Seitenwind Woche 1: Gäste im Geisterhaus

Geburt. Leben. Tod.

Geburt
So … lange … still.
So … ein … Hunger.
Endlich! Vogel … auf … Dach.
Aussaugen.
Aaah, besser.
Der Rabe rollt runter. Man spürt ihn auf den Schindeln.
Zwei weitere landen auf dem First. Auch Aussaugen.
In der Luft noch mehr. Man streckt seine Tentakel und drei den Kamin umkreisende Raben fallen. Der Schwarm krächzt und fliegt zum Dorf. Noch weiter streckt man sich und erwischt noch eine Handvoll.
Viel besser.
Man spürt die Vibrationen der fallenden Körper auf dem Weg. Rabenweg. Früher hätte man gelacht, freudlos, aber immerhin gelacht.
Wieder Stille. In den Wänden fließt die Kraft, Risse schließen sich.
Man erinnert sich…

»Das Haus sieht freundlich aus, Mutter.«
»Sag das nicht zu Vater. Bei den Göttern, du weißt, er will nicht hier sein.«
»Trotzdem mag ich das Haus.«

Mal wieder irgendetwas falsch gemacht oder auch nicht. Schreie. Schläge. Schreie.

Schritte ans Bett, Hand auf dem Mund, Hand unter der Decke.

Die Tentakel erwachen. So hungrig.

Des Vaters Leib kalt im Zimmer. Mutters Augen voller Tränen, sie beißt sich auf die Knöchel. Trotzdem verstehe ich ihren Schrei: »Dämonenbrut!«

Raben krächzen. Ich stehe in der Tür. Mutter kommt mit dem Priester und dem ganzen Dorf. Sie haben Knüppel und Fackeln.
Mein Haus bekommt ihr nicht!

Tentakel, rauschende Kraft, Schreie. Mein Körper birst vor Energie, ich klammere mich an Holz, Stein, Metall.

Stille.

Leben
Sonne auf den Schindeln, Regen, Schnee. Immer wieder.
Blätter auf den Bäumen, grün, rot, braun. Sie tanzen im Wind. Immer wieder.

Menschen nähern sich. Zwei große, zwei kleine. Welch Lebenskraft!
»Das Haus sieht aber ziemlich heruntergekommen aus, Mutter.«
Der Hunger erwacht.
»Nur auf den ersten Blick. Wir werden es ganz freundlich gestalten.«
Man hält inne.
»Trotzdem, da sind bestimmt viele Spinnen drin.«

Vielleicht …

Der Kleine fegt den Boden. Es kitzelt einen.
»Schon fertig! Gut gemacht!«, sagt die Große.

Schritte ans Bett. Man spürt die Schwingungen im ganzen Stock. Hände ziehen die Decke hoch. Ein Kuss auf die Stirn.

»Hier sind gar nicht so viele Ratten und gar nicht so viel Ungeziefer. Ich glaube, das Haus und ich gewöhnen uns aneinander«, sagt die Kleine.
»Ja, manches erschließt sich einem erst auf den zweiten Blick«, sagt die Mutter und schaut den Vater an. Beide lächeln.

Eine andere Kraft durchströmt einen, man braucht keine Tentakel.

Tod
Stille der Nacht. Raschelnde Kleidung auf dem Weg. Kommen die Eltern zurück?
Man spürt ein anderes Gewicht auf den Stufen zur Tür. Ein Messer wird einem zwischen Tür und Rahmen gestoßen.
»Nicht so laut!«, flüstert eine fremde Stimme.
»Sind doch nur die Kinder da. Das wird ein Spaß!«
Der Riegel wird heraufgedrückt.
Man – ich! spüre, wie sich zwei Gestalten durch den Türrahmen drücken.
Das alte Man ist weg, aber ich weiß, eine Sache ändert sich nicht:
Mich und meine Familie bekommt ihr nicht!

Ungebetene Gäste

Die Wanduhr schlug bereits Mitternacht, als der süßliche Geruch von Menschen, durch meine alten Gemäuer trieb. Krähen hatten bereits davon berichtet, noch lange bevor ich die Lichter ihrer futuristischen Fackeln sehen konnte. Auch das ferne, gierig klingende Heulen der Wölfe versprach ein blutiges Festmahl.

Seit Monaten verirrte sich keine lebende Gestalt mehr freiwillig in meine Nähe. Nur verdorrtes Gewächs, ausgemergelte Vögel oder halbtotes Vieh ließ sich in meinem Anwesen nieder. Die wenigen Ratten, die sich aus ihren Löchern trauten, verscheuchten die meisten Besucher schon lange, bevor sie eintraten. Nicht jeder verkraftet den Anblick heraushängender Gedärme und fehlender Augen auf Anhieb und ist dann noch abenteuerlustig genug, mir einen Besuch zu abzustatten. Es ist zäh geworden, meinem Meister zu dienen. Die Menschen sind nicht mehr das, was sie einst waren. Sie sind schwach geworden. Feige. Benutzen Technologien, um sich abzusichern. Es müssen neue Wege gefunden werden, an ihre Seelen zu kommen.

Die Gruppe nähert sich langsam, erkunden dabei jeden Meter und tuscheln undeutliche Sprache. Die Knochen ihrer Vorgänger sind unter dem Laub kaum zu sehen. Das Klappern meiner Fensterläden leitet sie direkt zu mir. Sie verspüren den Drang nach Abenteuer. Die Ausflucht aus dem Alltag. Sie möchten etwas unvergessliches erleben. Und das werden sie. Sobald sie meinen Korridor erst einmal betreten haben, wird für sie nichts mehr so sein, wie es war. Mich dürstet es nach Leben. Meine Mauern faulen vor sich hin und auch mein Dach schmerzt unter all dieser Last. Ich muss ihre Schreie entfesseln, ihr Blut schmecken und sie ihrer Kräfte berauben.
Sie werden langsamer. Wie jedes Mal. Doch heute werde ich wieder zu Kräften kommen und meinen Meister zufrieden stellen. Ihre Abenteuerlust überwiegt und sie laufen Schritt für Schritt in ihren Abgrund. Ich schmecke bereits ihren Angstschweiß.

Grauenhaft

Kann das wirklich wahr sein? Das können sie doch nicht mit mir machen! Ich bin berühmt gewesen, einst der Stolz dieses Ortes. Doch nun stehe ich hier, verlassen und vergessen. Na ja, eigentlich war es Edgar, der einst Ruhm erlangte. Doch dann kam das Ministerium für Geister und beschloss, dass sich die Geister mit einem einfachen Wort befreien lassen können. Und was macht Edgar? Er nimmt das Angebot an und lässt mich im Stich.

Nie hätte ich gedacht, dass er mich so leichtfertig verlassen würde. Über 170 Jahre hat er in mir sein Unwesen getrieben und dann einfach so… weg war er. Und weißt du, welches Wort er gewählt hat? Es ist kein kompliziertes Wort, nein. Es ist das einfachste Wort überhaupt: BITTE! Wenn man es dreimal hintereinander sagt, ist der Geist frei – so lautet die Regel.

Und nun stehe ich hier in einem Gruselhaus, in dem sogar Kinder herumlaufen dürfen. Welches Wort würdest du wählen? Natürlich BITTE BITTE BITTE. Es dauerte keine zwei Wochen und Edgar war frei.

Seitdem habe ich nur noch den Raben als Gesellschaft, der hin und wieder vorbeischaut. Früher waren es mindestens ein Dutzend Raben, die mich besuchten. Aber als die Besucher ausblieben und keine Essensreste mehr übrig waren, blieb nur einer übrig – mein treuer Begleiter.

Und dann geschah es: Diese Hexe vom Ministerium wollte mich abreißen lassen, aber ich stehe unter Denkmalschutz! Doch das hat sie nicht interessiert. Sie haben mich einfach verkauft, ohne Rücksicht auf meine Geschichte und Bedeutung. Einfach so.

Und nun stehen da drei Personen in weißen Overalls, mit Blecheimern und einer Leiter. Ich weiß, dass nichts Gutes bevorsteht. Wenn Edgar noch hier wäre, hätte er sie zu Tode erschreckt. Aber ich kann alleine nichts tun. Ich fühle mich so hilflos.

Der Rabe fliegt auf eine meiner Regenrinnen und beobachtet die drei Gestalten misstrauisch. Aufgeschreckt flattert er in die Luft, als der junge Mann die Leiter an die Wand stellt. Das junge Mädchen mit der Mütze aus Papier keck auf dem Lockenkopf und ein Kind rennt aufgeregt hin und her. Dann beginnen sie damit, mich abzublättern und zu säubern.

Eigentlich ist es ein schönes Gefühl. Manchmal kratzt es ein bisschen, aber dann fühlt es sich wieder an wie ein liebevolles Streicheln.

Der Rabe kommt immer wieder angeflogen und beobachtet das Geschehen neugierig. Nach ein paar Tagen bin ich blitzblank sauber.

Doch dann kommt das Grauen: Die Farbtöpfe werden geöffnet und als der erste Pinselstrich meine Hauswand berührt, höre ich den Raben bedauernd krächzen: Nimmermehr…

Er wird mich nicht mehr besuchen, denn jetzt bin ich PINK!

