingangstür, meine seit vielen Jahren nicht mehr geölten Angeln quietschten schauderlich. Aber auch hiervon ließen sich die Menschen nicht abschrecken. Sie nahmen die Einladung bereitwillig an und betraten meine einst so prächtige Eingangshalle. Von hier aus wollten sie die alte Holztreppe nach oben gehen. Nur wenige haben sich das bisher getraut. Ich machte es ihnen schwer, nahm meinen Mut zusammen und ließ die letzten, noch intakten Treppenstufen unter ihnen knacken, bis sie zerbrachen. Vor Schmerz fingen die Fensterläden wieder an zu klappern und die morschen Ziegeln stimmten direkt mit ein. Ein paar von ihnen rutschten vom Dach und sausten an den zerbrochenen Fenstern vorbei. Das war zwar so nicht geplant, machte aber etwas Eindruck bei den Abenteurern. Zwei von ihnen begannen Panik zu bekommen und rannten raus auf die Veranda. Die übrigen zwei wollten noch weiter gehen, kletterten auf den kaputten Treppenstufen in das obere Stockwerk. Ich wollte sie hier nicht haben. Erst recht nicht hier oben, wo ich noch so viele Zimmer vor ungebetenen Gästen beschützen und somit ihre Schönheit wahren konnte - auch, wenn sie unter Staub begraben liegt. Ich nahm all meine Energie zusammen. Und auch wenn schrecklich wehtun würde, ließ ich einen der hölzernen Deckenbalken bersten. Der Balken zerbrach in der Mitte und stürzte nur wenige Zentimeter vor den Abenteurern zu Boden. Der Schmerz ließ meine Mauern schaudern, was den Menschen den Rest gab. Es hatte funktioniert. Die Abenteurer rannten, so schnell es die zerbrochenen Stufen zuließen, die morsche Treppe hinunter und flüchteten. Ich ließ die Einganstür hinter ihnen zufliegen und beobachtete mit schmerzendem Putz, wie die Menschen die Einfahrt hinunterrannten und mein Grundstück verließen. Mit ein bisschen Glück war das die einzige Besuchergruppe für die nächsten Tage, ich muss mich nun erst einmal von den Anstrengungen der heutigen Nacht erholen.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich glaube fest daran, dass mir eines Tages jemand helfen und meine wahre Schönheit erkennen wird. Auch wenn sie unter all dem vielen Staub, Schmutz und den zerbrochenen Ziegeln ganz tief in mir verborgen liegt. Und bis es soweit ist, werde ich alles dafür tun, meine alten Mauern zu beschützen, auch wenn ich mich dafür, so wie heute, selbst zerstören muss.

Warten auf den Geisterzug

In einem Waldstück stehe ich, ein verlassenes Haus. Früher war ich einmal ein Bahnhofsgebäude gewesen. Seit längerem bin ich verlassen, jedoch nicht leer. In den Räumen stehen noch die Möbelstücke von damals. An einem Haken hängt die inzwischen verstaubte Dienstmütze des Bahnhofsvorstehers. Am Schreibtisch ein mit Spinnweben überzogenes aufgeschlagenes Übergabebuch.
Die Scheiben sind durch Chaoten teilweise mit Steinen oder anderen Wurfgegenständen zertrümmert. Gelegentlich kommen Personen vorbei, welche im Inneren Fotos machen und durch die Bildbearbeitung beweisen wollen dass es hier Geister gibt. Die meisten beschädigen nichts, verkennen allerdings die Gefahr, welche durch die morschen Holztreppen lauert. Dann schaffe ich es auch in die Schlagzeilen der Zeitungen wenn die Rettungskräfte die verletzten Geisterjäger abholen.
Der Hausherr war einmal da gewesen, als er das Gebäude mit Park gekauft hat. Seit damals hat er das Gebäude nie mehr aufgesucht. Für die Investoren bin ich zu einem Spielball geworden, der gelegentlich weitergereicht wird wenn in der Bilanz reduziert werden muss oder die ausgezahlte Versicherungssumme zum Beispiel bei einem Brand Verluste ausgleichen soll.
Mit mir warten noch andere Häuser in der Umgebung auf bessere Zeiten. Die sind durch Überwachungskameras besser gesichert und gelegentlich brennt in einigen Räumen Licht.
Bei mir ist das Licht schon länger ausgegangen. Wenn der Vollmond durch die Fenster leuchtet, sich die Gardinen im Wind bewegen und der Wind durch die Ritzen pfeift, fliehen die meisten ungebetenen Besucher. So ist im Laufe der Zeit der Eindruck entstanden, dass Geister hier ihr Unwesen treiben. Geister hatte ich früher keine, sie kamen erst mit den ungebetenen Besuchern und sind dann hier geblieben. Die meisten Geister waren früher einmal hier gewesen, als in den oberen Stockwerken Hotelzimmer waren und sie noch am Leben waren. Erschrecken müssen die zugezogenen Geister die gelegentlichen Besucher nicht. Dafür sorgen die Schatten der Bäume, die sich im Wind bewegen. So sitzen die Geister an der Bar im Kneipenbereich oder in den Sesseln des Wartesaals und warten bis die nächste Unterhaltung durch ungebetene Besucher beginnt. So ist die Geistergesellschaft in den vielen Jahren des Leerstands angewachsen und wartet auf den nächsten vorbeifahrenden Geisterzug um ihre Reise fortzusetzen.

Gäste im Geisterhaus

Der Herbststurm toste mit schaurigem Geheul um meine alten Mauern und lässt die Bäume in meinem verwilderten Garten ungestüm tanzen.
Die morschen moosüberwucherten Dachschindeln taten ihr bestes, den stetig wiederkehrenden kalten Regenschauern Stand zu halten. Doch der Sturm ließ meine wurmstichigen Balken im Dachstuhl ächzen und die Fensterläden vor den blinden und geborstenen Fenstern schlugen laut krachend auf das mit Efeu bewachsene Mauerwerk.
Feuchte kalte Luft durchströmte meine Risse, die mein Mauerwerk übersähen wie zahllose Narben und drang in mein Inneres.
Es ist einer der unzähligen Herbststürme, die ich seit anno 1873, nach beinah drei Jahren Bauzeit, erlebe.
Einst war ich ein stolzes Haus mit einem wunderschönen Garten.
Eine Buchenhecke umgab das Grundstück. Man befuhr es durch, einem hohen schmiedeeisernen Tor und ich sah viele Menschen durch dieses Tor kommen und gehen.
Die Villa in der Rabenstraße 19 war weithin bekannt. Wir hatten eine renommierte Pferdezucht und viele Bedienstete. Unter meinem Dach lebten zwei Generationen der Grafschaft von Zamalleck ein gutes und zufriedenes Leben. Mehrere Kinder wurden dort geboren und großartige Feste gefeiert. Auch der Erste Weltkrieg schadete der Familie nicht.
In der dritten Generation wurde der junge Graf Arthur geboren. Er war der einzige Erbe und wuchs zu einem wissbegierigen jungen und vielseitig interessierten Mann heran. Seine Studienreise führte ihn nach West-Theben in Ägypten. Dort nahm er ab 1921 an den Grabungsarbeiten von Howard Carter teil und war dabei als 1922 das Grab des Tut-ench- Amun entdeckt und am 16. Februar 1923 geöffnet wurde. Er investierte sehr viel Geld, dass er sich von seinen Eltern schicken ließ.
Während er beim Katalogisieren des Grabinhaltes half, überlegte er, dass er sich ein Andenken mitnehmen sollte. Unbemerkt umwickelte er eine zirka zehn Zentimeter große Statue der Göttin Isis in seinem Leinentaschentuch und nahm sie wenige Wochen später mit auf das elterliche Gut. Dort versteckte er sie unter den Dielen im Herrenzimmer.

