Der Mann, der die Aufnahmen machte, rannte auf die Straße. Kurz darauf stieß er mit Dr. Maximilian Forbes zusammen. Sogleich fiel Dr. Forbes zu Boden. Er hatte den Schuss gehört und wollte nachsehen, was passiert war. Er rannte zu seinen Nachbarn, nachdem er sich wieder aufgerappelt hatte. Dorothea stand derweil erschrocken hinter der Haustür und schrie. „Um Himmels Willen, Richard.“ „Ruf verdammt noch mal die Polizei.“, flehte Richard Berger sie an. Mit zitternden Händen holte Dorothea ihr Handy aus der Handtasche. Vier Mal verwählte sie sich. Der Schock mache es für sie fast unmöglich die Polizei zu rufen. Schwer atmend und mit Tränen im Gesicht versuchte sie das Erlebte zu schildern. „Hallo? Hallo… ja, Dorothea Berger hier. Bitte… b- b- bitte kommen sie schnell. Ein Toter, ja. Ein Mann, der hat sich erschossen. Was?“ Der Beamte am anderen Ende der Leitung bemühte sich, Dorothea zu beruhigen. „Wie? Ja… Nansenring 27a. Frankfurt. Lerchersberg. Ja… Ich warte. Ok.“ Dann legte sie auf. „Die Polizei ist unterwegs, Richard.“ Er nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Alles wird gut, mein Schatz.“
„Dorothea, Richard?“, rief Dr. Forbes aufgeregt von draußen und schaute erschrocken auf den Boden zur Leiche. Richard öffnete die Tür. „War das der Typ da eben, der geschossen hat? Der hat mich umgerannt.“, schrie Maximilian und zeigte gleichzeitig in die Richtung, in der der Mann verschwand und kniete sich danach auf den Boden. Sein Blick sagte alles. „Er ist tot.“ Im Aufstehen und eine Hand ans Kinn haltend, fragte er: „Habt ihr die Pol…?“ Weiter kam er nicht. „Jajajaja… Max. Haben wir. Geh lieber an die Seite.“, stammelte Richard. Dorothea klammerte sich derweil an Richards Körper, heulte in seinen Sonntagsanzug und murmelte irgendwas vor sich her.
Es dauerte gefühlte 30 Minuten, als der Notarzt und die Polizei eintrafen. Dr. Forbes stellte sich dem Notarzt vor. „Forbes, Herr Kollege.“ „Fehrenbach, hallo. Was ist passiert?“ Beide Ärzte knieten sich hinunter. Dr. Fehrenbach hob den Kopf der Leiche sanft an und entdeckte sogleich die Austrittswunde. „Glatter Durchschuss. Tja…“, murmelte er. „Ich kann hier nichts mehr tun.“ Richard Berger teilte dem Notarzt noch mit, wie sich diese Tragödie abgespielt hatte. Die Besatzung des Rettungswagens kam derweil mit einer Decke und legte sie über die Leiche. „Danke Herr Kollege. Ich werde dann einmal die ersten Förmlichkeiten übernehmen.“ Dr. Forbes nickte, bat dann aber darum, das Dorothea ein Beruhigungsmittel bekam. „Möchtest du nicht lieber auch ins Krankenhaus, Dorothea?“, fragte er noch hinterher. „Nein, nein. Ich will bei Richard bleiben.“ „Wie du meinst. Aber bitte begib dich gleich ins Bett.“ Er umarmte Dorothea. Die Beamten der Schutzpolizei sicherten derweil den Vorgarten der Bergers mit blau-weißem Flatterband ab und sperrten die Straße nach beiden Seiten. Leise unterhielten sich die Polizisten, während einer von den insgesamt sechs auf Richard Berger zuging.