Hungrig

Ein Rabe landete auf einer meiner kaputten Regenrinnen.
Für einen kurzen Moment wippt er auf dem zerrissenen Metall bedrohlich auf und nieder, Sekunden später weckt sein alarmierendes Krächzen mich aus tiefem Schlummer.
Knarrend erwache ich und strecke meine Mauern. Mein Gähnen lässt zu, dass ein Windhauch laut summend durch meine ausgehungerten Eingeweide zieht.
Quietschend schwingt eine meiner Türen zur Seite und schlägt dabei gegen eine marode Holztäfelung, aus der prompt ein Stück herausbricht. Doch mir bleibt nichts anderes übrig, als zu seufzen. Zu schweigen. Und zu warten.
Zu lange war schon niemand mehr hier.
Mein geflügelter Besuch krächzt erneut. Ein aufgeregtes Geräusch, dass mir Abwechslung verspricht, ist er doch wie so oft mein einziger Besucher. Und heute ist er regelrecht gesprächig.
Jemand rüttelt an meiner Tür und ich spüre weichen Stoff an meinem Fenster. Und eine Nase. Jemand versucht, einen Blick in mich zu werfen!
Euphorie!
Sie durchströmt jedes meiner Rohre und bringt das windschiefe Gemäuer meiner Außenhülle vor Erleichterung zum Stöhnen.
Jemand ist hier!
„Lass uns verschwinden“, stellte eine junge Stimme fest. Ein Mädchen? „Das ist verdammt unheimlich, Ben. Ich will hier nicht sein.“
Sie klingt ängstlich. Ein wunderbares Gefühl.
„Komm schon, wie schlimm kann’s schon werden?“
Eine kühle Hand tätschelt meine Mauer, direkt neben der Tür.
„Ist nur ein altes verwittertes Haus. Das kann uns nichts tun, weißt du?“
Er, Ben, klingt belustigt und scheint die Angst seiner Begleiterin überhaupt nicht ernst zu nehmen.
„Das Haus nicht“, erklärt das Mädchen spitz. „Aber die nicht gegebene Statik, marode Böden, Tetanus… irgendwelche Penner und Fixer, die sich da drin versteckt haben… Hör mal, der Rabenweg ist nicht grundlos da vorne abgesperrt…“
Er lacht sie aus, während er sich an meiner Tür zu schaffen macht. Kalt und hart, schmerzt mich der plötzliche Zug auf meinem Schloss, das schon seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt wurde, aber ich kann nichts dagegen tun. Das Metall verbiegt sich, ein Teil meiner Holztür zerbricht und schon öffne ich mein Innerstes für meine beiden jungen Besucher.
„Lass uns verschwinden. Komm schon, das ist Sachbeschädigung. Wenn wir erwischt werden, sind wir dran und ich bin mir sicher, dass ich bis nach meinem Abi kein Tageslicht mehr sehen werde, wenn mein Vater das hier rausfindet!“, versucht sie erneut zu drängen, aber Ben lacht nur.
„Wie soll er das rausfinden? Er ist auf Geschäftsreise und bis er wieder da ist“, es gibt eine kurze Unterbrechung und ich höre, wie Stoff raschelt, „sind wir längst wieder zu Hause. Lass uns nur einen kurzen Blick reinwerfen.“
„Hier sind Menschen gestorben.“
„Ja. Vor über hundert Jahren. Wir werden da drinnen wohl kaum über Leichen stolpern. Die wurden schon weggeräumt. Vermutlich finden wir nicht mal Blut oder so. Jetzt hör auf zu heulen und komm mit rein. Oder geh halt zurück.“
Endlich kann ich ihn sehen. Kaum, dass seine Füße die Dielen im Eingangsbereich berühren, erfasse ich ihn mit all meinen Sinnen. Er kann kaum älter als sechzehn sein. Dunkle Locken blitzen unter der dunkelblauen Strickmütze heraus, die er trägt und die Lederjacke ist offen. Möchte er lässig wirken? Draußen ist es sehr kalt, aber das scheint ihn nicht zu interessieren.
Auch sie tritt ein. Ein hübscher Engel mit hüftlangem blondem Haar und großen blauen Augen, die sich vor Schreck weiten, als ich ein lautes Knarren von mir gebe.
„Nur der Wind, Ellie“, beruhigt Ben sie. „Nichts Schlimmes. Komm, wir gehen in den Keller. Da hat man damals die Leichen gefunden.“
„In den… in den Keller? Bist du wahnsinnig? Ich will-“
Aber weiter kommt sie nicht. Ben macht sich bereits an der Kellertür zu schaffen.
Ich warte nur einen kurzen Moment, dann entscheide ich, ihm zu helfen und lasse die Tür aufspringen.
„HAH!“
Er triumphiert. Wie niedlich. Glaubt er wirklich, dass das hier sein Verdienst ist? Das sich die Tür geöffnet hat, weil er das Schloss geknackt hat? Seine Euphorie ist nahezu belustigend, aber ich bleibe still. Es ist noch zu früh. Und ich übe mich in Geduld.
Vier Füße steigen zögerlich die Treppe nach unten und je näher sie mir selbst kommen, um so deutlicher nehme ich sie wahr. Den leichten Geruch nach Zigaretten und Feuerzeugbenzin an seiner Kleidung. Das sanfte Parfum, dass nach Frühlingsblumen riecht, fast so wie die hübschen Gartenbeete, die ich einst um mich herum liegen hatte und die mein Gemüt erhellt haben. Heute gibt es nichts dergleichen. Ich bin einsam und mein Umfeld ist grau und leer, die Blumenkästen und Holzrahmen der Beete sind verwittert und halb verfallen. Einen Großteil meines Geländes hat die Natur sich zurückgeholt und meine Besucher sind Wildtiere, die sich hier her verirren.
Nicht genug.
„Die verdammte Taschenlampe ist aufgefallen“, schimpft Ellie.
Ich sehe, wie sie versucht, das kleine Gerät wieder zum Laufen zu bringen. Ben dreht sich zu ihr um und leuchtet mit der eigenen Lampe auf ihre Hände. Er hält ein kleines viereckiges Ding in den Händen, dass sein Gesicht anleuchtet und auf der Rückseite ein grelles Licht erzeugt.
„Wir haben noch mein Handy“, erklärt er nach kurzer Zeit. „Wir wollen ohnehin zusammenbleiben.“
„Ben, ich will Licht. Mach was!“, beschwert sie sich und ihre Finger klammern sich fest an seinen Arm.
Seufzend blickt er sich um und fasst einen alten Brennofen in den Fokus.
„Ich mach uns Feuer“, entscheidet hier. „Dann sehen wir hier drin ein bisschen mehr und es wird warm.“
Ich unterdrücke den Drang, mit den Fensterläden und Türen zu klatschen, weil er sich tatsächlich dem Ofen nähert und damit beginnt, ihn mit allerlei brennbaren Materialien zu füllen. Grinsend lässt er sein silbernes Feuerzeug klicken und zündet den Mischmasch, den er in meinen Ofen geworfen hat an.
Oben schließe ich leise die Tür, doch das Geräusch geht im Aufschrei von Ellie unter.
Sie hat offenbar meine letzten Besucher entdeckt, die nur noch zur Hälfte aus meinem sich zum Teil reparierenden Gemäuer heraushängen.
Ich feuere den Ofen weiter an und in ihrer Panik bemerken sie nicht, dass ihnen der Sauerstoff schnell knapp werden wird.
Ich brauche ihn immerhin nicht. Aber ich brauche sie. Und alle, die nach ihnen kommen werden. Nur noch ein paar und ich werde wieder vollständig hergestellt sein.
Während ich den Rest der vorletzten Besucher vertilge, schließt sich meine Haustür und von den Einbruchspuren ist nichts mehr zu sehen. Auch die geöffnete Absperrung am Ende meiner Straße, deren krönender Kopf ich bin, sieht aus, als wäre sie nie geöffnet worden.
Das lockt mehr Menschen an.

Und ich bin immer noch hungrig.

Die schwarze Madonna

Ich will nicht sterben! Die Abrissbirne darf mich nicht zerschmettern. Vier Generationen schenkte ich ein Dach über dem Kopf. Und jetzt soll ich zu Staub zerfallen? Meister, lass mich nicht fallen! Was soll aus Deinem uralten Geheimnis im Kellergewölbe werden? War ich Dir nicht immer ein treuer Hüter? Rette mich Meister, rette mich!

Ich bin so hungrig. Mein Sklave ist sterbenskrank. Er dient mir kaum noch als Nahrung. Freude! Was sehen meine erblindeten Fenster? Ein blutjunges Paar nähert sich meinem Maul. Hat es mein Sklave doch noch geschafft. Oh Meister, Danke, Danke, Danke! Du bist gnädig in diesem dunklen Moment der Verzweiflung.

„Ein Schnäppchen. Natürlich müssen Sie noch in die Renovierung investieren. Es steht eine Weile leer.“

„Ich weiß nicht, Marcel. Es sieht unheimlich aus.“

„Ein neuer Anstrich und schon ist es freundlicher, Madam. Das richtige Haus, um eine Familie zu gründen. Da ist viel Platz für Kinder, hinter dem Haus können sie in dem riesigen Garten toben.“

„Ich finde das Haus hat Charakter, Yasmin. Suchen wir nicht schon lange nach so einem Heim?“

„Ich weiß nicht, Marcel. Können wir uns ein solche Villa überhaupt leisten? Wir sollten uns das nochmal überlegen.“

„Tut mir leid, Madam. Sie müssen sich heute entscheiden. Meine geschiedene Gattin verkauft es sonst an eine amerikanische Investorengruppe. Die wollen das schöne Haus abreißen und ein modernes Hotelgebäude auf dem Grundstück errichten.“

„Lasst uns wenigstens einen Blick ins Innere werfen, Yasmin.“

Der Schlüssel dreht sich. Ich öffne mein Maul. Oh wie süß schmeckt die Frau. Ich kann mein Glück kaum fassen: sie ist im letzten Monat schwanger! Das frische Fleisch betritt die Empfangshalle und die Tür fällt ins Schloss. Jetzt sitzen sie in der Falle. Sie sind in meinen Fängen und ich schleiche mich in das Ohr des jungen Mannes. Er will ein Unternehmen gründen. Das wir deine Firmenzentrale flüstre ich ihm ein. Im Untergeschoss die Büroräume und im ersten Stockwerk wohnt die Familie. Das macht Sinn, sagt er sich. Ich frohlocke, der fette Fisch zappelt an der Angel. Oh Meister, ich verspreche Dir: Er wird mein neuer Diener sein.

Ihr erster Abend im neuen Heim. Die Umzugskartons sind noch nicht ausgepackt.

„Reichst Du mir bitte noch ein Stück Pizza.“

„Du wolltest doch abnehmen!“ Der Hausherrin ist unwohl. Das Baby strampelt mürrisch im Bauch.

„Schon den ganzen Tag nörgelst Du herum. Gönn mir doch mein Appetit.“ Seine Stimme klingt gestresst. Ich weiß warum. Er hat Geldsorgen, hat sich mit dem Haus übernommen. Das trifft sich gut. Zeit, den Köder auszuwerfen.

Eine Woche später sitzen sie am antiken Tisch. Die Neuanschaffung musste sein, denkt der Hausherr, passt zu der Villa. Die Hausherrin ist blass. „Ich habe unserer Nachbarin getroffen. Man munkelt, dass schon mehrere Menschen im Haus spurlos verschwunden sind. Die Frau aus erster Ehe und das Neugeborene unseres Vorbesitzers waren wie vom Erdboden verschluckt. Über dem Haus liegt ein Fluch. Es war ein Fehler, hier einzuziehen.“ Ich konnte ihre Angst riechen. Ein köstliches Parfum. Meine Mauern atmeten es tief ein.

„Willst Du uns ruinieren. Mein ganzes Erbe steckt in dem Haus. Ich habe deine Schwangerschaftsdepressionen satt. Nimm endlich professionelle Hilfe in Anspruch.“

„Ist das alles, was Dir dazu einfällt? Vorwürfe?“ Sie heult los.

„Ich reiß mir hier den Arsch auf, um unserer Familie ein Heim zu schaffen und Du nervst die ganze Zeit mit deiner Paranoia!“ Oh wie köstlich. Ich genieße den Streit. Gierig sauge ich die negative Energie mit all meinen Ziegeln auf. Das gibt mir wieder Kraft.