Nach seiner Rückkehr verwandelte sich Arthur in einen Lebemann. Er verspielte seine Apanage und liebte zahllose Frauen.
Zu seinem Unglück verliebte er sich in die Dame Isabella. Sie war sehr hübsch und mit dem Schützenkönig Boris von Twist verheiratet.
Nach einiger Zeit erfuhr Boris von Twist von der Liaison und forderte Arthur zum Duell am Galgenhügel auf.
Drei Tage später duellierten sich im Morgengrauen Arthur von Zamalleck und Boris von Twist. Hinterher legten die Bediensteten den verstorbenen Arthur auf die Dielen im Herrenzimmer.
Fassungslos, ob dieses Unglücks, bekam der alte Graf einen Herzinfarkt und verstarb nur wenige Stunden später.
Vorübergehend führte der Verwalter Karl Petersen die Geschäfte des Hauses. Als man ihn stranguliert in den Stallanlagen fand, wurde der Haushalt aufgelöst.
Danach machten sie ein Krankenhaus aus mir. Aber auch hier kam es zu seltsamen Zwischenfällen.
Ein weiterer Versuch als Kinderheim scheitere ebenfalls. Sie gaben sich nicht einmal die Mühe, die Bibliothek und die Schlafzimmer zu räumen, so schnell suchten die Angestellten das Weite.
Das schmiedeeiserne Tor wurde verschlossen, die Buchenhecke wuchs ins unendliche und der Garten verwilderte. Und da man im Dorf erzählte, dass ein Fluch über mir liegt, seit Arthur aus Ägypten zurückkehrte und es hier spukt, wurde ich vergessen.
Ich war eine lange Zeit alleine. Mich trösten meine Gedanken an die vergangene wunderbare Zeit und dass ich manchmal die Mäuse huschen höre. Auch Isis ist noch bei mir.
Manchmal versuchten Einbrecher in mein Reich einzudringen.
Aber ich schaffte es erfolgreich, sie zu verscheuchen. Auch heute bemerkte ich Eindringlinge. Sie kamen kurz nach Mitternacht.
Den ersten Eindringling lasse ich auf der regennassen Veranda ausrutschen. Bei dem zweiten geling es mir, ihm gezielt einen Dachziegel auf den Kopf zu werfen. Als der Uhu aus dem Dachstuhl den dritten Eindringling attackiert, flieht auch dieser.
Aber der vierte Eindringling ist anders. Sanft spricht er zu mir und streicht über meine Narben. Er sagt, er hätte von der Isis geträumt und sie hätte ihn zu mir geführt. Seine drei Kumpels hätte er nur mitgenommen, weil sie ihm keine Ruhe ließen.
Er sagt, er möchte Isis nach Hause bringen. Ich lasse erleichtert meine alten Balken seufzen. Er drückt das große Portal auf und ich weise ihn durch einen Lichtstrahl den Weg ins Herrenzimmer.

Ich sah Sie kommen. Vage Gestalten schlenderten langsam die lange und verschneite Auffahrt meines Anwesens herauf. Ihr Lachen durchdrang unerträglich laut die Stille, sodass sogar die Tiere im Park sich schnell davon machten. Lange hatte ich keine Gäste mehr empfangen und so freute ich mich über diesen kurzfristigen Besuch. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnte wurde mir dann aber schnell klar, als ich erkannte, wer dort auf dem Kies vor dem Eingangsportal die Rucksäcke abstellte. Geisterjäger!..

Das Horrorhaus vom alten Frank

vier Teenager versuchen das Rätsel hinter dem Horrorhaus vom alten Frank zu lösen. Es gibt unzählige Gerüchte und diesen wollen sie auf den Grund gehen…

Auf nimmer Wiedersehen

Über meine Mauern werden sich viele Geschichten erzählt. Immer wieder versuchen die Menschen herauszufinden welche davon wahr sind. Diese Jahreszeit ist besonders schlimm. An Halloween verirren sich die lebenden hierher. Sie denken, sie wüssten alles über mich, dabei wissen sie nicht mal einen Hauch. Heute heult der Wind wieder durch meine alten Fenster. Auf meinen Freund ist Verlass. Seine Luftstöße kitzelt an meinen Jalousien und meine Fensterläden kann ich kaum zuhalten. Da… Ich höre ihre Schritte. Gleich werden sie hier sein. Ob ich meine Geheimnisse dieses Jahr preisgeben möchte? Sie werden es schon bald wissen. Ich konzentriere mich und Versuche nochmal all meine Kraft zu bündeln. Die Leitungen in meinem inneren geben ein leises Summen der Erregung von sich. Das ist sehr gut. Die Besucher werden also wieder eine schöne Schow bekommen. Sie sind angekommen. Ich kann spüren, wie sie den alten Knauf an der Eingangstür drehen. Sie brauchen Kraft, denn es war schön länger keiner mehr hier. Ich versuche ihnen zu helfen, den Staub ein wenig abzuschütteln und meine müden Muskeln ein wenig zu lockern. Zack… Die Tür geht auf. Tretet ein, versucht mir meine Geheimnisse zu entlocken. Das erste Licht flackert im Eingangsbereich auf, ganz wie ich es wollte. Ein Raunen ist zu hören. Die erste, eine Frau, rennt zurück zur Straße. Das war fast schon zu einfach. Die anderen beiden, zwei Männer sind allerdings noch da. Ich werde ihnen den Weg zeigen, den ich für sie vorgesehen habe. Ich schalte eine weitere Lampe weiter hinten in meinem Flur an. Die Männer schauen sich skeptisch an, folgen mir aber wie dressierte Hunde. Ja, so ist es brav. Kommt weiter hinein. Am Ende des Flurs angekommen, sammel ich noch einmal meine Kräfte. Es fällt mir von Jahr zu Jahr schwerer. Ich lasse die Kellertreppe mit einem lauten knarren aufgehen. Die beiden Männer schauen sich skeptisch an, schalten dann aber ihre Taschenlampen ein und laufen in mein dunkelstes inneres. Die Treppenstuffen knarksen. Sie schmerzen mich unter dem Gewicht der beiden. Doch ich halte es aus. Nur noch ein kleines Stück. Endlich sind sie unten angekommen. Ab hier kann ich keine Lichter mehr an machen, denn die Elektronik in meinem Mauerwerk ist feucht geworden und funktioniert nicht mehr. Aber für gewöhnlich finden die Menschen die Tür an der ich sie haben möchte. Die Männer schauen sich um, gehen dabei aber entschlossenen Schrittes vorwärts. Sehr gut. Ihr seid genau richtig. Sie haben die Tür entdeckt. Sie ziehen daran. Sie rütteln. Ich Versuche zu helfen. Gar nicht mehr so leicht eine in die Jahre gekommene Stahltür zu öffnen. Einen kleinen Ruck noch… Und… die Tür ist auf. Die beiden blenden mich mit ihren Taschenlampen. Vor ihnen liegt mein geheimer Tunnel. Wo er hinführt? Ins nirgendwo. Die beiden sind wild entschlossen den Tunnel zu erkunden. Wie jeder der ihn findet. Sie sind drin. Mit einem Knall lasse ich die Metalltür zufallen. Von innen kann diese nicht geöffnet werden. Und wieder habe ich 2 Seelen, die meine Geheimnisse niemals offenbaren werden… Happy Halloween, wie die Menschen so sagen.

Windschief
Das alte, aus Brettern notdürftig zusammen genagelte Haus, stand etwas schief auf einem kleinen Buckel, rundum Gestrüpp. Auch das reparierbedürftige Dach, sollte längst einmal gerichtet werden.
Die beiden Bewohner hatten die lebenswerte Zeit, längst überschritten. Ihre Kinder waren hinaus in die Welt und hatten sie, sich selbst überlassen. So fretteten sie sich dahin. Freunde und Bekannte waren verstorben oder weggezogen. Einstmals ein schönes Sommerhäuschen, mit einem Blumengarten darum herum, war es nun zu einer Hütte verkommen, durch dessen Ritzen, bei schlechtem Wetter der Wind pfiff.
Gott Lob, brachten barmherzige Leute, ab und zu etwas zu essen, sonst wären sie verhungert.
Nachts knackte und raschelte es im Haus, so dass sie sich oftmals die Decke über den Kopf zogen, um nicht vor Angst zittern zu müssen. Manches mal waren die Geräusche so laut, dass sie fürchteten, ein Einbrecher wolle sie des Wenigen, das sie hatten berauben. Wolfram und Agnes fassten sich dann fest bei der Hand, mit ihrer Furcht fertig zu werden.
Ein orkanartiger Sturm, fällte zu alle dem die Fichte hinter ihrer Hütte, die dazu noch auf das Dach fiel und einen erheblichen Schaden verursachte. Zitternd und frierend hatten sie die Nacht überstanden und darauf gewartet, dass Jemand aus dem entfernten Dorf käme um zu helfen.
Nein das war kein Leben mehr, das gelebt werden wollte. Sie hatten große Lust, dem unseligen Leben ein Ende zu setzen. Nun war auch der Winter nicht mehr fern und es würde neue Mühen und Plagen geben. Der Kohleofen wollte dann gefüttert werden, um sie nicht in der Kälte erfrieren zu lassen.
Doch sie waren gläubig und hofften auf die Güte Gottes, dass er sich Ihrer erbarmen würde.
Nicht lange und Leute aus dem Dorf kamen, das Dach wenigstens notdürftig zu reparieren. Die beiden Alten, würden es ohnehin nicht mehr lange machen.
Die Hütte hatte mit der Zeit alle Farbe verloren und war ergraut, wie die zwei Bewohner. Sie hing windschief oben auf dem Buckel und würde wohl bei einem der nächsten Stürme ganz umgeblasen werden.
Dann blieb nur noch der Ausweg in ein Altenheim. Davor hatten sie sich immer gefürchtet, denn die Nachrichten, die ihnen zu Ohren kamen, waren nicht gerade das, was sie sich wünschten. So hofften sie, dass sie Dank der Gnade Gottes, noch bis zu ihrem Lebensende, in ihrer Hütte bleiben könnten.
Eines Tages merkten sie, dass Wölfe um ihre Hütte schlichen, die zwei Alten wären doch ein Leckerbissen für sie. Sie kamen aus dem nahen Wald und waren immer öfter zu sehen. So wagten sie es kaum mehr, die Hütte zu verlassen. Ein Jäger, dem sie das sagten und darum baten, sie davon zu befreien, schüttelte nur den Kopf: „Tut mir leid aber da ist nichts zu machen, denn die Wölfe sind geschützt“.
So versanken sie immer mehr, in der Finsternis ihres Daseins. Bis sie eines Tages erlöst wurden und Hand in Hand einschliefen, um nie mehr zu erwachen.


