Ende gut, alles gut.
Ich atmete erleichtert aus. Na endlich! Glattes Gesicht des Professors erscheint vor meinem Auge. „Hallo meine Liebe.“ „Hallo“ flüstere ich. Wie schön es wäre, wenn er meine Stimme hören könnte, aber soweit sind wir noch nicht. Ich bin trotzdem glücklich. Ein neuer Gast ist da, spannende Zeit beginnt! Sein Look gefällt mir. Obwohl er meiner Meinung nach sich nicht unter einer Maske verstecken muss. Wenn er sich jedoch in der Verkleidung wohler füllt, dann soll es mir recht sein.
Der Professor liegt seine weißen, langen Finger auf die Tastatur und beginnt zu tippen. Okay, er braucht die Daten der letzten Überwachung, aber gerne doch. Ich präsentiere ihm die Bilder. Er betrachtet diese aufmerksam, seine Kiefer mahlen angespannt. Er ist unzufrieden. Aber ich kann nun mal nichts für, wenn bei uns plötzlich Rücksacktouristen auftauchen oder Neugierige rumlungern. Wir beide mögen keine ungebetenen Besucher, da sind wir uns einig. Nichts als Ärger mit den.
Aber zum Glück gibt es da noch Lissi. Meine fleißige Helferin. Ich bin so froh, dass sie da ist. Meine Gäste kommen und gehen, aber Lissi bleibt. Sie macht mich sauber und hält uns die Fremden vom Hals. Was ich bei ihr besonders mag, dass sie sehr vorsichtig ist. Sie trägt immer weiche Handschuhe. Ich hasse es, wenn Menschen überall fette Fingerabdrücke hinterlassen. Vor allem abstoßend ist es, wenn sie meine Augen anfassen. Ist es den gar nicht bewusst, was sie da tun? Aber Lissi ist da anders. Sie ist sehr darauf bedacht alles sauber und ordentlich zu halten. So mag ich es am liebsten.
Professor braucht keine Handschuhe, seine Finger sind wie aus Glas, er macht keine Fettabdrücke. Das bewundere ich so an ihm. Überhaupt habe ich ein großes Glück. Mein letzter Gast hat viel in mich investiert, wir waren ein Herz und eine Seele, trotz seiner Essensgewohnheiten. Schade, dass er so überstürzt abgereist ist. Davor hatte ich einen sehr zurückhaltenden Unsichtbaren, dann war da noch eine Dame die sich für eine Hexe hielt und ein Pärchen mit recht speziellen Neigungen. Alles schön und gut, aber ich hatte noch nie einen Professor.
Seit dem Einzug des Professors genieße ich seine volle Aufmerksamkeit. Er geht gar nicht aus. Natürlich hat er bei mir paradiesische Bedingungen, hohe Wände, gedämpfte Farben, minimalistische Einrichtung. In seinem alten Haus hatte er es nicht so schön. Ich habe mir die Bilder angesehen. So bunt war es dort, dass man Augenkrebs bekommen könnte. Als er dort wohnte, hinterließ der Professor noch überall fette Fingerabdrücke und Essensreste. Ich bin nicht traurig, dass diese Zeit vorbei ist. Jetzt ist er endlich da, wo er hingehört. Hier gibt es nur uns, und Lissi, naja und die Kreatur im Keller. Aber die lassen wir nicht nach oben. Bei alldem Dreck die Kreatur produziert, möchte ich sie nicht in meinen sauberen Räumen haben. Richtig, dass Professor es unten hält. So ist es am besten. Ich bin massiv, für die Ewigkeit gebaut und trotzdem habe ich manchmal die Mühe die Kreatur zu halten. Aber ich kann gut Geheimnisse wahren.
Der Professor nennt die Kreatur Graf. Was für ein Graf kann es denn sein, so dreckig und abscheulich in der Gestalt? Ich habe schon einige Adelige kennengelernt, ich weiß wie ein Graf aussehen soll. Diese Kreatur in meinem Keller ist alles andere als Ehrfurcht, eher Furcht erregend. Aber ich bin ja nicht so, ich habe nichts gegen die Haustiere.
Ach Lissi kommt rein, wird ja langsam Zeit. Sie hat zwei junge Männer mitgebracht. Touristen. Sie sehen ein bisschen mitgenommen aus. Dunkle Augenringe, recht dürr und ungepflegt. So etwas mag der Professor eigentlich nicht. Aber wählerisch kann er nicht sein, da er ja nie rausgeht. Lissi bemüht sich schon sehr die Malzeiten abwechslungsreich zu gestalten. Ich finde es ganz spannend, wie die Nahrungsaufnahmen bei dem Professor ablaufen. Er macht es sehr elegant und sauber. Nicht so wie die Kreatur, wenn sie mal frisst, ist es immer ein Schlachthof.