Das Kind ist da. Die Frau hat gekalbt. Ein süßlicher Geruch nach Babyfäkalien weht durch die Fluren. Die Mutter der Hausherrin ist bei ihr. Die Alte macht Ärger. Will mir ihre Tochter und das kleine Balg abspenstig machen. Ich muss mich um die Schlampe kümmern.

Meine Mahlzeit kauert mit ihrer Mutter auf dem Bett, das süße Dessert auf ihrem Schoß. Der Hausherr steht muffig neben der Krippe. „Sieh doch ein Marcel, dass meine Tochter und ihr Kind mal raus aus diesem düsteren Gemäuer müssen.“ „Auf keinen Fall, Yasmin.“ Der Hausherr ist wütend, aber die Hexe duldet keinen Widerspruch: „Wir beide haben alles besprochen. Nichtwahr?!“ Die Mutter tätschelt die Hand ihrer Tochter. „Ich packe schnell ein paar Sachen ein und dann ziehst Du eine Weile zu uns.“

Es wird Zeit zu handeln. Die alte Vettel erscheint oben auf der Treppe, das Köfferchen in der Rechten. Sie tritt auf die oberste Stufe. Die Holzdiele gibt nach. Sie rudert mit den Armen. Das Köfferchen poltert nach unten. Sie greift nach dem Geländer. Blitzschnell ziehe ich ihr den Handlauf weg. Die Augen weit aufgerissen, stürzt sie die Treppe hinunter. Der Notarzt bescheinigt mehrere Brüche. Der Auszug meiner süßen Frucht ist erst einmal vom Tisch.

Ein paar Tage später sitzt der Hausherr in der Bibliothek. mein Sklave hockt ihm gegenüber. Der Gestank seines Lungenkrebses dampft ihm aus jeder Pore. Es wird höchste Zeit für den Stabwechsel.

„Ich brauche dringend die nächste Rate. Meine Geschiedene sitzt mir im Nacken.“

„Zwei Kunden haben ihre Rechnung noch offen. Aber ich rechne jeden Tag mit der Überweisung.“

„Das ist nicht mein Problem“, sagt mein Sklave, fummelt dabei nervös am Anhänger seines Halskettchens. Der Blick des Hausherrn streift beiläufig das schlichte Messingschlüsselchen und denkt: Was für ein hässlicher Schmuck. Genug gesehen, meinen Fensterladen knarrt drohend. Hastig lässt mein Sklave das Schlüsselchen wieder im Hemdausschnitt verschwinden. Ich wispere ihm zu: Wirf den Köder aus: „Vielleicht können wir uns beide helfen.“ „Ach ja?“

„Ein reicher Fabrikant hat dieses Anwesen für seine Frau gebaut, hat ihr jeden Wunsch erfüllt und sie mit Juwelen überhäuft. Die Schlampe hat es ihm nicht gedankt, ihn heimlich betrogen und ihm ein Kuckucksei untergeschoben.“ Mein Hausherr spitzte die Ohren. Die Worte meines Sklaven fallen auf fruchtbaren Boden. Wie sagte seine Mutter enttäuscht: Das Kind kommt so gar nicht nach dir. „Das Luder war schuld an seiner Tragödie. Sie…“ Ich stach ihm in sein Krebsgeschwür. Mein Familiengeheimnis geht niemand was an.

„Ist Ihnen nicht gut. Sie sind weiß wie eine Wand.“

„Geht schon besser. Die Frau und ihr Liebhaber wollten mit der Schmuckschatulle durchbrennen. Er ist ihr zuvorgekommen und hat die kostbaren Kleinodien im Haus versteckt.“

Mein Hausherr sah elektrisiert auf. Gehört etwa der unscheinbare Schlüssel an der Halskette zur Schatulle?

„Ich habe eine Vermutung, wo. Bin aber zu schwach den Schatz zu heben. Die Krankheit kam dazwischen.“ „Verraten Sie mir das Versteck. Soll Ihr Schaden nicht sein.“ Sie einigten sich auf Halbe-Halbe.

Am Abend sitzt er mit seiner Frau zusammen. Sie streiten sich wie so oft in letzter Zeit. „Marcel, es geht so nicht mehr weiter. Ich verlasse Dich.“ „Wo willst Du wohnen?“ „Ich ziehe erstmal zu einem Freund.“ Hab ich doch gewusst, denkt der Hausherr. „Wovon willst Du leben?“ „Du wirst das Haus verkaufen müssen. Die Hälfte gehört mir.“ Das darfst Du nicht zulassen, flüstre ich ihm ein.

Die Sonne verblutet am Horizont. Es klingelt. Mein Sklave steht mit glasigen Augen vor der Haustür. Die Nacht der Wachablösung bricht an. Der Hausherr rümpft die Nase, „Was willst Du mit dem Zeug?“ und sein Blick wandert vom Eimer Mörtel, über die Kelle, über das gefaltete Bettlaken auf den Schultern seines späten Gastes: „Brauchen wir alles, um den Schatz zu heben.“

Mein Magen knarrt als beide die Kellertreppe hinuntersteigen. Beklommen betreten sie meine Eingeweide. Ich kann es kaum erwarten, mir endlich wieder mit frischer Lebensenergie den Bauch vollzuschlagen. Sie stapfen durch das modrige Gemäuer, zuerst durch den Weinkeller, vorbei an spinnenbewebten Regalen, durchqueren den Kohlekeller, mein kranker Diener strauchelt. Sein Blick streift kurz die verstaubte Schaufel in der Ecke. Er atmet schwer.

Sie ducken sich, um in meinen After zu kriechen: das hinterste Gewölbe, es ist natürlichen Ursprungs, eine Höhle im Fels unterm Haus. Eine Spitzhacke lehnt gegen einen Haufen aufgeschichteter Ziegel. „Nimm sie. Mir fehlt die Kraft.“ Er zeigt auf eine zugemauerte Nische in der Felswand. „Dahinter ist der Schatz versteckt.“ Mein Sklave leuchtet die Wand mit einer Taschenlampe aus, der Hausherr schlägt in hastigen Hieben mit der Spitzhacke ein Dutzend Ziegel heraus. Als das aufgestemmte Loch groß genug ist, um hinein zu kriechen, fällt der Lichtkegel in die Öffnung.

Der Hausherr weicht ein Schritt zurück. Das Entsetzen tobt in seinem Gesicht. Auf einem gemauerten Sockel sitzend, erkennt er schemenhaft die Skulptur einer Madonna, geformt aus rußgeschwärztem Gebein. Ihre Knochenhände halten das Skelett eines Säuglings auf ihrem Schoss. „Hallo Gertrud. Sehe ich dich wieder, nach so langer Zeit?“ und mein Sklave streicht versonnen lächelnd über den Säuglingsschädel.

„Wo ist der Schatz?“, kreischt der Hausherr hysterisch. „Ich verrat es Dir, wenn Du beide im Garten begräbst.“ Der Hausherr hebt drohend die Spitzhacke. „So wirst Du das Versteck nie erfahren.“ Der Hausherr bricht weitere Ziegel aus der Wand, vergrößert das Loch. Gemeinsam räumen sie die Gebeine aus und wickeln sie in das mitgebrachte Leintuch. Klappernd wirft sich der Hausherr das Bündel über die Schulter, auf ein Kopfnicken meines Dieners ergreift er die Schaufel. Im Schutz der Nacht schleichen sie aus dem Kellergewölbe in den Garten. Das fahle Mondlicht weist den beiden den Weg durchs Gebüsch. Versteckt hinter Sträuchern liegt ein kleiner Friedhof. Auf ein Zeichen meines Sklaven stößt der Hausherr die Schaufel in den Boden. Während er die letzte Ruhestätte der Schwarzen Madonna und ihrem Kind aushebt, zertrümmert er versehentlich das Skelett eines Säuglings.

Sie beerdigen die Frau und das Baby in geweihtem Boden. Als es vollbracht ist, stöhnt mein Sklave erleichtert auf: der sentimentale Schwachkopf denkt an Vergebung. Auf dem Rückweg zum Haus, krallt der Hausherr seine Finger in den Oberarm meines Sklaven: „Wo ist der Schatz?“ „Dafür musst Du ein Opfer bringen.“ „Welches?“ „Das gleiche wie ich.“ Der Hausherr steht wie betäubt, ihn beschleicht eine dunkle Ahnung. Mein Sklave schubst ihn durch die Eingangstür. Beide sind wieder unter meinem Einfluss und ich flüstre dem Hausherr ins Ohr: „Sie hat es verdient, die Schlampe. Willst du den Schatz an einen Bastard verschwenden?“ Ich ergötzte mich an seinem Zorn.

Sie schleichen sich ins Schlafzimmer. Er schaut auf seine schlafende Frau, auf den schlummernden Bastard in der Krippe neben ihr. Ihn packt die Wut. Er hebt die Schaufel und schlägt zu. Auf den Schultern schleppt er seine bewusstlose Frau bis zur Höhle. Mein Sklave schlurft hinter ihm, das schreiende Kind auf dem Arm. Keuchend hievt der Hausherr seine Frau auf das Podest. Mein Diener legt ihr den Säugling in den Schoß. Sie mauern Mutter und Kind ein. Oh wie köstlich schmeckt das wabernde Böse. Als der letzte Ziegel seinen Platz in der Mauer gefunden hat, schreit der Hausherr „Wo ist der Schatz!“ „Es gibt keinen.“ „Du krankes Schwein.“ Der Hausherr ist außer sich und schlägt meinem Sklaven die Spitzhacke in den Schädel.

Geistergeheul fegt wie ein Sturm durch das Gewölbe. Die frisch gemauerte Wand wird gläsern. Ein Tor zur Hölle öffnet sich, das seit Urzeiten in der Höhle lauert. Feuer schlägt heraus, Mutter und Kind verglühen und aus den Flammen schält sich ein Dämon. Oh Meister, ich grüße Dich auf das untertänigste. Der Dämon packt die Leiche meines Sklaven und reißt ihm den schmucklosen Schlüssel vom Hals. Er reicht ihn dem schlotternden Hausherrn: Hier hast Du den Schatz. Dein Schlüssel zum Reichtum, höre ich seine donnernde Stimme.

Dann richtet sich mein Meister an mich: Sag ihm beizeiten was er zu tun hat! Zu guter Letzt verspricht er noch das Langersehnte: noch sieben Seelen und du bist frei. Mein Mauerwerk weint vor Glück. Dann greift der Dämon in die Brust der Leiche und zerrt die schwarze Seele heraus. Er schleift sie durch das Höllentor, an dem rußgeschwärzten Skelett der schwarzen Madonna vorbei und mein neuer Diener sieht mit Grausen, wie er die Seele meines alten Sklaven über eine Brücke führt. Und er sieht den rotglühenden Lavafluss darunter fließen und er sieht in den brennenden Fluten verdammten Seelen schwimmen, schreiend in ewigem Schmerz.