2023-10-13T22:00:00Z

Weißt du, wie es ist, wenn Dunkelheit und Kälte sich zu einer wabernden Masse vereinen? Wenn das, was die Menschen nicht einmal träumen möchten, eine energetische Form annimmt und dich bis in die kleinste Faser durchströmt. Du kannst es nicht wissen, weil du es noch nie erfahren hast! Ich bin hier! Seit Urzeiten in diesem Boden, der einmal ein entweihter Friedhof war. In diesem Haus, das danach darauf gebaut wurde. Ich warte auf dich. Unsichtbar stecke ich im Riss, in der feinsten Faser jeden morschen Brettes, sehne mich nach frischer Energie und danach auszubrechen. Komm!

„Jetzt mach doch nicht so schnell Daniel. Eine alte Frau ist doch kein T-Zug“. Gabriella quietschte erschrocken, als sie beim Versuch ihrem neuen Freund zu folgen über eine Wurzel stolperte und fast nach vorne fiel. Es war ihr erster gemeinsamer Ausflug. Eine dieser Spuk-Touren, die er so liebte. Der große Dunkelhaarige drehte sich kurz um, warf ihr einen schelmischen Kuss zu. „Du bist einfach zu fett.", grinste er. Sie versuchte am Boden etwas Weiches zu finden, um nach ihm zu werfen, ging dann aber schnell weiter, weil das Haus bereits zu sehen war. Der Wald öffnete sich etwas und das Gelände, das vor ihnen lag, war früher vielleicht ein Garten gewesen. Wie Teenager rannten sie bis zu der ersten eingestürzten Mauer und ließen sich zu Boden gleiten. „Endlich da. Der Hügel hat mir den Rest gegeben.“, japste sie. „Wir können uns kurz ausruhen, wenn du möchtest. Es ist später auch noch hell genug für einen Lifestream.“ Daniel gab sich fürsorglich, aber eigentlich wusste er, dass er selbst eine Pause brauchte. Seit er auf dem Boden saß, fühlte er sich plötzlich todmüde.

So wie Flüssigkeit in feinen Ritzen nach oben steigt, so sucht sich das dunkle seinen Weg. Ich muss nichts tun, ich beobachte und gerade in Wallung. Sie sitzen bereits in der Falle und verspüren meinen Hunger. Wenn sie aufwachen, gehen sie zurück in die Stadt. Ohne es zu wissen, werden sie die Saat weiterverbreiten. Nach all den Jahren habe ich es geschafft.

Ich bin frei!

Die blaue Stunde

Endlich, da ist sie. Die blaue Stunde. Der Moment, an dem Wärme und Helligkeit des Tages der Kühle und Dunkelheit der Nacht weichen müssen.

Besonders jetzt im Herbst, wenn die Tage noch nicht kurz sind und die Sonne es schafft, mit einem letzten Aufbäumen wärmende Strahlen zu schicken, besonders dann spüre ich in der blauen Stunde die Ruhe der vergangenen Jahrhunderte, die mich mit jedem Jahrzehnt mehr und mehr erreicht. Und dann dieses Licht! Diese Stimmung fasziniert mich immer wieder, auch wenn mir zur Beobachtung nur die Dachluke bleibt, die das Pärchen vor einer Ewigkeit geöffnet hat.

Ich konzentriere mich auf die Fensterläden – wie schon einige tausend Male zuvor. Bisher ist es mir erst einmal gelungen, sie zu öffnen. Und auch da bin ich mir nicht sicher, ob ich es war oder nicht doch mein einziger Freund: Erion, der Wind.

Seine Stimme hilft mir, ab und zu die Einsamkeit zu vergessen. Je nachdem, wie Erion gelaunt ist, wispert er. Oder er flüstert. Hat er schlechte Laune, kommt es vor, dass er brüllt. Aber meistens ist es eine zarte und behutsame Geschichte, die er mir erzählt. Obwohl ich nicht verstehe, was er sagt, mag ich es, ihm zuzuhören. Wäre ich ein Mensch, würde ich sagen, dass mir dabei mehr als einmal die Augen zugefallen sind.

Kommt er allerdings als Seitenwind direkt auf die Fenster, dann wird aus der stillen Geschichte oft eine Story, die man am liebsten nicht angefangen hätte zu hören. Eine schlaflose Nacht ist nach einer Erion-Seitenwind-Geschichte fast immer sicher.

Na ja, jedenfalls bin ich kein Mensch und werde wohl auch niemals einer sein. Wer zum Teufel auf die hirnrissige Idee gekommen ist, mir als uraltem Haus so etwas wie eine Seele einzuhauchen, gehört bestraft. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schwierig es ist, Tag für Tag an derselben Stelle zu stehen und seit Jahrhunderten nichts weiter zu erleben als Vogelgezwitscher und Erions Stimme. Okay, da gibt es noch ein bisschen Abwechslung durch die Mäuse und Ratten, die ihren Dreck in meinen Zimmern verteilen. Mit denen lassen sich lustige Spielchen veranstalten, das kann ich euch sagen. Lustig für mich, weniger lustig für sie. Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Die hebe ich mir auf für ein anderes Mal.

Es klappt einfach nicht. Irgendwie fehlt mir die Energie. Die Fensterläden bleiben geschlossen. Und auch Erion lässt sich heute nicht blicken – eher gesagt: hören. Das verspricht wieder eine dieser unzähligen langweiligen Nächte zu werden.

Halt! Kann das sein? Ein Geräusch an der Tür? Fast scheint es als…

„Ich habs!“, flüstert eine Stimme. „Gleich sind wir drin!“
Die Türe quietscht. Es fühlt sich an, als ob sie sich bewegt. Ein komisches Gefühl – es ist so lange her, dass ich es das letzte Mal gespürt habe. Eine Staubwolke bildet sich.
„Kommt. Hier war bestimmt ewige Zeit niemand mehr.“ Ein Schatten schiebt sich durch die halb geöffnete Tür. Als die Wolke ihn erreicht, muss er husten.
„Ich weiß nicht. Ist schon unheimlich. Vor allem bei den Dingen, die man sich über das Haus erzählt. Vielleicht lassen wir das besser, Jan.“
„Och nee, echt jetzt? Du warst doch ganz begeistert von meinem Vorschlag, du wirst doch jetzt nicht kneifen, oder? Was soll schon passieren? Das ist ein altes Haus, mehr nicht. Stimmts oder hab ich Recht?“

Das kleinere der beiden Mädchen überlegt. Ich spüre es deutlich. Die andere schleicht sich an sie heran und packt sie an den Schultern. Beide schreien auf.
Die Große vor Vergnügen, die Kleine vor Schreck.
„Haha, findest du das witzig? Spinnst du? Ich hätte mir beinahe in die Hose gemacht! Du blöde Kuh!“
»War doch nur ein Scherz! Jetzt stell dich mal nicht so an!«, sagt die Große.«Wir sind doch hier, um Spaß zu haben, oder? Auch wenn es ziemlich gruselig ist hier…«

Die Kleine grinst verlegen.
»Hast ja Recht. Ich bin halt ein Schisser… Aber macht ja nix. Lass uns einfach weitergehen.«
Der Typ nickt.
»Genau das wollte ich hören. Jetzt mal im Ernst. Was soll hier schon sein, Erzählungen hin und her. Ist immer noch einfach ein altes Haus, nicht mehr und nicht weniger.«
»Na ja, immerhin gab es da schon mal den Fall mit dem Pärchen, dass angeblich hier übernachtet hat und dann nie wieder gesehen wurde. Ich finde schon, dass das mehr als gruselig ist, oder?«
»Mensch, das ist ne Story, die soll 60 Jahre her sein – wer weiß, was davon wirklich stimmt. Das meiste ist bestimmt ausgedacht. Wie nennt man das noch? Urbane Legenden, glaube ich.«
»Urbane was?« Die Kleine blickt fragend.
»Ist doch egal, Stories halt, die man sich erzählt und die meistens nicht nachprüfbar sind.«

Aha.