Kurz darauf traf die Kripo ein. Kriminalhauptkommissar Viktor Tannhäuser stieg aus dem Dienstwagen, seine Kollegin Katrin Gröpper folge ihm. Viktor Tannhäuser zog seinen Mantel enger um sich und ging auf die Absperrung zu. Die Stille wurde nur durch das entfernte Murmeln der anwesenden Beamten unterbrochen. „Was haben wir?, fragte er einen der Beamten, der an der Absperrung wartete. „Eine Leiche, männlich, und die 50. Kopfschuss. Näheres von Doktor. Wie immer.“ „Ja, wie immer. Danke.“ Tannhäuser klopfte dem Beamten an den linken Arm und überquerte die Absperrung. Für seine Kollegin hob der Streifenbeamte das Flatterband hoch. „Wie aufmerksam. Verbindlichsten Dank.“ schmunzelte sie. „Kletterfaul?“ „Nein Viktor. Knie.“ Er blickte mit leicht gepressten Lippen drein und atmete einmal tief durch. Dann sprach Tannhäuser den Notarzt an. „Kannste schon was sagen?“ „Ja hmm… Er starb durch einen Schuss. Gezielt durch den Mund. Laut Aussagen von Herrn Berger stand er vor der Tür hielt sich die Waffe in den Mund und drückte ab. Der Schuss war sofort tödlich. Ich habe Frau Berger noch ein Beruhigungsmittel gegeben. Bitte schont sie bei der Befragung. Der Schock. Du weißt ja. Bis dann.“ „Bis dann.“, grummelte Tannhäuser. Katrin Gröpper ging derweil auf die Bergers zu. „Guten Morgen. Kriminaloberkommissarin Gröpper. Mein Kollege hinter mir ist Kriminalhauptkommissar Tannhäuser.“ Der Beamte, der noch immer bei Richard stand, salutierte etwas locker vor Katrin. Sie zeigte ihren Ausweis, gab zuerst Dorothea und dann Richard die Hand. „Ist in Ordnung, Kollege. Danke.“ Dann zog sich der Beamte mit einem Nicken diskret zurück. „Mein herzliches Beileid.“ sagte sie im Anschluss. Dann holte sie aus ihrer Jackentasche ein Notizbuch und begann mit der Frage, was genau passiert sei. „Das waren zwei Männer die hier klingelten.“, antwortete Richard Berger. „Der zweite Mann filmte alles und lief nach dem Schuss weg. In Richtung des Waldes. Und er sagte noch, dass sie wüssten, dass wir Geld haben.“ Dr. Forbes stand neben Katrin Gröpper und unterbrach sie, bevor sie eine zweite Frage stellen konnte. „Verzeihung. Forbes. Dr. Maximilian Forbes. Ich kann ihnen Näheres zu dem Mann sagen.“ „Viktor, kommst du mal bitte? Ich hab hier einen weiteren Zeugen. Viktor?“ Tannhäuser hörte nicht richtig zu, zog sich Gummihandschuhe an und durchsuchte inzwischen den Toten. Er fand einen Ausweis, einen Führerschein und etwas Bargeld. Knapp 10 Euro. „Dawid Sobieski. Aus Offenbach.“, murmelte er. Darauf nickte er dem Notarzt zu, steckte den Ausweis und Führerschein in einen Plastikbeutel und legte die Decke wieder über die Leiche. „Komme, Katrin… komme.“ Unter einem leichten Stöhnen stand Tannhäuser auf und ging auf Katrin zu. „Einen weiteren Zeugen? Wer? Oh. Entschuldigung. Tannhäuser. Kriminalhauptkommissar.“ Dr. Forbes und die Bergers gaben ihm die Hand. „Forbes. Dr. Forbes. Ich bin ein direkter Nachbar. Der Typ rannte mich um. Ich kann ihnen den Kerl beschreiben.“ Tannhäuser blickte ernst drauf ein und nahm Dr. Forbes an die Seite. „Kommen sie. Doktor? Welche Art Doktor?“, fragte er nachdenklich. „Ja ähm… Ich bin Internist und der Hausarzt vom Ehepaar Berger.“ „OK.“ Tannhäuser presste seine Lippen zusammen. „Dann haben sie also auch den Tod feststellen können?“ „Ja.“ „Nun, dann legen sie mal los.“ Kurz bevor Dr. Forbes eine genaue Beschreibung des verschwundenen Mannes abgab, erklärter er noch, das er den Schuss hörte. „Woher wissen sie, das es ein Schuss war, Herr Doktor?“, meinte Tannhäuser. „Na hören sie mal. Eine ruhige Gegend wie diese, es ist Sonntagmorgen und viele Nachbarn schlafen noch. Ein Schuss klingt doch anders, als wenn zwei Autos ineinander krachen.“ Tannhäuser nickte. „Einleuchtend. Kennen sie den Toten?“ „Nein, nie gesehen.“ In dem Moment erschienen die Beamten der Spurensicherung. Tannhäuser drehte sich um. „Sowas, sowas. Auch schon da?, entging es ihm mit einem leichten Unterton. „Viktor.“ „Sonst noch etwas?“, fragte Richard Berger nervös auf zu Katrin. „Meine Frau… sie muss sich erst mal von dem Schock erholen. Sie entschuldigen uns bitte.“ „Hm? Ja, ja sicher doch.“ Katrin nahm inzwischen den Plastikbeutel mit den Papieren des Toten an sich. „Eine Frage noch: „Kennen sie den Toten? Dawid Sobieski heißt er.“ „Nein, Frau Kommissarin. Ich kenne ihn nicht. Du Dorothea?“ Sie schluchzte, schnäuzte sich die Nase und schüttelte den Kopf.“ Nein. Den kenne ich nicht. Ich möchte dann jetzt auch bitte gehen.“ „Hmmm, OK. Natürlich. Das wäre es fürs Erste.“, antwortete Katrin. „Wir kommen auf sie zurück. Und gute Besserung Frau Berger.“ Katrin schüttelte beiden die Hände und wandte sich Tannhäuser zu. Richard Berger schloss derweil die Tür hinter sich.