Mein Flüstern wispert in meinem neuen Sklaven: Jetzt hast Du Deinen Schatz. Er war immer vor Deinen Augen. Oft ist es das Unscheinbare, was den meisten Wert hat, sage ich ihm lachend. Und ich sehe wie die erste Zelle in seinem Körper entartet. Meine Stimme schneidet: Wenn dein Ende naht, such eine neue Familie für mich. Sonst wirst Du auf ewig im Fluss der Verdammten brennen.

Ich, das uralte Haus

Wer bestimmt auf dieser Welt,
wer hat die Macht und auch das Geld,
mich zu besitzen und zu erben?
Wer das versucht, der wird wohl sterben.
Es kamen her schon wirklich Viele
und alle mit dem selben Ziele,
mich ihr Eigentum zu nennen
und beachtlich zu verkennen,
wer - mich - will erben,
der wird wohl sterben.
Doch seht, da kommen schon wieder auf leisen Sohlen

  • die Nächsten - und wollen mich holen,
    m i c h das uralte Haus,
    doch leider wird wohl nichts daraus,
    denn vom Dache geraten Ziegel zu Falle
    und mit lärmerfülltem Knalle
    treffen sie die, die wollten mich erben,
    also mussten sie sterben.

Schwarz-Weiß-Walzer

Du und die anderen, ihr lauert im milchigen Licht der Straßenlaterne, eure Blicke wandern ins Dunkle jener Straße, die keinen Namen trägt, an dessen Ende ich lauere und zu euch zurückstarre. Hier wird nun spekuliert. Es wird gewispert und gelacht und getratscht und Geschichte malen dunkle Schatten, die an deinem Sichtfeld fressen, du sagst kein Wort. Deine Hände in den Hosentaschen, an die Laterne gelehnt, wartest du darauf, bis die anderen entscheiden, was bereits entschieden wurde: Ihr werdet euch mir nähern.

Also taucht ihr in die Schatten der Birken. Feuchtes Gras presst sich gegen Waden, Pfützen werden aufgewirbelt, welkes Laub klebt an Schuhsohlen. Der Nebel um euch wispert neue Geschichten, die euch die Wangen hinaufkriechen, hoch und höher, bis sie sich in euren Gehirnen einnisten.
Als die Birken euch wieder ausspucken, bin da ich. Und die Stille, die mich umgibt. Dein Blick verfängt sich in meinem, in unzähligen dunklen Augen, die dir entgegenblicken, wandert über meine steinerne Haut, den Efeuranken, die meinen Putz aufsprengen, vereinzelte Dachziegeln in der schlammigen Einfahrt. Du bist wie ich, wispert etwas in mit.
Du wartest noch einen Moment, während die anderen sich an mich heranpirschen. Zerbrochenes Glas knirscht unter Schritten. Ihr schleicht mir unter die Haut. Du bist der Letzte. Durch meinen schwarz-weiß geflieste Schlund, tief und tiefer, ihr kriecht wie Gedanken, ihr nistet euch in meinen Dachkammern ein, mein dunkles Blut pumpt euch in meine Herzkammern.
Du bist wie ich.
Wie du so durch das Fenster nach draußen starrst und an die Geschichten denkst, die noch immer wie dunkel Schatten an deinem Sichtfeld fressen.
Dein Herzen schlägt im gleichen, verhallenden Takt von wandernden Füßen, die sich durch die verlassenen Räume deines Selbst irren. Du bist es nicht gewohnt, wenn Fremde sich dir nähern. Du bist es nicht gewohnt, dass jemand sich durch deine Fenster in dein inneres schleicht. Du bist es nicht gewohnt, dass ungeschickte Hände Türen aufstoßen, Dinge enthüllen, ein falscher Schritt, Staub wirbelt auf.
Ich bin es nicht gewohnt - du und die anderen, so in mir.

Da gibt es jene, welche nur auf die schwarzen Fliesen treten. Das sind die Mutigen, die keine Angst haben, sich in der Dunkelheit selbst ins Auge zu sehen. Sie treiben die anderen an; sie sind laut, wo man immer leise sein sollten; sie trotzen den Erinnerungen, die in Keller lauern, sie drängen dich dazu, hinzusehen.

Dann gibt es jene, die nur auf die weißen Fliesen treten. Das sind diejenigen, welche sich kaum ins Innere trauen. Sie erschrecken vor knarzenden Dielenböden; sie rümpfen die Nase; sie schießen spitze Kommentare, um die Angst zu vertreiben, die ihnen den Nacken hinunterkriecht. Das sind diejenigen, welche dich entrümpelt wollen, Stück um Stück, die Spinnen vertreiben, jeden Makel entfernen.

Aber da ist auch jemand anderes.
Er wird mit dir seinen Schwarz-Weiß-Walzer tanzen, mit bedachten Schritten, er wird wissen, wann es richtig ist zu schweigen und wann nicht. Gemeinsam werdet ihr im Keller hocken und darauf warten, dass die Erinnerungen kommen, seine Hand auf deinem Rücken, bis der Regen allen Schmerz mit sich nimmt. Gemeinsam werdet ihr Staub aufwirbeln, den Spinnen ein Zuhause bauen, Möbel ausklopfen und den Kamin entfachen. Euer Lachen wird durch die Gänge hallen und es wird sich gut anfühlen, wenn er dir unter die Haut geht.

Mahlstein

Vor Zeiten, als die Leut‘ noch gered‘t hant, wie ihnen der Schnabel gewachsen, da mahlte mein Mahlwerk den Bauern das Korn zu Mehl. Als Windwassermühle angetrieben von Mühlbach und Wind weitab des Dorfs – denn Windräder litten die Leut‘ nicht in ihrer Näh‘ – klapperte mein Mühlwerk, tagaus und tagein.
Doch dann kam der große Krieg und riß alles Leben, soweit zuvor nicht geflohen, mit sich hinweg und fortan stand mein Mahlstein still. Und ein vorwitzig Eichhorn begrub vorm Tor eine Eichel. Und die Sommer kamen und die Winter gingen und in der Mühl‘, da regt‘ sich kein‘ Seel‘, jahraus und jahrein.
Und erst als die Krone einer mächtigen Eiche meinem Hofe üppigen Schatten bescherte, verirrte ein Müllersbursch sich herauf zu mir. Alle Warnung in den Wind schlagend, es gehe in der verlaßnen Mühl‘ nicht mit rechten Dingen zu seit des großen Orlogs grausigem Wüten, beschloß er, mich in Besitz zu nehmen und wieder in Gang zu setzen.
Wie gesagt, so getan: Haverbecks Ruprecht, mein neuer Mühlherr, bewirtschaftete redlich Haus und Grünanlagen, dieweil Magdalena, sein tüchtig Töchterchen hingebungsvoll die Blumen begoß.
Als sie aber einmal, auf Johanni war’s, spät schon in der Dämmrung des Abends – denn sie hatte den lieben langen Tag mit Träumen verbracht – sich noch den Blumen widmete und allerlei Kräuter für Hollerküchel sammelte, bricht jäh der Vollmond silbrig durch die dunkle Wolkendecke. Während noch das Käuzchen ruft, beginnt drunt im Dorfe die Kirchturmuhr zu schlagen. Beim zwölften Schlage erhebt sich miteins ein Brausen und Klappern, daß einem schier die Ohren zerbersten. Ein Schauer kommt auf und ein betörender Windzug zerzaust Magdalenens Haar, raubt ihr den Atem.
Sieben rasende Rappen preschen tosend heran, aus Nebelschwaden zischt eine schwarze Kutsche hervor. Am Mühlentore unter der Eiche schließlich zum Stehen gekommen, verharrt nun alles totenstille, der Kutschbock leer, die Vorhänge verhängt, nur die dampfenden Rösser schnauben bisweilen und scharren die Hufe.
Nach einer dreiviertels Ewigkeit öffnet endlich sich langsam der Schlag. Und es geschieht – wiederum nichts. Dann erglimmt ein blaßbläuliches Licht. Ein gespornter Stiefel betritt den regennassen Boden. Nach und nach schälen drei dunkle Gestalten in weiten Mänteln und schwarzen Kapuzen sich aus dem Gefährt.
Der stattlichste der drei, mit Klappe überm rechten Auge, pocht polternd gegen mein Tor
„Heda! Jemand zuhaus‘?“, während die beiden anderen Spießgesellen um sich blickend das Gelände mustern. Magdalena, sich aus ihrer Erstarrung lösend, kann sich gerade noch hinterm regenfeuchten Flieder verbergen.
„Öffnet auf der Stell‘! Sonst setzt’s was!“
Aus erstem Schlummer gerissen, entriegelt Ruprecht mein Tor. Die ungebetene Schar erobert in meine gute Stube hereinstürmend handstreichartig die Tafel.
„Tisch‘ er seinen Gästen auf! Uns hungert’s wie Meister Petz nach seinem Winterschlaf‘! Und vergeß‘ er das Bier nit!“ Und der Müller beeilt sich zu tun, wie ihm geheißen.
„Als anständige Leut‘“ schmatzt der Wortführer des mitternächtlichen Trios, den Humpen Schwarzbiers kurz absetzend, „wissen wir, Herr Wirt, was sich gehört!“ Am Hühnerbeine kauend, verrät er: „Mich kennt man landauf und landab als Arthur Schulz! Schreib‘ er sich das gefälligst hinter die Ohren! Hier zu meiner Rechten sitzet Erik der Rohe, seines Zeichens der höflichste Halunke weit und breit. Und hier …“, an dieser Stelle erlangt hörbar die in der Hast zuviel verschluckte Luft ihre Freiheit, „… das ist Iwan der Schwächliche, dessen eiserne Faust Herr Wirt keineswegs zu fürchten hat! Wenn er hübsch brav spurt …!“
Als Arthurs Tafelrunde fertig gespeist, ergreift Erik das Wort: „Wunderbaren Boden hat es hier. Wie gemacht für eine hübsche Schonung, die etliche Klafter besten Holzes erbringen wird! Wie denkt er darüber?“ „Ich versteh‘ nicht recht!? Was meinen Euer Gnaden?“ Der Müller zuckt mit den Achseln.
„Außerdem bietet dieser Ort alles, um hier eine Köhlerei gewinnbringend zu betreiben! Wie ist seine Ansicht hierzu?“ meldet Iwan sich zu Worte. Ruprecht erbleicht: „Werte Herren, wovon reden Euer Hochwohlgeboren?“
Nun ist’s an Arthur, Klarheit zu schaffen, alldieweil die beiden anderen Schergen beginnen, mich von außen zu begutachten: „Müllerchen, wo – ich bitt‘ recht schön – ist denn seine Konzession, diese Mühle zu betreiben? Seine Mühle steht auf einer Erzader und für die unumgängliche Erschließung, muß seine Mühle weichen! Wir sind aber – bei Gott – keine Unmenschen, wollen uns nicht lumpen lassen: Was verlangt er denn zur Kompensation?“
Sapperlot, hier schlägt’s nun dreizehn! Dies geht jetzo selbst mir über den Transmissionsriemen und reißt mich fensterlädenklappernd aus meiner Jahrhunderte gepflogenen stoischen Ruhe. Jetzt reicht’s!
Ich packe die Gelegenheit und den einen Burschen mit meinem Flügel am Schopfe und vergönne dem Kerl, klipp klapp, kopfunter eine Rundreise auf meinem Windmühlenrade. Der geifert Zeter und Mordio, heißa, was meine Flügel mehr anspornt als die schönste Brise.
Als er gerade mein Wasserrad beäugt, schnapp‘ ich mir den andren Schelm, erwisch‘ ihn am Rockzipfel und schwenk‘ ihn, schwipp schwapp, gehörg, daß ihm Hören und Sehen vergeh‘, zappzarapp, durch des Mühlbachs eisige Fluten, bis der traurige Tropf nur so trieft.
Während in der Stube das inzwischen hereingeschlichene Töchterchen den ohnmächtigen Vater versorgt und ihm mit Riechsalz zu neuem Leben verhilft, versucht der dritte Tunichtgut unterdes sich im Obergeschosse umzusehen. Doch ich schlage ihm derart die Türe vor der krummen Nase zu, daß er stürzt und stolpert, tripptrapp die Trepp‘ hinab und holterdiepolter in den Mahltrichter hinunter. Mit letzter Kraft seiner Linken kann er kaum noch sich halten: „Bei meiner Seel‘, so rettet mich! Ich geb‘ Euch, was es auch wär‘!“ So jammert der Schurke. Der Müllersbursch und sein Töchterchen erbarmen sich und entziehen ihn dem sicheren Tode. Mit dem heiligen Versprechen, nie wieder aufzukreuzen, ziehen die drei begoßnen Pudel von dannen.
Von den Spitzbuben, nachdem sie sich nachhaltig getrollt, ward nimmer mehr etwas gehört. Und meine wackren Müllersleut‘? Nun, wenn sie nicht in Ruhestand gegangen (was wiederum wenig wahrscheinlich wär‘, bei dém Rentenniveau), tja, dann mahlen sie wohl noch heute …