Ich denke, es wird Zeit, mal wieder jemanden eines Besseren zu belehren. Ich bin keine urbane Legende. Und ich werde es euch beweisen. Bin mal gespannt, wie sehr euch das gefallen wird. Eins weiß ich: Mir wird es gefallen. Mir hat es schon damals gefallen, mit dem Pärchen an der Dachluke… Den beiden sicher nicht, aber das war auch nicht mein Ziel.

Plötzlich spüre ich Energie. Sie muss von den dreien kommen. So war es damals auch.
Ich schließe die Tür, was nicht ohne Geräusch funktioniert. Jedenfalls klappt es.

»Ey, was war das? Warst du das?«, fragt die Große.
»Was?«, antwortet die Kleine.
»Na die Tür. Hast du die Türe geschlossen? Irgendjemand hat sie zugeschlagen.«
»Ich wars nicht. Bestimmt der Wind. Oder Jan.«
»Welcher Wind denn? Es ist windstill. Jan, warst du das?«
Jan schüttelt den Kopf.
»Nee, ich nicht.«

Prima, das wird dann heute wohl mal kein langweiliger Abend.

Das wertet sie nochmal auf: die blaue Stunde. Den Moment, an dem Wärme und Helligkeit des Tages der Kühle und Dunkelheit der Nacht weichen müssen. Und noch viel mehr…

Die letzten Freunde

Ich bin das verlassene Haus am Ende des Rabenwegs. Seit über 200 Jahren stehe ich hier und trage das Gewicht vieler tragischer Geschichten auf meinen Ziegeln, meinem Dachboden, meinen Eichendielen und meiner Holztreppe. Der Wind rauscht durch die Bäume und durch mich, aber ich höre ihn kaum. Ich warte darauf, dass sich etwas ereignet.

Als es dunkel wird, spüre ich ihre Ankunft. Als das Knarren der Treppen den Raum erfüllt, spüre ich eine unheimliche Vorfreude. Endlich wieder Besucher. Ich bin es gewohnt, allein und verlassen zu sein, von niemandem beachtet oder gepflegt zu werden. Doch jetzt sind sie wieder da. Abenteurer, um mich zu erkunden und meine Geschichten zu hören. Ich lasse den Wind durch meine alten Gemäuer pfeifen und schicke ein paar Staubwolken in ihre Richtung. Einige Fensterläden klappern im Takt des Windes und verleihen dem Ganzen noch mehr Atmosphäre. Ich bin ein Ort voller nebliger Vergangenheit und grauen Erinnerungen. Alles erzählt seine eigene Geschichte, jeder Riss im Putz, jede abgeblätterte Farbe an der Wand. Ich kann mich nur vage daran erinnern, wie viele Menschen in diesen Mauern gelebt und welche Ereignisse sich hier abgespielt haben müssen. Das Alter macht mir zu schaffen, aber der Verstand ist noch da … und das Gehör auch.

Die Gäste scheinen fasziniert von mir zu sein. Sie kriechen langsam über meine Dielen und Wände, untersuchen jeden Winkel und lauschen auf jedes Geräusch. Ich kann ihre Erregung förmlich spüren. Es ist schon erstaunlich, wie sehr sie sich für mich interessieren. Dabei bin ich doch nur ein altes Haus inmitten der Stadt - eines von vielen Gebäuden, die hier stehen und auf ihre Bewohner warten. Aber vielleicht liegt genau darin mein Reiz: Ich habe eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte voller Leben und Leidenschaft, aber auch voller Schmerz und Trauer. Denn ich war Zeuge vieler Ereignisse im Laufe meiner Existenz - glücklicher Momente genauso wie trauriger Stunden. Ich kann noch immer den Klang von Musik hören, die durch meine Räume hallte; das Lachen fröhlicher Kinder oder das Flüstern verliebter Paare. Aber ebenso gut erinnere ich mich an dunkle Tage; an Streitigkeiten zwischen Familienmitgliedern oder gar an Gewalt. All diese Erinnerungen sind tief in meinen Mauern verwurzelt – unabhängig davon, ob positiv oder negativ – was mir sicherlich einen gewissen Charme verleiht.

Doch jetzt, jetzt bin ich nur noch eine leere Hülle. Ich kann nur hoffen, dass sie nicht zu schnell wieder verschwinden und mir noch ein wenig Gesellschaft schenken. Denn in ihrer Nähe fühle ich mich wach und lebendig, auch wenn ich weiß, dass sie irgendwann gehen werden. Und jedes Mal, wenn sie gehen, werde ich ein Stück schwächer. Bis ich letztendlich zerbreche, so wie meine Salontür und zwei meiner Fensterläden. Früher haben sich meine Gäste stundenlang an die Tür gelehnt oder versteckt in die Zimmer gesehen und ich konnte ihre leisen Geräusche hören. Töne wie das geheimnisvolle Kratzen einer Feder oder das sanfte Schmatzen beim Genuss eines guten Essens. Ihre Präsenz hat mich erfüllt und mir Freude bereitet. Doch nun bin ich nur eine verlassene Hülle, die darauf wartet, dass jemand kommt und ihr wieder einen Sinn ergibt. Und natürlich auf das Ende.

Die angekommene Gruppe hört mir aufmerksam zu und beginnt dann, mich anders wahrzunehmen - als Ort des Schreckens, aber auch der Hoffnung. Gemeinsam beschließen sie, dafür zu sorgen, dass ich so lange es geht gehalten werde - vielleicht um zukünftigen Besuchern eine andere Geschichte erzählen zu können. Ich bin froh, dass sie hier sind und mir zuhören. Ich hoffe, sie bleiben noch eine Weile. Sie sind meine einzigen Freunde, die heute zu Besuch kommen. Sie kommen und gehen, verschwinden im Tageslicht - manchmal für kurze Zeit, manchmal für viel länger. Aber sie kehren immer wieder zurück. Vielleicht nicht dieselben Abenteurer wie zuvor, vielleicht ihre Nachkommen oder ihre Freunde. Doch sie alle hören mir zu und geben mir Kraft. Ich bin hier schon lange, aber ich weiß mit Sicherheit, dass ich nicht immer hier sein werde. Aber ich hoffe weiterhin auf diese Gesellschaft. Meine besten und einzigen Freunde, mein einziger Trost: die Holzwürmer.

Reich des Schreckens

Als sich das Gartentor mit einem unheilvollen Knarren öffnete und ich eine Gruppe von Abenteurern durch meinen verwilderten Garten kommen sah, spürte ich, wie die Kälte der Nacht langsam durch meine Mauern kroch.

Ihre Schritte hallten durch das raschelnde Laub. Es klang wie ein leises Flüstern, das ihnen eine düstere Botschaft verkündete. Doch sie hörten es nicht. Mit jedem Schritt, den sie setzten, reckten die Bäume ihre knorrigen Äste in den Himmel und warfen bedrohliche Schatten auf den Boden.

Ich konnte ihre aufgeregten Stimmen hören, als sie über die Gerüchte und alten Erzählungen sprachen, die sie hierher geführt hatten. Ich fühlte ihre Blicke auf mir ruhen, ihre neugierigen Augen, die nach jeder Spur der Vergangenheit suchten. Sie wussten nicht, dass sie bald selbst Teil meiner Geschichte sein würden. Nicht lange, dann würden sie begreifen, dass ich nicht nur ein verlassenes Anwesen war, sondern ein Ort des Schreckens und der Verzweiflung.

Es war ein seltsames Vergnügen, ihre Ängste und Zweifel zu spüren, während sie sich immer tiefer in mein Reich vorwagten.

Die Abenteurer betraten meine Hallen, ohne zu ahnen, welches Unheil ihnen bevorstand.