Die Kommissare gingen danach auf die Straße und überließen den Tatort der Spurensicherung. „Komische Geschichte, findest du nicht auch? Viktor?“ Nach kurzem Nachdenken sah Tannhäuser ihr ins Gesicht „Ja. Irgendwie. Wie kommt man auf so eine Idee, bei jemandem zu klingeln und dann damit zu drohen sich umzubringen? Noch dazu bei jemandem, der, wie ausgesagt wurde, viel Geld hat, so wie die Bergers? OK, diese Gegend ist schon recht ähm… ein besseres Viertel, das gebe ich zu. Und wieso hat der zweite Mann alles gefilmt?“ „Vielleicht wollte er damit was beweisen. Nur was? Katrin Gröpper räusperte sich. „Auf den ersten Blick ist es erst mal kein Mord im klassischen Sinne, Katrin. Ich meine, der Mann hat sich selbst erschossen. Erinnert mich irgendwie an Agatha Christies - Ein Mord wird angekündigt -.“ „Viktor, du ließt zu viele Krimis. Das hier ist Realität. Warten wir ab, was die Obduktion ergibt.“ „Ja. Warten wir es ab.“ Dann kam Dr. Forbes auf die beiden Kommissare zu. „Entschuldigung. Sie brauchen mich nicht mehr, oder?“ „Oh Herr Dr. Forbes. Nein, im Moment nicht. Aber sie müssten dann später noch einmal ins Präsidium kommen, damit wir ihre Aussage protokollieren können. Kriminalinspektion 10. Erster Stock, Zimmer 25. Adickesalle 70. Sie bekommen dann eine Nachricht von uns, wann sie erscheinen sollen.“, sagte Viktor Tannhäuser, gab Dr. Forbes die Hand und eine Visitenkarte. „Tja, also… einen schönen Sonntag noch, die Herrschaften.“ Auch Katrin gab ihm die Hand. „Auf Wiedersehen. Herr Doktor.“
Dann ging Dr. Forbes kopfschüttelnd und langsamen Schrittes zurück zu seinem Haus. Die Kommissare schauten ihm noch so lange hinterher, bis Dr. Forbes die Tür hinter sich schloss. „Ich gehe noch mal eben zu den Bergers. Die müssen wir ja auch noch später vorladen.“, sagte Katrin und lief auf die Haustür zu. „Dann werde ich mal die Kollegen informieren und eine Fahndung einleiten. Auch was das Opfer angeht, frage ich mal nach, ob er polizeibekannt ist. Bin mal gespannt, wann und ob wir den zweiten Typen kriegen. Und was die Obduktion ergibt.“ Nachdem Katrin Gröpper auch den Bergers Bescheid gegeben hatte, wandte sie sich wieder Tannhäuser zu. „Frau Kommissarin?“, rief einer der Beamten der Spurensicherung. „Hier, das Projektil. Augenscheinlich Kaliber 9 mm.“ Er hielt das Projektil mit einer Pinzette fest und legte es in einen Plastikbeutel. „Danke Kollege. Viktor? Die Spurensicherung hat gerade das Projektil gefunden.“ „OK. Dann ab damit ins Labor.“ Katrin übergab die Beutel mit dem Projektil und den Papieren dem Beamten. Tannhäuser hielt sich derweil seine rechte Hand an den Bauch uns sagte: „Und wir beide, wir machen uns jetzt auch langsam auf den Weg. Die Fahndung läuft. Und über Dawid Sobieski hab ich auch noch keine neuen Infos. Wie wäre es mit einem Kaffee? Und Wecken?“ Ihren rechten Zeigefinger auf Tannhäusers Gesicht gerichtet, sagte sie: „Auf deine Rechnung, Viktor.“
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