Das Haus am Rabenweg

Kapitel 1: Die Ankunft

Die Sonne sinkt langsam am Horizont, und die Dunkelheit beginnt sich über den Wald zu legen. In dem alten Anwesen am Ende des Rabenwegs erwacht etwas. Das Haus atmet tief ein und streckt seine alten Knochen aus. Es ist Zeit für die Nacht.

In der Ferne hört man Schritte. Eine Gruppe Abenteurer nähert sich dem Haus. Sie sind jung und neugierig, angezogen von den Gerüchten und alten Erzählungen, die sich um das Anwesen ranken.

Die Abenteurer sind eine bunte Mischung aus Menschen. Da ist die junge und ehrgeizige Journalistin, die eine Geschichte über das Haus schreiben will. Der erfahrene Ex-Polizist, der sich auf paranormale Phänomene spezialisiert hat. Das junge Paar, das auf der Suche nach Nervenkitzel ist. Und der mysteriöse Fremde, dessen wahre Absichten unklar sind.

Die Abenteurer erreichen das Haus und treten ein. Sie sind überrascht von der Größe und dem Zustand des Gebäudes. Es ist ein altes Herrenhaus, das vor zwei Jahrhunderten erbaut wurde. Die Fenster sind zerbrochen, die Wände sind schmutzig und die Möbel sind zerfallen.

Die Abenteurer beginnen, das Haus zu erkunden. Sie finden alte Gemälde, verborgene Räume und geheime Gänge. Sie hören unheimliche Geräusche und sehen seltsame Schatten.

Kapitel 2: Die Geister

Im Haus hausen die Geister der Vergangenheit. Sie sind die Opfer von Verbrechen und Gewalt, die in diesem Haus begangen wurden. Sie sind voller Wut und Trauer, und sie suchen nach Rache.

Die Abenteurer spüren die Anwesenheit der Geister. Sie fühlen sich beobachtet und verfolgt. Sie hören Stimmen und sehen Gestalten in den Schatten.

Die Geister beginnen, sich mit den Abenteurern zu beschäftigen. Sie spielen ihnen Streiche, führen sie in die Irre und erzeugen Angst.

Kapitel 3: Die Entscheidung

Die Abenteurer sind in Gefahr. Die Geister werden immer aggressiver. Die Abenteurer müssen sich entscheiden: Sollen sie fliehen oder dem Haus trotzen?

Die Journalistin ist entschlossen, ihre Geschichte zu schreiben. Der Ex-Polizist glaubt, dass er die Geister besiegen kann. Das junge Paar ist verängstigt, aber sie wollen nicht aufgeben. Und der mysteriöse Fremde beobachtet die Ereignisse mit einem teuflischen Grinsen.

Die Abenteurer treffen ihre Entscheidung. Sie werden dem Haus trotzen und die Geheimnisse aufdecken, die es birgt.

Kapitel 4: Die Wahrheit

Die Abenteurer stoßen auf die Wahrheit über das Haus. Es war einst ein Ort des Glücks und der Liebe. Aber dann wurde es zu einem Ort des Schreckens.

Die Abenteurer erfahren, dass die Geister Opfer einer schrecklichen Tragödie sind. Sie wurden von einem Familienmitglied ermordet, das von Wahnsinn besessen war.

Die Abenteurer beschließen, den Geistern zu helfen. Sie finden einen Weg, die Seelen der Toten zu befreien.

Kapitel 5: Das Ende

Die Geister sind endlich frei. Sie verlassen das Haus und finden Frieden.

Die Abenteurer sind gerettet. Sie haben die Wahrheit erfahren und den Geistern geholfen.

Die Nacht ist vorbei. Die Sonne geht auf, und der Wald ist wieder in Frieden.

Ende

Langsames Erwachen

Was ist das für ein grausames Geräusch? Der Wind weht wie immer. Das Rascheln der Bäume ist es nicht. Es ist laut und kommt immer näher. Langsam erwache ich aus meinem Dämmerschlaf und höre Stimmen. Fast hätte ich vergessen, wie sie sich anhören – Menschen.
Ich öffne meine Fenster, um meine eingerosteten Glieder wieder etwas zu bewegen. Wenn man so lange dahin schlummert, wird alles steif und manchmal reißt der Wind mich in Stücke. Schmerz verspüre ich dabei nur noch selten. Beim Durchlüften konnte ich sie besser verstehen.
„Riechst du das viele Blut, das im Haus versickert ist?“
„Ich rieche eher verrottetes Unkraut und alten Staub.“
Hat die mich gerade beleidigt? Wie unverschämt, ich habe mich doch gut gehalten über die Jahre. Plötzlich spürte, ich wie etwa drei Personen auf mir herumtrampelten, als wäre ich aus Stein. Bevor sie mir nun auch noch die Tür einschlagen, öffne ich sie selbst. Ein lauter Schrei ringt in mich, der Schall prallt an meine alten Gemäuer. Nun spürte ich sie in mir, dieses Ungeziefer.
Sie verteilten sich im Haus und fassten mich überall an. Einer von ihnen reibt mein Treppengeländer und es kitzelt. Ich kann nicht anders als zu zittern und sie alle zu erschrecken. Dabei wollte ich ihnen mein Herzstück noch zeigen. Bevor sie hinaus rennen konnten, schloss ich die Fronttür und öffnete den Geheimgang am Ende des Flurs für sie. Geht schon rein. Ihr wollt Blut? Dann badet darin.

Das Haus der Abenteuer

Die Nacht war dunkel und still, als die Gruppe Abenteurer das Anwesen betrat. Sie waren angezogen von den Gerüchten und alten Erzählungen, die sich um das Haus rankten. Es hieß, dass es verflucht sei, dass es von Geistern bewohnt sei, dass es Geheimnisse birge, die das Schicksal der Welt verändern könnten.

Die Abenteurer waren mutig und entschlossen. Sie waren entschlossen, die Wahrheit über das Haus herauszufinden, egal was es kosten würde.Als sie das Haus betraten, spürten sie sofort eine unheimliche Atmosphäre. Die Luft war kalt und feucht, und es schien, als würde sie von einer unsichtbaren Kraft erfüllt sein.

Die Abenteurer zündeten Fackeln an und machten sich auf den Weg durch das Haus. Sie erkundeten die dunklen Korridore und die verlassenen Zimmer. Immer wieder hörten sie Geräusche, die sie nicht zuordnen konnten. Sie sahen Schatten, die sich in den Ecken verzogen. Die Abenteurer waren sich bewusst, dass sie in Gefahr waren. Aber sie waren entschlossen, weiterzumachen.

Die Abenteurer kamen in einen großen Raum, in dem ein Feuer brannte. In der Mitte des Raumes stand ein alter Mann. Der Mann war der Geist des Hauses. Er hatte die Abenteurer kommen sehen und wartete auf sie.

Der Mann erzählte den Abenteurern die Geschichte des Hauses. Er erzählte ihnen von den Menschen, die hier gelebt und gestorben hatten. Er erzählte ihnen von den Geheimnissen, die das Haus barg.

Die Abenteurer waren fasziniert von der Geschichte des Mannes. Sie erkannten, dass sie vor etwas Größerem standen als sie sich jemals hätten vorstellen können.

Der Mann bot den Abenteurern eine Wahl. Er sagte ihnen, dass sie das Haus verlassen und ihr Leben retten könnten. Oder sie könnten bleiben und versuchen, die Geheimnisse des Hauses zu lösen.

Die Abenteurer wussten, dass sie eine schwere Entscheidung zu treffen hatten.

Welche Entscheidung würdest du treffen?

Würdest du das Haus verlassen und dein Leben retten? Oder würdest du bleiben und versuchen, die Geheimnisse des Hauses zu lösen?

Die Entscheidung ist deine.

Eisdämonen

Das Geheul war so verstörend, dass Dora fast rücklings von der Bank fiel. Sie konnte nicht einordnen, woher der Schrecken kam.
Der Winter hatte das abgelegene Tal fest in seinem Griff. Die Eisdämonen flitzten jede Nacht über den gefrorenen Boden und rüttelten an den Alphütten am Gebälk. Wehe dem, der seine Türen und Fenster nicht richtig verriegelt, und so den Dämonen Einlass verschaffte.
Dora war sich nicht sicher was es gewesen war. Um sich zu beruhigen, tat sie es als Windgehäule ab.
Rettende Hände verhinderten nur knapp einen bösen Sturz.
„Mensch Mädchen, was machst du? Du zitterst ja am ganzen Körper und wärst fast vom Hocker gefallen“. Die Stimme klang besänftigend, beruhigend. Grossvater war aufgesprungen. Sein Stuhl krachte nach hinten. Schon stand er neben ihr, seine starken Hände hielten sie fest.
Noch etwas verstört schüttelte Dora den Kopf: „Alles gut. Irgend wie bin ich erschrocken. Es kam wahrscheinlich von drausen. Ein Tier, der Wind oder irgendwas. Sowas unheimliches habe ich noch nie gehört. Vielleicht ein Eisdämon von dem du mir erzählt hast?“.