Die alten Dielen knarrten unter ihren schweren Schritten. Ich ließ sie weitergehen, durch meine verlassenen Flure und staubigen Zimmer. Dunkelheit umgab sie, während die Kerzen nur einen kleinen Teil meines Inneren erhellten. Jeder Raum, den sie betraten, war von meiner dunklen Aura erfüllt. Die Schatten der Vergangenheit lauerten in den dunklen Ecken, ihre kalten Finger streiften über ihre Schultern und flüsterten ihnen zu. Ein eisiger Wind wehte durch die Räume und ließ sie frösteln.

Ich genoss es, wie sie sich unbehaglich fühlten, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten, wie sie sich immer wieder umdrehten, als fühlten sie sich beobachtet. Und das wurden sie auch - von mir.

Die Zeit schien still zu stehen, als die Abenteurer einen Raum betraten, der einst ein Ort des Glücks gewesen war. Hier wurde gefeiert, gelacht und getanzt. Doch nun war es ein Ort des Grauens, ein Ort, an dem die Vergangenheit lebendig wurde. Die Schatten formten sich zu Gestalten voller Schuld und Leid. Sie griffen nach den Abenteurern und zogen sie in einen Abgrund aus Angst und Wahnsinn.

Noch heute sehe ich ihr Entsetzen, ihre verzweifelten Fluchtversuche. Aber es gab kein Entkommen. Ich halte sie in meinen Mauern gefangen, in meinem Reich des Schreckens.

Das alte Haus

Vielleicht kann mir einer helfen, hoffte ich zu dieser Zeit, denn mein Haus machte mir große Sorgen. Äußerlich konnte ich es ja erneuern, aber das Innenleben blieb mir verborgen. Vielleicht war es über mich verärgert, wer weiß. Beim Durchstöbern der Tageszeitung hatte ich eine Annonce gefunden. Sie lautete:

Haben Sie auch Probleme mit ihrem Haus? Ich kann mit ihm reden!

Was für ein Spinner, hatte ich gedacht, aber es ließ mich nicht los und ich rief die Nummer an. Eine sympathische Stimme an der anderen Leitung beruhigte mich und ich entschied, dass es kein Spinner sei. Ich lud ihn zu mir ein. Wenn ich schon da gewusst hätte wie dumm diese Idee war, dann würde der Mann noch leben, aber ich wusste es nicht. Von Weitem erblickte ich einen älteren Mann, etwas klein und untersetzt, in hellem Anzug und dunkler Weste. Er hatte seinen Hut vom Kopf gezogen und mit einem Taschentuch über seine Stirn gewischt. Es war aber auch sehr warm. Langsam stieg er die Stufen zu meinem Haus hoch und als er oben angekommen war, gab er mir erschöpft die Hand. Ich sprang von meinem Schaukelstuhl und schüttelte seine energisch. Er ließ sich in den Schaukelstuhl fallen und ich hockte mich auf den Basthocker neben ihm. Er bekam wieder Luft.

„Ganz schön runtergekommen, ihr Haus. Ich schätze so um die Jahrhundertwende.“

„Ja, so gegen 1890“, sagte ich stolz

„Das hat schon viel erlebt. Wollen mal sehen was es frei geben wird. Gibt es einen bestimmten Grund, warum sie mich gerufen haben?“, fragte er interessiert.

„Bisher konnte ich hier nicht gut schlafen. Nachts viele Geräusche und manchmal auch Schreie.“

„Aha Schreie, wie alle anderen Häuser mit denen ich gesprochen habe. Überall das Gleiche. Häuser sind wie Menschen, sie vergessen sehr schnell die schönen Geschichten. Welches alte Haus könnte nicht über große Feste und viel Ausgelassenheit erzählen, aber nein. Nur über schlechte Geschichten. Kriege, Zerstörungen und Vernichtung. Ich sage ja wie bei den Menschen. Oh, entschuldigen sie, ich quatsche sie hier voll. Also zum späten Abend beginnen die Häuser zu reden. Wir haben noch etwas Zeit. Ist ihre Küche genauso marode wie das andere?“

„Nein, die ist schon neu.“

Wir brutzelten zusammen ein gutes Essen. Ich hatte vorher eingekauft. Wir machten uns Spiegeleier und Salat. Es war seine Henkersmahlzeit. Ist mir natürlich heute bewusst, aber zu dieser Zeit, fühlten wir uns sehr gut und er erzählte über viele Erlebnisse mit seinen Häusern. Das sagte er immer, seine Häuser. Er hatte sie lieb gewonnen. Er hatte auch noch nie so ein schlimmes Haus erlebt, wie meines. Ich wusste nicht viel über mein Haus. Es war an einem Hang gebaut. Ich muss aus der Vergangenheit reden, da ich es kurz nach dem Drama abreißen ließ. Der Abend kam und Herr Walter bereitete sich vor. Er bewegte sich langsam durch das Haus. Zuerst durch das Foyer, dann besuchte er alle Zimmer und stieg dann die Treppe hoch. Auch dort besuchte er kurz jedes Zimmer und lief zu mir zurück.

„Sehr schwierig. Ich habe nichts vernommen. Wir müssen noch warten. Vielleicht muss ich auch hier schlafen. Geht das?“

„Ja, sicher Herr Walter. Das Zimmer hier untern ist ja bereits schon fertig und es steht auch schon ein Bett drin.“

„Ja, habe ich gesehen und wo schlafen sie?“

„Direkt nebenan.“

Wir setzten uns in den Salon mit den abgesessenen Sesseln und warteten, aber nichts geschah. Ich kann es bis heute nicht verstehen, wie es dann dazu kommen konnte.

Wir gingen beide zu Bett und ich habe noch nie so gut in dem Haus geschlafen. Am nächsten Morgen erwachte ich spät und sehr ausgeschlafen. Ich fühlte mich wie neugeboren. Pfeifend öffnete ich meine Tür und lief in das Zimmer nebenan. Auch heute habe ich es immer noch nicht begriffen. Ich erblickte Herrn Walter. Er hatte sich an der Deckenleuchte, die erst vor drei Tagen fest installiert wurde, erhängt. Das Seil, ich weiß nicht woher dieses kam, auf jeden Fall, hing es um seinen Hals. Das Haus hatte keine Geheimnisse von sich gegeben, oder zu viel von sich offenbart.

Ich rief die Polizei und hatte große Problem zu erklären, dass ich damit nicht zu tun hatte. Mit Verwunderung erfuhr ich, dass auf dem Seil keine DNA und keine Fingerabdrücke waren. Auch für die Kripo war es unerklärlich, aber sie akzeptierten einen Selbstmord. Ich wurde glücklicher Weise nie stark verdächtigt. Nachdem der Tatort wieder frei gegeben wurde, habe ich kurze Zeit später den Abbruch beauftragt. Ich war froh wie alles vernichtet war.

Danach habe ich den Rabensweg nie wieder aufgesucht!
Heute wohne ich in einem neugebauten Haus…