Die jungen Männer wirken etwas angespannt. Sie wechseln die Blicke, eher einer zu dem Professor schreitet. Während dessen holt der andere sein Handy raus. Das bringt nichts, wir haben kein Netz. Und gute Bilder gibt es bei uns auch nicht, dafür sorgt der Professor schon. Der mit dem Handy stöbert in seiner Tasche und scheint etwas zu suchen. Den Professor stört es nicht. Ich weiß, dass er alles in der Spiegelung meines Auges wahrgenommen hat. Er zeigte das nur nicht. Innerlich schmunzele ich. Mögen die Spiele beginnen.
Der eine Mann, spricht den Professor an. Der Professor zeigt mit der Hand, dass der Besucher warten muss. Dann fängt er an sich langsam zu demaskieren, dabei schaltet er den Monitor nicht aus. Schön, dass ich ihm zusehen kann. Ich sehe wie der Professor seine Brille abnimmt, dann die falschen Zähne. Die Maske entfernt er sehr langsam, er rollt sie ganz vorsichtig von unten nach oben. Er legt alles in einem verzinkten Fach ab und schlisst es ein. Ich sehe mir sein Gesicht an, grau schimmernd und durchscheinend. An Stelle von Augen und Mund sind nur dunkle Höhlen zu sehen. Faszinierender Anblick. Professor dreht sich um und streckt die Hände dem Besucher entgegen. Der Mann torkelt benommen zu dem Professor und starrt ihn mir glasigen Augen an. Wie eine Fliege im Spinnennetz, musste ich denken. Keine Chance hat er. Wenn er ganz nah ist, umarmt der Professor ihn behutsam und fängt an seine Energie zu trinken. Er trinkt es langsam und bedächtig. Ich sehe die strömenden Wellen die von dem Menschen zu dem Professor fliesen. Die sehen wie blaue Flammen aus, pulsierend und funkelnd. Immer wieder ein Vergnügen, egal wie unansehnlich das Opfer ist.
Als der Professor ein paar Züge gemacht hat, macht er eine Pause. Eigentlich saugt er die nie leer aus, was sehr barmherzig ist. Die Meisten kommen etwas angeschlagen jedoch heile davon.
Eine Bewegung im Hintergrund lenkt mich ab. Na was ist da los? Der zweite Besucher versucht sich verzweifelt mit dem Internet zu verbinden. Was für ein Narr! Habe ich schon gesagt, dass ich dicht bin? Nichts dringt zu mir durch, ich bin eine Festung, und wenn man Pech hat, ein Grab. „Hast du alles drauf?“ flüstert heiser der erste Mann. „Habe ich, aber ich kann es nicht hochladen! Wir haben hier kein Netz“. Natürlich haben wir hier kein Netz, was denkst du denn? Die hatten also vor ein Video zu drehen und das im Internet zu veröffentlichen. Hofften darauf, damit berühmt zu werden! Lächerlich.
Plötzlich zuckt der Mann mit dem Handy eine Waffe aus der Tasche. Wie abgedroschen ist das denn? Genau so etwas sorgt dafür, dass die Stimmung im Keller ist. Wort wörtlich. Das mag ich gar nicht. Um die Situation zu entspannen, werde ich auf der Wand eine Botschaft erscheinen lassen. Ich überlege kurz und entscheide mich für den Klassiker „ihr werdet sterben!“, natürlich in Rot. Ich sehe, dass Lissi die Augen verdreht. Sie findet das zu theatralisch, aber ich mag das. Ein bisschen Spaß muss sein.
Während oben die Touristen in Panik geraten, öffne ich die schwere Tür im Keller, die Kreatur unten hält. Es wird nicht lange dauern, bis sie da ist. Für Lissi lasse ich fürsorglich einen Seil nach unten kommen, als sie sich daran festhält, lasse ich sie nach oben fahren. Da Lissi gut in Form ist, ist es für sie kein Aufwand. Außerdem sieht man von oben alles besser. Professor lässt sein Opfer los und erhebt sich in die Luft. Federleicht schwebt er neben Lissi als die Kreatur in den Raum stürmt.
Das Blut überströmt mich plötzlich in einem Schwall. So kann ich doch nichts sehen, was für eine Sauerei! Lissi wird bestimmt den ganzen Tag putzen müssen. Vielleicht schicke ich dem Professor die Werbung für Gummimatten und Folien, so denkt er, dass es seine Idee war. Egal, ich warte geduldig bis meinen Blick wieder frei ist. Es dauert. Eine Weile später, wenn die Schreie verklungen sind und die Kreatur sich eigenständig in den Keller verkriecht, wischt Lissi die organischen Überreste weg und ich bekomme wieder freie Sicht. Überall ist Blut, sogar auf der Decke. Das wird viel Arbeit machen Lissi. Der Professor steht aufrecht, in einer Hand hält er ein Handy. Er schaut es sich kurz an dann wirft er es in den Mülleimer. Was für ein nutzloses Zeug. Tja Lissi, was sagen wir nun mal dazu? Ende gut, alles gut?