„Da war aber nichts. Ich habe nichts gehört. Schon gar keine Dämonen. Ja, der Wind blässt heute besonders stark. Geht es wieder?“. Sie bejahte, war aber immer noch ziemlich verstört.

„Ich Glaube es ist besser heute nicht mehr weiter zu erzählen. Die Geschichte hat dich wohl zu sehr beschäftigt“. „Doch, doch Grossvater, erzähl nur weiter. Es ist alles in Ordnung. Wo ist Grosi und Bello?“.

„Die kommen sicher gleich. Grosi wollte noch etwas Holz für das wärmende Feuer holen“. Grossvater untersuchte den gefallenen Stuhl und setzt sich wieder an den Tisch. Sein prüfender Blick, ob es ihr wirklich wieder gut ging, erwiderte sie mit Kopfnicken und einem zaghaften Lächeln.

Es war Tradition. Wie so oft sassen sie, nachdem alle Tiere versorgt waren, rund um den alten Holztisch und Grossvater erzählte Dora dann eine der Sagen, deren es so viele in dem abgelegenen Tal gab. Doch nach dem erschreckenden Ereignis konnte sie sich nicht mehr konzentrieren. „Bin Müde. Ich Glaube ich geh zu Bett. Aber das nächste Mal musst du mir die Geschichte zu Ende erzählen. Ich will Wissen wie es den Bauersleut in der eisigen Nacht erging“. Grossvater nickte nur: „Ja mach das. Ich wünsche dir eine gute Nacht. Mal sehn wo unser Grosi bleibt“. Er stand auf, stiess dabei mit dem Kopf, begleitet von einem unschönen Fluch, an die Lampe, die fast von der Decke fiel und verliess die warme Stube. Ein eisiger Luftzug begleitete seinen Weggang. Die Öllampe schaukelte wild hin und her und das fahle Licht flackerte unruhig.

Jetzt, da sie so allein da sass, überkam sie ein kalter Schauer. Die Schatten an den Wänden schienen zu tanzen und riefen ihr zu: „Komm Mädchen Tanz mit uns“. Ihr Herz fing heftig an zu pochen. Angst lies sie zusammenfahren. Sie wollte nur noch hoch ins Schlafzimmer, nur weg vor diesen Dämonen. Doch sie konnte nicht. Ein wild tanzender Schatten versperrte ihr den Weg. Schnell drehte sie sich um und eilte zur Tür, versuchte fieberhaft sie zu öffnen.
Mit zitternden Händen suchte sie vergeblich nach der rettenden Klinke, fand aber nur den Riegel, der normalerweise die Türe von innen her verschloss. Sie liess in fallen und suchte weiter nach der Klinke. Plötzlich überkam sie ein Gefühl, als ob ein Schatten sie von hinten zurückhalten wollte. Dröhnendes Klopfen von Aussen drang an ihr Ohr. Der Eisdämon, dachte sie. Von Todesangst getrieben, verkroch sie sich in die hinterste Ecke, zog die Beine an und verstecke ihren Kopf zwischen den Knien.

Sie musste wohl eingeschlafen sein. Als sie die Augen öffnete, war es stockdunkel. Das Öl der Lampe war zur Neige gegangen. Sie wusste nicht, wie lange sie so dagesessen hatte. Mit klopfendem Herzen kroch sie zur Tür und versuchte diese zu öffnen, was ihr aber vorerst nicht gelang. Aufgestanden wunderte sie sich, dass die Tür verriegelt war. Mit dem Gedanken, wieso die Türe plötzlich verschlossen war, entsperrte er den Riegel und öffnete die Türe einen spaltbreit. Sofort drang ihr ein eisiger Windstoss entgegen. Erschrocken, die Hände vors Gesicht haltend, wich sie zurück. Ihr Herz raste und sie verlor fast die Besinnung. Vor der Türe lagen der Grossvater, Grosi und Bello. Sie konnten anscheinend nicht mehr ins Haus zurück und erfroren vor der rettenden Stube. Der Riegel, der Riegel und die klopfenden Geräusche, schoss es ihr durch den Kopf. Was habe ich nur getan.

Dora verliess schreiend das Haus. Man hat sie seither nie wieder gesehen. Doch in eiskalten Nächten hört man oft ein weinendes Mädchen in der Nähe der Hütte.

Hier kommt dein Titel hin (lösch die Zeile, wenn du keinen hast)

Sie werden mich erlösen. Obwohl es Kinder sind, wusste ich es sofort. Sie werden mich entweder von meinem Elend befreien oder mir neues Leben einhauchen.

Vor drei Tagen begann ihr Unterricht in meiner Bibliothek und genauso lange brauchte ich, um herauszufinden, wer sie in Wirklichkeit sind. Auszubildende, die einmal die Laufbahn eines Gottes einschlagen werden.

Heute lauschen meine Wände ihrer Unterrichtsstunde.

„Die Burg der Götter erhebt sich auf dem heiligen Berg im Inneren von Midgard“, sagt der Lehrer.

„Asgard heißt sie!“, ruft ein Junge.

Ein Gemäuer im fernen Norden. Ein Schloss, das viele den Namen nach kennen, aber kein Mensch je betreten hat. Eine ganz andere Liga, als meine Gemäuer. Mit mir weder verwandt noch verschwägert.

Der Lehrer, sein Name ist Optimo, nickt zustimmend.

Ein achtjähriges Mädchen fragt: „Stimmt es, dass Sie ein Halbgott sind?“

„Das ist richtig“, sagt Optimo.

„Aber wie kann man nur die Hälfte von etwas sein?“

„Das ist kein Thema für unserer heutigen Unterrichtsstunde.“ Optimo wendet sich an die ganze Klasse. „Und wer ist der Chef von Asgard?“

„Wodan“, brüllen die Mädchen und Jungen im Chor.

In gleicher Lautstärke ruft Optimo: „Und wie sieht er aus?“

Der Aufzählreim der folgt hören meine Wände zum dritten Mal. Ich finde, er ist der schönste Teil seiner Unterrichtsstunde und kurz überfällt mich eine Traurigkeit. Für die Menschen in meiner Bibliothek wird es noch ein weiter Weg sein, bis jeder von ihnen seine spezielle göttliche Bestimmung erhält. Bis dahin werde ich wohl warten müssen. Hauptsache mein Oberstübchen bleibt so lange fit. Einige Pfannen fehlen längst.

Der Junge, der unbedingt die Karriere eines ägyptischen Gottes wie Anubis oder Osiris einschlagen möchte, erklärt: „Er sitzt auf dem Thron und trägt einen goldenen Helm.“ In seinem Zimmer liegen Bilder von Mumien, Pyramiden und bunten Grabzeichnungen.

Und schon rezitiert die ganze Klasse weiter über Wodan. „Auf seinen Schultern hocken Raben und zu seinen Füßen sitzen Wölfe. Er trägt einen blauen Mantel und einen Schlapphut, den er in die Stirn zieht.“ Die Kinder sprechen laut und wären meilenweit zu hören, läge der Ort ihres Unterrichtes nicht mitten in einem finsteren Wald.

„Warum zieht er den Hut ins Gesicht?“, will Optimo wissen.

„Um seine Einäugigkeit zu verbergen“, antwortet ein zwölfjähriger Junge. Ich weiß, dass ihm die amerikanischen Götter am Herzen liegen. Manitu oder Xolotl ein Gott der Azteken. Der des Blitzes

„Warum hat er nur ein Auge?“

„Das weißt doch jeder. Er hat aus dem Brunnen der Weisheit getrunken und dadurch seherische Fähigkeiten erlangt. Dafür musste er ein Auge opfern.“

„Das verstehe ich nicht!“ Die Stimme einer Schülerin klingt weinerlich.

„Ich erkläre es dir später“, flüstert ein älteres Kind ihr zu. „Aber jetzt sei still, wir wollen hören, was Optimo uns Neues über das Treffen der Götter erzählen kann.“

Von so einem Treffen habe ich gehört. Es soll alle hundert Jahre einmal stattfinden. An einem geheimen Ort – wo sonst.

Kommt zu mir, flüstern meine Wände. Platz genug hätte ich für Zeus, Ra, Jupiter, Schiwa und Konsorten

Meine Hoffnung steigt. Diese hohen Herren haben die erforderlichen Talenten, um mich entweder von meinem Elend zu erlösen oder mir neues Leben einzuhauchen.

"Die Verdammnis von Ravenwood

Jahrhunderte verstrichen, seit ich, das Herrenhaus von Ravenwood, meine finsteren Tore öffnete. Verborgen in den tiefsten Wäldern, war ich ein Ort des Grauens, über den die Menschen nur im Flüsterton sprachen. Meine düstere Vorgeschichte war eine Geschichte der Qual und der dunklen Mächte, die einst in meinen Hallen geherrscht hatten.
Die ersten Bewohner, die Lords von Ravenwood, praktizierten finstere Rituale und Opferungen, um nach Unsterblichkeit zu streben. In den schaurigen Kerkern meiner Gemäuer hatten sie gefoltert und experimentiert, und die Schreie derer, die in diesen Kellern um ihr Leben flehten, hatten sich in meinen Mauern eingebrannt.
Nach einer erbarmungslosen Revolte der Bevölkerung wurden die Lords von Ravenwood verflucht. Doch auch ich sollte niemals Ruhe finden. Der Fluch sagte voraus, dass die Geister der Verdammten, die in meinen Wänden gefangen waren, in den Nächten der Dunkelheit lebendig werden würden.
Als die Gruppe von unerschrockenen Abenteurern mein Anwesen betrat, konnte ich die Erregung in ihren Augen sehen. Sie verstanden nicht, dass ich ein finsteres Labyrinth aus Rätseln und Schatten war, aus dem es kein Entrinnen gab.
Während sie durch meine Korridore wanderten, fühlte ich ihre Angst, die sich mit jedem knarrenden Dielenbrett und jeder düsteren Gemäldegalerie verstärkte. Das Flüstern der Verdammten, das durch meine Wände hallte, schien in ihren Köpfen widerzuhallen.
In einem mysteriösen Raum, der von einem fahlen, grünen Licht durchflutet war, stießen sie auf das Tagebuch des Lords von Ravenwood. Die verblassten Seiten erzählten von düsteren Riten und verbotenen Künsten, die hier stattgefunden hatten. Doch sie konnten nicht ahnen, dass das Lesen dieser Zeilen die Schatten der Vergangenheit erwecken würde.
Ein geisterhafter Schatten erhob sich, und die eisige Hand des Lords von Ravenwood berührte ihre Schultern. Sie versuchten zu fliehen, aber die Mauern meines Herrenhauses schienen sich gegen sie zu verschließen.
Schließlich fanden sie sich erneut in jenem Raum wieder, in dem sie das Tagebuch gefunden hatten. Die Geister der Vergangenheit umringten sie und flüsterten mit eisigen Stimmen: „In den Schatten eurer eigenen Schuld werdet ihr gefangen sein. Dieses Herrenhaus wird euer düsteres Grab werden.“