Das allseits bekannte Geisterhaus erzählt
»Oh , wieder so ein langweiliger Tag. Jetzt steh ich noch immer alleine hier herum. So geht es Jahr aus , Jahr ein. Es hat niemand mehr Interesse, bei mir zu bleiben. Wie auch. Ich seh sicher alt und baufällig aus. Die halbblinden Fenstern, durch die ich immer so gerne die Umgebung betrachtete, lassen grad noch ein paar Sonnenstrahlen durch. In meinen Wänden nagt der Holzwurm. Eine Frage der Zeit und sie werden wohl einstürzen. Efeu wächst an der Holzwand empor, bis zum Dach. Früher nisteten hier Schwalben. Nicht einmal sie lassen sich blicken. Im Herbst kommen die Raben bis an die Haustür. Sie passen zu mir und zum Rabenweg. Es liegt wohl daran, dass der Wald auf der Sonnenseite so hoch gewachsen ist. Ich stehe in seinem Schatten. Am Horizont höre ich ständig ein eigenartiges Geräusch. Es kommt von den modernen Windrädern, oben auf der Anhöhe, das sagten zumindest Wandersleute, welche vor einigen Tagen rasch vorbeieilten. Da sieht es ja grusselig aus, so äußerten sie sich auch noch, als sie meiner ansichtig wurden und schwubdiwub waren sie im Wald untergetaucht. Die wissen gar nicht, wie gut sie es bei mir hätten und wie gemütlich meine Räume sind. Die letzte Familie, die hier ihr Wochenenddomizil hatte, verließ sang und klanglos den Ort. Sogar die Möbel ließen sie zurück. OhneVerabschiedung fuhren sie eilig ab.«
»Ha ha, ja, da hab ich es wieder einmal geschafft, diese Herrschaften aus dem Haus zu ekeln. Die waren mir ehrlich gesagt unsympatisch. Es wurde mir zu viel gelärmt und Alkohol gesoffen. Gut, dass sie es kapierten und schnell wie der Blitz abgezogen sind. Hi, hi.«
»Um Himmels Willen jetzt bist du schon wieder da. Du vermasselst mir mein Dasein. Bist du es denn noch immer, du, die mysteriöse Auglbäuerin welche ihre Dienstboden so diskreminiert hat? Und schon wieder hast du deine Finger im Spiel. Deshalb bin ich so vereinsamt, weil ich diesen schlechten Ruf bei den Leuten habe und das nur wegen dir.«
»Freu dich doch, weil du mich hast. Ich war ja außerdem lange die Bäuerin hier. Damit du weisst, wer hier überhaupt das Sagen hat.So schnell kriegst mich sicher nicht los. Mich erlöst ja niemand. Erinnerst dich, wie sie vor mindesten acht Jahrzehnten mit dem Geisterbeschwörer dahergekamen? Versprochen haben sie damals, in ihrer Angst, viele Messen für mein Seelenheil zu bezahlen. Das hatte mich ganz sanft und glücklich gemacht. Ich hörte gleich auf mit den Spucken und wartete und wartete. Nichts ist von alledem passiert. Zugegeben, ein paar Messen wurden ja gelesen. Dann war wieder Schluß damit. Bin wohl verdammt, bis zum jüngsten Tag hier zu verweilen. Und du wirst mit mir durchhalten! Nichts wird mit eingestürzen! Kapiert? Ich kann ja sonst nirgendwo unterkommen. Wer will mich denn schon. Nicht einmal der Teufel.«
»Nah das ist vielleicht ein Kreuz mit dir. Doch ich denke gerne zurück an damals, wie du so richtig rangegangen bist. Für Aktion hast du gesorgt. Das war mal was anderes in unserer Einöde hier. Die Leute machten sich beinahe in die Hose als du plötzlich die Tischlade mitten in den Raum geschleudert hast und als du dann mir nichts dir nichts die Gestalt einer schwarzen Katze annahmst, die sich frech auf den Brotlaib setzte. Kannst dich noch an die langen Gesichter der Männer erinnern und an das Kreischen der Mägde? Die Gendarmerie wurde geholt und von den Nachbarn kamen alle schauen, was Du da so aufführst. Am meisten muss ich ja noch immer über dem Gendarmeriebeamten lachen, der mit gezogener Pistole davonlief und im Laufen noch über die Kinderwiege stolperte, als du mit deiner Klopferei anfingst und die Tischlade als Wurfgeschoss durch die Stube flog.Dann hörte ich noch die Geschichte von den zwei Holzfällern, die in der Nacht auf dem Heimweg in den Nachbarort waren. Plötzlich hat das Geschirr im Rucksack gescheppert. Da dachten sie, du bist nachgekommen. Sie liefen was das Zeug hielt und ihre Hosen wurden nass.«
»Ja, dass war eine tolle Zeit. Ich hatte mich mächtig ins Zeug gelegt War cool, meine Macht so auszuspielen.«
Dann warst du aber plötzlich verschwunden. Wo warst du in der Zwischenzeit? Man hat nichts mehr von dir gehört!«
Ach, ich war ja immer da. Geklopft habe ich öfter mal. Und man hat sich gewundert, wo die Töne herkommen. Aber. es hat niemand nachgeschaut. Da war dann ja diese Familie im Haus, mit der blinden Mutter, die sich um ihre Söhne, welche in den Krieg ziehen mussten, so große Sorgen machte. Der alte kranke Onkel war bei ihr und die Tante, die sich um alle kümmerte. Ein kleines Mäderl gabs, mit schwarzem Haar. Die war fleißig und ich hab ihr zugesehen wie sie die Hengste aus dem Stall holte. Ganz allein brachte sie die starken Pferde auf die Weide. Sie molk auch die Kühe und arbeitete auf dem Feld und im Garten. Vormittags ging es ab in die Schule. Ich sah ihr gerne hinterher und wartete, bis sie wieder zurückkam. Die konnte ich doch nicht erschrecken. Ich wollte nicht mehr böse sein, weil ich gesehen hatte, dass friedliches Zusammenleben wunderschön ist, wenn man sich gegenseitig hilft und nicht erschreckt. Brachte ja der Krieg damals genug Angst über die Leute. Später kamen die Söhne vom Krieg zurück. Der Jüngere gründete hier im Haus eine Familie. Es gab drei Buben und drei Mädels. Mensch ging da die Post ab. Ich hatte immer zu schauen und manchmal wollte ich sogar helfen, wenn jemand in Gefahr war. Ich beineidete diese Familie sogar ein wenig und bereute es zutiefst, dass ich zu meiner Zeit so böse war. Das war die größte Strafe für mich. Na ja, das Spuken war mir gründlich vergangen. Nur einmal, da war ich so neugierig, als die jungen Frauen in der Nacht singend und lachend vom Tanz zurückkehrten, da stand ich am Fenster um einen Blick auf sie zu erhaschen . Ich glaub, sie sahen mich. Am nächsten Tag erzählten sie sich gegenseitig, einen Geist gesehen zu haben. Das war wohl der Wein, der Euch sowas vorgegauckelt hat, neckten die Burschen. Wein, weisst du eigentlich was das ist. Sowas gabs bei uns damals noch gar nicht. Nur Most«
»Ja natürlich kenne ich Wein. Hat man mir oft genug über die Tielen geschüttet. Schmeckt sauer, soviel kann ich sagen, doch das man durch ihn Geister sehen kann, hörte ich bisher nie. Schau mal, da kommt eine Gruppe Wanderer daher. Sie steuern schon auf die Haustür zu. Sie ist ja offen. Sollen wir sie hereinlassen?«
»Du, ich glaub das sind Pilger. So große Rucksäcke und einen Pilgerstab wie die mittragen, kanns gar nicht anders sein. Die brauchen sicher ein Quartier für die Nacht. Lass sie herein, da gibt es wieder was zu schauen und zu lauschen. Ich werde ihnen in der Nacht die Füße massieren. So komme ich in den Genuss einer guten Tat, damit ich vielleicht doch noch bald erlöst werde. Ich verspreche dir, ich bleibe ganz manierlich. Ab heute sind wir beide Freunde. okay?«

=== Die Flucht der Rumtreiber ===

(Hinweis: Während ich angefangen habe zu schreiben, kam mir die Idee, dass diese vier Charaktere hier super passen würden. Also hab ich sie mir spontan aus dem Potterverse „geliehen“ und eine Art Fanfiction daraus gemacht. :nerd_face:)

„Peter, nun komm endlich!“ Die drängende Stimme schallt über den Garten hinweg in meine Richtung. Ein leises Knarzen ertönt, als ich, aus einem langen tiefen Schlaf gerissen, langsam einen der Fensterläden öffne, um zu sehen was vor sich geht. Ich sehe drei Menschen an der hohen Steinmauer, welche das Grundstück umgibt. Einer von ihnen ist bereits auf dem Weg in meine Richtung, während der zweite stehen geblieben ist, um auf den dritten zu warten, der sich gerade auf dem Bauch windend durch ein Loch in der Mauer zwängt.
„Ich stecke fest! Wartet auf mich!“, ruft er und streckt flehend einen Arm nach oben. Sein Freund seufzt ungeduldig und eilt zu ihm zurück, um ihm zu helfen. Anschließend folgt mit geschickter Geschwindigkeit noch ein vierter junger Mann durch das Loch.
Neugierig öffne ich auch die Fensterläden auf der anderen Seite, um die vier jungen Männer genauer zu beobachten, während sie mit schnellen Schritten näher kommen.
Der erste hat schulterlanges wirres schwarzes Haar, dunkle Augen und trägt einen langen schwarzen Ledermantel.
Der zweite ist hager, mit kurzem dunklen Haar und trägt eine Brille, welche er häufiger nach oben schieben muss.
Der dritte ist kleiner und beleibter als die anderen, hat kurzes aschblondes Haar welches ihm zerzaust am Kopf klebt und unnatürlich große Vorderzähne. Sein Gesicht gleicht beinahe dem einer Ratte.
Der vierte hat blondes Haar, welches spielerisch sein Gesicht umschmeichelt und zwei lange Narben ziehen sich über sein linkes Auge und seine linke Wange.

„Seid ihr sicher, dass wir dort rein sollen?“, fragt Peter, während er mit einem etwas zittrigen Finger auf mich zeigt.
„Natürlich! Deswegen sind wir doch den ganzen Weg hier her gewandert!“ Der Mann mit dem Ledermantel wirkt recht amüsiert über seinen ängstlichen Freund. „Du warst doch genau so erpicht darauf, wie wir. Oder nicht, Remus?“
Remus, der Mann mit der Narbe, nickt zustimmend. „Das war er. Und unser James hier hat sich sicherlich auch nicht heimlich von seiner Lily weg geschlichen, nur um unverrichteter Dinge wieder von hier zu verschwinden.“ Er lacht und klopft James fest auf den Rücken, der sofort seine Brille wieder nach oben schiebt und ebenfalls lacht.

Hätte ich mich dadurch nicht sofort verraten, hätte ich laut los gelacht. Vier halbstarke Männer auf der Suche nach einem Nervenkitzel! Das dürfte spaßig werden. So viele Jahre ist es her, seit sich zum letzten Mal jemand hier her verirrt hat. Und jedes Mal endete auf die gleiche Weise.
Es kribbelt mir unter den Dielen vor Aufregung.
Doch ich reiße mich zusammen und warte, bis die vier auf der Türschwelle ankommen. Wie so viele andere vor ihnen versuchen sie zuerst, durch die schmutzigen Scheiben hinein zu schauen, erkennen jedoch nichts.
„Nach dir, mein lieber Sirius.“, säuselt James und macht eine einladende Geste in Richtung Tür. Der lässt nur ein amüsiertes Schnauben hören und greift nach dem Türgriff. Seine Hand ist warm und sein Griff fest und bestimmt. Ich stemme mich dagegen, als er gegen die Tür drückt. Ein Kinderspiel.
„Verschlossen. Damit hätte ich nicht gerechnet, um ehrlich zu sein.“ Sirius winkt seine Freunde zu sich. „Helft mir mal. Das morsche Schloss gibt mit genügend Druck bestimmt nach.“ Beinahe hätte ich mit den Dielen vor der Haustür gewackelt vor Begeisterung. Das ist ja schon zu einfach! Jetzt schon!
Die vier Männer stemmen sich mit vereinten Kräften gegen die Tür. Ich harre noch etwas aus und halte dagegen. Und dann… RUMMS! … lasse ich los. Und alle vier fallen mit vor Schrecken geweiteten Augen über die Türschwelle und landen vermutlich recht schmerzhaft auf dem staubigen Boden. Erneut unterdrücke ich jegliche Reaktionen. Der Spaß soll immerhin nicht enden, bevor er begonnen hat.
Während sie sich fluchend wieder aufrappeln und sich den Staub von den Kleidern klopfen, schaut Peter sich ehrfürchtig um. „Was denkt ihr, wie lange niemand mehr hier war?“
Sirius wischte mit einem Finger Staub vom Kaminsims. „Der Staubschicht und den Spinnweben nach zu urteilen mindestens 50 Jahre würde ich sagen.“
„Na dann, lasst uns erkunden gehen.“ James krempelt sich die Ärmel seines Hemdes nach oben und beginnt damit, sich die Bilder an der Wand anzusehen.
Vor einem alten Familienportrait bleibt er stehen und betrachtet es eine Weile. „Das muss die Familie sein, die hier vor ungefähr 200 Jahren gelebt hat. Ich habe während meiner Recherche über sie gelesen. Sie sollen einfach verschwunden sein. Mutter, Vater, Tochter und sogar die Katze. Niemand hat jemals wieder etwas von ihnen gehört oder gesehen.“
Seine Freunde reihen sich neben ihm auf, um sich das Gemälde ebenfalls anzusehen.
Peter verschränkt unsicher die Finger ineinander. „Es sieht beinahe so aus, als würden sie uns direkt ansehen.“ Seine Stimme zittert ein wenig.
Mein Moment ist gekommen. Ich lasse die Augen der schwarzen Katze im Portrait blinzeln, als Peters ängstlicher Blick darüber schweift.
Der schreit auf und klammert sich mit beiden Händen fest an James‘ Arm. „Autsch! Bist du wahnsinnig?“
„D-d-d…“ Peter bringt kein Wort heraus.
„Was ist denn in dich gefahren, du Angsthase?“ Sirius zieht amüsiert eine Augenbraue hoch.
„D-d-die… Die Katze hat geblinzelt!“, sprudelt es aus Peter schließlich heraus und er zeigt bibbernd auf das Gemälde.
„Mach dich nicht lächerlich. Vermutlich hast du nur eine Spiegelung oder sowas gesehen.“, antwortet Remus in sachlichem Ton. Doch auch er betrachtet die Katze nun etwas genauer. Natürlich halte ich mich diesmal zurück. Auch wenn es mir schwer fällt.
„Sie hat geblinzelt!“, beharrt Peter und schiebt sich nun hinter James, der seinen Arm inzwischen aus seinem Griff befreit hat.
Ich atme tief ein, sodass ein Luftstrom von der noch immer offen stehenden Haustür hinein weht und direkt über Peter’s Nacken streift.
Der lässt ein schrilles Quieken erschallen und hält sich die Ohren zu. „Es reicht! Ich gehe! Hier spukt es eindeutig!“
Die anderen wenden sich zu ihm um und lachen. „Du kannst ja gerne alleine draußen warten, aber wir bleiben.“
„Und genau das werde ich tun! Ich warte draußen!“ Peter’s Stimme quiekt immer noch während er mit schnellen Schritten auf die Tür zu eilt.
Doch so schnell lasse ich ihn natürlich nicht vom Haken. Gerade als er nahe genug ist, lasse ich die Tür direkt vor seiner Nase zuknallen.
Nun japsen sie alle vier nach Luft. Nicht nur Peter, der vor Schreck auf den Hintern gefallen ist und leise wimmert.
Doch Remus fängt sich als erster wieder und lacht leise. „Nur ein Windstoß. Nichts ungewöhnliches.“ Er geht zur Tür und zieht am Griff, um seine Theorie zu bestätigen. Doch die Tür bleibt verschlossen. Er blinzelt ein wenig unsicher, räuspert sich und dreht am Türgriff, schiebt und drückt. Doch diesmal gebe ich nicht nach. Diese Tür würde verschlossen bleiben, bis ich voll auf meine Kosten gekommen war. Ich atme einmal durch und lasse ohne Vorwarnung das trockene Holz im Kamin in Flammen aufgehen. Das plötzliche „Puff“ Geräusch des Feuers lässt alle vier zusammen zucken und Peter noch lauter wimmern. „Und wie erklärst du das, Mister Superschlau? Noch ein Windstoß?“
Remus tritt wieder zu seinen Freunden und blickt unsicher zum Feuer. „Spontane Selbstentzündung vielleicht?“
„Wovon denn?“ Peter schreit nun beinahe und schafft es nicht, sich vom Boden aufzurappeln.
Spontane Selbstentzündung! Ich kann mir ein Kichern nicht verkneifen, was die Dielen im oberen Stockwerk zum Knarzen bringt. Doch das kümmert mich jetzt nicht mehr. Die Zeit des Versteckens ist vorbei.
Sie alle wenden sich der Zimmerdecke zu. „Ist noch jemand hier?“, fragt James leise und schiebt seine Brille zurecht. Sirius zuckt mit den Schultern. „Wir werden es herausfinden.“
Er macht einen Schritt auf die Treppe zu, während er mit wachsamen Augen die Galerie überprüft. „Hallo?“
Stille.
Peter, der jetzt auf allen Vieren erneut hinter James Deckung sucht, quiekt leise. „Bitte, lasst uns von hier verschwinden.“
Doch seine Freunde folgen Sirius entschlossen zur Treppe. Panisch rappelt er sich auf, um nicht allein zurück zu bleiben und klammert sich ängstlich an James‘ Hemd fest.
Ich kichere erneut und bringe Peter damit wieder zum quieken, während die anderen hektisch ihre Blicke über die Galerie schweifen lassen.
Auch sie wirken nicht mehr so mutig wie noch vor wenigen Minuten.
Als ich dann anfange, die Tasten des Klaviers in der Ecke des Salons im Erdgeschoss klimpern zu lassen, wirbelt Sirius zu Peter herum. „Hast du irgendwem davon erzählt, dass wir heute Nacht hier her kommen wollen?“
„Nein!“, wimmert Peter. „Ich schwöre es, ich habe niemandem etwas gesagt!“
„Okay…“ Sirius atmet einmal tief durch und erhebt dann seine Stimme. „Wer auch immer hier seine Spielchen mit uns treibt, es ist genug! Wir verschwinden! Uns war nicht klar, dass jemand hier wohnt und wir entschuldigen uns für das Eindringen!“
Peter nickt hektisch und wendet sich um, um die Treppe wieder hinunter zu steigen. Doch er bleibt wie angewurzelt stehen und lässt einen weiteren schrillen Schrei los, als er die zu einem bösartigen Grinsen verzogenen Fratzen auf dem Familienportrait erblickt. Beinahe verliert er wieder das Gleichgewicht, doch James fängt ihn ab, sodass er auf beiden Beinen stehen bleibt. Wenn auch sehr wackelig.
Im nächsten Moment lasse ich die Glasperlen des Kronleuchters in der Eingangshalle aneinander klimpern und gebe dem Feuer im Kamin nochmal einen extra Anstoß, was die vier rückwärts ein paar Treppen nach oben stolpern lässt.
Als sie auf der vorletzten Stufe ankommen, habe ich sie genau dort, wo ich sie haben wollte. Ich ziehe mich zusammen und lasse die Stufen zu einer Rutsche zusammen klappen, sodass alle vier ungebremst auf die Tür zu rutschen. Peter allen voran.
Ich atme tief ein und huste, sodass die Tür mit einem lauten Knall nach außen aufspringt und sie alle im hohen Bogen durch die Luft fliegen und in einem Knäuel aus Händen, Füßen und Gewimmer im Gras landen.
Mein lautes ausgelassenes Lachen lässt mich erbeben, sämtliche Dielen knarzen und vertrocknete Blätter und Staub von meinem Dach bröseln, während die Tür und die Fensterläden unaufhörlich auf und zu schlagen.
Das Geräusch meines Lachens verfolgt sie noch bis zur Mauer meines Gartens und darüber hinaus.
Es dauert einige Zeit, bis ich mich wieder beruhige. Das war eine willkommene Abwechslung nach all den Jahren. Nun werde ich wieder die angenehme Stille genießen und weiter schlafen. Bis sich erneut ein paar törichte Menschen zu mir verirren.