Ruf aus dem Rabenweg

Ach, wie ich es liebe, wenn abends der Wind seine steten Melodien an den versagenden Dichtungen meiner alten Knochen spielt. Die Kühle der Dunkelheit feuchtet bereits mein antikes Gemäuer an und ich höre das Geplauder meiner alten Freunde, deren Wurzeln hin und wieder an meinen Kellerziegeln kitzeln. Viele Menschenleben ist es her, als ich die Seelen ihrer Vorfahren in mir aufgenommen habe. Ihre Körper bilden seither mein Skelett, was nunmehr eine tiefe Verbundenheit zwischen uns bewirkt. Ich nehme einen tiefen Atemzug durch das Fenster im Speisesaal. Der Geruch von Regen liegt in der Luft, er lässt die Raben, die so gerne auf meinem Kopf verweilen unruhig werden. Aber da ist noch mehr. Am Ende der langen Zunge, die die Menschen einst vor meinem hölzernen Mund ausgestreut haben, ist Bewegung auszumachen. Endlich haben meine Worte wieder Anklang gefunden!

Genau wie die Raben, die meiner Zunge ihren Namen gaben, rieche ich das junge Fleisch, das sich auf mich zubewegt. Vor Freude klappere ich mit den morschen Läden, die meine Fenster zieren. Die vier Zweibeiner halten inne, als sie das Klappern wahrnehmen. Ich kann schon den ängstlichen Schauder fühlen, der sie durchfährt. Zweifel lässt sie zögern, doch ich gebe ihnen klar zu verstehen, dass sie in mich eindringen wollen. Die Gier, die sie hierher treibt, versetzt mein alten Knochen in eine wohlige Schwingung, wie eine uralte Sonate, die ich schon viele tausend Male gehört habe. Gefährlich wärmen mich ihre Fackeln, während sie meinem Ruf folgend über meine Veranda treten.

Wie töricht sie doch sind! Unzählige ihrer Spezies haben schon vor ihnen den Schatz bergen wollen, der angeblich unter mir liegt. Ein Gerücht, das ich in meinen jungen Jahren streute, um sie herzulocken. Damals hätte ich nie geglaubt, wie lange es am Leben bleiben würde, mich bis heute nähren würde. Dass keiner ihrer Spezies, der meinem Ruf folgte, jemals zurückkehrte scheint sie eher zu befeuern, als abzuschrecken. So werde ich in Kürze zu meinem nächsten Mahl kommen.

Wie eine gebührende Einladung für meine Gäste habe ich die Kellerluke bereits weit geöffnet. Als der erste von ihnen hindurchgeht lässt mein knurrender Magen den Boden vibrieren. Nach einem kurzen Zögern schreiten sie weiter, langsam aber sicher, unwissend in ihr eigenes Verderben. Doch was soll das? Der letzte von ihnen, dem Geruch nach ein Weibchen, bleibt stehen. Sie diskutieren. Mein fortgeschrittenes Alter erschwert es mir, sie zu verstehen. Erneut versetzt mein knurrender Magen den Boden in Schwingung. Aus Vorfreude schütte ich einen staubigen Schleier über meine Opfer. Viel zu lange habe ich kein frisches Fleisch mehr geschmeckt. Die Versuchung macht mich unruhig, ich will sie alle verschlingen! Speziell das lecker duftende Weibchen. So selten durfte ich diese besonders leckeren Exemplare kosten. Doch genau dieses dreht um. Wenn mein Gehör nur etwas besser wäre, könnte ich verstehen was sie abhält. Plötzlich bewegt sich einer der anderen die Treppe zu ihr hoch. Meine Kellerstufen knarzen unter seinem Gewicht. Doch bevor er oben ankommen kann, lasse ich die schwere Luke zufallen. Die Panik, die diejenige, die noch nicht in meinem Magen ist, ausstrahlt, genieße ich wie eine würzige Soße zu dem frischen Fleisch. Während ich beginne, die drei in meinem Innern zu verdauen, spüre ich sie durch meinen Mund entwischen. Die Raben stoßen höhnend Schmährufe aus, als sie entlang meiner Zunge durch den einsetzenden Regen davonrennt. Doch sie wird schon bald zurückkehren.

Ich lasse ein tiefes Lachen durch den Wald hallen. Dann schließe ich meine Läden für einen Verdauungsschlaf. Ausgeruht werde ich erneut nach ihr rufen. Sie kehren immer zurück.

Es ist wieder so weit. Wie jedes Jahr in der Walpurgisnacht - oder Halloween, wie die jungen Leute es heute nennen. Wenn sich das Reich der Toten und das Reich der Lebenden berühren, öffne ich meine Pforten für die, die es wagen meine Geheimnisse zu lüften.
Immer wieder wagen es Leute in meine Nähe, obwohl die Gerüchte im Dorf, die sie selbst streuen, davor warnen. »Noch nie ist jemand zurückgekehrt, der sich in mein Mauern gewagt hat…«, erzählen sie sich. »Nur der zahnlose Tom, der angeblich ab und zu gesehen wird, soll es wohl geschafft haben, aber er war nie wieder der Selbe…«, raunen sich die Leute zu.
Alles Gerüchte voller Unwahrheiten und Vermutungen. Ich weiß es besser: Tom, mein ›Hausmeister‹, wenn man so will, war schon immer an meiner Seite. Er pflegt mein Anwesen, putzt meine Kammern und bereitet die Rätsel und Prüfungen vor. Tom musste nie die sieben Rätsel, der sieben Kammern bestehen, denn Tom hat mich vor vielen Jahren mit seinen eigenen Händen erschaffen.
Ach ja, die Rätsel. Worum es sich handelt, darf ich nicht verraten. Nur so viel: »Wer in mein Innerstes blickt, in dessen Innerstes blicke auch ich.« Aber alle, die es bis jetzt gewagt haben, sind schließlich gescheitert. Natürlich heißt es »Das Haus ist verflucht …, ein böser Zauber liegt darauf …« Dabei sind es die Menschen, die sich selbst im Weg stehen. Anstatt mit Hilfsbereitschaft und mit gegenseitigem Vertrauen sich den Rätseln zu stellen, begegnen sie sich mit Heimtücke und Missgunst, wenn es darauf ankommt.
Jetzt habe ich doch noch was über meine Rätsel verraten, aber genug davon, sie kommen … Sieben an der Zahl. - Sieben! Kann es wirklich sein …? Ich fühle, dass es heute anders enden wird, als sonst. Tom, fühlst du es auch?
So dann will ich meine Pforten öffnen für die, die es heute wagen. Ich wünsche viel Erfolg …

Gefangene Seele

Wenige Minuten, die Nacht vertreibt den Tag, die untergehende Sonne und das Aufziehen der Schatten, bringt beißenden Wind und Frost mit sich. Schritte näherten sich, mehrere, es wird passieren, endlich. Meine Qualen werden bald der Vergangenheit angehören. Die Gruppe blendete mich mit Lichtstrahlen, machten sich lustig über ihre Tat. Einer unter ihnen wird den gleichen Fehler begehen, wie ich einst, vor Jahrhunderten. Lauernd öffnete ich meine Pforten, der Mondschein, der durch die Überreste der Glaskuppel fiel, lud die Jugendlichen ein, das Innere zu inspizieren. Ihr Gelächter erstarb, mit dem lauten Geräusch, erzeugt durch den zuschlagenden, in ihrem Rücken befindlichen, Türflügel. An den Orten an denen sie unnütz sein würden, knarrte, raschelte und knallte es durch mein zutun. Ich leitete sie zur Quelle, dessen Adern sich wie kleine Rinnsale durch mein Gemäuer zogen. Die Gruppe verharrte am Rand, die Raben die direkt auf dem Gebälk über dem Zentrum saßen, spielten mir in die Karten. Auf meinen Befehl hin zitterte das marode Holz unter ihren Krallen, sie stoben davon, dass bewirkte den gewünschten Effekt. Durch den Schreck, der durch die Ansammlung fuhr, stolperte einer genau dort hinein, wo ich es brauchte. Das zerrende Gefühl, auf das ich seit ewigen Zeiten wartete, entlockte mir wohlige Schauer, der armselige Versuch meines Opfers sich zur Wehr zu setzen, verlief im Nichts, mein Wille war stärker. Jetzt, die Welt drehte sich, es war getan. Ich öffnete die Augen als einer von ihnen. Der Körper war jung und stark, so sollte es sein. Triefend nass, steige ich aus dem Wasser der Quelle, die anderen machten sich lustig darüber. Ich spürte wie die allumgebende Kälte den Körper zum bibbern zwang, es fühlte sich gut an. Sie traten den Rückweg an, bemerkten nichts von alldem. Kein Blick zurück, jetzt war ein anderer dran.

Im Innern

Da kommen sie wieder. Auf der Spur von Leid und Tod. Angetrieben von Abenteuerlust und Sensationsgier nehmen sie keine Rücksicht auf dichte Hecken, die den Weg überwuchern oder fest verschlossene Tore.
Wo sonst könnte ich mich denn verstecken?
Früher waren es nur einige wenige Unwissende, denen mein Selbst von einem gierigen Immobilienmakler aufgeschwatzt wurde und die zu spät erkannten, was sie hier erwartete.
Heute sind sie schlimmer, glauben die Wahrheit zu kennen.
Aber am Ende sind alle gleich und geben mir die Schuld an dem was immer wieder geschehen ist.
Einem Haus.
Merken sie nicht wie dumm sie sind? Sie dringen hier ein und beschmutzen alles mit ihrer Anwesenheit. Sie dringen in mich ein, um später damit zu prahlen, Bilder zu verbreiten auf denen sie mit arrogantem Lächeln ihre Überlegenheit demonstrieren.
Sie halten mich für schwach, für wehrlos. Ein paar angeberische Posen und sie werden mich in Ruhe lassen.
Das könnte ihnen so passen. Aber ich werde es nicht zulassen.Sie werden für die Überheblichkeit herzukommen bezahlen. Sie sind es, die mich dazu zwingen zu töten. Immer wieder zu töten. Dafür werde ich auch sie töten…

Verhängnisvolle Nacht

Die kleine Maus auf meiner Treppenstufe kitzelt mich mit ihren kleinen Füßchen. Das Licht des Mondes erhellt ihr den Weg. Schnell ist es dunkel geworden. Wie wild, fast orientierungslos rennt sie die Treppenstufe entlang. Der Dreck in einer Ecke hilft ihr die nächste Stufe zu erklimmen. Sie ist auf dem Podest angekommen. Wie immer heiße ich Fremde mit einer unverschlossenen, angelehnten Tür willkommen. Geschickt flitzt die graue Maus durch den Spalt und gelangt in die Eingangshalle. Das Licht geht wie von Geisterhand an und taucht den Raum in einen goldenen Schimmer. Sir Thomas scheint sich heute Nacht dem Neuankömmling anzunehmen. Die Maus rennt in Richtung der Treppe zu den oberen Zimmern. Auf dem Teppich ist nichts von ihr zu hören. Ein eiskalter Windhauch überrollt die Maus. Vor Schreck rennt sie gegen die unterste Treppenstufe. Sie rennt einmal im Kreis und bleibt vor der grau leuchtenden Gestallt Sir Thomas stehen. Großväterlich beugt er sich hinab. Sein Lachen ist markerschütternd und mit einem Knall löst er sich in Rauch auf. Stille. Die ersten Fliegen kümmern sich um den leblosen Körper der Maus.