Die Chronik

Willkommen im Rabenweg, willkommen auf der Brokschmiede.

Heute also ist es soweit ich bekomme Besuch, Historiker sollen es wohl sein. Ich hoffe sie kommen bald denn die Nacht bricht schon herein. Seit 200 Jahren warte ich auf darauf meine Geschichten zu Erzählen.

Die vom einfachen Soldaten der einst dem Kaiser einen Dienst erwies und mich zum Dank bekam.

Die Geschichte des Vaters und seinen 3 Söhnen die ihr Leben ließen in zwei Kriegen.

Die Geschichte vom Bauern ohne Beine der trotzdem ein Gut leiten konnte

Die Geschichte vom einzigen Sohn der im Streit ging und nach 20 Jahren zurückkehrte um seinen Vater sterben zu sehen.

Vieles sah ich und nicht alles war schlecht oder böse.

Da war die Geschichte von den liebenden die aus 2 Welten stammten.
Die nicht zusammen finden durften sich aber doch fanden und wahrlich die glücklichsten Menschen wurden.

Die Geschichte vom Knecht der nie ins Haus durfte bis … ja bis zu diesem seltsamen Weihnachten.

Die Geschichte vom Kämmerlein und der Magd die mich noch heute so sehr berührt.

Oder aber die Geschichte vom Hund der einst den Erstgeborenen vor dem Tod bewahrte.

Die Geschichte vom Postboten der immer kam um seinen Korn zu trinken auch wenn er keine Post hatte.

Die Geschichte vom schwarzen Buch das jedes Jahr an Weihnachten ein Wunder vollbrachte.

All diese Geschichten schrieben meine Gutsherren auf. Geschichten von Hass, von Neid, von Tod aber auch Geschichten vom Leben, lieben und lachen. Generation um Generation wurde an der Chronik geschrieben bis zu diesem Unfall.

Der Gutsherr stürzte bei der Fuchsjagd vom Pferd und erlag alsbald seinen Verletzungen.

Die Chronik die war nicht auffindbar. Der Ort an dem sie lag war nur dem Gutsherren und natürlich mir bekannt und sie wurde immer an den Sohn weitergegeben wenn es an der Zeit war.

Nur diesmal leider nicht, die Chronik blieb verschwunden.

Die Jahre vergingen und es wurde still auf der Brokschmiede. Es gab keine Gutsherren mehr und keine Mägde oder Knechte. Es gab nur noch mich, die alten Bäume und den Fluss der am Gut vorbeizog und natürlich gab es noch das Versteck unter dem Dach in den alten Eichenbohlen.

Dann vor einer Woche gab es diesen Sturm und der war so heftig das er mir wehtat und Teile von mir fielen diesem Sturm zum Opfer, es tat weh aber es befreite 2 Truhen aus ihren Dornröschenschlaf.

In einer befinden sich Leinenballen, diese waren einmal sehr wertvoll. In der anderen Truhe befinden sich Münzen und die Chronik.

Beide Truhen sind noch verschlossen, geschützt durch das Siegel der Familie aber heute werden sie geöffnet werden denn genau deshalb sind die Historiker angereist. Sie werden dafür Sorgen das die alten Geschichten wieder Lebendig werden und auch ich werde eine große Rolle in diesen Geschichten spielen und vielleicht ja vielleicht ist meine Geschichte ja noch nicht zu Ende erzählt…

Das Haus am Ende der Straße
Zweihundert Jahre sind eine lange Zeit. Stell dir vor, was du alles erlebt haben würdest. Menschen, die du liebtest, sind gestorben, Menschen, von denen Du nicht wusstest, dass du sie lieben würdest, wurden geboren. Geschichte geschah vor deinen Augen und mancher der dich verließ, würde nie wieder kommen. Du hättest viele Menschen gesehen, viele Geschichten erlebt. Doch du hättest nie an ihnen teilnehmen können, obwohl du immer ein Teil ihrer Geschichte gewesen bist.
Das bin ich.
Der stumme Begleiter aller Geschichten, der Ort, zu dem alle zurückkommen wollten. Nun nicht immer vielleicht.
Aber höre, was ich dir zu sagen habe. Denn ich will dir eine Geschichte erzählen, eine die es wert ist, erzählt zu werden.
Meine Geschichte beginnt nicht mit dem ersten Spatenstich oder dem ersten Ziegel, der gelegt wurde. Sie beginnt mit einer Idee. Mit der Idee, mich zu bauen, hier leben zu wollen. Aber mein Leben beginnt erst mit den ersten Wesen, die mir Leben geben. Durch die Art wie sie mein Innerstes gestalteten, wie sie es mit Lachen, Tränen und Leben erfüllten.
Du musst verstehen, dass wir, die wir geschaffen wurden unsere Persönlichkeit durch jene erhalten, die uns formen. Hätten andere Wesen in mir gelebt, wäre ich heute jemand anderes. Vielleicht hast du es schon einmal gefühlt. Wenn jemand stirbt und sich sein Haus anders anfühlt, dann, weil es anders ist.
Ich war ein glückliches Haus für viele Generationen.
Aber heute bin ich alleine. Einsam. Traurig.
Es ist noch nicht so lange her, da war es anders. Meine Bewohner waren glücklich. Ich war ein warmer Ort für sie und ihr Kind. Es war ein süßes Kind, neugierig, klug und immer bereit neues auszuprobieren.
Ich wusste nicht, was passieren würde.
Warum musste es an diesem Tag auf meinem Dach spielen, warum konnte ich es nicht verhindern? Das Fenster hätte klemmen müssen, das Seil hätte nie an der Dachrinne halten dürfen und die Schindel hätte halten müssen.
Ich wollte nicht hinsehen, als es fiel. Wollte die Schreie nicht hören, als meine Bewohner aus der Tür traten.
Aber, was konnte ich tun?

Weißt du, ich würde heute alles geben, um das zu ändern. Aber hab ich es verdient, dafür zu sterben? Musst du mich ermorden?

Ich wusste, dass etwas nicht in Ordnung war, als du kamst mit deinen Plänen und um mich herumschlichst. Aber du wirst hier keinen Erfolg haben. Das werde ich verhindern.
Spürst du das Gewicht des Balkens auf dir? Wie er drückt und dir die Luft nimmt? Noch halte ich den Zweiten. Wie lange noch fragst du dich? Nun du hast die Wahl. Streng dich an. Drück ihn weg. Geh. Flieh!
Oder bleib bei mir.
Oh das war der zweite Balken? Wird es langsam schwer? Wie lange glaubst du, kannst du sie noch halten? Wie wäre es? Noch ein dritter?
Weißt du, viele sind hier gestorben, ein Teil von ihnen blieb immer hier. Heute bleibt wohl ein Teil von dir zurück. Reich jenen die vor dir gingen die Hand.
Oh, sieh mal wer da kommt? Gehört sie zu dir?