Bei all der Aufregung hatte ich ganz vergessen, wie es um meinen Zustand bestellt ist. Ich lasse die Fensterläden klappern, so verspannt war ich schon lange nicht mehr. Dann, plötzlich Stimmen. Menschen sind auf das Gelände gedrungen.

„Ich bin mir nicht sicher, ob wir hier wirklich sein sollten.“

„Stell dich nicht so an, Jenny.“

„Genau, Jenny. Peter hat recht. Wir wollen uns nur mal umsehen.“

„Wenn du meinst, Jacob. Aber nicht so lange. Ihr wisst, was man über das Haus sagt. Es soll auf eine verstörende Art und Weise lebendig sein.“

„Sei nicht albern. Kein Haus lebt. Aber Geister könnten darin leben. Bei zweihundert Jahren Geschichte, die das Haus auf dem Buckel hat. Das ist so spannend.“

Abfällig spottet das Mädchen über ihren Begleiter. Er ist mir sympathisch, er hat erkannt, was für eine Last auf meinen Ziegeln und tragenden Wänden liegt. Angestrengt überlege ich, ob ich sie davonkommen lasse und meine Eingänge verschließe, doch wo bleibt dann der Spaß?

„Seht her, die Tür ist offen. Wenn das keine Einladung ist?“, fragt Peter.

Die beiden anderen lachen und folgen ihm hinein. Ich habe meine Entscheidung getroffen, sie sind nun mein.

„Die Eingangshalle ist hübsch“, sagt Jenny. „Die Bilder drücken zwar die Stimmung, aber das ließe sich ändern.“

Ich lockere den Druck an meinen Fensterläden, sodass mehr von dem Mondlicht in mich hineinscheint. Geschmeichelt von ihren Worten, schenke ich der Gruppe eine neue Perspektive.

„Habt ihr das gemerkt?“, sagt Jenny mit zitternder Stimme.

„Stell dich nicht so an. Das war der Wind“, meckert Peter.

Das Wasser in meinen Rohrleitungen gluckert laut auf, so sehr muss ich bei der Ignoranz dieses Jungen glucksen. Er hat es noch nicht gemerkt.

„W-was war das.“

„Nichts, Peter. Wir sind in einem alten Haus. Da gibt es komische Geräusche. Lasst uns die Räume hier unten ansehen“, sagt Jacob.

Die Anspannung steigt bei mir, es knarzt in meinem Dachstuhl. Das wird Lucas sein. Ausgerechnet dieser Bewohner. Ich stöhne auf, eine Tür knallt zu. Das war wohl ich. Der Blutdurst, den Lucas schon hatte, als er lebte, durchdringt mich vom Fundament langsam wie ein Rinnsal, dass durch feine Risse in den Wänden wie Gefäße hinaufsteigt. Ich beginne dagegen anzukämpfen und mir kommt da eine Idee.

„Habt ihr auch das Gefühl, dass hier plötzlich die Stimmung kippt? Als ob die Wände uns bedrohen“, fragt Jenny.

„Weiß nicht. Ich find’s unheimlich“, sagt Peter inzwischen weniger mutig

Ich konzentriere meine ganze Kraft auf einen Punkt. Es qualmt, dann raucht es kräftig. Der Kamin sieht zum ersten Mal seit fünfzig Jahren wieder ein Feuer. Ich hoffe inständig, dass es klappt.

„Riecht ihr das?“

„Nein, wir haben unsere Nasen draußen vor der Tür gelassen.“ Jacob stöhnt theatralisch auf. „Natürlich riech‘ ich das. Wir sollten gehen.“ Er greift nach Jennys Hand und schiebt Peter an der Schulter aus dem Arbeitszimmer, dass sie erkundet hatten. Jenny blickt Jacob erleichtert an.

Die Mischung aus Vertrauen und diesem Je-ne-sais-quoi, das mir so bekannt und gleichzeitig

ungreifbar fern erscheint, gefällt mir. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Zu lange ließ

ich zu mich in den Strudel der dunklen Machenschaften meiner Bewohner hineinziehen zu

lassen. Ich ziehe die kalte Abendluft hinein und blähe mich auf. Die Türen springen auf, die Fensterläden fallen aus den Angeln. Ich merke die Unsicherheit von Lucas. Das hat er verdient, der alte Tyrann. Ich bekomme langsam warme Füße, der Plan scheint zu funktionieren. Ich atme aus, der Rauch steigt in mir auf und legt sich über meinem Dach wie eine Bettdecke. Wieder atme ich, doch Lucas versucht die Türen zu schließen. Die jungen Leute stehen inzwischen vor der großen Eingangstür. Sie ist verschlossen.

„Wie bekommen wir das blöde Ding hier auf? Ich will hier raus?“, ruft Jenny.

Jacob packt sie und hält sie fest. „Beruhig dich, das hilft doch nichts“, sagt er und küsst sie.

Ich weiß nun, was dieses etwas ist, dass ich so lange nicht mehr gespürt habe: Liebe.

Das Bild eines tanzenden Hauses spukt mir durch den Verstand. Ja, ich müsste tanzen, so heiß sind meine Füße inzwischen. Der Salon brennt, der Raum darüber auch. Freiheit, so nah. Ich lasse den Balkon über der Eingangstür zusammenstürzen und auf wundersamer Weise springt die Tür auf. Meine jungen Freunde rennen raus.

„Der Dachstuhl brennt. Das überlebt das Haus nicht“, sagt Jenny traurig. „Man hätte etwas draus machen können.“

„Ist mir egal, Hauptsache wir leben“, sagt Peter.

Es ist ein kurzer Stich in mein brennendes Herz, doch dafür bleibt keine Zeit. Ich habe Mühe alle meiner langjährigen Bewohner im Inneren zu behalten, sodass sie für alle Zeiten ihre Ruhe finden. Ein letztes Mal atme ich ein, blähe mich auf und dann kracht und knallt es. Ich falle in mir zusammen, die Erleichterung durchströmt jeden Zentimeter Mörtel und jeden Meter Holz von mir.

„Das war’s dann wohl“, sagt Jacob und greift wieder nach Jennys Hand. „Lasst uns gehen und die Feuerwehr rufen. Nicht, dass das Feuer auf den Wald übergreift.“

„Ja, vorne bei unserem Auto gibt es Empfang“, antwortet Jenny hastig und zieht Jacob hinter sich her.

Ich spüre eine unbeschreibliche Erleichterung. Ein Holzbalken klappt um und fällt krachend auf den Boden. Ich merke, wie ein Hauch von etwas mich verlässt. Ich bange und sehe, wie es Peter erwischt. Er lächelt und schaut mich dann dankbar an. Was hatte ich getan?

„Komm schon, Peter. Sonst fahren wir ohne dich“, sagt Jenny.

Mir wird derweil übel. Was hatte ich getan. Es ist nicht vorbei.

Das Haus, das spricht

Ein einfaches „Hallo, willkommen“ und ich war schnell wieder allein. Wenn jemand dann doch die Tür öffnete und der Wind den Staub in den Kamin pustete, musste ich nur niesen und auch das scheint alle gestört zu haben, denn dann rannten sie alle weg. Sie sagten nicht einmal „Gesundheit“, wie sie es bei sich selbst tun würden. Für einen kurzen Augenblick, als ich die Schritte draußen hörte, hatte ich aber wieder dieses Gefühl. Wie das Gefühl, wenn die Sonnenstrahlen durch die Fensterläden scheinen. Wenn es ein bisschen kitzelt und gleichzeitig wärmt, ich mag das Gefühl eigentlich. Aber bis jetzt bin ich danach nur enttäuscht worden. Also, was haben wir denn hier? Eine Gruppe junger Erwachsener, mit Taschenlampen, das ist gut. Ich traue Fackeln nicht. Öllampen genauso wenig. Vielleicht verscheuche ich sie auch gleich, indem ich die Haustür ganz langsam und mit einem dezenten Quietschen öffne. Und dann, wenn sie sich nähern sollten und nicht schon entschlossen sind, wieder zu verschwinden, schlage ich die Tür mit einem lauten Knall wieder zu. Klassiker. Vielleicht opfere ich ja dieses Mal zwei Ziegel, damit sie dramatisch auf die Veranda fallen. Ja, vielleicht. Oder sollte ich ihnen doch eine Chance geben? Ich erinnere mich an das junge Mädchen Judy. Auch ihre Augen waren voller lebendiger Neugierde und einem ausgesprochenen Sinn für Abenteuer. Genau wie diese Augen hier. Doch abseits davon wollte Judy mich wirklich kennenlernen, noch mehr erfahren, über mich, nicht nur über die Menschen, die hier wohnten. Sie wollte mich verstehen. Sie erzählte mir, dass auch sie sich manchmal einsam fühlte, dass sie mir aber vertrauen würde. Es war manchmal schon fast unheimlich, wie sehr sie mich verstand. Aber egal, was ich tue, ich bin anscheinend dazu verdammt, dass meine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dunkel bleiben. Also hielt diese Freundschaft nicht lange. Ach, welch tragisches Ende. Ich mochte sie. Nun gut, kommen wir zu euch, ich überlasse es euch Anwärtern zu bestimmen, wie das hier ausgehen wird. Wie werdet ihr reagieren? Wollt ihr mich wieder zurücklassen, wie die meisten, oder wollt ihr mich wirklich kennenlernen? Ich öffne langsam die Tür. Begleitet von Quietschen. Die Ziegel streiche ich fürs Erste. Ihre Augen blicken nun in das Dunkle und ihre Ohren hören jetzt ein dumpfes „Hallo, willkommen“.